Post on 18-Aug-2019
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Nichtmedikamentöse Schmerztherapie
Dipl.-Psych. Katja Welsch
Gliederung Bausteine einer multimodalen Schmerztherapie
– Bewegungstherapie – Balneo-physikalische Maßnahmen – Einschub: Akupunktur/TENS/Osteopathie – Biofeedback – Psychotherapie
– Ziele – Inhalte
– Entspannungsverfahren - PR -- Tai Chi – Autogenes Training -- Qigong – Medizinische Hypnose -- Imaginationsübungen
Bausteine eines multimodalen Therapiekonzepts
• Medikamentöse Therapie nach WHO-
Schema • Bewegungstherapie • Balneo-physikalische Maßnahmen • Psychotherapie • Entspannungsverfahren
Wieso multimodal?
Bewegungstherapie • Therapie chron. nicht-tumorbedingter
Schmerzen ist ohne Bewegung nicht möglich! • Bsp: Physiotherapie, Aquajogging, mediz.
Trainingstherapie, Funktionstraining, Nordic Walking,…
• Bei manchen Krankheitsbildern höchste Evidenz (aerobes Ausdauertraining - Migräne, FMS)
• Auch beim chron. unspezifischen Rücken-schmerz: kontrollierte BT unerlässlich (www.backpaineurope.org)
Bewegungstherapie • Keine standardisierte Empfehlung möglich • Gemeinsam mit Pat. erarbeiten • Kombination „aktiver“ & „passiver“
Maßnahmen • Einzel- vs. Gruppensetting (Ökonomie) • Gute Effekte: Bewegungstherapien im
Wasser • Langfristig günstig: hohe Selbstständigkeit
des Pat.
Rolle der Bewegungstherapie im Teufelskreislauf des Schmerzes
Bewegung: löst Muskelspannung, reguliert Fehlbelastungen, entspannt bei seelischen Belastungen
Balneo-physikalische Maßnahmen
• Jegliche Formen von Bädern (Stangerbad, Solebad, Moorbad,…)
• [eigentlich auch Trinkkuren und Inhalationen]
Balneo-physikalische Maßnahmen
• Wärmetherapie, idealerweise als feuchte Wärme – Infrarotkabine, Haslauer Liege, Kirsch-
kernkissen… – Bei nahezu allen Schmerzen indiziert
à Entspannung der Muskulatur à Bessere Durchblutung, Abbau algogener
Substanzen
Balneo-physikalische Maßnahmen
• Kältetherapie – Eisbeutel, Kältespray, Kältekammer (-60 bis
-110 Grad)
– Bei Bänder-, Gelenks- & Muskel-verletzungen, verschleißbedingten Gelenks- & Wirbelsäulenerkrankungen, spastischen Muskelverspannungen oder Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
Balneo-physikalische Maßnahmen
• Effekte von Kältetherapie à Hemmung des Schmerzreizes à Abschwellende Wirkung à Hemmung der Entzündungsreaktion à Reduktion der Muskelspannung à Gefäßkontraktion (blutungsstillend)
Rolle der balneo-physikalischen Maßnahmen im Teufelskreislauf
des Schmerzes
Löst Muskelspannung, Entspannt bei seelischen
Belastungen
Akupunktur/Akupressur/Moxibustion
• entstammt der TCM • Manipulation bestimmter Punkte • In der Wissenschaft kontrovers diskutiert • GERAC-Studien à Akupunktur bei
Rückenschmerzen (LWS) & chron. Ge-lenkschmerzen (Knie) Teil der Kassen-leistung
• Bei Migräne kein Vorteil ggüber Placebo
TENS-Therapie • Transkutane elektrische Nerven-
stimulation • Niedrigfrequente Reizstromtherapie • Ziel: Verringerung der Schmerz-
weiterleitung ins Gehirn (Gegenirritation) – Hemmung schmerzleitender Bahnen – Heraufsetzen der Schmerzschwelle
• Für einige Erkrankungen Krankenkassen-leistung
• Vorteil: Pat. kann selbstständig üben
Epidurale Rückenmarksstimulation
Osteopathie • Ganzheitliches Konzept – Muskulatur,
Gelenke, Gefäß- & Nervensystem • Suche nach Ursachen, Selbstregulation
des Körpers in Gang setzen • Manuell – über die Hände • Teilweise unterschiedliche Begriffe
(Chiropraktik, manuelle Therapie, …) • Mittlerweile Kostenerstattung durch einige
KK • Vorsicht bei vorgeschädigten Strukturen!
