Post on 30-Oct-2019
transcript
Photodermatologie
Sommer, Sonne, A lergieWas steckt hinter einer,,Sonnenallergie"? Prof. Dr. Adrian Tanew, der an
der Universitätsklinik für Dermatologie am AKH Wien die photodiagno-
stische, phototherapeutische und die Psoriasis Ambulanz leitet, spricht
über Diagnose und Therapie der Polymorphen Lichtdermatose.
Hautnah: Welche Erkra nkungen werden
umgangssprachlich als,,Sonnenallergie"
bezeichnet?
Tanew: Salopp verwendet können mitder Bezeichnung,,Sonnenallergie" meh-
rere Erkrankungen gemeint sein, in acht
von zehn Fällen versteckt sich aber diePolymorphe Lichtdermatose (PLD) hin-ter dem Begriff.,,Polymorph" bedeutetdass die Reaktion auf Licht prinzipiellvielgestaltig sein kann und eine,,Licht-
dermatose" ist eine Hauterkrankung, die
durch Licht hervorgerufen wird.Vom Charakter her hat die PLD Ahn-
lichkeit mit einer allergischen Reaktion:
Sie tritt in der Regel verzögert aul dieBetroffenen berichten von einem Aus-
schlag, der sich einige Stunden bis zwei,
drei Tage nach erster, stärkerer Sonnen-
bestrahlung an bis dahin wenig be-strahlten Hautarealen manifestiert.
Manchmal wird auch Mallorca-Akne,
eine Akne-ähnliche Hauterkrankungnach Sonnenexposition, fälschlicher-weise Sonnenallergie genannt. Dane-ben gibt es noch einige andere, selte-nere Photodermatosen, die mituntermit einer PLD verwechselt werdenkönnen.
Hautnah: Wos sind die chorokteristischen
Symptome der PLD?
lungtu:-Typisch für die PLD ist der Cre-
scendo-Verlauf: Die Reaktion steigertsich zunächst, erreicht dann ein Plateau
und heilt innerhalb wenigerTage vonselbst ab - außer der Betroffene setztsich erneut der Sonne aus. Auch dasVer-
teilungsmuster ist charakteristisch. Häu-
fig sind Dekollet6-Bereich und dieAußenseiten der Oberarme betroffen,das Gesicht wird - außer bei Kindern -
seltener in Mitleidenschaft gezogen. Bei
den subjektiven Symptomen ist derJuckreiz fast immer das herausragende
Merkmal. Frauen leiden wesentlich häu-
figer an einer PLD als Männer - auf sie-
ben betroffene Frauen kommtein Mann
mit PLD. DieseVerteilung ist in allen Län-
dern Mitteleuropas konstant.
Hautnah: Wie unterscheidet sich die PLD
von der Licht-Urtikoria?
Tanew: Die Licht-Urtikaria kann man zu-
meist schon durch die Anamnese vonder PLD abzugrenzen. Einsetzen der Re-
aktion, zeitlicher Verlauf, Verteilungs-muster und Morphologie zeigen deut-liche Unterschiede. lm Gegensatz zurPLD hat die Licht-Urtikaria einen akute-ren Verlauf. Die Haut reagiert innerhalbweniger Minuten nach Sonnenexposi-
tion. Die Läsionen sind äußerst kurzlebig
und bilden sich innerhalb von Stunden
zurück. Die Hautveränderungen jucken
zwar auch, manifestieren sich aber als
Quaddeln - im Unterschied zu den klei-
nen Knötchen oder, seltener, Bläschen,
die bei der PLD auftreten. Auch dasVer-
teilungsmuster ist anders: Die Quaddelnkönnen überall dort auftreten, wo dieHaut Licht ausgesetzt ist.
Hautnah: Wos kennzeichnet eine photo-
toxische Reoktion?
Tanew: Eine phototoxische Reaktion
sieht aus wie ein Sonnenbrand und ist
scharf begrenzt. Zu einer phototoxi-schen Reahion kommt es, weil die Licht-
empfind lichkeit der Patienten aufgrundvon - meist oral eingenommen - Medi-kamenten erhöht wurde. Bei Sonnen-expositionszeiten, die unter gewöhnli-
chen Umständen problemlos vertragen
werden, reagiert die Haut mit einemSonnenbrand, weil sie durch bestimmteMedikamente lichtempfi ndlicher wurde.
