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Historische Schiffe bei
Henrichenburg
Leben und Arbeiten auf dem Schiff
- Exkursionsbericht -
Kurs „Wasserbau II“ – Wintersemester 2014/2015
Motorgüterschiff MS Franz-Christian im Unterwasser des Schiffshebewerk Henrichenburg
Bearbeitung:
Junija Brandt
Inga GörtzTim Malte KrügerCharlotte Nellesen
Cecilia SchellhaasSarah Steude
Darmstadt, den 20.02.2015
Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft
Fachgebiet Wasserbau und Hydraulik
Leiter: Prof. Dr.-Ing. habil. Boris Lehmann
Der vorliegende Exkursionsbericht wurde im Rahmen des Kurses „Wasserbau II“ im
Wintersemester 2014/2015 selbstständig durch die Studierenden verfasst. Ziel des
Berichtes ist es, einen guten Überblick über das besichtigte Exkursionsziel zu vermit-
teln und dabei die besichtigte Anlage und deren Komponenten und Funktionen zu do-
kumentieren und zu erläutern.
Die dazu verwendeten Fotos, Abbildungen, Zeichnungen und Skizzen wurden von den
Autoren selber erstellt oder unter Angabe der Quellen aus der Fachliteratur, dem Inter-
net oder anderen öffentlichen Medien entnommen.
Technische Universität Darmstadt
Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften
Institut für Wasserwirtschaft und Wasserbau
Fachgebiet Wasserbau und Hydraulik
Franziska-Braun-Str. 7, Gebäude L5/01
64287 Darmstadt
Telefon: +49(0)6151/16-4067
Telefax: +49(0)6151/16-3223
www.wasserbau.tu-darmstadt.de
Historische Schiffe bei Henrichenburg
Stand: 20.02.2015 www.wasserbau.tu-darmstadt.de
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InhaltsverzeichnisAbbildungsverzeichnis .................................................................................................. ii
Tabellenverzeichnis ...................................................................................................... ii
1. Einleitung............................................................................................................... 1
2. Entwicklung der Binnenschifffahrt .......................................................................... 2
3. Historische Schiffe im LWL-Museum Henrichenburg ............................................. 4
3.1. Dampftankschiff „Phenol“................................................................................ 4
3.2. Polizei- und Feuerlöschschiff „Cerberus“ ........................................................ 6
3.3. Lastkahn „Ostara“ ........................................................................................... 8
3.4. Eimerkettenbagger „Porta“.............................................................................. 9
3.5. Schwimmgreifer „Crossen“ ........................................................................... 10
3.6. Schlepper „Fortuna“...................................................................................... 11
3.7. Motorgüterschiff „MS Franz-Christian“ .......................................................... 13
4. Leben und Arbeiten auf einem Binnenschiff......................................................... 16
4.1. Wohnverhältnisse an Bord............................................................................ 17
4.2. Familienleben und Freizeitgestaltung............................................................ 18
4.3. Arbeiten an Bord........................................................................................... 19
5. Conclusio............................................................................................................. 20
Literaturverzeichnis..................................................................................................... 21
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bug der Phenol (Krüger 2014).................................................................. 5
Abbildung 2: Seitenansicht (steuerbord) der Phenol (Krüger 2014)............................... 6
Abbildung 3: Modell des Polizeibootes Cerberus in der Ausstellung des LWL-Museums
..................................................................................................................................... 7
Abbildung 4: Cerberus im Oberhafen des alten Schiffshebewerks Henrichenburg
(Krüger 2014) ............................................................................................................... 7
Abbildung 5: Bug der Ostara im Oberwasser des alten Schiffshebewerks (Krüger 2014)
..................................................................................................................................... 8
Abbildung 6: Längsseite der Ostara (Krüger 2014) ....................................................... 9
Abbildung 7: Die Porta auf dem Gelände des LWL-Museums (Görtz 2014)................ 10
Abbildung 8: In der Mitte rechts neben der Porta ist der Schwimmgreifer Crossen
(Görtz 2014) ............................................................................................................... 11