Biofeedback • Autonome Körperprozesse, die normaler-
weise nicht, oder nur begrenzt wahrnehm-bar sind, werden abgebildet & rückge-meldet
• Pat. sollen lernen, körperl. Prozesse willentlich zu steuern & damit zu ver-ändern
• Verschiedenste Formen der Rückmeldung möglich
Biofeedback • Chron. Schmerzen - erste Anwendungs-
gebiete (EMG-Muskelspannung) • Studien zeigen Wirksamkeit bei vielen
Schmerzsyndromen • Integration in multimodales Programm, bei
leichten Beschwerden aber auch alleine möglich
• Teilweise reichen wenige Sitzungen • Mittlerweile auch tragbare Geräte
Biofeedback - Ziele • Veranschaulichung des Zusammenhangs
körperlicher & psychischer Prozesse à Entwicklung eines bio-psycho-sozialen
Krankheitsmodells & Förderung der Therapie- motivation
• Verdeutlichung hoher Spannungszustände • Verbesserung der Körperwahrnehmung • Unterstützung von Entspannungstraining
à Über Kontrolle des Körpers kann auf den Schmerz eingewirkt werden
à Selbstwirksamkeit steigt
Psychotherapie
• Verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie zeigt hohe Wirksamkeit in der Behandlung chronischer Schmerzen
Ziele von Schmerz-bewältigungsprogrammen
Dysfunktionale Gedanken erkennen & bearbeiten
– Fördern Schmerzerleben & Hilflosigkeit – Bspw. Katastrophisieren („Alles wird immer
schlimmer.“ „Ich halte das nicht aus.“) – Besonders wichtig: Erleben von
Kontrollverlust à Hoffnungslosigkeit à kann generalisieren à Angst & Depression à fördert Schmerzerleben
Ziele von Schmerz-bewältigungsprogrammen
Psycho-physiologische Aktivierung durch Stressoren vermindern
– Häufiger Teufelskreis: Stress à Muskelspannung à Schmerz à Minderung des Wohlbefindens
– Langfristige Stressoren à dauerhaft hohe Muskelspannung, kann zu mangelhafter Durch-blutung & Ausschüttung schmerzverstärkender Substanzen führen
– Bearbeiten der Stressoren – Entspannungstraining
Ziele von Schmerz-bewältigungsprogrammen
Förderung von Wohlbefinden & Aktivität trotz Beschwerden, Reduktion der Beeinträchtigung
– Kurzfristig entlastet Vermeidung von Aktivität – Langfristig erhöhtes Risiko für soz. Isolation,
Reduktion des SWG & Depression – Je mehr schmerzbezogenes Verhalten, desto
weniger schmerzinkompatibles Verhalten – Funktionales Verhalten soll aufgebaut
werden, v.a. durch körperliche & soziale Aktivitäten
Elemente eines Schmerzbewältigungstrainings - Psychoedukation – Verhaltensanalyse und Selbstbeobachtung – Problemlösetraining – Aufmerksamkeitslenkung & Genusstraining – Regulation von Aktivitäten – Adaption an neue Situation – Entspannungstraining
– Komorbiditäten!
