Post on 24-Mar-2019
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Mantelstudium Klassische Genetik
Tiermodelle
Dr. Barbara Kloeckener
Institut für Medizinische Genetik
23.03.2009
Lernziele
Was ist ein Model
Welche Anforderungen stellen wir an ein Model
Warum sind genetische Modelle hilfreich
Welche genetischen Modelle werden häufig angewandt
Steckbriefe einiger Tiermodelle
Technische Manipulation der Tiermodelle
Limitationen
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Humangenetik - Menschliche Krankheiten
Vererbungsmuster der Krankheit
Komplexität der phänotypische Erscheinungsbilder
monogen oder komplex
Identität der pathogenen Mutation
Molekulare Mechanismen
Therapie
Kennen wir die Antworten auf diese Fragen?
Tiermodelle können beim Antworten behilflich sein
Modelle („theoretische Abstraktionen der realen Welt“)
Ähnlichkeiten in• Genetik• Physiology• Entwicklung• Biochemie• Phänotyp
Zugänglichkeit zu experimentellen Manipulationen• Transformation• Generationszyklus• Genomsequenz• Transkriptom• Leichte Haltung im Labor• Hohe Nachkommenrate• Mutanten
Eukaryonten• Einzeller Hefe (S. cerevisiae)• Nematode (C. elegans)• Taufliege (D. melanogaster)• Zebrafish (D. rerio)• Maus (M. musculus)• Ratte (R. rattus)• Hund (Canis lupus familiaris)• Primaten
Transparenter Rundwurm von 1 mm Länge; Lebenszyklus: 3.5 TageSelbstbefruchtung erzeugt 300 Nachkommen; Kreuzungen 1000Hefe: Zellzyklus: 90
Minuten; Zellgrösse: 10um
Transparenter Fisch von 1,5 cm Länge; lLebeneszyklus: 2-3 Monate200 Eier pro Tag
Ratte; lLebeneszyklus: 2-3 MonateGenetisch gut beschrieben
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Spontanmutationen
Grenzen der Anwendbarkeit spontaner Mutanten
• Nur phänotypisch auffällige Mutanten werden erkannt und untersucht, subtile Veränderungen nicht sichtbar.
• Aufwendige Screeningverfahren zur Identifizierung phänotypisch unauffälliger spontaner Mutanten notwendig.
• Nicht für alle Gendefekte sind spontane Mutanten verfügbar.
Ungerichtete Mutagenese
Chemische oder physikalische Mutagenese
(Ethyl-Nitroso-Harnstoff, Ethyl-Methan-Sulfonat; Trimethylpsoralen, ionisierende Strahlen)
Mutagenese mitENU: Mutationsrate 1 x 10-3 (vorw. Punktmutationen,
AT>GC) etwa alle 700 GametenEMS: Mutationsrate 5 x 10-4 (13% Deletionen)TMP: Mutationsrate 3 x 10-5 (50% Deletionen
dominante und rezessive PhänotypenIn G1 oder G3
Mit Hilfe von ENU Mutationen werdenhypomorphe (Funktionsverlust) oderhypermorphe (Functionsgewinn) Allele gewonnen.
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Beispiel 1
Lernen von der Taufliege Drosophila melanogaster
Transkriptionsfaktor Pax6 wurde in der Fliege entdeckt und erst danach in der Maus und im Mensch als die Ursache für gestörte Augenentwicklung gefunden
Fruchtfliege –Drosophila melanogaster
Steckbrief:Genomgrösse: 180 MbChromosomen: 3 Autosomen; X-;Y-Chromosome (2n = 8)Genomsequenz (2000)Genzahl: 13,000 Durchschnittsgrösse der Gene: 3 kb, 4 Exon/GenHomologie zu menschlichen Genen: 50% Transposon P-element
www.schule.provinz.bz.it/nikolaus-cusanus/
www.ebi.ac.uk/.../drosophyla.html
Lebenszyklus: 12 Tage
Körpergrösse:3mm
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Fruchtfliege –Drosophila melanogaster
Genetische Modifikationen:• Standard mutagenese (Chemikalien, Bestrahlung)• Transgene (P-element vermittelt)• Gezielte Gene Knockouts (Induced replacement, RNAi,)• Genetische Kreuzungen einfach zu erstellen
Limitationen:Kein Wirbeltier oder Säuger
Wichtigste Erkenntnisse:
•Entwicklungsbiologie•Programmierter Zelltod•Zelldifferenzierung•Verhalten•Neurobiologie
Krankheiten:Beispiele: i.e. Chorea Huntington, Alzheimers, Aniridia
Aniridia
Stark eingeschränktes Sehvermögen Erstbeschreibung im Jahr 1818 (Dr. Bakri)Fehlen oder stark reduzierte Iris im AugeMakula und optischer Nerve können betroffen seinKatarakt und Veränderungen der Cornea sind häufigNystagmus (unfreiwillige Augenbewegungen)Amblyopia (lazy eye)
KongenitalSporadisch und vererbbare FormAutosomal dominant (häufigste Form)
Erst in den 90er Jahren wurde der genetische Defekt mit dem Gen Pax6 in Zusammenhang
gebracht
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PAX6 Homologe und Phänotyp
Drosophila: eyeless (ey)
Maus: smalleye (Sey) Mensch: Aniridia
wt
ey/ey
wt
Sey-/+
Sey-/-Hill et al., 1991 Nature
Auge eines Anirida Patienten (PAX6+/-) (Foto: Dr K, Ramaesh, University of Edinburgh). Note the cornealopacity associated withvascularisation.