Klassisches Beispiel sind Diuretika,die oft in Kombination mit Herzmittelnverabreicht werden. Diese Kombina-tionspräparate enthalten zumeist Hyd-
rochlorothiazid, eine von vielen Subs-
tanzen, die in der Lage ist, eine photo-toxische Reaktion auszulösen. Aberselbst wenn ein Medikament theore-tisch das Potential hat, eine phototoxi-
sche Reaktion hervorzurufen, treten der-
artige Reaktionen in der Praxis nicht so
häufig auf. Von einer Sonnenallergie ist
die phototoxische Reaktion jedenfalls
klar abzugrenzen.
Hautnah: Könn en auch Nahrungsmitteleine phototoxischen Reaktion quslösen?
Tanew: Das ist extrem selten der Fall
und unter normalen Voraussetzungenpraktisch auszuschließen. Es wird dis-
kutiert ob Johanniskrautextrakt in sehrgroßen Mengen eine phototoxische Re-
aktion verursachen kann. Früher wurdenauch Süßstoffe verdächtigt, phototo-xisch zu wirken. Nach neueren Erkennt-
nissen lässt sich aber kein Zusammen-hang zwischen Süßstoffen und photo-
toxischen Reaktionen herstellen.
Hautnah: Wie wird die photoallergische
Reaktion definiert?
Tanew: Die phototoxische und die pho-
toallergische Reaktion sind zwei grund-sätzlich verschiedene Reaktionsmuster.
Eine photoallergische Reaktion ist eineReaktion des lmmunsystems, die sich
klinisch wie ein allergisches Ekzem äu-
ßert. lm Vergleich zur phototoxischen
Reaktion entwickelt sich die photoaller-gische Reaktion langsamer, ist nichtscharf begrenzt, juckt in der Regel undtritt viel seltener auf als phototoxischePhänomene.
Hautnah: Basiert die PLD ouf einer pho-
toa I I e rg i sch e n Re akti on?
Tanew: Die Polymorphe Lichtdermato-se hat Ahnlichkeit mit einerallergischen
Reaktion, ein konkretes Allergen wurdebisher aber nicht identifiziert. Grund-
a@
=-.dooo
E@oo
Prof. Dr Adrian Tanew
6 | nautnarr 2.2014
sätzlich gilt bei allen sonnenlichtvermit-telten Hauterkrankungen: Elektromag-
netische Strahlung triftauf die Haut und
wird absorbiert. Dadurch wird Energie
freigesetzt, die photochemische Reak-
tionen induziert. ln der Mehrzahl sind
diese Reaktionen sauerstoffabhängig.ln der Folge entstehen in der Haut che-misch veränderte Moleküle bzw. Oxida-
tionsprodukte, die allergische Reaktio-
nen auslösen können. lm Fall der solaren
Urtikaria kann das zu einer allergischen
Sofortreaktion, im Fall der PLD zu einerverzögerten Reaktion führen.
Hautnah: Grbtes U nterschiede i m Verlauf
zwischen PLD und Lichturtikaria?
Tanew: Die PLD tritt üblicherweise im
ersten oder zweiten Lebensjahrzehntauf, die Licht-Urtikaria manifestiert sich
meist erst im frühen bis mittleren Er-
wachsenenalter. Sowohl PLD als auch
solare Urtikaria können überJahre undJahrzehnte bestehen bleiben. lrgend-wann, aber das lässt sich nicht individu-ell vorhersagen, können beide Erkran-
kungen auch spontan wieder abklingen.
Der Krankheitsverlauf ist bei der PLD in
der Regel länger und hartnäckiger. Die
Lichtempfi ndlichkeit dagegen kann bei
der solaren Urtikaria so stark ausgeprägt
sein, dass auch eine alltägliche Sonnen-
exposition, im Extremfall auch im Winter,
zu starken Beschwerden führen kann.
Hautnah: Konn eine Photodermatoseakut geföhrlich werden?
Tanew: Wer an ausgeprägter solarerUrtikaria leidet und sich, etwa imSolari-
um, selbst,,abhärten" will, setzt sich mitgroßer Wahrscheinlichkeit genau derStrahlung aus, die für die urtikarielle Re-
aktion verantwortlich ist.Wird dann derganze Körper bestrahlt, kann das einen
anaphylaktischen Schock auslösen.
Hautnah: Gibt es einen Zusammenhang
zwischen Umweltverönderungen undPhotodermatosen?
Tanew: Bei Hautkrebs g'rbt es einen kla-
ren Zusammenhang. bei Photoderma-tosen sind dazu keine kontrolliertenDaten bekannt.
Hautnah: tzVelch er Well enlöngenbereich
ko n n ei ne Photoderm atose o usl ösen?
Tanew: Bei den meisten Photoderma-tosen ist der auslösende Wellenlängen-bereich nicht das kurzwellige UVB-Licht,
das in erster Linie für den Sonnenbrand
verantwortlich ist, sondern das länger-
wellige UVA-Licht und teilweise auch
das sichtbare Licht.
