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Lehre mit Matura - Ein Erfolgsmodell fuumlrOumlsterreich Barrieren Hindernisse und Huumlrden aufdem Weg zur BerufsreifepruumlfungMohl Erich Illedits Stefan
Veroumlffentlichungsversion Published VersionZeitschriftenartikel journal article
Empfohlene Zitierung Suggested CitationMohl E amp Illedits S (2016) Lehre mit Matura - Ein Erfolgsmodell fuumlr Oumlsterreich Barrieren Hindernisse und Huumlrdenauf dem Weg zur Berufsreifepruumlfung SWS-Rundschau 56(2) 201-226 httpsnbn-resolvingorgurnnbnde0168-ssoar-61972-6
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 201
wwwsws-rundschauat SWS-Rundschau (56 Jg) Heft 2 2016 201ndash226
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich
Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur BerufsreifepruumlfungErich Mohl Stefan Illedits (Wien)
Erich Mohl Stefan Illedits Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell fuumlr Oumlsterreich Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Berufsreifepruumlfung (S 201ndash226)
Der vorliegende Artikel befasst sich mit Lehre mit Matura einer ausschlieszliglich auf Lehrlinge beschraumlnkten Form der Berufsreifepruumlfung Anhand problemzentrierter Interviews wurden sowohl Lehrlinge als auch Lehrkraumlfte die in dieser Ausbildungsform unterrichten uumlber (a) Unterstuumltzungsmaszlignahmen von Firmen Schulen und Eltern (b) die Bewaumlltigung der Mehrfachbe-lastung (c) den Umgang mit Lernschwierigkeiten -schwaumlchen (d) die Motive eine Lehre mit Matura zu absolvieren sowie (e) uumlber erwuumlnschte Systemverbesserungen befragt Die Ergebnisse zeigen einen Reformbedarf auf da trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel (6000 euro Lehrling) und hoher Teilnehmerinnenzahlen (2015 11000) vergleichsweise wenige Lehrlinge (2008ndash2014 3200) eine Lehre mit Matura abschlossen Dieser Bedarf besteht aufgrund differierender Organisations-konzepte oftmals mangelnder Kooperation und Organisationsfaumlhigkeit der Akteure (Betriebe Berufsschule Traumlgerorganisationen) zu geringer Ausbildungsstunden aber auch durch erhoumlhten Coaching-Bedarf
Schlagworte Berufsreifepruumlfung Lehre mit Matura Unterstuumltzungsmaszlignahmen Mehrfachbelastung Motive Lernschwierigkeiten
Erich Mohl Stefan Illedits Apprenticeships with Matriculation ndash A Successful Model for Austria Barriers Obstructions and Obstacles on the Way to the Vocational Matriculation Examination (pp 201ndash226)
The presented article deals with apprenticeships with matriculation a limited form of the vocational matriculation examination exclusively for apprentices Based on problem-centered interviews a sample of teachers who teach in this type of vocational training as well as apprentices are being surveyed about (a) support measures for businesses schools and parents (b) overcoming multiple exposures (c) how to handle learning difficulties amp disabilities (d) their motives to complete an apprenticeship with matriculation and (e) required system improvements The results show a need for reform because despite high public investments (6000 euro apprentice) and a high number of participants (2015 11000) there is only a comparatively small number of successful apprentices (2008ndash2014 3200) This need for reform exists because of varying organisational concepts frequently lacking cooperation and organisational capacity of the stakeholders (businesses vocational college host organisations) an insufficient number of training hours and an increasing demand for coaching
Keywords vocational matriculation examination apprenticeships with matriculation support measures multiple exposure motives learning difficulties
202 Erich Mohl Stefan Illedits
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1ensp Einleitung
Die Erfolge von Oumlsterreichs Wirtschaft sind untrennbar mit seinen Fachkraumlftequalifi-kationen verbunden Ihr aktuelles Know-how ist mitentscheidend dafuumlr dass die Unternehmen ihren globalen Wettbewerbsvorsprung in vielen Fachbereichen halten aber auch weiter ausbauen konnten Sie sichern damit Beschaumlftigung sozialen Frieden sowie Wohlstand und eine vergleichsweise geringe Arbeitslosenquote in Europa (bei berufsbezogenen Ausbildungen in Lehre und BMS1) auf der Sekundarstufe (Lehre 2013 65 Prozent 2014 72 Prozent 2015 78 Prozent Februar 2016 94 Prozent) (AMS-Arbeitsmarkt amp Bildung 2013 2 2014 2 2015 2 und 2016 2 amp Tab 1)
Ausgangspunkt ist ein leistungsorientiertes und -foumlrderndes Bildungssystem das fuumlr eine zukunftsorientierte Bildung ein weitreichendes Angebot im vollzeitschuli-schen und dualen Ausbildungsbereich anbietet und damit bei Jugendlichen deren Faumlhigkeiten Neigungen und Begabungen foumlrdert Bildung sollte auch die Durchlaumlssig-keit zwischen den heterogenen Bildungswegen ermoumlglichen Ein wichtiger Schritt dazu wurde 1985 mit der Einfuumlhrung der Studienberechtigungspruumlfung2 (BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) und 1997 mit der Berufsreifepruumlfung3 (BGBl I Nr 68 1997 1) gesetzt Waumlhrend die SBP ausschlieszliglich auf eine gewaumlhlte universitaumlre Studienrichtung vor-bereitet ermoumlglicht die BRP einemr Lehr- bzw BMS-Absolventenin den Zugang in den postsekundaumlren (Kollegs Akademien) oder tertiaumlren Sektor [(Fach- amp Paumldagogi-sche) Hochschulen Universitaumlten] Zudem wurde bereits 2007 eine Bedarfsanalyse einer spezifizierten und eingeschraumlnkten Form der BRP der zukuumlnftigen raquoLehre mit Maturalaquo am IBW4 erhoben Rund siebzig Prozent der damals befragten Experten innen stellten in diesem neuen Modell das 2008 auch realisiert wurde einen Attrakti-
1 BMS Berufsbildende mittlere Schulen (Fachschulen Handelsschulen etc)2 SBP Studienberechtigungspruumlfung3 BRP Berufsreifepruumlfung4 IBW Institut fuumlr Bildungsforschung der Wirtschaft
Tabelleensp1ensp enspArbeitslosenquoteenspnachenspAusbildungensp(Oumlsterreich 2013ndashFebruar 2016 Anteile in Prozent)
Pflicht-enspschule
Lehreensp BMSensp AHSensp BHSensp UnienspHochschule
Gesamtensp
2013 209 65 33 42 39 27 762014 243 72 36 44 42 29 842015 260 78 39 52 47 34 912016 283 94 42 59 49 37 103
Anmerkung Arbeitslosenquote nach Ausbildung Vorgemerkte Arbeitslose einer Bildungsebene bezogen auf das Arbeits-
kraumlftepotenzial (= Arbeitslose + unselbstaumlndige Beschaumlftigte des aktuellen Jahres) derselben Bildungsebene die Aufteilung der Beschaumlftigten nach Bildungsabschluss wurde nach Ergebnissen der Arbeitskraumlfteerhe-bung des jeweiligen Jahres errechnet
Quelle AMS-Arbeitsmarkt amp Bildung (2013ndash2015 Februar 2016) 2 amp Dornmayr Nowak (2015) 162
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vitaumltsgewinn fuumlr die Lehre fest Sie sollte eine Verknuumlpfung von praktischer Ausbildung mit Matura sein die einen zusaumltzlichen Anreiz und eine Option fuumlr leistungsstarke Lehrlinge schafft (Archan Schloumlgl 2007 55)
Im vorliegenden Artikel wird ab Kapitel 2 das seit 1997 bestehende Ausbildungs-modell BRP dokumentiert Inhalte sind dabei die gesetzlichen Grundlagen die Zulassungs- und Rahmenbedingungen die Reifepruumlfungsverordnung sowie das Kurs-angebot Nachfolgend wird in Kapitel 3 uumlber das Foumlrdermodell von Lehre mit Matura berichtet das durch eine Novellierung des Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetzes5 2008 entstand Das anschlieszligende Kapitel 4 beschreibt die methodische Vorgehensweise in (a) Planung und Durchfuumlhrung (Auswahl der Befragten Leitfadenerstellung Durch-fuumlhrung der Interviews) sowie (b) Auswertung (Transkription Inhaltsanalyse bzw Generalisierbarkeit Vergleichbarkeit der Ergebnisse) Das primaumlre Forschungsinteres-se lag darin die moumlglichen Ursachen der maumlszligigen Maturanteninnenquoten bei Lehre mit Matura zu erforschen Die dafuumlr erforderlichen Interviews mit Lehrkraumlften der Reifepruumlfungsgegenstaumlnde Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fach-bereich bzw mit Lehrlingen wurden persoumlnlich von den Autoren in Ausbildungsbe-trieben und Schulen (Houmlhere Technische Lehranstalten Handelsakademien) bzw Traumlgerorganisationen (Volkshochschulen Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut Berufsfoumlrde-rungsinstitut) in Wien Nieder- und Oberoumlsterreich sowie im Burgenland zwischen Jaumlnner und September 2015 durchgefuumlhrt
2ensp Berufsreifepruumlfungensp
21ensp ZweiterenspBildungsweg
Wird von einemr Jugendlichen nach oder waumlhrend der Lehre eine weitere schulische Ausbildung angestrebt spricht man vom raquozweiten Bildungsweglaquo Er ist die Bezeich-nung fuumlr die Absolvierung eines Bildungswegs der nach der Pflichtschule zu einem Schulabschluss fuumlhrt Da Oumlsterreich auf ein dichtes System zum Nachholen von Bildungsabschluumlssen verweist ist deren internationale Anerkennung sehr hoch Vom Pflichtschulabschluss einer SBP BRP Lehre mit Matura bis hin zur Externisten-Reife-pruumlfung koumlnnen viele Bildungsabschluumlsse am raquozweiten Bildungsweglaquo nachgeholt werden (BMBF ndash Zweiter Bildungsweg 2016 1) Lehre mit Matura gilt ausschlieszliglich fuumlr Lehrlinge und soll die klassischen Moumlglichkeiten eine Matura im raquoersten Bildungs-weglaquo an einer AHS6 oder BHS7 (z B HTL HAK HLM HLT HLW etc) zu erlangen erweitern Zusaumltzliches Ziel ist es die Durchlaumlssigkeit zwischen den unterschiedlichen Bildungswegen zu erhoumlhen
5 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz6 AHS Allgemeinbildende houmlhere Schulen (Real- humanistisches neusprachliches Gymnasium)7 BHS Berufsbildende houmlhere Schulen (Houmlhere technische Lehranstalt ndash HTL Handelsakademie ndash
HAK Houmlhere Lehranstalt fuumlr Mode ndash HLM Houmlhere Lehranstalt fuumlr Tourismus ndash HLT Houmlhere Lehranstalt fuumlr wirtschaftliche Berufe ndash HLW etc)
204 Erich Mohl Stefan Illedits
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211ensp Studienberechtigungspruumlfung
Die seit 1985 bestehende SBP (vgl BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) vermittelt Jugendlichen ab dem 22 Lebensjahr (oder ab dem 20 Lebensjahr bei mindestens vierjaumlhriger Be-rufsausbildung) eine facheingeschraumlnkte Studienberechtigung fuumlr Universitaumlten (Fach- Paumldagogische) Hochschulen sowie Kollegs und unterliegt der Autonomie der Universitaumlten Im Gegensatz zum schulischen Sektor in dem man durch das Ablegen der Reifepruumlfung die allgemeine Hochschulreife erlangt gibt es bei der SBP die Moumlglichkeit einen Lehrgang fuumlr (a) eine universitaumlre SBP (fuumlr bestimmte Studien-faumlcher an Fach- Hochschulen oder Universitaumlten) oder (b) eine schulische SBP (Zugangsberechtigung fuumlr Lehraumlmter an Paumldagogischen Hochschulen) zu besuchen Die SBP besteht aus fuumlnf Teilpruumlfungen deren Inhalte von den angestrebten Studien-richtungen abhaumlngig sind Folgende Teilpruumlfungen sind abzulegen Aufsatz uumlber ein allgemeines Thema (4-stuumlndig) ein bis drei gesetzlich festgelegte Pflichtfaumlcher (z B Mathematik lebende Fremdsprache Englisch Latein etc) und ein bis drei studien-spezifische Wahlfaumlcher Die Ausbildungsdauer zur SBP betraumlgt je nach Vorbildung und Studienrichtung -zweig rund ein Jahr (vgl BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnde-rungsgesetz)
Nachteilig wirken sich bei der SBP die Zulassungsbedingungen bezuumlglich des Mindestalters der Nachweis einer beruflichen Vorbildung fuumlr das angestrebte Studium eine fehlende Berufsberechtigung nach dem Abschluss der SBP keine unmittelbaren beruflichen Aufstiegsmoumlglichkeiten und -chancen der Nachweis einer oumlsterreichi-schen Staatsbuumlrgerschaft sowie des eingeschraumlnkten Studienrichtungswechsels aus
212ensp Berufsreifepruumlfung
Eine Moumlglichkeit fuumlr Lehrabsolventeninnen mit abgelegter LAP89 und Absolventeninnen mittlerer Schulen im raquozweiten Bildungsweglaquo eine Reifepruumlfung nachzuholen besteht seit 1997 in der Absolvierung einer BRP Sie ist eine Vollmatura und formell einer Externistenreifepruumlfung einer houmlheren Schule im Sinne des sect 42 des Schulunter-richtsgesetzes BGBl Nr 472 1986 gleichzusetzen Die Zulassung ist an einer oumlffent-lichen houmlheren Schule (mit einer Externisten-Reifepruumlfungskommission) zu beantragen
Seit dem Start der BRP 1997 wurde die Barriere zwischen raquozweitem Bildungsweglaquo und tertiaumlrer Bildung wesentlich aufgeweicht Der Gesetzgeber versuchte die BRP fuumlr eine erweiterte Zielgruppe von Personen chancenreicher und zukunftstraumlchtiger zu gestalten Dementsprechend weitgefaumlchert im Sinne von breiter erfuumlllbar sind die Zulassungsvoraussetzungen die nachfolgend in Auszuumlgen dokumentiert werden (siehe Abb 1) Demgemaumlszlig werden fuumlr die Teilpruumlfung im Fachbereich der BRP abgeschlossene Qualifikationen wie Werkmeister- Meister- und Befaumlhigungspruumlfung sowie Abschluumlsse aus Fachakademien und vierjaumlhrigen Fachschulen anerkannt (siehe Abb 2 S 206)
8 Mit Einrichtung der BRP wurde erstmalig in Oumlsterreich erworbenes Praxiswissen aus dem Berufsshyleben dem schulischen theoriebezogenen Wissen formell gleichgestellt (BGBl I Nr 68 1997 2)
9 LAP Lehrabschlusspruumlfung
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Diese im Vergleich zur SBP sachlicher zu erfuumlllenden Zulassungsvoraussetzungen spiegeln sich in den gestiegenen Anmeldungszahlen wider wobei vermehrt Lehr- statt BMS-Absolventeninnen das Ausbildungsangebot annehmen (Archan Schloumlgl 2007 27)
Die BRP kann einerseits (a) durch den Besuch von Vorbereitungslehrgaumlngen an houmlheren Schulen (z B HTL Wien 22-Donaustadt etc) oder andererseits (b) an Traumlger-instituten (z B VHS10 BFI11 WIFI12 TGA13 etc) aber auch (c) durch ein Selbststu-dium erfolgen Es koumlnnen bis zu drei Teilpruumlfungen gemeinsam oder temporaumlr getrennt abgelegt werden wenn die Lehrgaumlnge in den vom BMBF anerkannten Schulen Instituten besucht wurden Eine Teilpruumlfung kann bereits vor der LAP und mit vollendetem 17 Lebensjahr abgeschlossen werden Andererseits muss jedoch eine Teilpruumlfung vor der Pruumlfungskommission der gewaumlhlten houmlheren Schule (z B HAK HTL hellip) erfolgen Diese BHS stellt auch das Reifepruumlfungszeugnis aus Wer sich jedoch im Selbststudium vorbereitet muss alle Teilpruumlfungen kommissionell an der gewaumlhlten houmlheren Schule absolvieren
10 VHS Volkshochschule11 BFI Berufsfoumlrderungsinstitut12 WIFI Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut13 TGA Technisch-gewerbliche Abendschule
Abbildung 1 Auszug aus Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2
BerufsreifepruumlfungsgesetzAllgemeine Bestimmungen
sect 1 (1) Personen ohne Reifepruumlfung koumlnnen nach Maszliggabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifepruumlfung die mit der Reifepruumlfung einer houmlheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben wenn sie eine der nachstehend genannten Pruumlfungen bzw Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw absolviert haben1 Lehrabschlusspruumlfung gemaumlszlig sect 21 des Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr14219692 Facharbeiterpruumlfung gemaumlszlig sect 7 des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr 29819903 Mindestens dreijaumlhrige mittlere Schule4 Schule fuumlr medizinisch-technischen Fachdienst5 Mindestens dreijaumlhrige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflege- gesetz BGBl I Nr 10819976 Meisterpruumlfung gemaumlszlig sect 20 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 1947 Befaumlhigungspruumlfung gemaumlszlig sect 22 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 194
206 Erich Mohl Stefan Illedits
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
Mo
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Anre