Abbildung 9: Modell des Schleppers Fortuna in der Ausstellung des LWL-Museums
(Görtz 2014) ............................................................................................................... 12
Abbildung 10: Auf Land stehende Schiffe des LWL-Museums. In der Mitte befindet sich
der Schlepper Fortuna (Krüger 2014) ......................................................................... 13
Abbildung 11: Motorgüterschiffe MS Franz-Christian .................................................. 13
Abbildung 12: Kajüte im Vorderschiff der MS Franz-Christian..................................... 17
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Datenblatt der Phenol................................................................................... 4
Tabelle 2: Datenblatt des Polizei- und Feuerlöschschiffs Cerberus............................... 6
Tabelle 3: Datenblatt des Lastkahns Ostara .................................................................8
Tabelle 4: Datenblatt des Eimerkettenbaggers Porta .................................................... 9
Tabelle 5: Datenblatt des Schwimmgreifers Crossen.................................................. 10
Tabelle 6: Datenblatt des Schleppers Fortuna ............................................................ 11
Tabelle 7: Datenblatt des Motorgüterschiff MS Franz-Christian .................................. 14
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1. Einleitung
Um die Vorlesungsinhalte des Faches Wasserbau II mit praktischen Eindrücken zu
untermalen, wurde am 18. Dezember 2014 eine Exkursion zum Museum Henrichen-
burg in Waltrop gemacht. Im Rahmen der Exkursion wurden ebenfalls das alte Schiffs-
hebewerk auf dem Museumsgelände sowie das neue Schiffshebewerk und die Schleu-
se begutachtet. Das Museum, das 1992 eröffnet wurde, beinhaltet viele Ausstellungs-
stücke zum Thema „Leben und Arbeiten auf dem Binnenschiff“ [11]. Dies sind unter
anderem Fundstücke von Binnenschiffen aus dem 20. Jahrhundert, restaurierte Schiffe
und viel anschauliches Material, das das Funktionsprinzip eines Binnenschiffs und ei-
nes Hebewerks erläutert. Neben dem Hauptgebäude des Museums befindet das alte
Schiffshebewerk, das 1899 eröffnet wurde und bis 1969 zum Transport von Schiffen
genutzt wurde [11]. Die Aufgabe des Schiffhebewerks ist es den Höhenunterschied
zwischen zwei Wasserstraßen zu überwinden. Im Gegensatz zu einer Schleuse wird
hierbei das Schiff in einem Trog zum Oberwasser befördert. Mit Hilfe des Hebewerks
können die ankommenden Schiffe einen Höhenunterschied von 14 Metern überwinden
und werden damit auf das Höhenniveau des Dortmunder Hafens gehoben. Durch den
Bau des neuen Hebewerks mit effektiverer Technik war die Nutzung des alten Hebe-
werks nicht mehr rentabel, woraufhin das alte Hebewerk 1969 geschlossen wurde [11].
Nach der Schließung entschied der Landschaftsverband Westfalen-Lippe an dem
Standort ein Museum für Binnenschiffsfahrt zu errichten, in welches das Hebewerk
integriert wurde. Das Schiffshebewerk wurde restauriert, allerdings ohne seine ur-
sprüngliche Funktion widerherzustellen. Neben dem eigentlichen Hebewerk gehört der
untere Vorhafen, der obere Vorhafen und ein Stück des Kanals im Oberwasser zum
Museum. In den unteren und oberen Vorhafen befinden sich die restaurierten Schiffe
des Museums, die in ihrer Nutzungszeit die unterschiedlichsten Funktionen erfüllten.
So war beispielsweise die MS Franz-Christian ein Schiff zum Stückguttransport, das
mit nahezu seiner kompletten Einrichtung vom Museum erworben werden konnte. Heu-
te beinhaltet das Schiff eine Ausstellung über das Leben auf einem Binnenschiff. Zu-
sätzlich können weiteren Schiffe besichtigt werden, die anderen Funktionen dienten,
wie das Tankschiff „Phenol“ und das Polizeischiff „Ceberus“.
Das neue Hebewerk hat seinen Betrieb auch eingestellt. Obwohl die Dimensionen die-
ses Bauwerks bereits umfangreicher waren, um auch größere Schiffe transportieren zu
können, wurden die Maße des neuen Hebewerks nach einigen Jahrzehnten erneut
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überholt. So wurde 1989 eine Sparschleuse neben dem neuen Hebewerk errichtet, die
bis heute in Betrieb ist [11]. Diese Schleuse und das neue Hebewerk wurden im Rah-
men der Exkursion ebenfalls besichtigt.
2. Entwicklung der Binnenschifffahrt
Schiffe wurden bereits in der Urzeit genutzt, um Bäche, Flüsse und Seen zu befahren.
Dabei stand anders als heute nicht der Transport von Gütern und Personen, sondern
die Jagd im Vordergrund. So konnten ausgehend von Zweier-Kajaks Rentiere, die auf
ihren Wanderungen Flüsse durchquerten gejagt werden. [1]
Die ersten Erwähnungen zur Nutzung von Flüssen als Handelsrouten durch die Römer
in Deutschland werden auf ca. 50 v.Chr. datiert. Bei Ausgrabungen in Mainz (s.g.
