Post on 18-Sep-2018
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28 results Deutsche Bank
MärkteChina
Eine Busfahrt durch das subtropisch sticki-
ge Schanghai, das klingt nicht zwingend
nach Spaß. Ist der Bus aber angenehm
kühl temperiert, hat Stephan Luerssen gleich
doppelten Grund zur Freude: Mit hoher Wahr-
scheinlichkeit arbeitet ein Verdichter seiner
Firma im Verborgenen. Luerssen, 43-jähriger
China-Chef der Sindelfi nger Bitzer Kühlma-
schinenbau GmbH, des weltweit führenden
Herstellers von Verdichtern für Kälte- und Kli-
maanlagen, blickt nach eigenen Angaben auf
80 bis 85 Prozent Marktanteil. „350 000 Busse
haben wir hier schon ausgerüstet. Auch in Chi-
na verkaufen wir nicht über den Preis, sondern
über Qualität“, sagt Luerssen.
ThesenuEinfl uss: Chinas geopolitische Bedeutung
ist auch dank seiner Ankerfunktion in der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich gewachsen.
uUpgrade: Ein Billigstandort ist China seit einigen Jahren nicht mehr. Die Regierung verordnet der gelenkten Wirtschaft ein Upgrade hin zu besserer Technologie, Inno -vationskraft und höherer Energieeffi zienz.
uKonsum: Auslandsinvestoren profi tieren vom stabilen Wachstum, einer statusbe-wussten Mittelschicht. „Made in Germany“ ist ein Verkaufsargument.
uAutarkie: Chinesische Firmen blasen zur Aufholjagd. In immer weniger Bereichen ist das Reich der Mitte wirklich auf westliche Produkte angewiesen.
Billig war gesternChina bleibt die Lokomotive der Weltwirtschaft. Auch wenn sich das Wachstum abschwächt: Der Markt wird für immer mehr Mittelständler zum Muss. Mit zunehmend hochwertigen Industriegütern entwickelt sich China zum Wettbewerber auf Augenhöhe
M Artikel als Audiodatei: www.deutsche-bank.de/results
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Cooler Platzhirsch zu sein auf dem am
heißesten umkämpften Markt der Welt – für
einen Mittelständler ist das beachtlich. Keim-
zelle war 1994 ein Joint Venture zur Kompres-
sorfertigung in Peking, 2001 und 2006 folgten
zwei eigenständige Tochterfi rmen. „Heute fah-
ren wir die Früchte ein“, freut sich Luerssen.
Ein zweistelliges Umsatzplus ist Normalität,
und weil es schon wieder eng wird mit den
vorhandenen Kapazitäten, erweitert Bitzer
gerade die Fertigung. In den nächsten zwei
Jahren sind weitere 15 Millionen Euro Investi-
tionen in die chinesischen Standorte geplant.
Neben der Prozess- und Transportkühlung in
Lkws, Bussen und Zügen setzt Bitzer auf zwei
weitere Geschäftsfelder, die mit der rasanten
Modernisierung des Schwellenlandes kräftig
wachsen: Kühlräume und Kühltheken-Technik
für Supermärkte sowie die Klimatisierung von
Gebäuden. Mit dem Argument „Energieeffi zi-
enz made in Germany“ hat das Familienunter-
nehmen beste Aussichten im Reich der Mitte.
DER STABILE CHIN A-BOOM, befeuert von ge-
waltigen Konjunkturpaketen, hat auch dem Ex-
portland Deutschland geholfen, schnell wieder
aus der Krise zu kommen. Nur noch wenige
deutsche Mittelständler sind der Ansicht, die
1,3 Milliarden chinesischen Konsumenten aus
ihren Zukunftsplänen ausklammern zu kön-
nen. „China wird für den deutschen Mittel-
stand langfristig so bedeutsam wie die USA
oder Europa“, glaubt Eddy Henning, Leiter
Firmenkundenbetreuung der Deutschen Bank
in China. Er beobachtet dabei eine klare Ver-
schiebung der Motive für die Investitionen
deutscher Unternehmen: „Was China groß
gemacht hat – die berühmte ‚Werkbank der
Welt‘ – hat sich überlebt, das praktiziert heute
kein Investor mehr. Es ist eindeutig der riesige
Einkaufs- und Absatzmarkt, der verlockt.“
Billigware für Europa – das war einmal.