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und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
21 Z Zeile
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
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Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich
Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur BerufsreifepruumlfungErich Mohl Stefan Illedits (Wien)
Erich Mohl Stefan Illedits Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell fuumlr Oumlsterreich Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Berufsreifepruumlfung (S 201ndash226)
Der vorliegende Artikel befasst sich mit Lehre mit Matura einer ausschlieszliglich auf Lehrlinge beschraumlnkten Form der Berufsreifepruumlfung Anhand problemzentrierter Interviews wurden sowohl Lehrlinge als auch Lehrkraumlfte die in dieser Ausbildungsform unterrichten uumlber (a) Unterstuumltzungsmaszlignahmen von Firmen Schulen und Eltern (b) die Bewaumlltigung der Mehrfachbe-lastung (c) den Umgang mit Lernschwierigkeiten -schwaumlchen (d) die Motive eine Lehre mit Matura zu absolvieren sowie (e) uumlber erwuumlnschte Systemverbesserungen befragt Die Ergebnisse zeigen einen Reformbedarf auf da trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel (6000 euro Lehrling) und hoher Teilnehmerinnenzahlen (2015 11000) vergleichsweise wenige Lehrlinge (2008ndash2014 3200) eine Lehre mit Matura abschlossen Dieser Bedarf besteht aufgrund differierender Organisations-konzepte oftmals mangelnder Kooperation und Organisationsfaumlhigkeit der Akteure (Betriebe Berufsschule Traumlgerorganisationen) zu geringer Ausbildungsstunden aber auch durch erhoumlhten Coaching-Bedarf
Schlagworte Berufsreifepruumlfung Lehre mit Matura Unterstuumltzungsmaszlignahmen Mehrfachbelastung Motive Lernschwierigkeiten
Erich Mohl Stefan Illedits Apprenticeships with Matriculation ndash A Successful Model for Austria Barriers Obstructions and Obstacles on the Way to the Vocational Matriculation Examination (pp 201ndash226)
The presented article deals with apprenticeships with matriculation a limited form of the vocational matriculation examination exclusively for apprentices Based on problem-centered interviews a sample of teachers who teach in this type of vocational training as well as apprentices are being surveyed about (a) support measures for businesses schools and parents (b) overcoming multiple exposures (c) how to handle learning difficulties amp disabilities (d) their motives to complete an apprenticeship with matriculation and (e) required system improvements The results show a need for reform because despite high public investments (6000 euro apprentice) and a high number of participants (2015 11000) there is only a comparatively small number of successful apprentices (2008ndash2014 3200) This need for reform exists because of varying organisational concepts frequently lacking cooperation and organisational capacity of the stakeholders (businesses vocational college host organisations) an insufficient number of training hours and an increasing demand for coaching
Keywords vocational matriculation examination apprenticeships with matriculation support measures multiple exposure motives learning difficulties
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1ensp Einleitung
Die Erfolge von Oumlsterreichs Wirtschaft sind untrennbar mit seinen Fachkraumlftequalifi-kationen verbunden Ihr aktuelles Know-how ist mitentscheidend dafuumlr dass die Unternehmen ihren globalen Wettbewerbsvorsprung in vielen Fachbereichen halten aber auch weiter ausbauen konnten Sie sichern damit Beschaumlftigung sozialen Frieden sowie Wohlstand und eine vergleichsweise geringe Arbeitslosenquote in Europa (bei berufsbezogenen Ausbildungen in Lehre und BMS1) auf der Sekundarstufe (Lehre 2013 65 Prozent 2014 72 Prozent 2015 78 Prozent Februar 2016 94 Prozent) (AMS-Arbeitsmarkt amp Bildung 2013 2 2014 2 2015 2 und 2016 2 amp Tab 1)
Ausgangspunkt ist ein leistungsorientiertes und -foumlrderndes Bildungssystem das fuumlr eine zukunftsorientierte Bildung ein weitreichendes Angebot im vollzeitschuli-schen und dualen Ausbildungsbereich anbietet und damit bei Jugendlichen deren Faumlhigkeiten Neigungen und Begabungen foumlrdert Bildung sollte auch die Durchlaumlssig-keit zwischen den heterogenen Bildungswegen ermoumlglichen Ein wichtiger Schritt dazu wurde 1985 mit der Einfuumlhrung der Studienberechtigungspruumlfung2 (BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) und 1997 mit der Berufsreifepruumlfung3 (BGBl I Nr 68 1997 1) gesetzt Waumlhrend die SBP ausschlieszliglich auf eine gewaumlhlte universitaumlre Studienrichtung vor-bereitet ermoumlglicht die BRP einemr Lehr- bzw BMS-Absolventenin den Zugang in den postsekundaumlren (Kollegs Akademien) oder tertiaumlren Sektor [(Fach- amp Paumldagogi-sche) Hochschulen Universitaumlten] Zudem wurde bereits 2007 eine Bedarfsanalyse einer spezifizierten und eingeschraumlnkten Form der BRP der zukuumlnftigen raquoLehre mit Maturalaquo am IBW4 erhoben Rund siebzig Prozent der damals befragten Experten innen stellten in diesem neuen Modell das 2008 auch realisiert wurde einen Attrakti-
1 BMS Berufsbildende mittlere Schulen (Fachschulen Handelsschulen etc)2 SBP Studienberechtigungspruumlfung3 BRP Berufsreifepruumlfung4 IBW Institut fuumlr Bildungsforschung der Wirtschaft
Tabelleensp1ensp enspArbeitslosenquoteenspnachenspAusbildungensp(Oumlsterreich 2013ndashFebruar 2016 Anteile in Prozent)
Pflicht-enspschule
Lehreensp BMSensp AHSensp BHSensp UnienspHochschule
Gesamtensp
2013 209 65 33 42 39 27 762014 243 72 36 44 42 29 842015 260 78 39 52 47 34 912016 283 94 42 59 49 37 103
Anmerkung Arbeitslosenquote nach Ausbildung Vorgemerkte Arbeitslose einer Bildungsebene bezogen auf das Arbeits-
kraumlftepotenzial (= Arbeitslose + unselbstaumlndige Beschaumlftigte des aktuellen Jahres) derselben Bildungsebene die Aufteilung der Beschaumlftigten nach Bildungsabschluss wurde nach Ergebnissen der Arbeitskraumlfteerhe-bung des jeweiligen Jahres errechnet
Quelle AMS-Arbeitsmarkt amp Bildung (2013ndash2015 Februar 2016) 2 amp Dornmayr Nowak (2015) 162
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vitaumltsgewinn fuumlr die Lehre fest Sie sollte eine Verknuumlpfung von praktischer Ausbildung mit Matura sein die einen zusaumltzlichen Anreiz und eine Option fuumlr leistungsstarke Lehrlinge schafft (Archan Schloumlgl 2007 55)
Im vorliegenden Artikel wird ab Kapitel 2 das seit 1997 bestehende Ausbildungs-modell BRP dokumentiert Inhalte sind dabei die gesetzlichen Grundlagen die Zulassungs- und Rahmenbedingungen die Reifepruumlfungsverordnung sowie das Kurs-angebot Nachfolgend wird in Kapitel 3 uumlber das Foumlrdermodell von Lehre mit Matura berichtet das durch eine Novellierung des Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetzes5 2008 entstand Das anschlieszligende Kapitel 4 beschreibt die methodische Vorgehensweise in (a) Planung und Durchfuumlhrung (Auswahl der Befragten Leitfadenerstellung Durch-fuumlhrung der Interviews) sowie (b) Auswertung (Transkription Inhaltsanalyse bzw Generalisierbarkeit Vergleichbarkeit der Ergebnisse) Das primaumlre Forschungsinteres-se lag darin die moumlglichen Ursachen der maumlszligigen Maturanteninnenquoten bei Lehre mit Matura zu erforschen Die dafuumlr erforderlichen Interviews mit Lehrkraumlften der Reifepruumlfungsgegenstaumlnde Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fach-bereich bzw mit Lehrlingen wurden persoumlnlich von den Autoren in Ausbildungsbe-trieben und Schulen (Houmlhere Technische Lehranstalten Handelsakademien) bzw Traumlgerorganisationen (Volkshochschulen Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut Berufsfoumlrde-rungsinstitut) in Wien Nieder- und Oberoumlsterreich sowie im Burgenland zwischen Jaumlnner und September 2015 durchgefuumlhrt
2ensp Berufsreifepruumlfungensp
21ensp ZweiterenspBildungsweg
Wird von einemr Jugendlichen nach oder waumlhrend der Lehre eine weitere schulische Ausbildung angestrebt spricht man vom raquozweiten Bildungsweglaquo Er ist die Bezeich-nung fuumlr die Absolvierung eines Bildungswegs der nach der Pflichtschule zu einem Schulabschluss fuumlhrt Da Oumlsterreich auf ein dichtes System zum Nachholen von Bildungsabschluumlssen verweist ist deren internationale Anerkennung sehr hoch Vom Pflichtschulabschluss einer SBP BRP Lehre mit Matura bis hin zur Externisten-Reife-pruumlfung koumlnnen viele Bildungsabschluumlsse am raquozweiten Bildungsweglaquo nachgeholt werden (BMBF ndash Zweiter Bildungsweg 2016 1) Lehre mit Matura gilt ausschlieszliglich fuumlr Lehrlinge und soll die klassischen Moumlglichkeiten eine Matura im raquoersten Bildungs-weglaquo an einer AHS6 oder BHS7 (z B HTL HAK HLM HLT HLW etc) zu erlangen erweitern Zusaumltzliches Ziel ist es die Durchlaumlssigkeit zwischen den unterschiedlichen Bildungswegen zu erhoumlhen
5 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz6 AHS Allgemeinbildende houmlhere Schulen (Real- humanistisches neusprachliches Gymnasium)7 BHS Berufsbildende houmlhere Schulen (Houmlhere technische Lehranstalt ndash HTL Handelsakademie ndash
HAK Houmlhere Lehranstalt fuumlr Mode ndash HLM Houmlhere Lehranstalt fuumlr Tourismus ndash HLT Houmlhere Lehranstalt fuumlr wirtschaftliche Berufe ndash HLW etc)
204 Erich Mohl Stefan Illedits
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211ensp Studienberechtigungspruumlfung
Die seit 1985 bestehende SBP (vgl BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) vermittelt Jugendlichen ab dem 22 Lebensjahr (oder ab dem 20 Lebensjahr bei mindestens vierjaumlhriger Be-rufsausbildung) eine facheingeschraumlnkte Studienberechtigung fuumlr Universitaumlten (Fach- Paumldagogische) Hochschulen sowie Kollegs und unterliegt der Autonomie der Universitaumlten Im Gegensatz zum schulischen Sektor in dem man durch das Ablegen der Reifepruumlfung die allgemeine Hochschulreife erlangt gibt es bei der SBP die Moumlglichkeit einen Lehrgang fuumlr (a) eine universitaumlre SBP (fuumlr bestimmte Studien-faumlcher an Fach- Hochschulen oder Universitaumlten) oder (b) eine schulische SBP (Zugangsberechtigung fuumlr Lehraumlmter an Paumldagogischen Hochschulen) zu besuchen Die SBP besteht aus fuumlnf Teilpruumlfungen deren Inhalte von den angestrebten Studien-richtungen abhaumlngig sind Folgende Teilpruumlfungen sind abzulegen Aufsatz uumlber ein allgemeines Thema (4-stuumlndig) ein bis drei gesetzlich festgelegte Pflichtfaumlcher (z B Mathematik lebende Fremdsprache Englisch Latein etc) und ein bis drei studien-spezifische Wahlfaumlcher Die Ausbildungsdauer zur SBP betraumlgt je nach Vorbildung und Studienrichtung -zweig rund ein Jahr (vgl BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnde-rungsgesetz)
Nachteilig wirken sich bei der SBP die Zulassungsbedingungen bezuumlglich des Mindestalters der Nachweis einer beruflichen Vorbildung fuumlr das angestrebte Studium eine fehlende Berufsberechtigung nach dem Abschluss der SBP keine unmittelbaren beruflichen Aufstiegsmoumlglichkeiten und -chancen der Nachweis einer oumlsterreichi-schen Staatsbuumlrgerschaft sowie des eingeschraumlnkten Studienrichtungswechsels aus
212ensp Berufsreifepruumlfung
Eine Moumlglichkeit fuumlr Lehrabsolventeninnen mit abgelegter LAP89 und Absolventeninnen mittlerer Schulen im raquozweiten Bildungsweglaquo eine Reifepruumlfung nachzuholen besteht seit 1997 in der Absolvierung einer BRP Sie ist eine Vollmatura und formell einer Externistenreifepruumlfung einer houmlheren Schule im Sinne des sect 42 des Schulunter-richtsgesetzes BGBl Nr 472 1986 gleichzusetzen Die Zulassung ist an einer oumlffent-lichen houmlheren Schule (mit einer Externisten-Reifepruumlfungskommission) zu beantragen
Seit dem Start der BRP 1997 wurde die Barriere zwischen raquozweitem Bildungsweglaquo und tertiaumlrer Bildung wesentlich aufgeweicht Der Gesetzgeber versuchte die BRP fuumlr eine erweiterte Zielgruppe von Personen chancenreicher und zukunftstraumlchtiger zu gestalten Dementsprechend weitgefaumlchert im Sinne von breiter erfuumlllbar sind die Zulassungsvoraussetzungen die nachfolgend in Auszuumlgen dokumentiert werden (siehe Abb 1) Demgemaumlszlig werden fuumlr die Teilpruumlfung im Fachbereich der BRP abgeschlossene Qualifikationen wie Werkmeister- Meister- und Befaumlhigungspruumlfung sowie Abschluumlsse aus Fachakademien und vierjaumlhrigen Fachschulen anerkannt (siehe Abb 2 S 206)
8 Mit Einrichtung der BRP wurde erstmalig in Oumlsterreich erworbenes Praxiswissen aus dem Berufsshyleben dem schulischen theoriebezogenen Wissen formell gleichgestellt (BGBl I Nr 68 1997 2)
9 LAP Lehrabschlusspruumlfung
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 205
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Diese im Vergleich zur SBP sachlicher zu erfuumlllenden Zulassungsvoraussetzungen spiegeln sich in den gestiegenen Anmeldungszahlen wider wobei vermehrt Lehr- statt BMS-Absolventeninnen das Ausbildungsangebot annehmen (Archan Schloumlgl 2007 27)
Die BRP kann einerseits (a) durch den Besuch von Vorbereitungslehrgaumlngen an houmlheren Schulen (z B HTL Wien 22-Donaustadt etc) oder andererseits (b) an Traumlger-instituten (z B VHS10 BFI11 WIFI12 TGA13 etc) aber auch (c) durch ein Selbststu-dium erfolgen Es koumlnnen bis zu drei Teilpruumlfungen gemeinsam oder temporaumlr getrennt abgelegt werden wenn die Lehrgaumlnge in den vom BMBF anerkannten Schulen Instituten besucht wurden Eine Teilpruumlfung kann bereits vor der LAP und mit vollendetem 17 Lebensjahr abgeschlossen werden Andererseits muss jedoch eine Teilpruumlfung vor der Pruumlfungskommission der gewaumlhlten houmlheren Schule (z B HAK HTL hellip) erfolgen Diese BHS stellt auch das Reifepruumlfungszeugnis aus Wer sich jedoch im Selbststudium vorbereitet muss alle Teilpruumlfungen kommissionell an der gewaumlhlten houmlheren Schule absolvieren
10 VHS Volkshochschule11 BFI Berufsfoumlrderungsinstitut12 WIFI Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut13 TGA Technisch-gewerbliche Abendschule
Abbildung 1 Auszug aus Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2
BerufsreifepruumlfungsgesetzAllgemeine Bestimmungen
sect 1 (1) Personen ohne Reifepruumlfung koumlnnen nach Maszliggabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifepruumlfung die mit der Reifepruumlfung einer houmlheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben wenn sie eine der nachstehend genannten Pruumlfungen bzw Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw absolviert haben1 Lehrabschlusspruumlfung gemaumlszlig sect 21 des Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr14219692 Facharbeiterpruumlfung gemaumlszlig sect 7 des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr 29819903 Mindestens dreijaumlhrige mittlere Schule4 Schule fuumlr medizinisch-technischen Fachdienst5 Mindestens dreijaumlhrige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflege- gesetz BGBl I Nr 10819976 Meisterpruumlfung gemaumlszlig sect 20 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 1947 Befaumlhigungspruumlfung gemaumlszlig sect 22 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 194
206 Erich Mohl Stefan Illedits
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
Mo
dule
Anre
chnung
enP
ruumlfu
ng
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und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
bull bull
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
214 Erich Mohl Stefan Illedits
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
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BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
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VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
202 Erich Mohl Stefan Illedits