„Mainzer Schiffe“) wurden sowohl ein Reiseschiff für Staatsbeamte, wie auch ein für
30t Ladung ausgelegtes Frachtschiff gefunden, die dies belegen. [2]
Bereits unter Karl dem Großen werden erste Versuche unternommen die natürlichen
Wasserstraßen über künstliche Kanäle zu verbinden. Ein geplanter Kanal zwischen der
Donau und der Regnitz wird 793 n.Chr. teilweise ausgehoben, allerdings gelingt keine
ausreichende Ufersicherung. Im Jahr 1398 wird schließlich der erste Kanal, der Steck-
nitz-Kanal gebaut, der heute Teil des Elbe-Lübeck-Kanals ist und Ursprünglich zum
Transport von Salz diente. [1]
Als Antriebssysteme kamen, je nach örtlichen Gegebenheiten und zu transportieren-
dem Gut, verschiedene Möglichkeiten zur Anwendung.
Bei der Treidelschifffahrt zogen Menschen oder Zugtiere (Pferde oder Ochsen) Schiffe
an langen Seilen, die an dem Treidelmast befestigt waren, stromaufwärts entlang von
Treidelpfaden. [3]
Auf breiten Flüssen, z.B. dem Niederrhein, wurden häufig Segelschiffe eingesetzt. Die-
se wurden zum Teil zusätzlich rudernd angetrieben. Segel und Ruder wurden auch
eingesetzt, um die Fahrt flussabwärts zu beschleunigen. [3]
Besondere Bedeutung hatte die Verwendung von Flößen. Sie erreichte ihre Blütezeit
im 17. Jahrhundert als große Mengen Holz nach Holland transportiert wurden. Die Flö-
ße, die meist aus einem Feststück und mehreren beweglichen Kniestücken bestanden.
Sie waren bis zu 500 m lang und 70 m breit. Bei einem Tiefgang von ca. 2,4 m war es
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so möglich 5 Lagen Holz auf einmal zu transportieren. Die Mannschaft eines solchen
Floßes bestand aus bis zu 500 Personen, die auf dem Floß lebten und arbeiteten. Im
19. Jahrhundert wurden zusätzlich kleine Dampfschiffe verwendet, um die Manövrier-
fähigkeit der Flöße zu erhöhen und gleichzeitig den Personalbedarf zu senken. Zwar
verloren Flöße mit dem Aufkommen der Dampf- und später Motorschifffahrt weitestge-
hend an Bedeutung, jedoch wird erst 1968 die letzte Floßung auf dem Rhein registriert.
[2]
Die industrielle Revolution im ausklingenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert
wirkte sich auch auf die Binnenschifffahrt aus. 1807 gelang Robert Fulton der Betrieb
der „Clermont“ auf dem Hudson-River mit Hilfe eines Dampfantriebs. Bereits neun Jah-
re später, 1816, fuhr die „Defiance“ stromaufwärts nach Köln und weitere zwei Jahre
später wurde mit der „Prinzessin Charlotte von Preußen“ das erste in Deutschland ge-
baute Dampfschiff vom Stapel gelassen. [1]
Die Leistung der Motoren reichte zunächst nicht aus, um Güter in nennenswerter Grö-
ßenordnung über z.B. einen Schaufelradantrieb zu transportieren. An verschiedenen
Flüssen werden daher Ketten oder Seile auf dem Grund versenkt, die von den Schiffen
aufgenommen und über einen Antrieb durch sie hindurch geführt werden. Die Schiffe
zogen sich so entlang der Kette stromaufwärts. [2]
Daneben wurde Dampfschlepper eingesetzt, um andere Boote zu ziehen. Um Strö-
mungswiderstände zu verringern wurden immer größere Schleppkähne entwickelt.