www.abdn.ac.uk
Human
Maus
Drosophila
PAX Homeo DNA Protein
99% 94%
65% 58%
www.exploratorium.edu/imaging
Beispiel 2
Lernen von der Maus und vom Hund
Beim Hund und Mensch tritt die Krankheit Leber congenitale amaurosis (LCA) spontan auf.
Leber congenitale amaurosis (LCA) wurde in der Maus und im Hund untersucht. Im Tier und Mensch wurden homologe Gene identifiziert, die zu LCA führen. Basiert darauf konnte ein Therapieansatz entwickelt werden, der für Hund und Mensch erfolgreich ist.
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Maus –Mus musculus
Steckbrief:Genomgrösse: 2600 MbChromosomen: 19 Autosomen; X-;Y-Chromosome (2n = 40)Genomsequenz (2002)Genzahl: 30,000 Durchschnittsgrösse der Gene: 40 kb, 8.3 Exon/GenHomologie zu menschlichen Genen: 99% Ahnlichkeit zu menschlichem Genom: 86%
Geburt zu Geburt: 10 - 13 Wochendurchnittlich 5 Würfe5-10 Nachkommen / Wurf
Grösse: 80 mm
Gerichtete Mutagenese
Voraussetzung: Das krankheitsverursachende Gene muss bekannt sein. Der Effekt ist entweder eine Null, ein Hypomorph oder dominant.
Erzeugung von Transgenen (exogene Genkopie wird in Zellen eingebracht)
Gezielte Inaktivierung von Genen (endogene Genkopiewird verändert) «Gene Targeting» oder «Knock Out» bzw. «Knock In»
Beide Strategien sind bei der Maus entwickelt worden und sehr gut etabliert und erfolgreich eingesetzt.
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ex 2 ex 3 WT-Gen in ES-Zellen
Konstrukt für homologe Rekombination
ex 1 ex 2 ex 3
ex 2 ex 3
ex 1
NEOM
NEOM
NEOM
homologe oder artifizielle Rekombination,WT-Gen wird durch mutierte Genkopie ersetzt
knock in (Homologe Rekombination)
Insertion eines zu untersuchenden Transgens an eine bestimmte Stelle im GenomWichtig wenn die Expression eines Gens untersucht werden soll
knock out (Homologe Rekombination)
ex 1 ex 2 ex 3 WT-Gen in embryonalenStammzellen
Konstrukt für homologe Rekombination
ex 1 ex 2 ex 3
ex 2 ex 3
NEO
NEOhomologe oder artifizielle Rekombination,sehr seltenes Ereignis, WT-Gen wird durch inaktivierte Genkopie ersetzt
NEO
Zur Eleminierung eines bestimmten Gens oder Teile davon
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Selektionsprozess
A neor tk
A A
A neor A neor tk
neomycin
A neor A neor tk
gancyclovir
A neor
Vector construct
Targeted gene insertion Targeted geneinsertion
no insertion
Cells killedby neomycin
Cells killed bygancyclovir
Cells we want
Modified after www.scq.ubc.ca/studying-gene-function-creating-knockout-mice/
Einbringen der DNA Konstrukte
http://users.rcn.com/jkimball.ma.ultranet/BiologyPages/T/TransgenicAnimals.html
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Leber congenital amaurosis (LCA)
Häufigkeit: ~ 1 : 80,000
Genetik:
- häufigste Fälle sind autosomal recessiv, kann aber auch autosomaldominant sein
- etwa 15 Gene bekannt (RPE65: 3-16% von LCA; AIPL1)
- Probleme mit Photorezeptorzellen
Klinik:
- Verlust des Sehvermögens, schwer betroffenes Elektroretinogram
- gestörte Pupillenreaktion
- Nystagmus
- Variabilität im Erscheinungsbild
- Gentherapie seit 2007
Retinal Pigment Epithelium-specific 65 kDa protein (RPE65)
Protein lokalisiert im Retinalen Pigment Epithelium (RPE)Funktion: Regeneration des Sehpigments
Chromosom 1.31: 14 exons
Mutationen im RPE65 verursachen autosomal recessive LCA
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Tiermodelle für LCA
Hund (Schwedischer Briard)4bp Deletion in REP65 führt zu einer Verschiebung des Leserasters und somit zu einem verfrühten Kettenabbruch während Proteinsynthese
a) Wild typb) PRE65 Mutantec) PRE65 Mutante injeziert mit dem viralen Vector AAV un einer wild typ Kopie RPE65
(AAV-adeno-associated virus; nicht pathogen; funktioniert zum Einbringen der DNA)
RPE cultured canine cells. Immunolabeled with anti-RPE65 antibody, with nucleistained with propidiumiodide.