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1ensp Einleitung
Die Erfolge von Oumlsterreichs Wirtschaft sind untrennbar mit seinen Fachkraumlftequalifi-kationen verbunden Ihr aktuelles Know-how ist mitentscheidend dafuumlr dass die Unternehmen ihren globalen Wettbewerbsvorsprung in vielen Fachbereichen halten aber auch weiter ausbauen konnten Sie sichern damit Beschaumlftigung sozialen Frieden sowie Wohlstand und eine vergleichsweise geringe Arbeitslosenquote in Europa (bei berufsbezogenen Ausbildungen in Lehre und BMS1) auf der Sekundarstufe (Lehre 2013 65 Prozent 2014 72 Prozent 2015 78 Prozent Februar 2016 94 Prozent) (AMS-Arbeitsmarkt amp Bildung 2013 2 2014 2 2015 2 und 2016 2 amp Tab 1)
Ausgangspunkt ist ein leistungsorientiertes und -foumlrderndes Bildungssystem das fuumlr eine zukunftsorientierte Bildung ein weitreichendes Angebot im vollzeitschuli-schen und dualen Ausbildungsbereich anbietet und damit bei Jugendlichen deren Faumlhigkeiten Neigungen und Begabungen foumlrdert Bildung sollte auch die Durchlaumlssig-keit zwischen den heterogenen Bildungswegen ermoumlglichen Ein wichtiger Schritt dazu wurde 1985 mit der Einfuumlhrung der Studienberechtigungspruumlfung2 (BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) und 1997 mit der Berufsreifepruumlfung3 (BGBl I Nr 68 1997 1) gesetzt Waumlhrend die SBP ausschlieszliglich auf eine gewaumlhlte universitaumlre Studienrichtung vor-bereitet ermoumlglicht die BRP einemr Lehr- bzw BMS-Absolventenin den Zugang in den postsekundaumlren (Kollegs Akademien) oder tertiaumlren Sektor [(Fach- amp Paumldagogi-sche) Hochschulen Universitaumlten] Zudem wurde bereits 2007 eine Bedarfsanalyse einer spezifizierten und eingeschraumlnkten Form der BRP der zukuumlnftigen raquoLehre mit Maturalaquo am IBW4 erhoben Rund siebzig Prozent der damals befragten Experten innen stellten in diesem neuen Modell das 2008 auch realisiert wurde einen Attrakti-
1 BMS Berufsbildende mittlere Schulen (Fachschulen Handelsschulen etc)2 SBP Studienberechtigungspruumlfung3 BRP Berufsreifepruumlfung4 IBW Institut fuumlr Bildungsforschung der Wirtschaft
Tabelleensp1ensp enspArbeitslosenquoteenspnachenspAusbildungensp(Oumlsterreich 2013ndashFebruar 2016 Anteile in Prozent)
Pflicht-enspschule
Lehreensp BMSensp AHSensp BHSensp UnienspHochschule
Gesamtensp
2013 209 65 33 42 39 27 762014 243 72 36 44 42 29 842015 260 78 39 52 47 34 912016 283 94 42 59 49 37 103
Anmerkung Arbeitslosenquote nach Ausbildung Vorgemerkte Arbeitslose einer Bildungsebene bezogen auf das Arbeits-
kraumlftepotenzial (= Arbeitslose + unselbstaumlndige Beschaumlftigte des aktuellen Jahres) derselben Bildungsebene die Aufteilung der Beschaumlftigten nach Bildungsabschluss wurde nach Ergebnissen der Arbeitskraumlfteerhe-bung des jeweiligen Jahres errechnet
Quelle AMS-Arbeitsmarkt amp Bildung (2013ndash2015 Februar 2016) 2 amp Dornmayr Nowak (2015) 162
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 203
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vitaumltsgewinn fuumlr die Lehre fest Sie sollte eine Verknuumlpfung von praktischer Ausbildung mit Matura sein die einen zusaumltzlichen Anreiz und eine Option fuumlr leistungsstarke Lehrlinge schafft (Archan Schloumlgl 2007 55)
Im vorliegenden Artikel wird ab Kapitel 2 das seit 1997 bestehende Ausbildungs-modell BRP dokumentiert Inhalte sind dabei die gesetzlichen Grundlagen die Zulassungs- und Rahmenbedingungen die Reifepruumlfungsverordnung sowie das Kurs-angebot Nachfolgend wird in Kapitel 3 uumlber das Foumlrdermodell von Lehre mit Matura berichtet das durch eine Novellierung des Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetzes5 2008 entstand Das anschlieszligende Kapitel 4 beschreibt die methodische Vorgehensweise in (a) Planung und Durchfuumlhrung (Auswahl der Befragten Leitfadenerstellung Durch-fuumlhrung der Interviews) sowie (b) Auswertung (Transkription Inhaltsanalyse bzw Generalisierbarkeit Vergleichbarkeit der Ergebnisse) Das primaumlre Forschungsinteres-se lag darin die moumlglichen Ursachen der maumlszligigen Maturanteninnenquoten bei Lehre mit Matura zu erforschen Die dafuumlr erforderlichen Interviews mit Lehrkraumlften der Reifepruumlfungsgegenstaumlnde Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fach-bereich bzw mit Lehrlingen wurden persoumlnlich von den Autoren in Ausbildungsbe-trieben und Schulen (Houmlhere Technische Lehranstalten Handelsakademien) bzw Traumlgerorganisationen (Volkshochschulen Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut Berufsfoumlrde-rungsinstitut) in Wien Nieder- und Oberoumlsterreich sowie im Burgenland zwischen Jaumlnner und September 2015 durchgefuumlhrt
2ensp Berufsreifepruumlfungensp
21ensp ZweiterenspBildungsweg
Wird von einemr Jugendlichen nach oder waumlhrend der Lehre eine weitere schulische Ausbildung angestrebt spricht man vom raquozweiten Bildungsweglaquo Er ist die Bezeich-nung fuumlr die Absolvierung eines Bildungswegs der nach der Pflichtschule zu einem Schulabschluss fuumlhrt Da Oumlsterreich auf ein dichtes System zum Nachholen von Bildungsabschluumlssen verweist ist deren internationale Anerkennung sehr hoch Vom Pflichtschulabschluss einer SBP BRP Lehre mit Matura bis hin zur Externisten-Reife-pruumlfung koumlnnen viele Bildungsabschluumlsse am raquozweiten Bildungsweglaquo nachgeholt werden (BMBF ndash Zweiter Bildungsweg 2016 1) Lehre mit Matura gilt ausschlieszliglich fuumlr Lehrlinge und soll die klassischen Moumlglichkeiten eine Matura im raquoersten Bildungs-weglaquo an einer AHS6 oder BHS7 (z B HTL HAK HLM HLT HLW etc) zu erlangen erweitern Zusaumltzliches Ziel ist es die Durchlaumlssigkeit zwischen den unterschiedlichen Bildungswegen zu erhoumlhen
5 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz6 AHS Allgemeinbildende houmlhere Schulen (Real- humanistisches neusprachliches Gymnasium)7 BHS Berufsbildende houmlhere Schulen (Houmlhere technische Lehranstalt ndash HTL Handelsakademie ndash
HAK Houmlhere Lehranstalt fuumlr Mode ndash HLM Houmlhere Lehranstalt fuumlr Tourismus ndash HLT Houmlhere Lehranstalt fuumlr wirtschaftliche Berufe ndash HLW etc)
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211ensp Studienberechtigungspruumlfung
Die seit 1985 bestehende SBP (vgl BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) vermittelt Jugendlichen ab dem 22 Lebensjahr (oder ab dem 20 Lebensjahr bei mindestens vierjaumlhriger Be-rufsausbildung) eine facheingeschraumlnkte Studienberechtigung fuumlr Universitaumlten (Fach- Paumldagogische) Hochschulen sowie Kollegs und unterliegt der Autonomie der Universitaumlten Im Gegensatz zum schulischen Sektor in dem man durch das Ablegen der Reifepruumlfung die allgemeine Hochschulreife erlangt gibt es bei der SBP die Moumlglichkeit einen Lehrgang fuumlr (a) eine universitaumlre SBP (fuumlr bestimmte Studien-faumlcher an Fach- Hochschulen oder Universitaumlten) oder (b) eine schulische SBP (Zugangsberechtigung fuumlr Lehraumlmter an Paumldagogischen Hochschulen) zu besuchen Die SBP besteht aus fuumlnf Teilpruumlfungen deren Inhalte von den angestrebten Studien-richtungen abhaumlngig sind Folgende Teilpruumlfungen sind abzulegen Aufsatz uumlber ein allgemeines Thema (4-stuumlndig) ein bis drei gesetzlich festgelegte Pflichtfaumlcher (z B Mathematik lebende Fremdsprache Englisch Latein etc) und ein bis drei studien-spezifische Wahlfaumlcher Die Ausbildungsdauer zur SBP betraumlgt je nach Vorbildung und Studienrichtung -zweig rund ein Jahr (vgl BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnde-rungsgesetz)
Nachteilig wirken sich bei der SBP die Zulassungsbedingungen bezuumlglich des Mindestalters der Nachweis einer beruflichen Vorbildung fuumlr das angestrebte Studium eine fehlende Berufsberechtigung nach dem Abschluss der SBP keine unmittelbaren beruflichen Aufstiegsmoumlglichkeiten und -chancen der Nachweis einer oumlsterreichi-schen Staatsbuumlrgerschaft sowie des eingeschraumlnkten Studienrichtungswechsels aus
212ensp Berufsreifepruumlfung
Eine Moumlglichkeit fuumlr Lehrabsolventeninnen mit abgelegter LAP89 und Absolventeninnen mittlerer Schulen im raquozweiten Bildungsweglaquo eine Reifepruumlfung nachzuholen besteht seit 1997 in der Absolvierung einer BRP Sie ist eine Vollmatura und formell einer Externistenreifepruumlfung einer houmlheren Schule im Sinne des sect 42 des Schulunter-richtsgesetzes BGBl Nr 472 1986 gleichzusetzen Die Zulassung ist an einer oumlffent-lichen houmlheren Schule (mit einer Externisten-Reifepruumlfungskommission) zu beantragen
Seit dem Start der BRP 1997 wurde die Barriere zwischen raquozweitem Bildungsweglaquo und tertiaumlrer Bildung wesentlich aufgeweicht Der Gesetzgeber versuchte die BRP fuumlr eine erweiterte Zielgruppe von Personen chancenreicher und zukunftstraumlchtiger zu gestalten Dementsprechend weitgefaumlchert im Sinne von breiter erfuumlllbar sind die Zulassungsvoraussetzungen die nachfolgend in Auszuumlgen dokumentiert werden (siehe Abb 1) Demgemaumlszlig werden fuumlr die Teilpruumlfung im Fachbereich der BRP abgeschlossene Qualifikationen wie Werkmeister- Meister- und Befaumlhigungspruumlfung sowie Abschluumlsse aus Fachakademien und vierjaumlhrigen Fachschulen anerkannt (siehe Abb 2 S 206)
8 Mit Einrichtung der BRP wurde erstmalig in Oumlsterreich erworbenes Praxiswissen aus dem Berufsshyleben dem schulischen theoriebezogenen Wissen formell gleichgestellt (BGBl I Nr 68 1997 2)
9 LAP Lehrabschlusspruumlfung
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 205
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Diese im Vergleich zur SBP sachlicher zu erfuumlllenden Zulassungsvoraussetzungen spiegeln sich in den gestiegenen Anmeldungszahlen wider wobei vermehrt Lehr- statt BMS-Absolventeninnen das Ausbildungsangebot annehmen (Archan Schloumlgl 2007 27)
Die BRP kann einerseits (a) durch den Besuch von Vorbereitungslehrgaumlngen an houmlheren Schulen (z B HTL Wien 22-Donaustadt etc) oder andererseits (b) an Traumlger-instituten (z B VHS10 BFI11 WIFI12 TGA13 etc) aber auch (c) durch ein Selbststu-dium erfolgen Es koumlnnen bis zu drei Teilpruumlfungen gemeinsam oder temporaumlr getrennt abgelegt werden wenn die Lehrgaumlnge in den vom BMBF anerkannten Schulen Instituten besucht wurden Eine Teilpruumlfung kann bereits vor der LAP und mit vollendetem 17 Lebensjahr abgeschlossen werden Andererseits muss jedoch eine Teilpruumlfung vor der Pruumlfungskommission der gewaumlhlten houmlheren Schule (z B HAK HTL hellip) erfolgen Diese BHS stellt auch das Reifepruumlfungszeugnis aus Wer sich jedoch im Selbststudium vorbereitet muss alle Teilpruumlfungen kommissionell an der gewaumlhlten houmlheren Schule absolvieren
10 VHS Volkshochschule11 BFI Berufsfoumlrderungsinstitut12 WIFI Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut13 TGA Technisch-gewerbliche Abendschule
Abbildung 1 Auszug aus Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2
BerufsreifepruumlfungsgesetzAllgemeine Bestimmungen
sect 1 (1) Personen ohne Reifepruumlfung koumlnnen nach Maszliggabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifepruumlfung die mit der Reifepruumlfung einer houmlheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben wenn sie eine der nachstehend genannten Pruumlfungen bzw Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw absolviert haben1 Lehrabschlusspruumlfung gemaumlszlig sect 21 des Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr14219692 Facharbeiterpruumlfung gemaumlszlig sect 7 des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr 29819903 Mindestens dreijaumlhrige mittlere Schule4 Schule fuumlr medizinisch-technischen Fachdienst5 Mindestens dreijaumlhrige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflege- gesetz BGBl I Nr 10819976 Meisterpruumlfung gemaumlszlig sect 20 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 1947 Befaumlhigungspruumlfung gemaumlszlig sect 22 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 194
206 Erich Mohl Stefan Illedits
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
Mo
dule
Anre
chnung
enP
ruumlfu
ng
en
und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
bull bull
bullbull
bull
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
210 Erich Mohl Stefan Illedits
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
212 Erich Mohl Stefan Illedits
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
216 Erich Mohl Stefan Illedits
wwwsws-rundschauat SWS-Rundschau (56 Jg) Heft 2 2016 201ndash226
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 217
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 203
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vitaumltsgewinn fuumlr die Lehre fest Sie sollte eine Verknuumlpfung von praktischer Ausbildung mit Matura sein die einen zusaumltzlichen Anreiz und eine Option fuumlr leistungsstarke Lehrlinge schafft (Archan Schloumlgl 2007 55)
Im vorliegenden Artikel wird ab Kapitel 2 das seit 1997 bestehende Ausbildungs-modell BRP dokumentiert Inhalte sind dabei die gesetzlichen Grundlagen die Zulassungs- und Rahmenbedingungen die Reifepruumlfungsverordnung sowie das Kurs-angebot Nachfolgend wird in Kapitel 3 uumlber das Foumlrdermodell von Lehre mit Matura berichtet das durch eine Novellierung des Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetzes5 2008 entstand Das anschlieszligende Kapitel 4 beschreibt die methodische Vorgehensweise in (a) Planung und Durchfuumlhrung (Auswahl der Befragten Leitfadenerstellung Durch-fuumlhrung der Interviews) sowie (b) Auswertung (Transkription Inhaltsanalyse bzw Generalisierbarkeit Vergleichbarkeit der Ergebnisse) Das primaumlre Forschungsinteres-se lag darin die moumlglichen Ursachen der maumlszligigen Maturanteninnenquoten bei Lehre mit Matura zu erforschen Die dafuumlr erforderlichen Interviews mit Lehrkraumlften der Reifepruumlfungsgegenstaumlnde Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fach-bereich bzw mit Lehrlingen wurden persoumlnlich von den Autoren in Ausbildungsbe-trieben und Schulen (Houmlhere Technische Lehranstalten Handelsakademien) bzw Traumlgerorganisationen (Volkshochschulen Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut Berufsfoumlrde-rungsinstitut) in Wien Nieder- und Oberoumlsterreich sowie im Burgenland zwischen Jaumlnner und September 2015 durchgefuumlhrt
2ensp Berufsreifepruumlfungensp
21ensp ZweiterenspBildungsweg
Wird von einemr Jugendlichen nach oder waumlhrend der Lehre eine weitere schulische Ausbildung angestrebt spricht man vom raquozweiten Bildungsweglaquo Er ist die Bezeich-nung fuumlr die Absolvierung eines Bildungswegs der nach der Pflichtschule zu einem Schulabschluss fuumlhrt Da Oumlsterreich auf ein dichtes System zum Nachholen von Bildungsabschluumlssen verweist ist deren internationale Anerkennung sehr hoch Vom Pflichtschulabschluss einer SBP BRP Lehre mit Matura bis hin zur Externisten-Reife-pruumlfung koumlnnen viele Bildungsabschluumlsse am raquozweiten Bildungsweglaquo nachgeholt werden (BMBF ndash Zweiter Bildungsweg 2016 1) Lehre mit Matura gilt ausschlieszliglich fuumlr Lehrlinge und soll die klassischen Moumlglichkeiten eine Matura im raquoersten Bildungs-weglaquo an einer AHS6 oder BHS7 (z B HTL HAK HLM HLT HLW etc) zu erlangen erweitern Zusaumltzliches Ziel ist es die Durchlaumlssigkeit zwischen den unterschiedlichen Bildungswegen zu erhoumlhen
5 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz6 AHS Allgemeinbildende houmlhere Schulen (Real- humanistisches neusprachliches Gymnasium)7 BHS Berufsbildende houmlhere Schulen (Houmlhere technische Lehranstalt ndash HTL Handelsakademie ndash
HAK Houmlhere Lehranstalt fuumlr Mode ndash HLM Houmlhere Lehranstalt fuumlr Tourismus ndash HLT Houmlhere Lehranstalt fuumlr wirtschaftliche Berufe ndash HLW etc)