Häufig wurden zwei, mit jeweils bis zu 500 t beladene Eisenkähne, durch ein Schlepp-
schiff gezogen. [1]
Sowie das Aufkommen der Dampfschifffahrt die Ära der Treidelschiffe und Flöße be-
endet, wurde sie durch die Motorschifffahrt abgelöst. Zwar wurden die ersten Diesel-
motoren bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Schiffen verbaut, diese konnten
sich aber erst vollständig nach dem Ende des zweiten Weltkriegs durchsetzen, da viele
der alten Dampfschiffe während des Kriegs zerstört wurden. Die Umrüstung von
Dampf- zu Motorbetriebenen Schiffen hatte zudem wirtschaftliche Vorteile für die Bin-
nenschiffer. Zum einen benötigten die Dieselmotoren weniger Platz und geringere La-
gerflächen für Treibstoff, zum anderen verringerte sich auch der Personalbedarf erheb-
lich. [1]
Anders als bei der Dampfschifffahrt handelt es sich bei Motorschiffen in der Regel um
Selbstfahrer oder Schubverbände. Letztere bestehen aus einem Schubboot und einem
oder mehrerer Leichter. Antrieb und Steuerung des Verbandes werden dabei von dem
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Schubboot übernommen. Um Liegezeiten zu verkürzen, werden die Leichter im Hafen
ausgetauscht. So kommt es, dass die Dieselmotoren der Schubschiffe heute im Durch-
schnitt 22 h/Tag laufen. [2]
Mit einem Transportvolumen von jährlich 229 t ist die Binnenschifffahrt ein wichtiger
Teil des Wirtschaftskreislaufs. [3]
3. Historische Schiffe im LWL-Museum Henrichenburg
3.1.Dampftankschiff „Phenol“
Das älteste Schiff in der Sammlung des LWL-Museums von 1904 wurde in Schiedam
(Niederlande) konstruiert, um flüssiges Teeröl von den Kokereien zur Weiterverarbei-
tung zu den Chemiewerken in den Niederlanden, Belgien und Deutschland zu trans-
portieren. Daher stammt auch die Namensgebung des Schiffes, da in den Fabriken aus
dem Rohstoff die Karbolsäure, dem sogenannten Phenol hergestellt wurde. Damals
wurde Phenol zur Desinfektion, in Arzneimitte und zur Farbenherstellung verwendet.
[4]
Tabelle 1: Datenblatt der Phenol
Rumpf Stahlrumpf Länge 43,5 m
Bau 1903 in Wilton´s Maschinefabriken Scheepswerf in Schiedam(NL)
Breite 6,07 m
Dampfmaschine 3-Zylinder-3-fach-Expansions-dampfmaschine 162,5 PS
Tiefgang 1,07 m
Tragfähigkeit 261,65 t
Bis in die 1950er Jahre war die Phenol im Besitz eines belgischen Chemiewerks. In
dieser Zeit war das Schiff neben einer drei-zylindrischen Dampfmaschine mit 162,5 PS
auch mit Segel ausgestattet. Erst 1938 wurde die Betakelung entfernt. Aufgrund der
hochgezogenen Reling (siehe Bild 1) ist das Schiff auch Hochseetauglich.
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Abbildung 1: Bug der Phenol (Krüger 2014)
Um eine größtmögliche Lagekapazität für die Tanks zu erhalten, befinden sich Dampf-
maschine und die Kajüten der fünf köpfigen Besatzung im Heck des Schiffes. Die vier
Rechteckstanks waren nach oben offen konstruiert worden und nur durch Bleche auf
dem Deck abgedeckt. Nach den aktuellen Arbeitsschutzbestimmungen wäre diese
Konstruktion nicht genehmigungsfähig, da die Unfallgefahr zu groß ist. Des Weiteren
erkrankte die Besatzung infolge der giftigen Gase, die permanent aus den Tanks aus-
traten. Kennzeichnend für den Teer ist auch ein stechenden prägnanter Geruch. Daher
mieden andere Schiffsarbeiter in Häfen die Besatzung der Phenol. Demzufolge sind
moderne Tankschiffe heutzutage mit einem computergesteuerten geschlossenen
Tanksystem ausgestattet. [5]
Nach dem Verkauf 1954 änderte sich die Funktion der Phenol. Nun kam das Schiff bei
der Reinigung von Kanalböschungen zum Einsatz. Ob es zu einem Umbau des Schiffs
kam ist unbekannt.
Als letztes noch in Europa existierendes Dampftankschiff kaufte das Industriemuseum
die Phenol 1986. Da das Schiff nicht mehr schwimmfähig war und einen allgemeinen
schlechten Erhaltungszustand aufwies, folgte eine intensive Restauration. [4]
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Abbildung 2: Seitenansicht (steuerbord) der Phenol (Krüger 2014)
3.2.Polizei- und Feuerlöschschiff „Cerberus“
Das Polizei- und Feuerlöschschiff „Cerberus“ ist 1930 in der niederländischen Werft
Hubertina in Haarlem gebaut worden. Es handelt sich um einen genieteten Stahlrumpf.
Anhand des Namens des Schiffes „SS Havendienst I“ (bis 1971) lässt sich dessen
Aufgabe ableiten. Im Amsterdamer Hafen konnte das leicht manövrierfähige und
schnelle Schiff im Hafendienst eingesetzt werden. [5]
Tabelle 2: Datenblatt des Polizei- und Feuerlöschschiffs Cerberus
Rumpf Genieteter Stahlrumpf Länge 20,85 m
Bau Hubertina-Werft in Haarlem(Niederlande)
Breite 4,66 m
Dampfmaschine Stehende Zweizylinder- Ver-bundmaschine 180 PS
Tiefgang 2,30 m
Hierbei konnte das Polizeiboot einerseits durch die massive Stahlkonstruktion im Bug
mit zusätzlichem Eispflug als Eisbrecher den Hafen für Schiffe befahrbar machen. An-
dererseits ermöglichte eine stehende Zwei-Zylinder-Verbundmaschine mit 180 PS Ha-
varisten abzuschleppen.