Psychoedukation • Bio-psycho-soziales Krankheitsmodell • Akute vs. chron. Schmerzen • Schmerzgedächtnis, neuronale Plastizität • Sensorische & affektive Schmerzverarbeitung • Schmerzhemmung • Aufmerksamkeit & Schmerz • Stress & Schmerz • Muskelspannung & Schmerz • Multimodale Schmerztherapie - Bausteine
• Im Rahmen der Edukation: • Schmerztagebuch bzw. Wohlfühltagebuch à Zusammenhang Schmerz – Aktivität –
seelisches Befinden
Verhaltensanalyse • Auslösesituation
– Aufdringliche Mitpatientin, nutzt mich als „Mülleimer“ • Reaktion des Körpers
– Anspannung im Schulterbereich, Schwitzen, Gefühl von Starre
• Gedanken – „Ich will hier weg! Das ist mir zuviel!“ – „Stell dich nicht so an, die Arme hat sonst niemanden!“
• Gefühle – Wut auf mich selbst, Hilflosigkeit, Wut auf die Mitpatientin,
Mitleid • Verhalten
– Sitzengeblieben, weiter zugehört • Konsequenzen
– Mehr Schmerz, Ärger über mich selbst
Verhaltensanalyse
• Ziel: Identifikation von Mustern /problematischen Verhaltensweisen & Erarbeitung & Üben von Alternativ-verhalten
Genusstraining Warum? Häufig dominieren negative Erlebnisse,
Empfindungen & Gedanken den Alltag è Verschiebung zu positiven Erlebnissen
notwendig è Lernen, belastende Gedanken kurzfristig
auszuschalten und im „Hier und Jetzt“ zu bleiben
è Erlauben von Belohnung Warum funktioniert es? Aufmerksamkeit kann
immer nur an einem Punkt sein!
Regulation von Aktivitäten • Chronifizierungsrelevante Persönlich-
keitstypen: – „Ängstliche Vermeider“: Katastrophisieren, Hilf-
und Hoffnungslosigkeit, inadäquates Schon- & Vermeidungsverhalten
– „Fröhliche Durchhalter“: Patienten, welche die „Zähne zusammen beißen“, sich nicht entspannen & keine Belastungsgrenzen akzeptieren können, sich permanent überfordern & für unersetzlich halten. 150 %ig…
è Schmerz als einziges Regulat der Aktivität
Adaption an neue Situation
• Realistische Ziele • Grenzen akzeptieren • Neues Selbstbild • Durch Schmerz entstehen psycho-soziale
Probleme, die angegangen werden müssen
• Paargespräche (sekundärer Krankheits-gewinn)
Rolle PT im Teufelskreislauf des Schmerzes
Psychotherapie: Bearbeitung seelischer Belastung, die zu Muskelspannung führt
Entspannungsverfahren • Sehr wichtig, da Stress & Anspannung
Schmerzstärke modulieren • Schulung von Körperwahrnehmung • Sich Ruhe gönnen, „Zeit für mich“ • Schmerzpausen, Kraft tanken • Kosteneffektiv, ohne NW, jederzeit
einsetzbar à Selbstwirksamkeit • So oft wie möglich anzuwenden
Progressive Relaxation • Pat. werden aufgefordert, nacheinander verschiedene
Muskelgruppen anzuspannen, nach kurzer Zeit wieder zu lockern & ihre Aufmerksamkeit auf die Muskulatur zu fokussieren
• Durch Wechsel Anspannung & Entspannung gleitet der Körper in wohligen Entspannungszustand
• Ziel: Spannungszustände früher wahrnehmen & rechtzeitig gegensteuern, dauerhafte Reduktion von Stressfolgen
• Studien: breiter Anwendungs- & Wirkungsbereich: • „Traditionelle“ Anwendungsgebiete: Angsterkrankungen,
Spannungskopfschmerzen, Schlafstörungen sowie Stressreduktion • Therapie chron. Schmerzen - PR im Rahmen von Schmerzbe-
wältigungsprogrammen • Effizienz der PR, z.B. Erhöhung der Lebensqualität bei
körperlichen Erkrankungen & Reduktion Blutdruck sowie Herzrate
Autogenes Training • Basiert auf Autosuggestion • Induktion von Wärme & Schwere, Achten
auf gleichmäßige, ruhige Atmung à Entspannungsreaktion à Wie bei der PR zahlreiche Wirkungs-
nachweise
Medizinische Hypnose • Hypnose hat als therapeutisches Verfahren eine lange
