Post on 05-Apr-2015
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“Reise, Reise” oder: “Wohin soll
denn die Reise gehen?”
Interkulturell reisen mit Rammstein!
Holger Steidele (Yeungnam University)
Reise Reise
• Eine Fremdsprache zu lernen heißt eine Reise machen in eine fremde Gedankenwelt
• Ziel: ‘Interkulturelle Kompetenz’
• a) Wie verstehen Menschen einer bestimmten Sprachgemeinschaft die Welt?
• b) Wie machen sie die Welt sprachlich fassbar?
• c) Wie nutzen sie die Kommunikation als Mittel zur Beeinflussung? (→ Keller 1988)
Reise Reise
• Die Lebenswelt eines Menschen ist stets ‘konkret’, ‘kulturell-determiniert’ (→ Steidele 2010), aber es sind die “gleichen Strukturen der sprachlichen Intelligenz […], die sich in vielfältiger Form in den Sprachen der Welt ausdrücken” (Raster 2008) (→ ‘Interkulturelle Linguistik’)
Reise Reise
• Fremde Lebenswelten müssen erfahrbar gemacht werden über Inhalte, die nicht belanglos sind, sondern zu einem entnationalisierten eigenkulturellen sowie empathischen fremdkulturellen Verständnis führen.
Reise Reise
• Rammstein: Faszination oder Horror?
• Wie kann mit Rammstein eine ‘Interkulturelle Kompetenz’ aufgebaut werden?
Till Lindemann
Reise Reise
• These:
• Die Gruppe Rammstein eignet sich für den Deutschunterricht deshalb besonders gut, weil sie als Augenöffner fungieren kann,
• a) das eigene ‘kulturell-determinierte’ Weltwissen zu erkennen; und
• b) dadurch die Voraussetzung dafür zu schaffen, interkulturell sensibilisiert zu werden
Reise Reise
• Problemlage in Korea:
• a) Koreanische Studierende betrachten ihr Heimatland als eine Insel, die sich vollkommen von anderen Kulturen etc. unterscheidet
• b) Sie erwarten das Gleiche von anderen Ländern wie Deutschland
Reise Reise
• → Stereotype → Bestätigung → Stereotype oder:
• → Stereotype → Enttäuschungen → Irritationen durch Unverständnis → Stereotype (Glorifizierung der Fremdkultur oder Rückzug auf Eigenkultur)
Reise Reise
• Vorgehensweise:
• a) Provozierte Erkenntnis durch Enttäuschung, dass die eigene Weltsicht ‘kulturell-determiniert’ und defizitär ist
• b) Offenkundige Kontraste zur eigenkulturellen Weltsicht → ernsthafte Beschäftigung mit gesellschaftlichen Funktionen der inszenierten Provokation
Reise Reise
• Rammstein:
• Interkulturelle Entdeckungsreise in die deutsche Gesellschaft und ihren gegenwärtigen Zustand am Limit des gesellschaftlichen Mainstreams
Reise Reise
• Radikalisierend und polarisierend durch:
• a) Musik und Gesangstil
• b) Musikvideos
• c) Liveauftritte
• d) Texte
Reise Reise
• Inszenierung, die aus koreanischer Perspektive verstören und fragen lassen muss:
• a) synchron nach der Einbettung von Rammstein in den Kontext der deutschen Gegenwartsmusik und den Zustand und die Diversifikation der Gegenwartsgesellschaft
Reise Reise
• b) diachron nach der Entwicklung der musikalischen Ausdrucksmittel und der Entwicklung der dt. Gesellschaft im Kontext von Kommunikation und Sprache
• → ernsthafte Auseinandersetzung damit, welche Funktion der inszenierten Provokation zukommt, welche Inhalte hinter den Provokationen stecken
Reise Reise
• Rammstein als Phänomen in Text, Bild und Darstellung im gesellschaftlichen Kontext
• Es geht damit NICHT allein um sprachliches Wissen, NICHT darum, Monotonie im Unterricht mittels Musik zu durchbrechen und NICHT darum, Werbung für Deutschland zu machen etc.!
Reise Reise
• Das “Böse” durchzieht die Lieder Rammsteins und zeigt menschliche Abgründe auf, oftmals aus der Perspektive des ‘Ich’:
• - als Täter (Psychopath, Kannibale, Jäger, Mörder, Kapitalist, Zerstörer etc.)
• - als Opfer (der Gesellschaft, der Ausgrenzung, der Abhängigkeit, der Liebe etc.)
Reise Reise
• oder in betrachtender Perspektive an Themen wie Vergewaltigung, Umweltzerstörung, Pädophilie, Kulturimperialismus etc. (→ Gesellschaftskritik)
Reise Reise
• Textbeispiele
• a) Fürchte kein Unglück, keine Qual / Ich bin bei dir und halte dich / Ich halte dich / In der Dunkelheit (“Wiener Blut” in L 2009)
• b) Er ist ohne Weib geblieben / So muss er seinen Nächsten lieben (“Halleluja”, 2001)
• c) Tiefe Wasser sind nicht still (“Rosenrot” in RO 2005)
Reise Reise
• Projektarbeit
• a) Selbständiger Part der Studierenden in einer Lerngemeinschaft
• b) Eigenes Entwickeln und Steuern des Gegenstandsbereichs
• c) Außenperspektiven eröffnen (z.B. durch Gastbeiträge)
• d) Relevanz durch Benotung
Reise Reise
• Interkulturelle Sensibilisierung
• - Lehrbuchtexte verdecken hinter den Texten Stehendes, bevorzugen eine beschönigende Darstellung (Beispiel: Schritte int. 6: “ehrenamtliche Tätigkeiten”)
• - Authentische Texte: Interessenbezogenheit, Zielpublikum etc. erfordern breites Hintergrundwissen, Weltwissen etc.
Reise Reise
• Authentische Texte (Bilder etc.), die offensichtlich provokativ sind, können helfen, die Augen zu öffnen und unter/hinter die Oberfläche zu schauen
• → um später auch bei scheinbar neutralen, klaren Texten hinterfragen zu können: in Bezug auf die fremde Kultur UND die eigene Kultur
Reise Reise
• Literatur
• Keller, Rudi (1988): Zu einem evolutionären Sprachbegriff. In: Harald Thun (Hg.): Energeia und Ergon. Sprachliche Variation – Sprachgeschichte – Sprachtypologie. Bd.II: Das sprachtheoretische Denken Eugenio Coserius in der Diskussion (1). Tübingen. 143-158.
• Raster, Peter (2008): Grundpositionen interkultureller Linguistik. Nordhausen.
• Steidele, Holger (2010): Sprachkompetenz – Sachkompetenz. Ihre Interdependenz und Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht. In: Deutsch als Fremdsprache in Korea 26. 125-151.