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Daneben ist der „Havendienst I“ als Bergungs- und Löschboot mit Tanks im Vor- und
Achterschiff, die zum Abpumpen von nicht manövrierfähigen Schiffen und zum Lö-
schen vorhanden sind, ausgestattet. Hinzukommen eine leitungsstake Pumpe und je-
weils ein Spritz- und Saugschlauch. [4]
Abbildung 3: Modell des Polizeibootes Cerberus in der Ausstellung des LWL-Museums
Für den diensthabenden Inspektor steht eine Achterkajüte und zusätzlich für die Be-
satzung aus Schiffsführer, Decksjunge, Maschinist und Heizer ein Aufenthaltsraum vor
dem Maschinen- und Kesselraum in der Mitte des Schiffs zu Verfügung.
Abbildung 4: Cerberus im Oberhafen des alten Schiffshebewerks Henrichenburg (Krüger 2014)
Mit dem Verkauf 1971 an einen niederländischen Wasserbaubetrieb wurde das Schiff
in „Cerberus“ umbenannt. 1988 kaufte und restaurierte das LWL-Museum das Polizei-
und Feuerlöschschiff.
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3.3.Lastkahn „Ostara“
Die Ostara ist sogenannter Maßkahn vom Typ „Dortmund-Ems-Kanal“, der genau in
das alte Hebewerk passt. Es sind immer nur ein paar Finger breit Platz im Trog des
Hebewerks. Der Schlepper wurde 1926 in den Niederlanden gebaut und war über 50
Jahre unterwegs Seit 1987 ist die Ostara im Besitz des Westfälischen Industriemuse-
ums, dennoch ist der Kahn immer noch einsatzbereit [5].
Tabelle 3: Datenblatt des Lastkahns Ostara
Rumpf Genieteter Stahlrumpf Länge 67,00 m
Bau 1926 de Haan enOrlemans, Heusden (NL)
Breite 8,20 m
Dampfmaschine n.b. Tiefgang 2,34 m
Der Lastkahn besitzt acht Laderäume, die mit Eisenschotts voneinander getrennt sind.
Der Laderaumboden, die Strau, ist aus hochwertigem Bongossi-Holz und in einem sehr
guten Zustand, wie auch der Rest des Schiffes. Dieser Hartholzboden musste den
Greifkränen zum Ausladen widerstehen. Die zwei Buganker werden nur von einer Win-
de gezogen und von einem im Jahre 1926 eingebauten Benzin-Ankermoter betrieben.
Das ist besonders, da solche Motoren erst in den 1930er Jahren bei großen Rhein-
schiffen eingeführt wurden. Ein weiterer Vorläufer der heutigen Hydraulik-
Steueranlagen ist die eingebaute elektrische Ruderhilfsmaschine, die die Manövrierfä-
higkeit verbessert. [4]
Abbildung 5: Bug der Ostara im Oberwasser des alten Schiffshebewerks (Krüger 2014)
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Die fest eingebauten Möbel aus Mahagoniholz zeigen den Wohlstand des Besitzers.