„Wer hier fertigt, der verkauft im Schnitt 60
bis 70 Prozent der Produkte vor Ort, ein wei-
terer Teil geht in den asiatischen Raum“, sagt
Uferpromenade „Bund“ in Schang-hai mit Blick auf die Sonderwirt-schaftszone Pudong: Aus der verlängerten Werkbank wird ein wichtiger Absatzmarkt
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Experte Henning. Bei Bitzer trifft das noch
stärker zu: „Unsere Produktpalette haben wir
technisch genau auf den Markt abgestimmt,
90 Prozent verkaufen wir im Land selbst“, sagt
Bitzer-Manager Luerssen. „Unsere Motivation
im Chinageschäft war immer, nah am Markt zu
sein.“ Entsprechend betrachtet Luerssen das
komplett mit Einheimischen besetzte Service-
und Verkaufsteam als entscheidende Basis für
Bitzers gute Position. „Von unseren 650 Mit-
arbeitern in China sind nur vier Topmanager
deutsch. Schon in der Direktorenebene ha-
ben wir überwiegend chinesische Kollegen,
vom Finanz- bis zum IT-Chef.“
Als weiteren Erfolgsfaktor nennt Stephan
Luerssen den hohen Lokalisierungsgrad im
Einkauf: Ausgewählte einheimische Liefe-
ranten schaffen es mittlerweile, die hohen
Bitzer-Qualitätsstandards zu erbringen – zu
attraktiven Konditionen. Viele Teile, je nach
Produkt 45 bis 80 Prozent, kauft Bitzer daher in
China ein. „Einige der zugekauften Teile gehen
über uns weiter in die Gruppe, das lohnt sich
trotz Zoll- und Frachtkosten“, sagt Luerssen.
Die Kehrseite des hohen Lokalisierungsgrades
hat Luerssen unlängst auch erlebt: „Einer Gie-
ßerei, von der wir Gehäuse beziehen, wurde
von der Provinzregierung einfach der Strom
abgedreht – es ging um eine Energiesparquote.
Wir mussten den Nachschub enorm teuer aus
Deutschland einfl iegen. Da fl ucht man schon
mal über stumpf getroffene Entscheidungen
mancher Funktionäre.“ Man müsse sich eben
fl exibel aufstellen und anpassungsfähig sein,
sagt Luerssen.
WO GEHOBELT WIRD, FALLEN SPÄNE: Das
Tempo und die Entschlossenheit, mit der die
– auf dem Papier – kommunistische Zentral-
regierung die Wirtschaft auf Weltniveau trimmt,
lässt westliche Beobachter immer wieder stau-
nen. Die Ablösung der USA als größte Volks-
wirtschaft der Welt ist nur eine Frage der
Zeit. „Bis spätestens 2022 wird das geschehen
sein“, prognostiziert Jun Ma, Chefökonom der
Deutschen Bank in China. Er rechnet für die
nächste Dekade mit einem Wachstumspoten-
zial in Höhe von sieben Prozent im Jahr. Die
bombastischen Wachstumsraten von zuletzt
im Schnitt zehn Prozent kann und will China
dabei allerdings nicht durchhalten – aus ver-
schiedenen Gründen. Auf mittlere Sicht nimmt
das Urbanisierungstempo ab, das Produktivi-
tätswachstum sinkt, und das Export wachstum
werde sich drosseln, schätzt Jun Ma.
Die Regierung hat in ihrem neuen Fünfjahres-
plan (2011 bis 2015) vor allem die Stimulation
des Inlandskonsums vorgegeben, um erwartete
Exportausfälle auszugleichen. Regierungschef
Wen Jiabao mahnte bereits an, dass es „keine
rücksichtslose Jagd nach schnellerem Wachs-
tum“ mehr geben solle. Auf der Agenda der ge-
lenkten Ökonomie stehen künftig vor allem der
Ausbau der „grünen“ Wirtschaftssektoren und
das Heben der Wertschöpfungsqualität im pro-
duzierenden Gewerbe. Für innovative deutsche
Unternehmen bieten sich so weiter Chancen, am
Umbau der Industriestruktur teilzuhaben. Die
hohe Nachfrage nach Maschinen, Autos und
Komponenten verspricht auch 2011 einen
zweistelligen Lieferzuwachs für deutsche Ex-
porteure, heißt es bei der Außenhandelsagentur
Germany Trade & Invest.
Staatschef Hu Jintao, vom Magazin „Forbes“
zum „mächtigsten Mann der Welt“ gekürt,
ist an einer strategischen Partnerschaft mit
Deutschland interessiert. Nicht zuletzt das
Handelsvolumen von über 100 Milliarden Euro
schweißt die beiden Länder zusammen. Chi-
nas Bedeutung für deutsche Exporteure wächst
stetig: Das Reich der Mitte könnte für Deutsch-
„Grüne“ Wirtschaftssektorenbieten Wachstumschancen
Jobbörse in der Hubei Provinz: Die Ein-Kind-Politik Chinas führt dazu, dass nach Einschätzung des Deutsche-Bank-Experten Jun Ma die Zahl junger Arbeitskräfte drastisch abnimmt. Deutsche Unternehmen werben schon jetzt mit Weiterbildung und Stipendien um Mitarbeiter
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Märkte China
land bereits in diesem Jahr zum zweitgrößten
Absatzmarkt nach Frankreich aufsteigen.