Tradition • hypnotischer Trancezustand wird vom Patienten als
Tiefentspannung empfunden, „traumartig“, Aufmerksamkeit nach innen gerichtet, Realität tritt in den Hintergrund, Denken eher in Bildern
• Suggestionen werden in Trance leichter angenommen & können für Heilungsprozesse benutzt werden
• Suggestionen öffnen Zugang zu verborgenen Fähigkeiten & unbewussten Potentialen
• Die psychotherapeutische Anwendung der Hypnose wird als "Hypnotherapie" bezeichnet, im medizinischen Bereich spricht man von "Klinischer Hypnose", im zahnärztlichen Bereich von "Zahnärztlicher Hypnose"
Medizinische Hypnose • Physiologische Veränderungen unter Hypnose: – Reduktion von Muskelspannung, Herzfrequenz & Blutdruck, regelmäßigere & langsamere Atmung, veränderte Aktivierung bestimmter Hirnareale, Abnahme des Stresshormonspiegels, Veränderungen im Blutbild sowie geringere Aktivierbarkeit von Reflexen – Hypnose ist vor allem in der Lage, physiologische Stressreaktionen zu beeinflussen è Dadurch wirksame Behandlung von Erkrankungen, die durch psych. Belastung verursacht oder beeinflusst werden
Medizinische Hypnose • Laut Forschungsgutachten der Bundesregierung zur Psycho-
therapie gehört Hypnose zu den 5 erfolgreichsten & am besten untersuchten Therapieverfahren. Nachgewiesene Effekte für:
• Ängste • psychosomatische Störungen • akute & chronische Schmerzsyndrome, einschl. Krebsschmerzen
• Im Rahmen der evidenzbasierten Medizin erfüllt Hypnose die höchsten Wirksamkeitskriterien bei akuten Schmerzen & bei der Behandlung postoperativer Komplikationen
– Bei chron. Schmerzen aufgrund körperlicher Erkrankungen wirkt Hypnose wie ein Medikament, d.h. nur bei regelmäßiger Selbstanwendung (1-3 mal/Woche)
– Wie bei jeder anderen Psychotherapie ist für den Therapieerfolg die Bereitschaft zur Zusammenarbeit & Eigenaktivität des Patienten mitentscheidend!
– Über alle Anwendungsbereiche hinweg liegt die Erfolgsquote von Hypnotherapie im Mittel bei rund 70% (anderen Therapieverfahren mindestens ebenbürtig).
Tai Chi • „Chinesisches Schattenboxen“ • Ursprünglich Kampfkunst, mittlerweile steht
Entspannung/Meditation eher im Vordergrund • Fließende, ineinander übergehende „Formen“ • Zahlreiche nachgewiesene positive Effekte
• Niedrigere Herzfrequenz nach Anstrengung • Blutdrucksenkung • Verbesserte Atemfunktion • Verbesserte Körperwahrnehmung & -koordination • Verbesserte Halte- & Bewegungskraft • Verbesserter Gleichgewichtsinn • Höhere Muskelkraft, Dehnbarkeit & Balance • Empfehlung für Pat. mit Fibromyalgiesyndrom
Qigong • Bewegungs-, Konzentrations- &
Atemübungen à Meditation + körperliche Ertüchtigung • Auch hier belegen Studien die
Wirksamkeit, bspw: – Reduktion von Steifigkeit & Schmerzen bei Kniegelenksarthrose
– Verbesserung der Schlafqualität …
Schmerzbezogene Imaginationsübungen
• Als Ergänzung zum Entspannungstraining • Bieten Pat. die Möglichkeit, Schmerz gezielt
zu verändern • Beispiele:
• Wärmeübung • Kälteübung • Schmerz Gestalt geben & diese verändern • Schmerz eingrenzen & verändern • Schmerzbrücke
Zusammenfassung Aus allen Behandlungspaketen, für Pat.
passende Therapien auswählen, Pat. immer wieder motivieren, diese auch
regelmäßig anzuwenden & bei Adaption an neue Situation mit Wärme & Verständnis zur Seite stehen.
– Medikamentöse Therapie nach WHO-Schema – Bewegungstherapie – Balneo-physikalische Maßnahmen – Psychotherapie – Entspannungsverfahren
…herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!