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211ensp Studienberechtigungspruumlfung
Die seit 1985 bestehende SBP (vgl BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) vermittelt Jugendlichen ab dem 22 Lebensjahr (oder ab dem 20 Lebensjahr bei mindestens vierjaumlhriger Be-rufsausbildung) eine facheingeschraumlnkte Studienberechtigung fuumlr Universitaumlten (Fach- Paumldagogische) Hochschulen sowie Kollegs und unterliegt der Autonomie der Universitaumlten Im Gegensatz zum schulischen Sektor in dem man durch das Ablegen der Reifepruumlfung die allgemeine Hochschulreife erlangt gibt es bei der SBP die Moumlglichkeit einen Lehrgang fuumlr (a) eine universitaumlre SBP (fuumlr bestimmte Studien-faumlcher an Fach- Hochschulen oder Universitaumlten) oder (b) eine schulische SBP (Zugangsberechtigung fuumlr Lehraumlmter an Paumldagogischen Hochschulen) zu besuchen Die SBP besteht aus fuumlnf Teilpruumlfungen deren Inhalte von den angestrebten Studien-richtungen abhaumlngig sind Folgende Teilpruumlfungen sind abzulegen Aufsatz uumlber ein allgemeines Thema (4-stuumlndig) ein bis drei gesetzlich festgelegte Pflichtfaumlcher (z B Mathematik lebende Fremdsprache Englisch Latein etc) und ein bis drei studien-spezifische Wahlfaumlcher Die Ausbildungsdauer zur SBP betraumlgt je nach Vorbildung und Studienrichtung -zweig rund ein Jahr (vgl BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnde-rungsgesetz)
Nachteilig wirken sich bei der SBP die Zulassungsbedingungen bezuumlglich des Mindestalters der Nachweis einer beruflichen Vorbildung fuumlr das angestrebte Studium eine fehlende Berufsberechtigung nach dem Abschluss der SBP keine unmittelbaren beruflichen Aufstiegsmoumlglichkeiten und -chancen der Nachweis einer oumlsterreichi-schen Staatsbuumlrgerschaft sowie des eingeschraumlnkten Studienrichtungswechsels aus
212ensp Berufsreifepruumlfung
Eine Moumlglichkeit fuumlr Lehrabsolventeninnen mit abgelegter LAP89 und Absolventeninnen mittlerer Schulen im raquozweiten Bildungsweglaquo eine Reifepruumlfung nachzuholen besteht seit 1997 in der Absolvierung einer BRP Sie ist eine Vollmatura und formell einer Externistenreifepruumlfung einer houmlheren Schule im Sinne des sect 42 des Schulunter-richtsgesetzes BGBl Nr 472 1986 gleichzusetzen Die Zulassung ist an einer oumlffent-lichen houmlheren Schule (mit einer Externisten-Reifepruumlfungskommission) zu beantragen
Seit dem Start der BRP 1997 wurde die Barriere zwischen raquozweitem Bildungsweglaquo und tertiaumlrer Bildung wesentlich aufgeweicht Der Gesetzgeber versuchte die BRP fuumlr eine erweiterte Zielgruppe von Personen chancenreicher und zukunftstraumlchtiger zu gestalten Dementsprechend weitgefaumlchert im Sinne von breiter erfuumlllbar sind die Zulassungsvoraussetzungen die nachfolgend in Auszuumlgen dokumentiert werden (siehe Abb 1) Demgemaumlszlig werden fuumlr die Teilpruumlfung im Fachbereich der BRP abgeschlossene Qualifikationen wie Werkmeister- Meister- und Befaumlhigungspruumlfung sowie Abschluumlsse aus Fachakademien und vierjaumlhrigen Fachschulen anerkannt (siehe Abb 2 S 206)
8 Mit Einrichtung der BRP wurde erstmalig in Oumlsterreich erworbenes Praxiswissen aus dem Berufsshyleben dem schulischen theoriebezogenen Wissen formell gleichgestellt (BGBl I Nr 68 1997 2)
9 LAP Lehrabschlusspruumlfung
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 205
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Diese im Vergleich zur SBP sachlicher zu erfuumlllenden Zulassungsvoraussetzungen spiegeln sich in den gestiegenen Anmeldungszahlen wider wobei vermehrt Lehr- statt BMS-Absolventeninnen das Ausbildungsangebot annehmen (Archan Schloumlgl 2007 27)
Die BRP kann einerseits (a) durch den Besuch von Vorbereitungslehrgaumlngen an houmlheren Schulen (z B HTL Wien 22-Donaustadt etc) oder andererseits (b) an Traumlger-instituten (z B VHS10 BFI11 WIFI12 TGA13 etc) aber auch (c) durch ein Selbststu-dium erfolgen Es koumlnnen bis zu drei Teilpruumlfungen gemeinsam oder temporaumlr getrennt abgelegt werden wenn die Lehrgaumlnge in den vom BMBF anerkannten Schulen Instituten besucht wurden Eine Teilpruumlfung kann bereits vor der LAP und mit vollendetem 17 Lebensjahr abgeschlossen werden Andererseits muss jedoch eine Teilpruumlfung vor der Pruumlfungskommission der gewaumlhlten houmlheren Schule (z B HAK HTL hellip) erfolgen Diese BHS stellt auch das Reifepruumlfungszeugnis aus Wer sich jedoch im Selbststudium vorbereitet muss alle Teilpruumlfungen kommissionell an der gewaumlhlten houmlheren Schule absolvieren
10 VHS Volkshochschule11 BFI Berufsfoumlrderungsinstitut12 WIFI Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut13 TGA Technisch-gewerbliche Abendschule
Abbildung 1 Auszug aus Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2
BerufsreifepruumlfungsgesetzAllgemeine Bestimmungen
sect 1 (1) Personen ohne Reifepruumlfung koumlnnen nach Maszliggabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifepruumlfung die mit der Reifepruumlfung einer houmlheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben wenn sie eine der nachstehend genannten Pruumlfungen bzw Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw absolviert haben1 Lehrabschlusspruumlfung gemaumlszlig sect 21 des Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr14219692 Facharbeiterpruumlfung gemaumlszlig sect 7 des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr 29819903 Mindestens dreijaumlhrige mittlere Schule4 Schule fuumlr medizinisch-technischen Fachdienst5 Mindestens dreijaumlhrige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflege- gesetz BGBl I Nr 10819976 Meisterpruumlfung gemaumlszlig sect 20 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 1947 Befaumlhigungspruumlfung gemaumlszlig sect 22 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 194
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
Mo
dule
Anre
chnung
enP
ruumlfu
ng
en
und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
bull bull
bullbull
bull
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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wwwsws-rundschauat SWS-Rundschau (56 Jg) Heft 2 2016 201ndash226
steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
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BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnderungsgesetz sect 64a verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2009_I_81BGBLA_2009_I_81pdf 10 4 2016
BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
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BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
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Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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211ensp Studienberechtigungspruumlfung
Die seit 1985 bestehende SBP (vgl BGBl I Nr 292 1985 1ndash2) vermittelt Jugendlichen ab dem 22 Lebensjahr (oder ab dem 20 Lebensjahr bei mindestens vierjaumlhriger Be-rufsausbildung) eine facheingeschraumlnkte Studienberechtigung fuumlr Universitaumlten (Fach- Paumldagogische) Hochschulen sowie Kollegs und unterliegt der Autonomie der Universitaumlten Im Gegensatz zum schulischen Sektor in dem man durch das Ablegen der Reifepruumlfung die allgemeine Hochschulreife erlangt gibt es bei der SBP die Moumlglichkeit einen Lehrgang fuumlr (a) eine universitaumlre SBP (fuumlr bestimmte Studien-faumlcher an Fach- Hochschulen oder Universitaumlten) oder (b) eine schulische SBP (Zugangsberechtigung fuumlr Lehraumlmter an Paumldagogischen Hochschulen) zu besuchen Die SBP besteht aus fuumlnf Teilpruumlfungen deren Inhalte von den angestrebten Studien-richtungen abhaumlngig sind Folgende Teilpruumlfungen sind abzulegen Aufsatz uumlber ein allgemeines Thema (4-stuumlndig) ein bis drei gesetzlich festgelegte Pflichtfaumlcher (z B Mathematik lebende Fremdsprache Englisch Latein etc) und ein bis drei studien-spezifische Wahlfaumlcher Die Ausbildungsdauer zur SBP betraumlgt je nach Vorbildung und Studienrichtung -zweig rund ein Jahr (vgl BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnde-rungsgesetz)
Nachteilig wirken sich bei der SBP die Zulassungsbedingungen bezuumlglich des Mindestalters der Nachweis einer beruflichen Vorbildung fuumlr das angestrebte Studium eine fehlende Berufsberechtigung nach dem Abschluss der SBP keine unmittelbaren beruflichen Aufstiegsmoumlglichkeiten und -chancen der Nachweis einer oumlsterreichi-schen Staatsbuumlrgerschaft sowie des eingeschraumlnkten Studienrichtungswechsels aus
212ensp Berufsreifepruumlfung
Eine Moumlglichkeit fuumlr Lehrabsolventeninnen mit abgelegter LAP89 und Absolventeninnen mittlerer Schulen im raquozweiten Bildungsweglaquo eine Reifepruumlfung nachzuholen besteht seit 1997 in der Absolvierung einer BRP Sie ist eine Vollmatura und formell einer Externistenreifepruumlfung einer houmlheren Schule im Sinne des sect 42 des Schulunter-richtsgesetzes BGBl Nr 472 1986 gleichzusetzen Die Zulassung ist an einer oumlffent-lichen houmlheren Schule (mit einer Externisten-Reifepruumlfungskommission) zu beantragen
Seit dem Start der BRP 1997 wurde die Barriere zwischen raquozweitem Bildungsweglaquo und tertiaumlrer Bildung wesentlich aufgeweicht Der Gesetzgeber versuchte die BRP fuumlr eine erweiterte Zielgruppe von Personen chancenreicher und zukunftstraumlchtiger zu gestalten Dementsprechend weitgefaumlchert im Sinne von breiter erfuumlllbar sind die Zulassungsvoraussetzungen die nachfolgend in Auszuumlgen dokumentiert werden (siehe Abb 1) Demgemaumlszlig werden fuumlr die Teilpruumlfung im Fachbereich der BRP abgeschlossene Qualifikationen wie Werkmeister- Meister- und Befaumlhigungspruumlfung sowie Abschluumlsse aus Fachakademien und vierjaumlhrigen Fachschulen anerkannt (siehe Abb 2 S 206)
8 Mit Einrichtung der BRP wurde erstmalig in Oumlsterreich erworbenes Praxiswissen aus dem Berufsshyleben dem schulischen theoriebezogenen Wissen formell gleichgestellt (BGBl I Nr 68 1997 2)
9 LAP Lehrabschlusspruumlfung
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Diese im Vergleich zur SBP sachlicher zu erfuumlllenden Zulassungsvoraussetzungen spiegeln sich in den gestiegenen Anmeldungszahlen wider wobei vermehrt Lehr- statt BMS-Absolventeninnen das Ausbildungsangebot annehmen (Archan Schloumlgl 2007 27)
Die BRP kann einerseits (a) durch den Besuch von Vorbereitungslehrgaumlngen an houmlheren Schulen (z B HTL Wien 22-Donaustadt etc) oder andererseits (b) an Traumlger-instituten (z B VHS10 BFI11 WIFI12 TGA13 etc) aber auch (c) durch ein Selbststu-dium erfolgen Es koumlnnen bis zu drei Teilpruumlfungen gemeinsam oder temporaumlr getrennt abgelegt werden wenn die Lehrgaumlnge in den vom BMBF anerkannten Schulen Instituten besucht wurden Eine Teilpruumlfung kann bereits vor der LAP und mit vollendetem 17 Lebensjahr abgeschlossen werden Andererseits muss jedoch eine Teilpruumlfung vor der Pruumlfungskommission der gewaumlhlten houmlheren Schule (z B HAK HTL hellip) erfolgen Diese BHS stellt auch das Reifepruumlfungszeugnis aus Wer sich jedoch im Selbststudium vorbereitet muss alle Teilpruumlfungen kommissionell an der gewaumlhlten houmlheren Schule absolvieren
10 VHS Volkshochschule11 BFI Berufsfoumlrderungsinstitut12 WIFI Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut13 TGA Technisch-gewerbliche Abendschule
Abbildung 1 Auszug aus Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2
BerufsreifepruumlfungsgesetzAllgemeine Bestimmungen
sect 1 (1) Personen ohne Reifepruumlfung koumlnnen nach Maszliggabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifepruumlfung die mit der Reifepruumlfung einer houmlheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben wenn sie eine der nachstehend genannten Pruumlfungen bzw Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw absolviert haben1 Lehrabschlusspruumlfung gemaumlszlig sect 21 des Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr14219692 Facharbeiterpruumlfung gemaumlszlig sect 7 des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr 29819903 Mindestens dreijaumlhrige mittlere Schule4 Schule fuumlr medizinisch-technischen Fachdienst5 Mindestens dreijaumlhrige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflege- gesetz BGBl I Nr 10819976 Meisterpruumlfung gemaumlszlig sect 20 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 1947 Befaumlhigungspruumlfung gemaumlszlig sect 22 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 194
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
Mo
dule
Anre
chnung
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ruumlfu
ng
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und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
21 Z Zeile
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 205
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Diese im Vergleich zur SBP sachlicher zu erfuumlllenden Zulassungsvoraussetzungen spiegeln sich in den gestiegenen Anmeldungszahlen wider wobei vermehrt Lehr- statt BMS-Absolventeninnen das Ausbildungsangebot annehmen (Archan Schloumlgl 2007 27)
Die BRP kann einerseits (a) durch den Besuch von Vorbereitungslehrgaumlngen an houmlheren Schulen (z B HTL Wien 22-Donaustadt etc) oder andererseits (b) an Traumlger-instituten (z B VHS10 BFI11 WIFI12 TGA13 etc) aber auch (c) durch ein Selbststu-dium erfolgen Es koumlnnen bis zu drei Teilpruumlfungen gemeinsam oder temporaumlr getrennt abgelegt werden wenn die Lehrgaumlnge in den vom BMBF anerkannten Schulen Instituten besucht wurden Eine Teilpruumlfung kann bereits vor der LAP und mit vollendetem 17 Lebensjahr abgeschlossen werden Andererseits muss jedoch eine Teilpruumlfung vor der Pruumlfungskommission der gewaumlhlten houmlheren Schule (z B HAK HTL hellip) erfolgen Diese BHS stellt auch das Reifepruumlfungszeugnis aus Wer sich jedoch im Selbststudium vorbereitet muss alle Teilpruumlfungen kommissionell an der gewaumlhlten houmlheren Schule absolvieren
10 VHS Volkshochschule11 BFI Berufsfoumlrderungsinstitut12 WIFI Wirtschaftsfoumlrderungsinstitut13 TGA Technisch-gewerbliche Abendschule
Abbildung 1 Auszug aus Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2
BerufsreifepruumlfungsgesetzAllgemeine Bestimmungen
sect 1 (1) Personen ohne Reifepruumlfung koumlnnen nach Maszliggabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifepruumlfung die mit der Reifepruumlfung einer houmlheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben wenn sie eine der nachstehend genannten Pruumlfungen bzw Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw absolviert haben1 Lehrabschlusspruumlfung gemaumlszlig sect 21 des Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr14219692 Facharbeiterpruumlfung gemaumlszlig sect 7 des Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes BGBl Nr 29819903 Mindestens dreijaumlhrige mittlere Schule4 Schule fuumlr medizinisch-technischen Fachdienst5 Mindestens dreijaumlhrige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflege- gesetz BGBl I Nr 10819976 Meisterpruumlfung gemaumlszlig sect 20 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 1947 Befaumlhigungspruumlfung gemaumlszlig sect 22 der Gewerbeordnung 1994 BGBl Nr 194
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
Mo
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chnung
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und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
bull bull
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
216 Erich Mohl Stefan Illedits
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 217
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
206 Erich Mohl Stefan Illedits