Noch immer sind die Chinesen in einigen
Sektoren auf ausländische Technologien und
Zulieferungen angewiesen – und dort gilt: Aus-
landsinvestoren willkommen. „An China führt
kein Weg vorbei, zuletzt war es sogar unser
größter Einzelmarkt“, sagt Marc Schindler,
Sales District Manager bei SEW-EURODRIVE.
Der Spezialist für Antriebsautomatisierung aus
Bruchsal gibt in China seit 1994 Vollgas: Mit
drei Fertigungswerken, sechs Montagewerken
und 42 technischen Büros ist der Mittelständler
mit über 3000 Mitarbeitern aktiv. Schon jetzt
hat SEW in China 14 Vertriebsbüros mehr als
in Deutschland.
„Vor allem auf die Kundennähe kommt es
uns an“, sagt Schindler. „Wir fertigen die Tei-
le für unsere Getriebemotoren auftragsneutral
und montieren sie anschließend dezentral und
kundenindividuell“, erklärt der Betriebswirt
das Prinzip. Überdurchschnittlich oft werden
im Reich der Mitte auch Schwerlastgetrie-
be geordert, inklusive Motor, Schwinge und
weiterem Zubehör sind diese teilweise bis
zu 50 Tonnen schwer. Auch in China ist die
Automobilindustrie für SEW-EURODRIVE von
großer Bedeutung. Zu den wichtigsten Ziel-
branchen zählen außerdem der Bergbau, die
Stahl- und Aluminiumindustrie sowie das Feld
Transport und Logistik.
„Die Beziehungspfl ege ist in China extrem
wichtig“, sagt Schindler. „Viel mehr noch als
in Deutschland ist die Vertriebsmannschaft
auch abends unterwegs und besiegelt Aufträge
beim Geschäftsessen.“ Das lokale Management
agiert bei SEW-EURODRIVE traditionell sehr
selbständig und stammt bis hin zur Geschäfts-
führungsebene aus dem Zielland. Ebenso wie
für viele andere ausländische Unternehmen
gilt es auch für SEW-EURODRIVE, sich gegen
das im chinesischen Markt verbreitete Kopie-
ren von Innovationen zu wappnen. Deshalb
belässt man beispielsweise die Forschung und
Entwicklung in weiten Teilen am deutschen
Standort Bruchsal.
Wer in China produziert, sollte ohne jede
Toleranz auf den Schutz seines geistigen Ei-
gentums achten. „Viele Deutsche melden gar
keine Patente oder Gebrauchsmusterschutz
an. Dann muss man sich nicht wundern“, sagt
Marktkenner Eddy Henning. Mitunter haben
schon chinesische Firmen ausländische In-
novationen kopiert und ihrerseits mit Patent
geschützt. Auch erste Klagen von Chinesen
gegen US-Firmen wegen Patentverletzungen
seien anhängig. „Die Gerichte werden besser,
es ist Land in Sicht“, sagt Henning.
DIE DEMOGRAFIS CHE ENT WICKLUNG wird
den Kampf um Talente noch verschärfen. Be-
reits ab 2014 nimmt nach Einschätzung des
Deutsche Bank Experten Jun Ma die Zahl der
verfügbaren Arbeitskräfte deutlich ab – eine
Folge der Ein-Kind-Politik, die China 1979 ein-
führte.
Es ist nicht das einzige Risiko: Mit Sorge
betrachten Ökonomen den Preisanstieg auf
den Immobilienmärkten, vor allem in den
Großstädten. Dass es zu einem Absturz wie in
den USA kommen könnte, hält Deutsche Bank
Research jedoch für unwahrscheinlich: Mit der
Sie empfehlen deutschen Mittel-ständlern, sich China auf jeden Fall persönlich anzuschauen. Warum?China ist produktionstechnisch in der Neuzeit angekommen. Europa wird hier faktisch gerade nachgebaut. Wer das mit eigenen Augen sieht und sich von der Dynamik anstecken lässt, wird schnell die zögernde Haltung überwinden, die es im deutschen Mittelstand manchmal noch gibt. Welche Kardinalfehler gilt es beim Markteintritt zu vermeiden?Man braucht eine China-Strategie. Es ist der größte und der am härtesten
umworbene Markt der Welt, den kann man nicht nebenbei bedienen – und schon gar nicht nach dem Prinzip „Trial and Error“. Wer nicht die Res-sourcen und Leute hat, um diesen Markt mit voller Konzentration zu bearbeiten, sollte die Finger weglas-sen. Simples Beispiel: Ohne eine gute chinesische Firmen-Homepage geht gar nichts. Ein Billigansatz führt zu nichts: Die Fertigung muss State of the Art sein. Ist es auch eine Frage der Unter nehmensgröße, ob der Schritt nach China ratsam ist?