Küche und Bad waren ebenfalls edel eingerichtet und durch die Geräumigkeit konnten
auch Verwandte mitfahren [4] Heute wird die Ostara für Sonderausstellungen z.B. als
schwimmendes Atelier verwendet, da sie in so einem guten Zustand ist. [5]
Abbildung 6: Längsseite der Ostara (Krüger 2014)
3.4.Eimerkettenbagger „Porta“
Die Porta ist kein Schiff sondern ein Kanalwerkzeug, ein Eimerkettenbagger, der die
Kanäle freigräbt. Er wurde vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hannoversch-Münde zur
Räumung der Fahrrinne der Weser eingesetzt[4]. Die Eimer wurden an einer Kette
durch das Schiff und über den Kanalboden gezogen. So füllten sie sich mit Steinen und
Schlamm. Oben angekommen leerten sich die Eimer auf eine Rutsche in ein Trans-
portschiff an der Seite der Porta. [5]
Tabelle 4: Datenblatt des Eimerkettenbaggers Porta
Rumpf Genieteter Stahlrumpf Länge 24,00 m
Bau 1925 Caesar Wollheim/Cosel bei Breslau
Breite 6,19 m
Dampfmaschine Liegende 2-Zylinder Ver-bundmaschine mit 35 PSund Einspritzkondensation
Tiefgang 0,82 m
Auf der Porta wurde nicht nur gearbeitet sondern auch gewohnt. Vier Menschen wohn-
ten auf dem Bagger: der Baggerführer, zwei Decksleute und ein Maschinist. Der Bag-
gerführer war im vorderen Steuerstand für Geschwindigkeit und Grabtiefe der Eimer-
kette zuständig. Die Decksleute bedienten die Winden und Halteseile, mit denen die
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Porta an beiden Ufern befestigt war und sich im Zick-Zack-Kurs vorwärtsbewegte. Der
Maschinist kümmerte sich um die Dampfmaschine. Nach der Arbeit an einem Kanalab-
schnitt wurde die Porta von Schleppern zum nächsten Einsatzort gebracht. [5]
Abbildung 7: Die Porta auf dem Gelände des LWL-Museums (Görtz 2014)
3.5.Schwimmgreifer „Crossen“
Die Crossen ist ein schwimmender Bagger, der genau wie die Porta von Schleppern
zum jeweiligen Einsatzort gebracht wurde, denn der Schornstein der Dampfmaschine
reichte nur für den Bagger und war nicht als Antrieb nutzbar. Solch ein Schwimmgreifer
ist für die obere Abdeckung der Kanalböschung, das Deckwerk, verantwortlich. Das
sind bis zu 60 cm große Steine, die ständiger Pflege bedürfen. [5]
Tabelle 5: Datenblatt des Schwimmgreifers Crossen
Rumpf Genieteter Stahlrumpf Länge 21,50 m
Bau 1928 Caesar Wollheim/Cosel bei Breslau
Breite 7,20 m
Dampfmaschine Liegende Zwillingsma-schine mit 27 PS
Tiefgang 0,80 m
Der 1920 gebaute Dampfbagger war früher im Einsatz auf der Oder und Weser[6]. Er
war 60 Jahre im Betrieb. Vor allem nach 1945 musste er zur Kriegsschädenbeseitigung
zerstörte Brücken aus den Kanälen heben. Crossen ist eine kleine schlesische Stadt
im heutigen Polen, nach der der Schwimmgreifer benannt ist. [5]
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Abbildung 8: In der Mitte rechts neben der Porta ist der Schwimmgreifer Crossen (Görtz 2014)
3.6.Schlepper „Fortuna“
Der Dampfschlepper „Fortuna“ wurde 1909 in Brandenburg an der Havel bei der Werft
Gebr. Wiemann gebaut. Bis in die 1960er Jahre diente es als Schlepper auf deutschen
Kanälen. Zwischenzeitlich wurde er auch bis zur Überführung in 1974 in die Niederlan-
de als Wohnboot genutzt.
Der Rumpf der Fortuna besteht aus einer genieteten Stahlkonstruktion. [4] Maßgebend
bei der Planung der Abmessungen eines Dampfschleppers ist die nicht die Ladefläche,
sondern die Maschinenleistung und somit die Kesselgröße und die Feuerung notwen-
digen Kohlenbunker mit einer Fassung von bis zu 7,5 t Kohle. Die stehende zwei-
zylindrische Dampfmaschine konnte eine Leistung von 75 PS erzielen. [5]
Tabelle 6: Datenblatt des Schleppers Fortuna
Rumpf Genieteter Stahlrumpf Länge 17,50 m
Bau 1909 Wiemann-Werft inBrandenburg a.d.H.
Breite 3,60 m
Dampfmaschine Stehende 2-Zylinder Ver-bundmaschine mit 75 PS
Tiefgang 1,40 m
Aufbau
Für eine ideale Schwimmbarkeit ist der Kessel in der Mitte des Schiffs angeordnet
worden. In Richtung Achter ist der Maschinenraum mit einer Länge von 5,50 m ange-
ordnet, an dem sich jeweils links- und rechtsseitig der Kohlebunker anschließt. Im Bug
befindet sich die Kajüte des Schiffsführers. Die auch als Wohnung des Schiffseigners
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konzipierte Kajüte hatte daher eine aufwendigere Ausstattung mit Holzvertäfelung und
zusätzlicher Wandschränke. Hier befindet sich auch die Küche und Toilette. [4] Der
Maschinist, Heizer und Decksmann waren in einer fensterlosen Achterkajüte unterge-
bracht, deren Ausstattung nur sehr minimalistisch war[5].
Durch den Einbau von zwei Querschoten je5weils zwischen die Kajüten und dem Mit-
telblock konnten die schmalen Stauräume (Pieks) in Falle einer Kollision als Fluchtweg
geschützt sein.
Infolge von Aufsätzen, für u.a. die Oberlichter und Lüftungsluken, auf das durchlaufen-
de Deck konnte eine ausreichende lichte Höhe von 1,63 m unter Deck erreicht werden.