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Die in den Lehrgaumlngen zur BRP angebotenen rund 700 Unterrichtsstunden gliedern sich einerseits in jeweils 160ndash180 Stunden Deutsch lebende Fremdsprache (z B Englisch) Mathematik sowie in den Fachbereich (2014 15 16 Fachbereiche14) Die Teilpruumlfung aus dem Fachbereich ist entweder vom erlernten Beruf oder vom Berufs-feld abhaumlngig Zusaumltzlich gibt es die Moumlglichkeit einzelne Unterrichtsfaumlcher an Houmlheren Schulen fuumlr Berufstaumltige zu besuchen und an diesen auch die Teilpruumlfungen abzulegen (siehe Abb 2)
14 Fachbereiche Agrarmarketing Bautechnik Betriebswirtschaft und Rechnungswesen Chemie Elektronik Elektrotechnik Ernaumlhrung und Lebensmitteltechnologie Gesundheit und Soziales Handel und Rechnungswesen Informationsmanagement und Medientechnik Innenraumgestaltung und Holztechnik Installations- und Gebaumludetechnik Kulturtouristik Kunst und Design Land- und Forstwirtschaft Maschinenbau Modemarketing Politische Bildung und Recht Textiltechnik Touristisches Management Werkstofftechnik Wirtschaftsinformatik
Abbildung 2 Teilpruumlfungen zur Berufsreifepruumlfung
Quelle BGBl I Nr 6819971ndash2 amp Majer (2006) 15
Deutsch MathematikLebende
Fremdsprache Fachbereich
middot Meisterpruumlfung odermiddot Befaumlhigungspruumlfung odermiddot Abschluss einer Fachakademie oder vierjaumlhrige Fachschule mit
Abschluss einer Fachakademie
oder
5-stuumlndige 4-stuumlndige 5-stuumlndige 5-stuumlndigeschriftliche schriftliche schriftliche schriftlicheKlausur und Klausur Klausur Klausur odermuumlndliche oder ProjektarbeitPruumlfung muumlndliche jeweils mit
Puumlrfung muumlndlicherPruumlfung
lt Verordnung des Bildungsministeriums uumlber den Ersatz von Pruumlfungsgebieten
abschlieszligender Projektarbeit
middot weitere Pruumlfungen
Berufsreifepruumlfung
Teilpruumlfungen im Rahmen Werkmeisterpruumlfung oder einer Reifepruumlfung an AHS
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und BHS Bildungsanstalt fuumlr Kindergartenpaumldagogik und Sozialpaumldagogik Teilpruumlfungen an der BRP
im Rahmen von anerkannten Lehrgaumlngen
Anerkannte Pruumlfungen (z B Sprachzertifikate)
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
216 Erich Mohl Stefan Illedits
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
Statistik Austria (2014) Bestandene Reife- und Dip-lompruumlfungen Jahrgang 2014 nach Ausbildungsformen verfuumlgbar unter httpwwwstatistikatweb_destatistikenmenschen_und_gesellschaftbildung_und_kulturforma-les_bildungswesenbildungsabschlues-se034884html 11 4 2016
VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 207
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Die Finanzierung der Vorbereitungskurse fuumlr die BRP ist theoretisch durch die oumlffentliche Hand moumlglich da auch houmlhere Schulen selbst Vorbereitungslehrgaumlnge fuumlr die BRP anbieten koumlnnen An diesen koumlnnen Kandidateninnen als auszligerordentliche Schuumllerinnen am regulaumlren Tages- Abendunterricht teilnehmen Zumeist besuchen Lehr- und BMS-Absolventeninnen jedoch kostenpflichtige Kurse der Traumlgerorganisa-tionen Deren Kurskosten und Pruumlfungsgebuumlhren sind jedoch hoch (z B WIFI 700ndash900 euro Kurs VHS 250ndash500 euro Kurs BFI 200ndash300 euro Kurs Pruumlfungsgebuumlhren 120ndash220 euro Teilpruumlfung vgl WIFI ndash Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung 2015 16 16 BFI ndash Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 1 VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen 2016 1)
Die finanzielle Foumlrderung der BRP unterliegt in den Bundeslaumlndern unterschied-lichsten Voraussetzungen Waumlhrend die Steiermark eine 100-prozentige Foumlrderung vergibt foumlrdern Oberoumlsterreich und die Steiermark die Gebuumlhren mit 50 Prozent sowie Tirol und Vorarlberg mit rund 30 Prozent Die restlichen Bundeslaumlnder foumlrdern die Vorbereitungskurse mit Fixbetraumlgen (Kaumlrnten Salzburg) oder mit rund 75 Prozent der jeweiligen Kurskosten (Burgenland Wien) Nach maximaler Ausschoumlpfung der Landesfoumlrderungen ergeben sich durchschnittliche Nettogebuumlhren von 1500 euro (Mini-mum Burgenland mit 1000 euro Maximum Tirol mit 2500 euro) Bei den regionalen Foumlrderungen waumlre eine bundesweite Vereinheitlichung im Sinne einer Chancengleich-heit wuumlnschenswert (Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen 2016 1 eigene Berechnungen)
Von 1997 bis Juni 2008 absolvierten jaumlhrlich zwischen 1000 und 2500 Personen die BRP-Matura Verstaumlrkt angenommen und positiv abgeschlossen wurde die BRP vor allem in den Bundeslaumlndern Oberoumlsterreich Wien und Steiermark (Klimmer Holzer 2009 23) Danach fielen deren Absolventeninnenzahlen aufgrund der Moumlglichkeit eine Lehre mit Matura zu absolvieren kontinuierlich auf rund 1500 Maturanteninnen (2012 13 1866 2013 14 1522 Statistik Austria 2014 vgl Mayerl 2012 5 eigene Berech-nungen)
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der BRP tragen die Rahmenbedingun-gen bei die zu beachten sind (a) einerseits genuumlgend Zeit um die Vorbereitungslehr-gaumlnge am Abend zu besuchen (b) ein Zeitmanagement um neben dem Beruf zu lernen (c) soziale Unterstuumltzung aus Familie Freundeninnen oder Freundeskreis (d) eventuell notwendige Kinderbetreuung oder familiaumlren Verpflichtungen nach-zugehen (e) motiviert sein (vielleicht nach langer Zeit) wieder zu lernen und (f) Stress-situationen in Pruumlfungszeiten bewaumlltigen (vgl Schloumlgl u a 2012 36 amp 39 amp Mayrhofer 2003 24)
Zusammenfassend kann vervollstaumlndigt werden dass die BRP fuumlr sich allein ein Bildungsabschluss ist der dazu beitraumlgt die Karrierechancen sowohl innerhalb des Unternehmens zu verbessern wie bspw im Bundesdienst als raquoDienstrecht A-2-wertiglaquo zu gelten (BGBl Nr 333 1979 Z 211 amp Bauer 2009 30ndash31 amp Abb 2) als auch betriebs-extern einen Zugang zu Kollegs Fach- und Paumldagogischen Hochschulen sowie Universitaumlten zu ermoumlglichen
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
216 Erich Mohl Stefan Illedits
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
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BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
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226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
Statistik Austria (2014) Bestandene Reife- und Dip-lompruumlfungen Jahrgang 2014 nach Ausbildungsformen verfuumlgbar unter httpwwwstatistikatweb_destatistikenmenschen_und_gesellschaftbildung_und_kulturforma-les_bildungswesenbildungsabschlues-se034884html 11 4 2016
VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
208 Erich Mohl Stefan Illedits
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3ensp LehreenspmitenspMaturaenspalsenspbesondereenspFormenspderenspBerufsreifepruumlfung
Ein zusaumltzliches Foumlrdermodell der BRP die Reifepruumlfung durch raquoLehre mit Maturalaquo (sect 11b BrpBG15 Uumlbergangsbestimmung zur Novelle BGBl Nr 118 2008) wird als Ergaumlnzung zum bestehenden Angebot von SBP und BRP angeboten Da dieses Modell eine eingeschraumlnkte Form der BRP ist kann sie ausschlieszliglich von Lehrlingen mit einem aufrechten Lehrverhaumlltnis und nicht von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS und BMHS besucht werden
Teilpruumlfungen zur Lehre mit Matura finden generell in Kooperation mit einer BHS (HLW HTL HAK HLT etc ) statt an der sich der Lehrling anmeldet In jedem Bundesland ist eine Traumlgerorganisation mit der Gesamtkoordination -verantwortung sowie der Abwicklung betraut (z B Wien-KUS16-Netzwerk fuumlr Bildung Soziales Sport und Kultur)
Die Ausbildungsmodelle fuumlr Lehre mit Matura sind in den Bundeslaumlndern unter-schiedlich organisiert umfassen jedoch immer 900 Unterrichtstunden Sie unterschei-den sich jedoch in der Lerneinheitenanzahl der Basiskurse (40ndash45 LE17) der Vorbe-reitungskurse (120ndash180 LE) der Intensiv- Pruumlfungsvorbereitungskurse (15ndash20 LE) sowie im Einzel- Gruppencoaching (15ndash200 LE) Auch in den Reifepruumlfungsgegen-staumlnden (Deutsch lebende Fremdsprache Mathematik und Fachbereich) differiert das LE-Angebot der Schulen bzw Traumlgerorganisationen geringfuumlgig Zumeist werden im Fachbereich die wenigsten LE angeboten da dieser in der facheinschlaumlgigen Berufs-schul-Ausbildung am intensivsten gelehrt wird Landesweit einheitlich entsprechen die Pruumlfungsmodalitaumlten jenen von BHS-Schulen d h jede Teilpruumlfung zur Matura darf bei negativem Abschluss zweimal wiederholt werden (siehe bspw Modell der BRP OOuml Abb 3)
15 BrpBG Berufsreifepruumlfungs-Bundesgesetz16 Wien-KUS Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen17 LE Lerneinheiten
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
210 Erich Mohl Stefan Illedits
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
212 Erich Mohl Stefan Illedits
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
214 Erich Mohl Stefan Illedits
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
216 Erich Mohl Stefan Illedits
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
Statistik Austria (2014) Bestandene Reife- und Dip-lompruumlfungen Jahrgang 2014 nach Ausbildungsformen verfuumlgbar unter httpwwwstatistikatweb_destatistikenmenschen_und_gesellschaftbildung_und_kulturforma-les_bildungswesenbildungsabschlues-se034884html 11 4 2016
VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 209
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Abbildung 3 Modell OOuml ndash Der Weg zur (BRP-) Matura
Quelle Jugendservice Oberoumlsterreich (2015)
Orientierungscheck
Beratungsgespraumlche
Informationsabende
Basiskurs
Deutsch (45 Std)
Basiskurs
Englisch (45 Std)
Basiskurs
Mathematik (45 Std)
Basiskurs
Fachbereich (40 Std)
Vorbereitungslehrgang
Deutsch (160 Std)
Vorbereitungslehrgang
Mathematik (180 Std)
Vorbereitungslehrgang
Fachbereich (120 Std)
Vorbereitungslehrgang
Englisch (180 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Deutsch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Englisch (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Mathematik (20 Std)
Pruumlfungsvorbereitung
Fachbereich (15 Std)
(BRP-) Matura
Teilpruumlfung
Mathematik
Teilpruumlfung
Fachbereich
Teilpruumlfung
Deutsch
Teilpruumlfung
Englisch
Einzel- und Gruppencoaching (15 Std)
START
210 Erich Mohl Stefan Illedits
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
216 Erich Mohl Stefan Illedits
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 217
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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Informationsabende Beratungsgespraumlche und Orientierungschecks stehen am Beginn dieser Ausbildung Der Orientierungscheck in Form einer schriftlichen Uumlber-pruumlfung des Basiswissens in Deutsch lebender Fremdsprache (z B Englisch) und Mathematik ermittelt das Grundlagenwissen vor dem Start in die jeweiligen Vorberei-tungslehrgaumlnge Zur Entscheidungsfindung bieten Bildungsberaterinnen zusaumltzlich kostenlose Beratungsgespraumlche fuumlr alle Lehrlinge an
Als Vorbedingung fuumlr die Zulassung in das Ausbildungsmodell Lehre mit Matura wird ein guumlltiger Lehrvertrag vorausgesetzt Bis zum Ende der Lehrzeit muss zumin-dest eine Teilpruumlfung positiv abgeschlossen sein Andererseits darf die vierte Teilpruuml-fung erst nach der LAP und dem vollendeten 19 Lebensjahr erfolgen Danach besteht bis zu fuumlnf Jahre Zeit um die Kurse Lehrgaumlnge und Teilpruumlfungen kostenlos im Rahmen des Modells Lehre mit Matura abzuschlieszligen
Eine Besonderheit des oumlsterreichischen Modells von Lehre mit Matura sind die verpflichtenden Coaching-Stunden (Einzel- Gruppencoaching) Sie dienen als Unter-stuumltzungsangebot fuumlr die herausfordernde Mehrfachbelastung zwischen Lehre bzw Berufsschule und Maturavorbereitung Erfahrene Sozialpaumldagogeninnen betreuen den Lehrling individuell beim Erstellen eines persoumlnlichen Ausbildungsplans bei Selbstorganisation und Zeitmanagement beim Entwickeln von Lernstrategien helfen im Umgang mit Pruumlfungsaumlngsten bei Konfliktloumlsungen motivieren zu regelmaumlszligigem Unterrichtsbesuch bzw zum Lernen und sind zuletzt auch Ansprechpartnerinnen fuumlr Lehrbetrieb Ausbilderinnen und Eltern
Die Basiskurse und Vorbereitungslehrgaumlnge sowie die Lernmaterialien fuumlr die jeweiligen Reifepruumlfungsgegenstaumlnde fuumlhren zu keinen Kosten beim Lehrling da in der Novelle zum BrpBG 2008 auch eine 100-prozentige Foumlrderung aus Bundesmitteln beschlossen wurde Zudem foumlrdert das BMBF18 die Schulen Traumlgerorganisationen in der Ausbildung mit 6000 euro pro Lehrling Somit fallen auch keine Zusatzkosten bei Abbruch eines Kurses fuumlr den Lehrling an
Die Pruumlfungsmodalitaumlten aller Teilpruumlfungen der Berufsreifepruumlfung sind aumlhnlich jenen der vollzeitschulischen houmlheren Schulen Es wird in den Unterrichtsgegenstaumln-den Deutsch (5-stuumlndige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung) Mathe-matik (4-stuumlndige schriftliche Klausur) lebende Fremdsprache [z B Englisch (5-stuumln-dige schriftliche Klausurarbeit und muumlndliche Pruumlfung)] und im Fachbereich matu-riert (5-stuumlndige schriftliche Klausur und muumlndliche Pruumlfung aus dem Berufsfeld des der Lehrabsolventenin sowie Praumlsentation Diskussion Fachgespraumlch unter Verknuumlpfung des Fachbereichs oder der Fachbereichs-Projektarbeit)
Die Fachbereichspruumlfung (Projektarbeit oder Klausur) die einen klaren Bezug zum erlernten Lehrberuf haben muss orientiert sich am Lehrberuf (z B Lehrberuf Maschinenbautechnik Pruumlfung aus Fachbereich Maschineningenieurwesen oder Lehrberuf Buumlrokaufmann -frau Pruumlfung aus Fachbereich BWL und RW19) und wird
18 BMBF Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen19 BWL und RW Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
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Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 211
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zumeist als letzte Teilpruumlfung abgelegt da diese auf die Fachinhalte der Berufsschule aufbaut (siehe Abb 3 S 209)
31ensp Ausbildungsmodelle
Oumlsterreichweit wird Lehre mit Matura in zwei Modellen einem raquobegleitenden Modelllaquo und einem raquointegrierten Modelllaquo angeboten
(a)ensp BegleitendesenspModell
Im begleitenden Modell fuumlr die Lehre mit Matura findet der Unterricht in der Privat-zeit des Lehrlings statt Bei diesem Modell hat die Lehre mit einer erfolgreichen Lehrabschlusspruumlfung eine houmlhere Prioritaumlt Pro Unterrichtsgegenstand finden die Vorbereitungslehrgaumlnge (z B WIFI BFI VHS etc) an ein bis zwei Abenden pro Woche (drei bis vier Unterrichtseinheiten) oder in geblockten Wochenendlehrgaumlngen statt Somit ist der Vorbereitungslehrgang unabhaumlngig vom Ausbildungsbetrieb und Berufsschulunterricht Uumlberschneidungen mit dem Berufsschulunterricht sollen dadurch vermieden werden Zudem besteht die Moumlglichkeit die Lehre mit Matura innerhalb von vier Jahren abzuschlieszligen Wenn die Unterrichtsgegenstaumlnde nach- einander abgeschlossen werden kann der Lehrling den Zeitpunkt der einzelnen Kurse oder Lehrgaumlnge durch das angebotene modulare Bausteinsystem (Deutsch Englisch Mathematik Fachbereich) selbst steuern und eine Mehrfachbelastung verringern Fuumlr das erfolgreiche Abschlieszligen der Matura hat der Lehrling insgesamt bis zu acht Jahren Zeit (siehe Tab 2 S 212)
(b)ensp IntegriertesenspModellensp