Acland et al., 2001
Tiermodelle für LCA
AAV-wild type RPE65 injected into affected dog eye
a-c) Elektroretinogram
d-e) Reaktion der Pupille
Verhalten wurde 4 Monate nach Injektion getestet.Tiere konnten Gegenstände erkennen und Kollisionen vermeiden.Erfolge sind lang andauernd (etwa 9 Jahre).Keine negativen Beobachtungen.
In dieser proof-of-concept Studie konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass
Gentherapie das beeinträchtigte Sehvermögen in einem grossen Tier
wieder herstellen kann.
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Gentherapie im Mensch für LCA
Der grosse Durchbruch im Jahr 2008
Gentherapie im Mensch für LCA
•The needle is inserted through the eye and into the retina.
•The replacement gene is injected between the two layers of cells which make up the retina. It is a faulty gene in the pigment layer which is preventing the photoreceptor cells from detectinglight.
•Once treated, the cells in the pigment layer are restored and can support the photoreceptor cells to detect light as normal.
•The photoreceptor cells can now send nerve impulses to the optic nerve for transmitting to the brain.
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Warnung
Dieser Erfolg wurde zum “Schlager” in der Augenheilkunde
“Mein Kind hat LCA: Warum wird es nicht zurTherapie zugelassen?”
Wichtige Gesichtpunkte um eine Behandlung zu rechtfertigen:
Beide Allele von RPE65 müssen betroffen sein und das richtige Segregationsmuster zeigen
Genetische Diagnose muss korrekt sein
Nur ein kleiner Teil der LCA Patienten trägt ein mutiertesRPE65 Gen
Aryl hydrocarbon interacting protein like 1 (AIPL1)
Protein lokalisiert in der RetinaFunktion: Proteinmodifizierung, Chaperone for Phosphodiesterase
Chromosom 17p13.1 : 6 exons
Mutationen in einem weiteren Gen, AIPL1, verursachen autosomal recessive LCA
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Maus Aipl1
Gezielte Mutagenese für KO Allele
RNA
Protein
DNA
Mutagenese für Hypomorph (Knock down)
DNA
Konstrukt
RNA
Protein
Schnelle Zelldegeneration Langsame Zelldegeneration
LCA Gentherapie mit AIPL1 im Mausmodell
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Beispiel 3
Lernen von der Maus durch Einführung humaner Krankheit
„So ganz einfach ist es nicht“
In der Maus ist das Krankheitsbild der amyotrophenLateralsklerose (ALS) ähnlich wie beim Mensch; mit Hilfe von gerichtete Mutationen in der Maus versucht man den Mechanismus der Krankheit zu verstehen
Häufigkeit: ~ 1 : 75´000
Genetik: Grund(e) noch nicht bekannt, aber Vermutungen
Männer > Frauen
~ 10% familiär – autosomal dominant
Mutationen in SOD1 (Cu/Zn Superoxiddismutase)
Klinik: unheilbar
- Neurodegenerativ mit fortschreitender Zerstörung der motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark
-Erkrankungsmanifestation im 40.-60. Lebensjahr
- Bewegungsstörungen bis vollständige Lähmung
- Sprech-, Atem- und Schluckbeschwerden
- keine intellektuellen, Hör- oder Sehleistungseinbussen
amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
http://3158091.blogspot.com/
www.alsa.org/student
Stephen Hawking, Astrophysiker
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ALS – eine Reise ins Ungewisse
Transgene Maus mit menschlichem mutiertem SOD1 Gen (G93A)
Phenotyp:4 Monate: Fortschreitende Muskelschwäche und Atrophie in Hintergliedmassen5 Monate: TodVerlust motorischer Nervenzellen im Rückgrat
1. G93A Mutation beeinflusst nicht Aktivität, aber führt zu toxischem Enzym.
2. Homozygote Nullmäuse sind normal.3. Normales hSOD1 ist über-exprimiert, aber kein Phänotyp.4. Expression ist nicht zellautonom (Mikroglia Zellen)
Gewünschte Erfolg blieb aus
amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Neuer Ansatz mit IGF1 (Insulin-like growth factor 1) Gen
•Genabgabe durch AAV Viren nach Injektion in MuskelAAV-IGF Partikel wandern in Nervenzellen hinein (Kaspar et al., 2003)•Injektion in CNS noch besser (Dodge et al., 2008)
• Mäuse entwickeln Symptome etwa 31 Tage später als unbehandelte Tiere• Behandelte Mäuse leben etwa 40 Tage länger als unbehandelte Tiere• Positive Wirkung nicht nur bei Injektion bevor Symptome sichtbar sind
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Schlussfolgerung
Experimentelle Genetik am Menschen istnicht erlaubt
Verantwortliche Tierexperimente könnendem Mensch helfen die Ursachen und
Mechanismen von Krankheiten zuverstehen
Diese Information kann zur Entwicklungvon Therapien führen
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