Es hängt mehr mit Commitment zu-sammen als mit Größe. Jeder muss sich zum Beispiel auf einen massiven Kampf um die Talente einstellen. Um gute Leute abzuwerben, werden in den Küstenregionen oft 50 bis 100 Pro-zent mehr Gehalt angeboten. Als Kon-zern mit klangvollem Namen hat man natürlich einen Vorteil – auch im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Was empfehlen Sie für die Standortsuche?In den großen Städten wird man scheitern, wenn man nicht mindes tens Arbeit für 10 000 Leute mitbringt.
Man sollte nicht erwarten, dass sich dort jemand um einen kümmert. Im Hinterland ist es natürlich billiger, Kapazitäten aufzubauen, Unterneh-men werden dort von der lokalen Regie-rung auch viel freundlicher aufgenom-men. Dennoch rate ich Mittelständ-lern, nicht alle Pfade selbst austreten zu wollen, sondern leichteres Ter-rain zu wählen. Zu empfehlen sind zum Beispiel die Sonderentwicklungs-zonen in der südchinesischen Provinz Guangdong, in Tianjin bei Peking oder die deutsche Enklave Taicang bei Schanghai.
Eddy Henning leitet die Firmenkunden-
betreuung der Deutschen Bank in China
Interview
„ Trial and Error“ ist in Chinadie falsche Strategie
Weitere InformationenKontakt Eddy Henning, Leiter der Firmen-kundenbetreuung, Deutsche Bank China E-Mail eddy.henning@db.com Literatur„Understanding China’s consumers“ und „China’s provinces: Digging one layer deeper“, Deutsche Bank Research, kostenlos down-loadbar unter www.deutsche-bank.de/resultsLinks Aktuelle Wirtschaftstrends der GTAI:https://www.gtai.de/ext/anlagen/PubAnlage_8582.pdfLänderreport des Internationalen Währungsfonds: www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2010/cr10238.pdf
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MärkteChina
weiteren Urbanisierung und der Zunahme der
Haushalte sei mittelfristig mit stabiler Nachfra-
ge nach Wohnraum zu rechnen.
Pekings geopolitisches Selbstbewusstsein
wächst, die Handelspolitik gilt als unverhoh-
len merkantilistisch, strenge Kapitalkontrollen
erschweren Investitionen und die Ausfuhr von
Kapital. Die autoritäre Führung agiert aus ei-
ner Position der Stärke heraus, wie auch beim
Währungsstreit mit den USA deutlich wurde.
Bei der Rohstoffsicherung, die für das weitere
Wachstum essenziell ist, geht die Zentralregie-
rung taktisch geschickt vor: In afrikanischen
und lateinamerikanischen Ländern sichert
sie sich Öl, Kohle und Erze und bietet im Ge-
genzug zinsgünstige Kredite für den dortigen
Aufbau der Infrastruktur, oft fl ankiert von der
Entsendung chinesischer Arbeitskräfte, die
Projekte quasi im Alleingang abwickeln. Weite
Teile Afrikas hat China sich so als Bodenschatz-
reservoir gesichert. Solch clevere Bündnispoli-
tik ruft in Industrienationen Argwohn hervor:
„Es gibt die Gefahr, dass wir eine Eisenerz-
OPEC oder Seltene-Erden-OPEC bekommen“,
warnt der deutsche Wirtschaftsminister Rainer
Brüderle. ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz
beklagte in einem Interview einen regelrechten
„Rohstoffimperialismus“. China schluckt fast
70 Prozent der Weltproduktion an Eisenerz.
Auch der EU-Handelskommissar Karel De
Gucht ist alarmiert über bestehende Han-
delshemmnisse. Immer öfter erreichen ihn
Beschwerden europäischer Unternehmen, die
sich in China unfair behandelt sehen und bei
Ausschreibungen nicht zum Zuge kommen.