Beim integrierten Modell ist die Lehre mit Matura Bestandteil des Lehrverhaumlltnisses und muss mit dem Ausbildungsbetrieb vereinbart werden Der Kurs- Lehrgangsbe-such kann bspw in diesem Modell innerhalb der Arbeitswoche erfolgen und wird auf die Arbeitszeit angerechnet Er findet einmal woumlchentlich (z B Freitag) mit Anwesen-heitspflicht des Lehrlings oftmals freigestellt vom Lehrbetrieb fuumlr die Unterrichtszeit zumeist an BHS-Schulen oder Traumlgerorganisationen statt Die entgangene Lehraus-bildungszeit kann jedoch zu einer Lehrzeitverlaumlngerung von bis zu sechs Monaten fuumlhren Das ausbildende Unternehmen entscheidet vorab ob die Ausbildungszeit der Lehre verlaumlngert wird oder nicht Begonnen wird mit zwei Unterrichtsgegenstaumlnden wobei bis zum Ende der Lehrzeit in drei Unterrichtsfaumlchern maturiert wird Nach dem Lehrabschluss kann im letzten Unterrichtsgegenstand die Matura mit der BRP (Mindestalter 19 Jahre) abgeschlossen werden (siehe Tab 2)
Sowohl beim integrierten als auch beim begleitenden Modell wird in rund 900 Unterrichtsstunden (aufgeteilt in vier Unterrichtsgegenstaumlnde und 15 Coaching-Stunden) nach einem einheitlichen Curriculum des BMBF kompetenzorientiert unter-richtet und gepruumlft wobei jede Teilpruumlfung zweimal wiederholt werden kann
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
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BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
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Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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32ensp TeilnehmerinnenenspundenspAbsolventeninnenenspbeienspLehreenspmitenspMatura
Nach einem schleppenden Beginn des Foumlrdermodells von Lehre mit Matura stiegen die Teilnehmerinnenzahlen in den folgenden Jahren kontinuierlich von 2000 (2008) auf rund 11000 (2015) Maturanteninnen an (siehe Tab 3)
Nach schwachen Anfangsjahren (2008ndash2012) mit rund 300 Maturanteninnen stieg 2015 erstmals die Absolventeninnenanzahl signifikant auf rund 1600 an Insge-samt absolvierten im Zeitraum 2008ndash2015 rund 3200 Personen die BRP (siehe Abb 4)
Tabelleensp2enspenspVergleichenspraquoIntegriertesenspundenspBegleitendesenspModelllaquoenspLehreenspmitenspMaturaensp
IntegriertesenspModell BegleitendesenspModell
Arbeitszeit versus Freizeit
Maturakurse in die Arbeitszeit integriert Mitlernen und Selbststudium in der Freizeit
Maturakurse und selbstaumlndiges Lernen in der Freizeit Daher mehr Aufwand in der Freizeit
Flexibilitaumlt
Weniger flexibel da klarer Ausbil-dungsplan waumlhrend der gesamten Lehrzeit
Sehr flexibel weil an die eigene Leis-tungsfaumlhigkeit und Zeitverfuumlgbarkeit angepasst gemeinsam mit Coachin bzw Beraterin wird ein persoumlnlicher Zeitplan entwickelt
Matura-Abschluss
Matura-Abschluss (kurz) nach der Lehrabschlusspruumlfung
Matura-Abschluss je nach persoumln-licher Leistungsbereitschaft bis fuumlnf Jahre nach der Lehrabschluss-pruumlfung
Quelle Wirtschaftskammer Tirol ndash Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich (2015) 24
Tabelleensp3enspTeilnehmerinnenenspLehreenspmitenspMaturaensp(StichtagenspMaiensp2015)
Bundesland Nov08 Maiensp09 Nov09 Maiensp10 Nov10 Maiensp11 Nov11 Maiensp12 Nov12 Maiensp13 Nov13 Maiensp14 Maiensp15
Burgenland 0 87 75 106 93 122 113 130 141 132 118 143 145
Kaumlrnten 538 507 682 670 854 835 974 946 1002 948 1021 989 995
Niederoumlsterreich 109 345 409 501 655 701 842 872 981 1032 1085 984 1093
Oberoumlsterreich 741 1821 2074 1283 1499 1785 2514 2468 2550 2556 2741 2629 2504
Salzburg 189 409 711 694 837 751 981 949 1122 1077 1286 1177 1238
Steiermark 0 0 659 1174 1194 1079 1375 1427 1814 1786 1879 1900 1818
Tirol 313 405 585 585 681 711 848 898 988 914 956 933 963
Vorarlberg 0 0 14 14 64 58 83 80 105 103 132 169 166
Wien 198 703 1033 1235 1421 1424 1754 1532 1729 1639 1843 1553 1686
Summe 2088 4277 6242 6262 7298 7466 9484 9302 10432 10187 11061 10477 10608
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2438 AB 2015 1 amp Schloumlgl u a (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 66
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
303
639
912
1620
0
500
1000
1500
2000
Sep 2008ndashMai 2012
Mai 2012ndashMai 2013
Mai 2013ndashMai 2014
Mai 2014ndashMai 2015
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 217
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 213
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Nach Lehrberufen schlossen am haumlufigsten kaufmaumlnnische Lehrlinge sowie Lehr-linge im Verwaltungsbereich eine Lehre mit Matura positiv ab Hingegen verzeichne-ten die Lehrberufe aus den Gastronomie- und Tourismus-Bereichen die geringsten Abschluumlsse (vgl BMBF ndash Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 3)
33ensp Forschungsstand
Archan amp Schloumlgl empfahlen erstmals 2007 in einer BRP-Bedarfsanalyse am IBW in Wien eine spezifizierte Form der BRP die raquoLehre mit Maturalaquo die darauffolgend 2008 vom BUMKK20 (heute BMBF) per Gesetz legitimiert und bundesweit gestartet wurde (2007 54ndash55) 2009 untersuchten Klimmer amp Holzer das BRP-Angebot die geschlech-terspezifischen Teilnahmen in den Vorbereitungslehrgaumlngen bzw die Absolventeninnenzahlen der BRP Ziel dieser Studie war es einen einheitlichen Uumlberblick uumlber die unterschiedlichen Angebote (WIFI BFI VHS HTL HAK Berufsschulen etc) zu erstellen Aufgezeigt wurde dabei dass am BFI mehrheitlich Frauen (~53 Prozent Schwerpunkt kaufmaumlnnische Fachbereichs-Lehrgaumlnge) sowie am WIFI (~54 Prozent) bzw an VHS (~56 Prozent) vermehrt Maumlnner aufgrund technischer Fachbereichs-Lehrgaumlnge eine BRP absolvierten (Klimmer Holzer 2009 12 amp 14)
Eine weitere Studie zur BRP wurde von Mayerl (2012) erstellt Er untersuchte ob sich bei der Berufsmatura die Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich veraumlnderte Zudem erhob er die Bildungsverlaumlufe der Teil-nehmerinnen bei Lehre mit Matura Die Untersuchungsergebnisse zeigen dass raquoUm-
20 BMUKK Bundesministerium fuumlr Unterricht Kunst und Kultur
Abbildung 4 Absolventeninnen bei Lehre mit Matura (September 2008ndashMai 2015)
Quelle BMBF ndash Lehre mit Matura ndash Anfrage 2348 AB 2015 1 amp Schloumlgl ua (2012) 19 amp Dornmayr Nowak (2015) 67
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
214 Erich Mohl Stefan Illedits
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steigerinnenlaquo mit wechselseitigen Bildungsverlaumlufen (z B aus nicht abgeschlossenen BMHS und AHS) sowie bestimmte Lehrberufsgruppen (Buumlro Verwaltung Organisa-tion Handel) verstaumlrkt an den Lehrgaumlngen teilnehmen Es wird auch aufgezeigt dass vor allem Umsteigerinnen (z B BHS 38 Prozent) und weniger Lehrlinge die von einem raquoklassischenlaquo Bildungsweg (z B Hauptschule Polytechnische Schule) zur Lehre kommen diesem Bildungsweg folgen und dass sich die Durchlaumlssigkeit nur gering-fuumlgig verbesserte Beachtenswert ist auch das Ergebnis dass der Weg zu studieren nicht das wesentliche Kriterium fuumlr den Besuch der BRP ist (Mayerl 2012 13 amp 20)
Eine wichtige Studie der juumlngeren Vergangenheit zum Thema Lehre mit Matura stammt von Wurzer (2014) der der Frage nachging warum Lehrlinge eine Lehre mit Matura besuchen Vorrangiger Grund sowohl von Lehrlingen aus produzierenden Unternehmen als auch aus Handelsunternehmen war der Wunsch sich beruflich zu veraumlndern Zudem wurden bessere Arbeitsbedingungen Jobs in Buumlro und Organisa-tion angestrebt oder auch sich Moumlglichkeiten fuumlr die Zukunft offenzuhalten (Wurzer 2014 92ndash93)
4ensp MethodikenspundenspDarstellungenspderensperhobenenenspDaten
41ensp Allgemeines
Nachdem die BRP sowie das Foumlrdermodell Lehre mit Matura beleuchtet wurden sollen nun Interviews mit Lehrkraumlften aus dem Schul- und Erwachsenenbildungsbe-reich die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde unterrichten sowie mit Lehrlingen die Vorberei-tungskurse fuumlr die Matura besuchen ausgewertet werden Ziel der Studie ist es Lehr-kraumlfte und Lehrlinge bundeslaumlnderuumlbergreifend (Wien Niederoumlsterreich Oberoumlster-reich Burgenland) in Unternehmen Schulen und Tertiaumlreinrichtungen uumlber Barrieren Hindernisse und Huumlrden auf dem Weg zur Matura zu befragen Welche Ursachen koumlnnten den maumlszligigen Maturanteninnenzahlen trotz hoher staatlicher Foumlrdermittel und konstant hoher Besucherinnenzahlen (siehe auch Tab 3 S 212) zu Grunde liegen Themenschwerpunkte in den Interviews sind dabei Defizite bei schulischen familiaumlren und betrieblichen Unterstuumltzungsmaszlignahmen die zunehmende Mehrfach-belastung in Ausbildungsbetrieb Berufsschule Maturavorbereitungskursen und erforderlicher Lernzeit moumlgliche Lern- und Leistungsschwaumlchen aber auch Motive der Lehrlinge eine Lehre mit Matura zu absolvieren Die Forschungsfrage lautet somit Worin liegen die Ursachen fuumlr die niedrigen Absolventeninnenquoten bei Lehre mit Matura
In problemzentrierten Interviews ist es den Befragten moumlglich auf eine bestimm-te Problemstellung hin frei zu antworten Ein wichtiges Merkmal fuumlr die Durchfuumlh-rung von problemzentrierten Interviews ist die Offenheit der Befragung Das freie Antworten ohne vorgegebene Antwortmoumlglichkeiten ermoumlglicht den Befragten ihre individuellen und subjektiven Perspektiven offenzulegen und ihre Meinung eigen-staumlndig zu formulieren (Mayring 2002 66ndash67)
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 215
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 217
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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42ensp DurchfuumlhrungenspderenspBefragung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden 2015 in Wien Nieder- und Ober-oumlsterreich sowie im Burgenland sechs Lehrkraumlfte die Reifepruumlfungsgegenstaumlnde wie Deutsch (W1 W3) lebende Fremdsprache Englisch (W2) Mathematik Physik (M1) oder im Fachbereich [BWL-RW (W4) Maschineningenieurwesen (M2)] unterrichten befragt Sie unterrichten an Berufsschulen HAK HLW und HTL Im weiteren Verlauf werden die weiblichen Lehrkraumlfte ausschlieszliglich mit W1ndashW4 und die maumlnnlichen mit M1ndashM2 benannt um die Daten zu anonymisieren
Des Weiteren wurden zwoumllf Lehrlinge (jeweils sechs weibliche und maumlnnliche) aus Nieder- und Oberoumlsterreich Wien und dem Burgenland interviewt (durchschnittliche Dauer eines Interviews 25ndash30 Minuten) Zur Anonymisierung der Daten werden die weiblichen Lehrlinge mit w1ndashw6 und die maumlnnlichen mit m1ndashm6 bezeichnet Sie durchlaufen alle ein begleitendes Modell mit raquoLehre mit Maturalaquo Von den befragten Lehrlingen wurden zudem personenbezogene Daten wie Lehrberuf Alter letzter besuchter Schultyp Anzahl der Lehrjahre Anzahl der abgeschlossenen Reifepruumlfungs-gegenstaumlnde sowie Staatsbuumlrgerschaft erhoben Im Folgenden wird eine Uumlbersicht uumlber die befragten Lehrlinge praumlsentiert
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 217
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Zu Beginn des Interviews wurden die Beteiligten uumlber Anonymitaumlt und Vertrau-lichkeit des Interviews in Kenntnis gesetzt Die nachfolgenden Fragestellungen wurden zudem in die Fragebloumlcke A (Lehrlinge) und B (Lehrkraumlfte) getrennt(A) Den Interviewpartnerninnen die eine Lehre mit Matura anstreben und aus Lehr-
betrieben kommen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche Unterstuumltzung erfahren Sie bei raquoLehre mit Maturalaquo Erhalten Sie von
Ihrem Unternehmen Lehrherrn Lehrkraumlften der Berufs- Houmlheren Schulen Traumlgerorganisation oder Eltern Freundeskreis Hilfestellung und Unterstuumlt-zung
(2) Wie laumlsst sich aus Ihrer Sichtweise die Mehrfachbelastung zwischen raquoLehre ndash Berufsschule ndash berufsbegleitende (Tages- Abend-) Schule -Kurse und erfor-derlicher Lernzeitlaquo bewaumlltigen
(3) Wie bewaumlltigen Sie Lernschwaumlchen -schwierigkeiten -probleme in den Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Sie im Besonderen eine Lehre mit Matura anzustreben(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern
(organisatorisch curricular etc)(B) Den Interviewpartnerninnen aus den Schul- bzw Erwachsenenbildungseinrich-
tungen wurden folgende Fragen gestellt(1) Welche besonderen Unterstuumltzungsmaszlignahmen bieten Sie Lehrlingen bei
Lehre mit Matura an (2) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash die Mehrfachbelastung
zwischen raquoBerufsschule ndash berufsbegleitende (Abend-) Schule -Kurse und erforderlicher Lern- Freizeitlaquo
(3) Wie bewaumlltigen Lehrlinge ndash aus Ihrer Sichtweise ndash Lernschwaumlchen und -schwierigkeiten in Maturagegenstaumlnden
(4) Was motiviert Jugendliche ndash aus Ihrer Sichtweise ndash eine Lehre mit Matura anzustreben
(5) Was wuumlrden Sie am System von Lehre mit Matura modifizieren veraumlndern (organisatorisch curricular etc)
43ensp Auswertungsmethode
Die Daten der vorliegenden Untersuchung wurden mit Hilfe der qualitativen Inhalts-analyse von Mayring ausgewertet Mit dieser Methode werden Textstellen systematisch analysiert indem das Material beispielsweise ein transkribiertes Interview schritt-weise mit einem theoriegeleiteten am Material entwickelten Kategoriensystem bearbeitet wird (Mayring 2002 114ndash121) Zur schriftlichen Auswertung der aus dem Leitfaden erstellten Audiodateien werden diese in die Transkriptionssoftware MaxQDA importiert und nachfolgend transkribiert In einem weiteren Schritt werden relevante Kategorien deduktiv aus der Hypothese und ergaumlnzend (induktiv) aus der Aufarbei-tung der gewonnenen Interviewdaten formuliert Danach kommt es zur Kodierung der Textteile -stellen in den zuvor gebildeten Kategorien In der nachfolgenden Auswer-tung werden die Interviewtexte interpretiert wobei die Interpretationen deskriptiven
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
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Charakter haben wenn sie Sachverhalte beschreiben In einem letzten Schritt kommt es zur Generalisierung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse (Deutungen) Fuumlr diese Untersuchung von raquoLehre mit Maturalaquo wurden folgende Kategorien gebildetKategorie 1 Unterstuumltzungsmaszlignahmen Kategorie 2 Mehrfachbelastung Kategorie 3 Lernschwaumlchen -schwierigkeiten Kategorie 4 Motive Kategorie 5 Systemmodifikationen
44ensp InterviewergebnisseenspundenspInterpretationenspderensperhobenenenspDaten
Im anschlieszligenden Kapitel werden die verfuumlgbaren Daten anhand der erstellten Kate-gorien unabhaumlngig voneinander beschrieben und die reduzierten Textpassagen aus den transkribierten Interviews miteinander verglichen
441ensp Unterstuumltzungsmaszlignahmen
Ein zentrales Thema der vorliegenden empirischen Untersuchung war Staumlrken und Schwaumlchen bei den Unterstuumltzungsmaszlignahmen aus Familie Freundeskreis Betrieb und Schule zu erheben Die befragten Personen (w1 w2 w3 w4 und m3 m4 m6) geben an dass sie von ihren Ausbildungsbetrieben in ausreichendem Maszlig bei Lehre mit Matura unterstuumltzt werden Demgegenuumlber standen auch drei Aussagen von Lehr-lingen (w5 m2 m5) die keine oder nur geringfuumlgige Unterstuumltzungen von Unter-nehmerseite erhielten Sie werden in Klein- (m2 m5) oder Mittelbetrieben (w5) aus-gebildet
raquoIch bin von meinem Abteilungsleiter auf die Moumlglichkeit einer berufsbegleitenden Lehre mit Matura angesprochen worden Er verwies auch auf Foumlrderungen des Betriebes wie Freistellung zur Maturavorbereitung fuumlr Pruumlfungstage sowie auf das Praumlmiensystem fuumlr Lehrlingelaquo (w4 Z21 32ndash33)
Alle Interviewpartnerinnen mit Ausnahme von w2 und m1 wurden von ihrem Elternhaus Erziehungsberechtigten oder von Freundeninnen bei den Matura-Vor-bereitungskursen organisatorisch aber auch motivational unterstuumltzt Die Lehrlinge w3 w4 w5 wurden aufgrund der regionalen Entfernung und der mangelnden Zugver-bindungen von den Vorbereitungskursen am Abend abgeholt