Der Aufbau mit Fenstern auf die Bugkajüte erfolgte erst später. Daneben waren an
Deck die typischen Elemente wie Querholm zum Befestigen von Tauen und Fendern
vorhanden. Oberhalb des Maschineraums ist der verglaste hölzerne Steuerstand und
Schornstein mit einer Höhe von 4,24 m angeordnet. Da das Fahrrevier der Fortuna
hauptsächlich auf Kanälen war, ist der Schornstein für die niedrigen Brückendurchfahr-
ten klappbar konstruiert worden. [4] Ein Sprachrohr zwischen Steuerstand und Maschi-
nenraum diente zur Kommunikation mit dem Heizer.
Die Innenausstattung ist seit dem Bau nicht stark verändert worden. Daher verdeutlich
die Fortuna die Arbeits- und Lebensbedingungen im frühen 20. Jahrhundert auf einem
Schiff.
Abbildung 9: Modell des Schleppers Fortuna in der Ausstellung des LWL-Museums (Görtz
2014)
Seit 1985 ist die Fortuna im Besitz des LWL-Museums. Zuletzt war die Dampfmaschine
1987 in Betrieb. Für ein erneutes Schiffspatent ist eine Reparatur der Maschinenanlage
notwendig. Daher steht das Schiff aktuell auf Land. [5]
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Abbildung 10: Auf Land stehende Schiffe des LWL-Museums. In der Mitte befindet sich der
Schlepper Fortuna (Krüger 2014)
3.7.Motorgüterschiff „MS Franz-Christian“
Das Motorgüterschiff „MS-Franz-Christian“ wurde 1929 in Lauenburg von der Werft
J.G: Hitzler erbaut. Es wurde von den beiden Schiffern Franz Fischer sen. und Christi-
an Schernbeck 1928 in Auftrag gegeben. Das Schiff befand sich vom Bau bis zum Er-
werb durch das Westfälische Industriemuseum im Besitz einer Schifferfamilie. [9]
Abbildung 11: Motorgüterschiffe MS Franz-Christian
Nachdem das Schiff am 11. Mai 1929 das erstem Mal in Betrieb genommen wurde
durchführte es zahlreiche Stückgutfahrten für unterschiedliche Reedereien auf der El-
be, der Oder, Märkischen Wasserstraßen, der Memel und letztendlich auch Rhein.
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Anfang 1940 wurde ein größerer Umbau der „MS Franz Christian“ vorgenommen. Es
wurde unter anderem die Bugkajüte erweitert, die Einteilung des Schiffes in ein zwei
Raum Schiff realisiert und eine größere Sommerküche zwischen Ladeluken und Steu-
erhaus installiert. [9]
Im Sommer 1940 wurden von der deutschen Kriegsmarine insgesamt 2400 Binnen-
schiffe beschlagnahmt und zu Landungsbooten umgebaut, um diese in „Operation
Seelöwe“ einzubinden. Darunter fiel auch der „MS Franz Christian“.
Im Sommer 1945 nach gescheitertem Einsatz wurde dieser wieder zurück an die Fami-
lie Fischer übergeben [9].
Zwischen 1945 und 1959 verkehrte das Motorgüteschiff nach einer Wiederherstellung
in den ursprünglichen Bauzustand hauptsächlich mit Massengut zwischen Lauenburg
und Schleswig-holsteinischen Häfen.
Aufgrund der immer größer werdenden Konkurrenz im Bereich der Binnenschifffahrt,
sowie der zunehmenden Unrentabilität des „MS Franz Christian“ beendete ein Motor-
schaden den Einsatz von diesem als Frachtenschiff.
In den Jahren 1986-1988 kommt es zum Erwerb und Restauration von dem Motorgü-
terschiff durch das Westfälische Industriemuseum. [9]
In folgender Tabelle ist eine Übersicht über die technischen Daten des „MS Franz-
Christian“ zu entnehmen:
Tabelle 7: Datenblatt des Motorgüterschiff MS Franz-Christian
Schiffstyp MotorgüterschiffFrachtschiff mit eigenem Antrieb („Selbstfahrer“)
Länge Ursprünglich 46 Meter, aber verlängert auf 50,25 Meter
Breite 5,07 Meter
Tiefgang 2 Meter
Rumpf Eisenbleche, die mit der tragenden Konstruktion vernietet wurden
Antrieb Verbrennungsmotoren :
Ab Werft 70 PS-Deutz-Diesel,
ab 1934 150 PS-Diesel,
ab 1959 Dreizylindriger –Diesel-Motor mit 180 PS
Tragfähigkeit 318,685 Tonnen
Bau 1929 in Lauenburg von der Werft J.G. Hitzler
Besatzung Schiffsjunge
Matrose
Historische Schiffe bei Henrichenburg
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Schiffsführer
Aufbau des „MS Franz Christian“
Den Rumpf des Schiffes kann man in drei Abschnitte gliedern:
1. Achterschiff:
Dieses dient in mehrfacher Hinsicht der Führung des „Franz Christian“. Darin war zum
einen die Schifferwohnung des Schiffsfahrers und seiner Familie untergebracht. Diese
beinhaltete einen Wohnraum, einen Schlafraum und eine winzige Küche.