„Punkte, in denen wir uns mit China immer
wieder auseinandersetzen, betreffen die Dis-
kriminierung von Ausländern bei Direktinves-
titionen, beim Zugang zu Rohstoffen und bei
öffentlichen Aufträgen in China“, monierte De
Gucht. Der Drache wird mächtig, die Welt steht
staunend davor. O
STEFAN MERX
Liegen in China mehr Chancen oder Risiken? Die Lüdenscheider Familien-unternehmer Kostal hatten die Koffer bereits gepackt, als viele noch diskutierten. Schon 1995 gründeten die Experten für Automobil-elektrik eine Niederlassung nahe Schang-hai. Frankreich kam als Standort erst vier Jahre später hinzu.
Die Entschlossenheit in der Ferne zahlt sich aus: „Wir haben in China eine erfreuliche Wachstumsdynamik hingelegt“, freut sich Unternehmer Andreas Kostal. Nach 140 Millio-nen Euro Umsatz im Krisenjahr 2009 rechnet er für 2010 mit 200 Millionen Euro. Gemessen an den gut 1,4 Milliarden Euro Gruppen umsatz ist China für die Sauerländer der größte Auslandsmarkt. „Als 2009 der Automarkt überall einbrach, war China der große Stabilisator für unsere Gruppe.“
Die Verpfl ichtung, mit einem chinesi-schen Unternehmen ein Joint Venture ein-zugehen, bestand 1995 nicht mehr für einen Auto mobilzulieferer. „Wir haben uns dennoch bewusst dafür entschieden, mit lokalen Partnern in den Markt zu gehen“, sagt Andreas Kostal. Bis heute wurden die Kostal-Anteile am Gemeinschaftsunter-nehmen schrittweise auf derzeit 82 Pro-zent erhöht.
Das Rezept ist klar: vor Ort entwickeln, fertigen und auf kurzem Weg verkaufen. Der Standort Anting, eine Art Autostadt vor den Toren Schanghais, ist dafür perfekt. Gerade ist ein Erweiterungsbau in Planung. Kostal
Fallstudie
„Der Optimismus ist elektrisierend“Der Mechatronik-Spezialist Kostal ist seit mehr als zehn Jahren in China aktiv und beliefert von dort aus auch Japan und Korea
Andreas Kostal, 31, führt als Urenkel des Grün-ders gemeinsam mit seinem Vater das Geschäft des Automobilzu-lieferers Kostal
beliefert vor allem die aufstrebende chinesische Automobilindustrie, teilweise gehen die Lenksäulenmodule, Schalthebel oder Türelektronik module auch nach Japan und Korea, äußerst selten nur nach Europa. Die Dynamik in der „kapitalistischen Diktatur“ beeindruckt Andreas Kostal immer aufs Neue: „Jeder will jeden Tag weiter nach vorn kommen, alles ist von unglaubli-chem Optimismus getragen – das ist schon elektrisierend.“ Für ihn sei Schanghai die beeindruckendste Stadt der Welt, schon durch die schiere Größe und Entwicklungs-geschwindigkeit. „Das geht oft ohne große Rücksicht auf Verluste“, so sein Eindruck. Auch Kostal wurde schon einmal „veranlasst“ – so die diplomatische Umschreibung –, den Produktionsstandort zu wechseln, weil an alter Stätte ein Sport zentrum geplant wurde. „Da wird man nicht unbedingt gefragt“, sagt Kostal. „Allerdings wurden wir gut unterstützt bei der Suche nach einem neuen Platz für unser Werk.“ Noch besitzt erst jeder zwanzigste Chinese ein Auto. „Da steckt gewaltiges Aufhol potenzial“, sagt Kostal. Doch auch andere Geschäftsbereiche neben dem Autogeschäft will Kostal jetzt ausbauen: Kontaktsysteme werden schon in China verkauft, und demnächst beginne der Ausbau des Photovoltaikgeschäfts mit Wechselrich-tern und Solaranschlussdosen – ein weiterer Markt mit hoher Wettbewerbsintensität. Doch die vorhandene Startbasis macht Mut: „Wir besitzen Marktkenntnis, haben die Infrastruktur und bald 1600 Mitarbeiter – da kann man schön ein Pfl änzchen andocken und hochziehen“, sagt Kostal. Ein gewisses Risiko gebe es immer , sagt Kostal – und geht pragmatisch vor: „Auch beim viel diskutierten geistigen Eigentum gilt: Ganz schützen kann man sich nicht. Schlüssel-technologien und Kernkompetenzen behalten wir daher in Deutschland“, sagt er. „Wir müssen dennoch gute Entwickler vor Ort haben, auch weil die Entwicklungs-zyklen in China viel kürzer sind als in Europa. Kundenschnittstellen betreuen, das geht nur aus China.“ FO
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