Viele der befragten Lehrlinge (w1 w2 w3 w5 w6 und m1 m2 m4 m6) bestaumltigen in der Befragung sowohl eine intensive Unterstuumltzung seitens der Lehrerinnen in der Berufsschule als auch der Professoreninnen in den Vorbereitungslehrgaumlngen die sie mit wichtigen Informationen Lernhilfen Lernstrategien und -tipps als besondere Hilfestellung unterstuumltzen Anzumerken ist allerdings auch dass die Lehrlinge w4 m3 und m5 die Unterstuumltzungstaumltigkeit der Lehrkraumlfte in ihrer Berufsschule vermissen
Eine bedeutsame Erkenntnis aus den Interviews ist die gegenseitige Unterstuumltzung vor allem der weiblichen Lehrlinge (w1 w2 w3 w4) die erst bei der persoumlnlichen
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
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BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
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Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
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VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
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Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 219
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Befragung ans Tageslicht trat Die Maturantin w3 berichtet dass sich bereits nach einigen Wochen eine Lerngemeinschaft mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen bildete mit gemeinsamen Lernwochenenden und -abenden
raquoFuumlr mich war wichtig dass mit einigen Maumldchen schnell eine freundschaftliche Beziehung und Lerngemeinschaften entstanden Diese gegenseitige Unterstuumltzung war auch ein Grund dass ich weiter teilgenommen und bereits zwei Gegenstaumlnde abgeschlossen habelaquo (w3 Z 24ndash27)
Der aumllteste maumlnnliche Teilnehmer (m6) der Befragung der vor kurzem die Lehrab-schlusspruumlfung aber auch drei Matura-Gegenstaumlnde (Deutsch Englisch Mathematik) absolviert hat schaumltzt als besondere finanzielle Unterstuumltzung die Uumlbernahme der Kurskosten durch den Staat
Die uumlbereinstimmende Aussage aller befragten Lehrkraumlfte war dass Coaching- Unterstuumltzungs- und Beratungsmaszlignahmen raquoaktiv gelebtlaquo werden Eine Sprachprofes-sorin (W2) betonte zusaumltzlich ihr soziales und persoumlnlichkeitsfoumlrderndes Engagement Eine weitere Lehrkraft (M1) erwaumlhnte ihr intensives Bemuumlhen den zukuumlnftigen Maturanteninnen ein praktikables Zeitmanagement zu vermitteln Zuletzt erzaumlhlte ein Professor (M2) einer HTL von seinen Bemuumlhungen fundiertes technisches Basis- und Spezialwissen zu vermitteln indem er seinen Maturanteninnen zusaumltzlich kostenlose Fachliteratur Materialien sowie Beispielsammlungen zur Verfuumlgung stellt
Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoUnterstuumltzungsmaszlignahmenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte W1 W2 W3 M1 werden nur rund die Haumllfte der zukuumlnftigen Maturanteninnen ausreichend im Elternhaus unterstuumltzt Deren Unterstuumltzungsleistung beschraumlnkt sich jedoch vielfach auf organisatorische und finanzielle Hilfe und nur eingeschraumlnkt auf paumldago-gische und motivationsfoumlrdernde Unterstuumltzung Auf der unternehmerischen Seite versuchen laut Aussagen der Lehrkraumlfte M1 M2 und W4 vor allem Groszligbetriebe lern-willige Jugendliche anzuwerben und ihnen das Foumlrdermodell Lehre mit Matura anzu-bieten Lehrlinge aus Gewerbe- und Kleinbetrieben wiederum beanstanden die mangelnde Unterstuumltzung des Ausbildungsbetriebs Sie werden aus unterschiedlichs-ten Gruumlnden wie bspw Personalknappheit langen (saisonalen) Oumlffnungszeiten im Betrieb aber auch aufgrund mangelnden Unterstuumltzungswillens weniger gefoumlrdert Hier wird den Lehrlingen vermittelt dass das berufsbegleitende Absolvieren der Matura raquoPrivatsachelaquo ist Diese Lehrlinge suchen vielfach Unterstuumltzung und Hilfe-stellungen bei sozial engagierten Lehrkraumlften
442ensp Mehrfachbelastung
Mit Ausnahme von zwei Lehrlingen (w3 m6) beklagen alle zukuumlnftigen Maturanteninnen die Mehrfachbelastung durch Lehre ndash Berufsschule ndash Maturakurse und erforder-liche Lernzeit Ein weiblicher Lehrling (w5) beklagte die Uumlbungs- und Lernstunden am Wochenende (durchschnittlich sechs Stunden) um dem Unterrichtsgeschehen in Mathematik konstant folgen zu koumlnnen Die Lehrlinge (w4 w5 und m1 m2) sehen die lebenden Fremdsprachen als besondere Belastung aber auch als Herausforderung in
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 221
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 223
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
224 Erich Mohl Stefan Illedits
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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Literatur
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Mayring Philipp (2002) Einfuumlhrung in die qualitative Sozialforschung Weinheim Basel
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Internetadressen
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BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
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226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
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VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
Kontakterichmohlphwienacatstefanilleditsphwienacat
220 Erich Mohl Stefan Illedits
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den Maturavorbereitungskursen Auch die zunehmende schulische Herausforderung im letzten Berufsschuljahr die bevorstehende LAP sowie parallel laufende Vorberei-tungslehrgaumlnge werden von einem der Maturanten (m5) angefuumlhrt
raquoJetzt im vierten Lehrjahr wird es auch in der Berufsschule in Mathematik rsaquoheavylsaquo d h ich lerne nicht nur fuumlr den naumlchsten Maturagegenstand sondern auch fuumlr die Schularbeiten in der Berufsschule Dieser intensive Lernaufwand blieb mir in den ersten drei Berufsschuljahren zumeist erspartlaquo (m5 Z 94ndash97)
Auch einen Mangel an Freizeit (w1 w2 w6 und m1 m3 m4 m6) sowie eingeschraumlnkt Sport zu betreiben (m1 m2 m5 m6 und w2) oder sich mit Freundeninnen (m1 m3 m6 und w1 w2 w4 w5 w6) zu treffen beklagen die Interviewten So berichtete ein Lehrling (m3) dass er letztes Jahr seine raquoLeichtathletiker-Karrierelaquo in einem regionalen Leistungszentrum beendete aber andererseits bereits drei Maturagegenstaumlnde positiv abschloss Weibliche Lehrlinge (w1 w6) berichten vor allem den Verlust von Freund-schaften durch die eingeschraumlnkte Freizeit
Mehrere Lehrlinge (w2 w4 m4 m5) erzaumlhlen in den Interviews von zunehmenden Leistungsanforderungen im dritten bzw vierten Lehrjahr im Ausbildungsbetrieb in-dem sie viele Arbeitsauftraumlge an ihre Leistungsgrenzen bringen wuumlrden Zusaumltzlich erzaumlhlen Lehrlinge die sich in den letzten Ausbildungsjahren (w3 w4 m5 m6) befinden dass sie monatlich zwischen sechs und zwoumllf zusaumltzliche Arbeitsstunden im Betrieb leisten die sie aber andererseits wieder als Zeitgutschrift ruumlckverguumltet bekommen
Mehrere Lehrkraumlfte (W1 W3 W4 M2) sind der Meinung dass nur jeder dritte Lehrling den Mehrfachbelastungen gewachsen ist um eine Lehre mit Matura erfolg-reich abzuschlieszligen M1 und M2 erkennen auch die groszlige Bedeutung eines funktio-nierenden Zeitmanagements an (siehe untenstehende Antwort von M2) um im Schul- Berufs- und Privatleben erfolgreich bestehen zu koumlnnen
raquoEs wird zwar immer von Mehrfachbelastungen und Leistungsdruck gesprochen doch dieser entsteht vor allem aufgrund eines fehlenden Zeitmanagements unregelmaumlszligigen Schulbesuchs und mangelhafter Lernstrategienlaquo (M2 Z 120ndash123)
Zudem betonen alle weib lichen Lehrkraumlfte die hohe Wertigkeit sozialer Kontakte wie beispielsweise Lerngemeinschaften unter den Jugendlichen um ein fruumlhzeitiges Ausbrennen zu verhindern
Um ein Resuumlmee aus der Kategorie Mehrfachbelastung zu ziehen muumlssen einige Punkte beachtet werden Trotz ihres jugendlichen Alters scheint aus der Sichtweise der Lehrkraumlfte der uumlberwiegende Teil der Lehrlinge den Mehrfachbelastungen nicht gewachsen zu sein Vor allem Lehrlinge die durch koumlrperliche Anstrengung und Belastung im Lehrbetrieb muumlde und erschoumlpft die (Abend-) Kurse besuchen kaumlmpfen mit der Mehrfachbelastung Auch Lehrlinge bei denen es Unternehmenswunsch ist die Matura nachzuholen sehen im Besuch von Lehre mit Matura eine psychische Belastung Sowohl bei den Lehrkraumlften (W1 W3 M1 M2) als auch bei den Maturanteninnen (w1 w2 w3 und m1 m3 m6) liegt der raquoSchluumlssel zum Erfolglaquo in einem funktio-
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 221
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
Statistik Austria (2014) Bestandene Reife- und Dip-lompruumlfungen Jahrgang 2014 nach Ausbildungsformen verfuumlgbar unter httpwwwstatistikatweb_destatistikenmenschen_und_gesellschaftbildung_und_kulturforma-les_bildungswesenbildungsabschlues-se034884html 11 4 2016
VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 221
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nierenden Lern- und Zeitmanagement sowie im Durchhaltevermoumlgen Auch Selbst-disziplin und selbstorganisiertes effizientes Lernen vor parallel angesetzten Pruumlfungen in der Berufsschule bzw den Maturakursen werden vor allem von weiblichen Lehr-lingen (w1 w2 w5) als notwendige Voraussetzungen auf dem Weg zur Matura gesehen
443ensp Lernschwierigkeitenensp-probleme
Die Ergebnisse der Befragung bezuumlglich Lernschwierigkeiten -schwaumlchen waren bei den erhobenen Interviews vielseitig Einerseits bezogen sich die Lernschwierigkei-ten -schwaumlchen auf spezifische Pruumlfungsfaumlcher wie Mathematik (m4 m5 w3) und den Fachbereich (w2 w3 m3 m6) die besonders oft genannt wurden Andererseits begruumlndeten die zukuumlnftigen Maturanten (w2 w3 m1) ihre Lernschwierigkeiten im raschen Vorgehen der Lehrkraumlfte dem mangelhaften Erklaumlren von mathematischen technischen oder betriebswirtschaftlichen Problemstellungen aber auch dem hohen Lern- und Leistungsdruck der an sie gestellt wurde Lehrlinge mit Migrationshinter-grund (m6 w1) und nichtdeutscher Muttersprache (m5 w6) berichten uumlber Probleme mit Deutsch als raquoZweitsprachelaquo Exemplarisch wird unterhalb die Antwort des Lehr-lings w1 dokumentiert
raquoDa in meiner Familie immer kroatisch gesprochen wird hatte ich bereits in der Pflichtschule rsaquoDeutschproblemelsaquo Als ich eine Lehre mit Matura begann besuchte ich zu den nach meiner Meinung wenigen Unterrichtsstunden in Deutsch regelmaumlszligig Nachhilfe Danach verbesserten sich meine Lernprobleme und ich schloss die Deutsch-Matura positiv ablaquo (w1 Z 224ndash227)
Einheimische Lehrlinge (w4 w5 m1) dagegen beklagen ihre Lernschwaumlchen in den lebenden Fremdsprachen wie Englisch und Franzoumlsisch Auch der Fachbereich erfordert bei Lehrlingen (w2 w3 m3 m6) eine hohe Leistungsbereitschaft Bei den interviewten weiblichen Lehrlingen (w1 w2 w3) ist nach deren Aussage der Fachbereich raquoBWL und Rechnungswesenlaquo die uumlbungs- und lernintensivste Herausforderung (sechs Stunden Woche) in der Maturavorbereitung Zwei befragte Lehrlinge (w2 w3) wuumlrden sich in diesem Fachbereich strukturierte (Klein-) Gruppenbetreuungen wuumlnschen
Die Lehrkraumlfte W1 und W2 sehen den Unterschied zu den (AHS- und BHS-) Tagesschulen darin dass sich die Vorbereitungslehrgaumlnge in annaumlhernd gleiche An-teile von Teilnehmerninnen mit einem Hauptschul- NMS-Abschluss bzw von raquoSchulabbrechernlaquo aus AHS BHS aufteilen Zumeist kommen sie mit einem negativen Jahresabschlusszeugnis einer BMHS (oder AHS) in einem der zukuumlnftigen Reifepruuml-fungsgegenstaumlnde (Deutsch Englisch Franzoumlsisch Mathematik und Fachbereich) Dieser Gegenstand bereitet in den Vorbereitungslehrgaumlngen vielfach auch Probleme und erfordert vom Lehrling eine hohe Motivation sowie Lern- Leistungs- und Uumlbungsbereitschaft Trotz individueller Probleme einzelner Lehrlinge sprach ausschlieszliglich der interviewte Mathematikprofessor (M1) von duumlrftigem Basiswissen sowie mangelhafter Lerndisziplin
Aufgrund der durchgefuumlhrten Interviews betreffend raquoLernschwierigkeiten -prob-lemelaquo kann nachfolgendes Ergebnis formuliert werden Nach Aussagen der Lehrkraumlfte
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 223
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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Literatur
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Internetadressen
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2014 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung-Jahr2014pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
BFI (Berufsfoumlrderungsinstitut) Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 verfuumlgbar unter httpwwwbfiatkursefachbereicheberufsreife2-bil-dungsweg 12 1 2016
BGBl I Nr 68 1997 Gesamte Rechtsvorschrift fuumlr das Berufsreifepruumlfungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10010064 28 12 2015
BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnderungsgesetz sect 64a verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2009_I_81BGBLA_2009_I_81pdf 10 4 2016
BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
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Statistik Austria (2014) Bestandene Reife- und Dip-lompruumlfungen Jahrgang 2014 nach Ausbildungsformen verfuumlgbar unter httpwwwstatistikatweb_destatistikenmenschen_und_gesellschaftbildung_und_kulturforma-les_bildungswesenbildungsabschlues-se034884html 11 4 2016
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Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
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222 Erich Mohl Stefan Illedits
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benoumltigen vor allem raquoSchulabbrecherlaquo in den Vorbereitungslehrgaumlngen die ein raquoMangelfachlaquo aus dem zuletzt besuchten Schultyp mitbringen individuelle Unterstuumlt-zung und Foumlrderung Mehrere Lehrkraumlfte bemaumlngeln jedoch aufgrund der einge-schraumlnkten Stundenanzahl die nur temporaumlr begrenzte Foumlrdermoumlglichkeit Sowohl aus Sichtweise der Lehrlinge (w4 w5 w6 m2 m5) als auch aus jener der Lehrkraumlfte (W1 W2 M1 M2) ist ein weiterer Ausloumlser von Lernproblemen das mangelnde Interesse am Lernstoff sowie die fehlende Lernmotivation und -bereitschaft an den Abenden bzw Wochenenden
444ensp Motiveensp
Die Motive eine BRP zeitgleich zur Lehre zu besuchen sind vielseitig Als haumlufigste Motive werden von den Jugendlichen folgende genannt raquoberufliche Verbesserunglaquo raquoberufliche Houmlherqualifizierunglaquo raquoberufliche Optionen offenhaltenlaquo sowie die raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo Das vorrangigste Motiv der raquoberuflichen Verbesse-runglaquo bestaumlrkt fast alle Lehrlinge (elf von zwoumllf ohne m2) eine Lehre mit Matura zu absolvieren Dies gilt sowohl fuumlr urbane (Wien Linz) als auch fuumlr regionale Gebiete (Niederoumlsterreich Oberoumlsterreich Burgenland) der Befragung in denen die Lehrlinge interviewt wurden Als zweithaumlufigstes Motiv wurde die raquoberufliche Houmlherqualifizie-runglaquo genannt Lehrlinge (w1 w2 w3 w6) wahren darin die Moumlglichkeit eine (Fach-) Hochschule zu besuchen Die befragten Lehrlinge (m1 m3 m4 m5 m6 w5) sehen durch ihre Houmlherqualifizierung auch die Moumlglichkeit im Betrieb eine qualifiziertere Taumltigkeit auszuuumlben (siehe exemplarisch unten die Antwort von Lehrling w5) Mehre-re befragte Lehrlinge (w1 w2 w3 m1 m3 m6) nehmen durch die Absolvierung von Lehre mit Matura ihre beruflichen Optionen sowohl betriebsintern als auch -extern als besonders breitgefaumlchert wahr Als weiteres Motiv werden von den Lehrlingen (w3 w5 m1 m6) die langfristige raquoAbsicherung des Arbeitsplatzeslaquo und bessere Verdienstchancen aufgrund ihrer Houmlherqualifizierung genannt