Menschen, die an einer Photoderma-
tose leiden, brauchen daher Lichtschutz-
mittel mit einem hohen Sonnenschutz-
faktor, die außerdem möglichst vor demgesamten Spektrum der UV-Strahlung
schützen. Die modernen, hochqualita-tiven Lichtschutzmittel entsprechen die-
sen Anforderungen bereits.
Hautnah: Leiden Menschen mit Photo-
dermatose vermehrt an einem Vitamin-
D-Mangel?
Tanew: Je konsequenter das Sonnen-
licht gemieden wird, umso eher kann
natürlich ein Vitamin-D-Mangel auftre-ten. Studien weisen jedoch darauf hin,
dass es unter,,normaler'1 durchschnitt-licher, Anwendung von Sonnenschutz-
mitteln zu keinen Vitamin-D-Mangelzu-ständen kommt. lm Übrigen lässt sich
Vitamin-D leicht supplementieren.
Hautnah: Wos beinhaltet die Akuttheropie der PLD?
Tanew: Bei der Akuttherapie der PLD
kommen Kortikosteroide zum Einsatz.
Die topische Applikation ist in der Regel
ausreichend, aber auch eine kurzzeitige
systemische Gabe ist möglich. Außerlich
angewandte Kortikosteroide sind, rich-
tig und kurzzeitig angewandt, neben-wirkungsfrei. Die historischen Neben-wirkungen wie Hautverdünnung etc.
treten bei kurzzeitiger Anwendung be-ziehungsweise bei Verwendung moder-ner Kortikosteroide - zum Beispiel Met-hyl prednisolonaceponat, Mometason-furoat - nicht auf.
Gegen den Juckreiz werden Antihis-taminika verabreicht. Bei der solarenNesselsucht sind Antihistaminika zen-
traler Bestandteil der Therapie.
Hautnah: Welche Methoden der Pröven-
tion gibt es?
Tanew: Primäre Maßnahme ist dieWahl
des richtigen Sonnenschutzmittels mitdem höchsten Schutzfaktor, eventuellbegleitet von oralen Antioxidantien wieHeliocare ultra'. Korrekt angewandt ist
dieses Vorgehen in der Hälfte der PLD-
Fälle ausreichend.
Die übrigen Patienten profitieren zu
einem großenTeil von einervierwöchi-gen Vorbestrahlung mit künstlichem
Sonnenlicht (Schmalband-UVB Photo-therapie), einem so genannten Photo-Hardening. Das ist im Prinzip eine De-
sensibilisierung der Haut mit gering do-siertem UV-Licht. Bestrahltwird drei Mal
pro Woche, insgesamt 1 2 Mal. Das Pho-
to-Hardening isteinfach und extrem gut
verträglich. ln schwierigen Fällen gibt es
noch andere Methoden der präventiven
Therapie, die sollte aber ein Spezialist
mit dem Patienten besprechen.
Vitamin E und Kalzium wurden überJahre und Jahrzehnte leidenschaftlichverabreicht, haben aber keine Wirkung.Einzig zu dem antioxidativ wirkendenPolypodium leucotomos-Extrah gibt es
Studien, die eine Wirksamkeit bei PLD
belegen. Auch bei der solaren Urtikariakönnen Patienten von einer medizini-schen UV-Bestrahlung profitieren.Reicht das nicht aus, gibt es Möglich-keiten der lmmunmodulation, die aberebenfalls von Spezialisten durchge-führt werden sollen.
Bei unklar gelagerten Photoderma-tosen besteht auch die Möglichkeit der
Überweisung an die photodiagnosti-sche Ambulanz am Wiener AKH oderan die Grazer Universitätsklinik, woSymptome erhöhter Lichtempfi ndlich-keit auch apparativ abgeklärt werdenkönnen.
Ein abschließenderTipp vor dem Be-
such einer photodiagnostischen Am-bulanz oder des Hautarztes: Die Der-
matologie ist ein stark visuelles Fach.
Da die Beschwerden bei der Konsulta-
tion des Facharztes oft schon abgeklun-gen sind, ist es sehr hilfreich, wenn derPatient seine Hauterkrankung im aku-ten Stadium fotografisch dokumentiertund diese Bilder zum Arztbesuch mit-bringt. Das Gesp röch führte Tanja Fabsits
Diesen Artikel
finden Sie auch
online unter
www.springermedi-
zln.atldermatologie
Der QR-Code für
Handy und Tablet-
Computer bringt Sie
bequem und direkt
zum Beitrag.
E
hautnah ,...rl'tO I 7