raquoIch sehe in der Lehre mit Matura fuumlr mich eine Chance ndash in den kommenden Jahren ndash mir berufliche Moumlglichkeiten offen zu halten vielleicht innerhalb des Konzerns aufzusteigen oder andere Optionen in Form eines Studiumslaquo (w5 Z 355ndash357)
Weibliche Lehrkraumlfte (W1 W3 W4) bekraumlftigen vor allem den Wunsch der Lehrlinge raquoversaumlumte und abgebrochene Ausbildungen nachzuholenlaquo Sie sehen darin das Hauptmotiv eine Matura zu absolvieren Ein weiterer Grund aus Lehrerinnensicht besteht in der Intention sich raquoberufliche Optionen offen zu haltenlaquo Vielfach warten nach Ansicht von Lehrkraumlften (W1 W2) Lehrlinge noch ab welche beruflichen Optionen und Perspektiven ihnen zukuumlnftig offen stehen So aumluszligerten sich nur weibliche Matu-rantinnen (w1 w2 w3 w6) bei ihren Lehrkraumlften dahingehend spaumlter berufsbegleitend eine Fachhochschule zu besuchen Maumlnnliche Lehrkraumlfte (M1 M2) sehen vorrangig bei Maturanteninnen das Streben nach raquoHoumlherqualifizierunglaquo sowie raquoberuflicher Verbesserunglaquo um im Unternehmen erfolgreich zu sein
Abschlieszligend kann bezuumlglich raquoMotivelaquo folgendes Resuumlmee gezogen werden Sowohl maumlnnliche Maturanten als auch weibliche Maturantinnen streben nach dem
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 223
wwwsws-rundschauat SWS-Rundschau (56 Jg) Heft 2 2016 201ndash226
positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
wwwsws-rundschauat SWS-Rundschau (56 Jg) Heft 2 2016 201ndash226
Literatur
Archan Sabine Schloumlgl Peter (2007) Von der Lehre zur postsekundaumlren Bildung Eine Studie und Modelle zur Durchlaumlssigkeit im oumlsterreichi-schen Ausbildungssystem Wien
Bauer Ernst (2009) Lehre mit Matura ndash raquoQuali-fikationlaquo mit Zukunft Diplomarbeit an der Universitaumlt Wien
Dornmayr Helmut Nowak Sabine (2015) Lehr-lingsausbildung im Uumlberblick 2015 Struktur-daten Trends und Perspektiven Wien
Klimmer Susanne Holzer Christine (2009) Berufsreifepruumlfung Aktualisierung von Vorberei-tungsangeboten Teilnehmerinnen und Absolventeninnenzahlen Wien
Majer Elisabeth (2006) Die Berufsreifepruumlfung Theoretische Aufarbeitung unter besonderer Beruumlcksichtigung der aktuellen Gesetzeslage Wien
Mayerl Martin (2012) Die raquoBerufsmaturalaquo als Modell zur Erhoumlhung der Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher und tertiaumlrer Bildung in Oumlsterreich ndash Individuelle Bildungsverlaumlufe und Motive von TeilnehmerInnen Hamburg
Mayrhofer Ernestine (2003) Berufsreifepruumlfung Vollmatura als Chance fuumlr die Zukunft Wien
Mayring Philipp (2002) Einfuumlhrung in die qualitative Sozialforschung Weinheim Basel
Schloumlgl Peter u a (2012) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung Zwischenevaluierung und Hand-lungsempfehlungen Wien
Statistik Austria (2012) Erwachsenenbildungsbe-richt 2011 Eine empirische Bestandsaufnahme zur Erwachsenenbildung und Weiterbildung in Oumlsterreich Wien
Wurzer Daniel (2014) Warum machen Lehrlinge raquoLehre mit Maturalaquo Eine qualitative Studie Saarbruumlcken
Internetadressen
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2013 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung-Jahr2013pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2014 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung-Jahr2014pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
BFI (Berufsfoumlrderungsinstitut) Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 verfuumlgbar unter httpwwwbfiatkursefachbereicheberufsreife2-bil-dungsweg 12 1 2016
BGBl I Nr 68 1997 Gesamte Rechtsvorschrift fuumlr das Berufsreifepruumlfungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10010064 28 12 2015
BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnderungsgesetz sect 64a verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2009_I_81BGBLA_2009_I_81pdf 10 4 2016
BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
Statistik Austria (2014) Bestandene Reife- und Dip-lompruumlfungen Jahrgang 2014 nach Ausbildungsformen verfuumlgbar unter httpwwwstatistikatweb_destatistikenmenschen_und_gesellschaftbildung_und_kulturforma-les_bildungswesenbildungsabschlues-se034884html 11 4 2016
VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
Wirtschaftskammer Wien (Wirtschaftsfoumlrderungs-institut WIFI) (2015 16) Leitfaden fuumlr die Berufsreifepruumlfung raquoBerufsmaturalaquo (Kursjahr 2015 16) verfuumlgbar unter httpwwwwifiwienatimagesberufsreifeLeitfaden_Berufsreife-pruefungpdf 15 1 2016
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 223
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positiven Maturaabschluss eine raquoberufliche Verbesserunglaquo an Vielfach stehen Wuumlnsche wie Abteilungsleiterin Buchhalterin Konstrukteurin aber auch die beruf-liche Unabhaumlngigkeit als Selbststaumlndiger Unternehmerin als Ziele im Raum Die Lehrkraumlfte M1 und M2 sehen dies kritischer In vielen Diskussionen mit Maturanteninnen konnte offengelegt werden dass es sich bei den Wuumlnschen oftmals um langfris-tige Ziele handelt
445ensp Systemmodifikationen
Anpassungen und Verbesserungen werden sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Teilnehmerninnen der Maturalehrgaumlnge gefordert In den laumlndlichen Regionen Oumlster-reichs werden von fuumlnf Jugendlichen (m1 m3 w2 w3 w6) eine groumlszligere Auswahl an Kursorten sowie kleinere Klassengroumlszligen gefordert Vor allem weibliche Lehrlinge (w4 w5) aber auch maumlnnliche Lehrlinge (m2 m3 m4) beklagen eine viel zu geringe Anzahl an Pruumlfungsterminen fuumlr die Teilpruumlfungsgegenstaumlnde zur Matura bei denen auch monatelange Wartezeiten (bis zu acht Monate) keine Seltenheit sind Zwei Lehrlinge (w6 m3) berichten zudem von uumlberfuumlllten Vorbereitungslehrgaumlngen wie exemplarisch unten angefuumlhrt wird
raquoDie Vorbereitungskurse sollten in Kleingruppen mit maximal zwoumllf Schuumllern abgehalten werden 33 Schuumller wie in meinem Deutschkurs sind viel zu viele Vor allem eine bessere Angleichung aufgrund unterschiedlicher Einstiegsniveaus durch Foumlrderkurse waumlre wuumlnschenswertlaquo (w6 Z 460ndash463)
Mehrere Lehrlinge (w6 m1 m3 m5 m6) sprechen auch von Lehrkraumlften mit mangel-haften Fachkenntnisse in EDV (Office Umgang mit E-Mail- Spam pdf-Dateien etc) Nach wie vor gibt es nach Meinung der interviewten Maturanteninnen (w4 w5 m3 m6) Lehrkraumlfte die unzureichend mit Lernplattformen (z B raquomoodle22laquo) umgehen koumlnnen Rund die Haumllfte der Lehrlinge (w1 w3 m2 m4 m5 m6) berichtet von sozial inkompetenten Lehrerninnen die fuumlr die Lern- aber auch Organisationsprobleme (Betrieb Berufsschule) der Lehrlinge kaum Verstaumlndnis aufbringen
Die Lehrkraumlfte (W4 M1 M2) sprechen primaumlr von einer verbesserungswuumlrdigen Kooperationsbereitschaft zwischen Betrieben Traumlgerorganisationen und Schulen Nach wie vor uumlberschneiden sich Kursangebote der Traumlgerorganisationen mit dem lehrplanmaumlszligigen bzw saisonalen (Block-) Unterricht in den Berufsschulen In den entstandenen Fehlstunden und Wissensdefiziten sehen Lehrkraumlfte (W2 M1 M2) bei rund einem Drittel der Lehrlinge den wesentlichen Grund fuumlr ein fruumlhzeitiges Scheitern Zudem wird von ihnen (W1 W3 M2) bemaumlngelt dass in Klein- und Mittel-betrieben kompetente Vertrauenspersonen fehlen die die Lehrlinge betreuen Da es sich bei den interviewten Lehrkraumlften zumeist um erfahrene handelt stehen nicht die Disziplin- Lern- und Leistungsprobleme im Mittelpunkt sondern ein verbesserungs-wuumlrdiges soziales und betriebliches Umfeld
22 moodle Objektorientiertes Kursmanagementsystem eine Lernplattform auf Open-Source-Basis Die Software bietet die Moumlglichkeiten zur Unterstuumltzung kooperativer Lehr- und Lernmethoden
224 Erich Mohl Stefan Illedits
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Nach den durchgefuumlhrten Interviews bezuumlglich raquoSystemmodifikationenlaquo kann folgendes Resuumlmee gezogen werden Von Lehrerinnenseite werden vor allem organi-satorische Maumlngel aller Beteiligten (Unternehmen ndash Berufsschule ndash Traumlgerorganisatio-nen) angesprochen Zwei Lehrkraumlfte (M1 M2) berichten auch von mangelnder Kooperationsbereitschaft der Unternehmen Die luumlckenhafte Kooperation zwischen Berufsschule und Traumlgerorganisationen die Unterrichtsuumlberschneidungen sowie unregelmaumlszligige und lange Wartezeiten auf Maturapruumlfungstermine zur Folge hat wird sowohl von den Lehrkraumlften (W2 M1) als auch von den Teilnehmerninnen (w3 w4) der Kurse bestaumltigt Wiederholt wird von Lehrenden (W2 W4 M2) auch auf eine Aufstockung der Coaching-Stunden aufgrund des schwierigen sozialen Umfelds hingewiesen
5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Literatur
Archan Sabine Schloumlgl Peter (2007) Von der Lehre zur postsekundaumlren Bildung Eine Studie und Modelle zur Durchlaumlssigkeit im oumlsterreichi-schen Ausbildungssystem Wien
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Internetadressen
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2014 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung-Jahr2014pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
BFI (Berufsfoumlrderungsinstitut) Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 verfuumlgbar unter httpwwwbfiatkursefachbereicheberufsreife2-bil-dungsweg 12 1 2016
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BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnderungsgesetz sect 64a verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2009_I_81BGBLA_2009_I_81pdf 10 4 2016
BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
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5ensp Fazitensp
Hohen Teilnehmerinnenzahlen von 11000 Lehrlingen (2015) steht eine maumlszligige Matu-ranteninnenquote von 3200 Personen gegenuumlber Trotz staatlicher Finanzierung (6000 euro Lehrling) die zwar viele Lehrlinge aufgrund der kostenfreien Kurse anspricht fehlt es an adaumlquaten Abschluumlssen Die Ursachen sind vielschichtig Moumlgliche positive Auswirkungen koumlnnten (a) differentere Unterstuumltzungsmaszlignahmen im schulischen und betrieblichen Umfeld bringen in denen nicht nur motivationale organisatorische und finanzielle Anreize sondern wie mehrfach von Lehrkraumlften postuliert mehr per-soumlnlichkeitsbildende Maszlignahmen gesetzt werden Da es den zukuumlnftigen Maturanteninnen zumeist an der notwendigen Einstellung Selbstdisziplin und an Lernkompeten-zen sowie am Durchhaltevermoumlgen fehlt bedarf es groumlszligerer Ressourcen der angespro-chenen Beteiligten Dies wuumlrde auch langfristig die hohen Dropout-Raten mindern Eine moumlgliche Maszlignahme auf institutioneller Seite koumlnnte die Erhoumlhung der Coaching-Lerneinheiten sein (b) Obwohl es in Deutsch und lebender Fremdsprache eine durchaus positive Matura-Abschlussquote gibt scheitern Lehrlinge vielfach in Mathematik und oder im Fachbereich (z B Maschinenbau Elektrotechnik etc) Moumlg-liche Abhilfe schaffen koumlnnte die Installation eigener raquoFoumlrderklassenlaquo (Mathematik Fachbereich) wie sie im urbanen kaufmaumlnnischen Berufsschulbereich Wiens fuumlr zukuumlnftige Maturanteninnen gefuumlhrt werden
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Schloumlgl Peter u a (2012) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung Zwischenevaluierung und Hand-lungsempfehlungen Wien
Statistik Austria (2012) Erwachsenenbildungsbe-richt 2011 Eine empirische Bestandsaufnahme zur Erwachsenenbildung und Weiterbildung in Oumlsterreich Wien
Wurzer Daniel (2014) Warum machen Lehrlinge raquoLehre mit Maturalaquo Eine qualitative Studie Saarbruumlcken
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2013 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung-Jahr2013pdf 9 4 2016
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Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
BFI (Berufsfoumlrderungsinstitut) Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 verfuumlgbar unter httpwwwbfiatkursefachbereicheberufsreife2-bil-dungsweg 12 1 2016
BGBl I Nr 68 1997 Gesamte Rechtsvorschrift fuumlr das Berufsreifepruumlfungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10010064 28 12 2015
BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnderungsgesetz sect 64a verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2009_I_81BGBLA_2009_I_81pdf 10 4 2016
BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
226 Erich Mohl Stefan Illedits
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BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Lehre mit Matura (Anfrage 2438 AB2015) ndash Teilnehmer und Absolventen 2014 verfuumlgbar unter httpswwwparlamentgvatPAKTVHGXXVABAB_02438imfna-me_374961pdf 14 12 2015
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Teilnehmer und Absolventen raquoLehre mit Matura 2008ndash2013laquo verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatministeriumvp201120111229html 17 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Zweiter Bildungsweg 2014 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwzbindexhtml 16 1 2016
Jugendservice Oberoumlsterreich (2015) Lehre mit Matura verfuumlgbar unter httpswwwjugend-serviceatarbeitlehrelehre-mit-matura 2 2 2016
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VHS ndash Die Wiener Volkshochschulen (2016) Kurse zur Berufsreifepruumlfung 2016 verfuumlgbar unter httpwwwvhsatberufsreifepruefungkurs-angebot-und-kursinhaltehtml 15 1 2016
Wien-KUS (Kultur- und Sportverein der Wiener Berufsschulen) verfuumlgbar unter wwwkusonlineat 5 1 2016
Wirtschaftskammer Tirol (2015) Integriertes und Begleitendes Modell im Vergleich verfuumlgbar unter httpwwwtirolwifiatdownloadftpsyncLEMALehrgangsprofilpdf 1 2 2016
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Lehre mit Matura ndash Ein Erfolgsmodell in Oumlsterreich 225
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Literatur
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AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Jahr 2015 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_spezialthema_0116pdf 9 4 2016
AMS (Arbeitsmarktservice) Arbeitsmarkt amp Bildung Februar 2016 verfuumlgbar unter httpwwwamsat_docs001_am_bildung_0216pdf 9 4 2016
Berufsreifepruumlfung Information ndash Foumlrderungen fuumlr die Berufsreifepruumlfung verfuumlgbar unter httpwwwberufsreifepruumlfunginfo 26 1 2016
BFI (Berufsfoumlrderungsinstitut) Berufsreifepruumlfung mit Matura 2016 verfuumlgbar unter httpwwwbfiatkursefachbereicheberufsreife2-bil-dungsweg 12 1 2016
BGBl I Nr 68 1997 Gesamte Rechtsvorschrift fuumlr das Berufsreifepruumlfungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10010064 28 12 2015
BGBl Nr 81 2009 Universitaumlts-Aumlnderungsgesetz sect 64a verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2009_I_81BGBLA_2009_I_81pdf 10 4 2016
BGBl I Nr 118 2008 Aumlnderung des Berufsreife-pruumlfungsgesetzes verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDokumenteBgblAuthBGBLA_2008_I_118BGBLA_2008_I_118pdf 12 1 2016
BGBl I Nr 292 1985 Studienberechtigungsgesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatDo-kumenteBgblPdf1985_292_01985_292_0pdf 29 12 2015
BGBl Nr 333 1979 idgF Z 21 Beamtendienst-recht-Gesetz verfuumlgbar unter httpswwwrisbkagvatGeltendeFassungwxeAbfrage=BundesnormenampGesetzesnum-mer=10008470 18 1 2016
BGBl Nr 472 1986 Externistenpruumlfung im Sinne des sect 42 des Schulunterrichtsgesetzes verfuumlg-bar unter httpswwwrisbkagvatDokumen-teBgblPdf1986_472_01986_472_0pdf 7 1 2016
BMBF (Bundesministerium fuumlr Bildung und Frauen) Berufsmatura Lehre mit Reifepruumlfung 2015 verfuumlgbar unter httpswwwbmbfgvatschulenbwbmindexhtml 29 1 2016
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