Des Weiteren waren in diesem Abschnitt des Schiffes sämtliche Antriebs- und Steuer-
einrichtungen des Franz Christian untergebracht. Zwischen Schifferwohnung und La-
deraum ist der Maschinenraum untergebracht. Darin befindet sich der Antriebsmotor,
die Nebenaggregate, Treibstoff- und Schmieröltanks sowie zwei Pressluftflaschen zum
Starten des Motors.
Oberhalb des Maschinenraums liegt das Ruderhaus, von wo aus die Maschinenanlage
bedient und das Schiff gesteuert werden kann [9]
Bei dem Antriebsmotor handelte es sich nach dem letzten Umbau um einen 180 PS
starken Dieselmotor. Der Vorteil der Motorenantriebe lagen zum einen darin, dass
Kessel, noch Kohlebunker und erweisen sich damit als platzsparend. Des Weiteren
wird für die Bedienung weniger Personal benötigt.
2. Vorschiff:
Im Bug des Schiffes befindet sich unter Deck die Matrosenwohnung für die Besat-
zungsmitglieder.
An Deck des Vorschiffes befindet sich die motorbetriebene Winde mit einer dicken Ket-
te für die beiden Hauptanker, die ein hohes Gewicht aufwiese, da diese das Schiff
auch bei starken Strömungen halten mussten. Vor allem bei Anlegemanövern in
Schleusen und Häfen war das Vorschiff das Arbeitsgeld der Matrosen.
Zusätzlich befindet sich auf dem Vordeck ein klappbarer Mast, an dem bei Bedarf Sig-
nalkörper angebracht werden konnten, sowie ein „Schwenkbaum“ durch den die Be-
satzung das Festland erreichen konnte, auch wenn „Franz Christian“ nicht direkt an
einem Steg anlegte [9]
3. Laderaum:
Der wichtigste Teil eines Frachtenschiffes ist der rechteckig geformte Laderaum, der
sich mittig befindet. Bei gegebener Motorleistung und Schiffsgröße sollte dieser eine
möglichst große Menge an Gut befördern.
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Der Laderaum des „MS Franz Christian“ hat ebenfalls im Laufe der Zeit mehrere Um-
baumaßnahmen erfahren. Ursprünglich war dieser in vier separate Räume gegliedert.
Nach der Umbaumaßnahme wurden diese vier in zwei große aufgeteilt und später
wurde die Aufteilung komplett aufgehoben und nur noch ein Raum erhalten.
Die größte Veränderung stellt jedoch die Verlängerung des Schiffes 1953 um vier Me-
ter dar. Hierzu wurde der „Franz Christian“ im hinteren Teil des Laderaums kurz hinter
der Schiffsmitte durchtrennt und durch weitere Rumpfplatten und Spaten verlängert.
Dadurch wurde die Tragfähigkeit bis auf 35 Tonnen erweitert, ohne die Fahrleistung
merklich zu behindern [9]
Die drei Abschnitte sind jeweils durch Kollisionsschotts voneinander getrennt, damit im
Falle einer Havarie die Besatzung durch Abtrennen der beschädigten Abteile ein Sin-
ken verhindern kann.
Heutzutage stellt der „MS Franz Christian“ ein repräsentatives Dokument seiner Zeit
dar.
Das Westfälische Museum konnte da Schiff mit einer nahezu kompletten Einrichtung
übernehmen. Zusätzlich dazu konnte das Material durch Interwies mit der Familie, in
dessen Besitz sich das Schiff seit seinem Bau befunden hat, historisch aufgearbeitet
und im Museum ausgestellt werden.
4. Leben und Arbeiten auf einem Binnenschiff
Wie in bereits in Aufgabenteil 2 ausgeführt, unterliegt die Binnenschifffahrt einem stän-
digem Wandel, der vor allem mit der technischen Entwicklung der Schiffe zusammen-
hängt. Dementsprechend unterliegt auch das Leben an Bord dieser Binnenschiffe
ständigen Veränderungen. In diesem Aufgabenteil wird das Leben und Arbeiten an
Bord von historischen Binnenschiffen im 20. Jahrhundert untersucht, da dies die Perio-
de ist, in der die ausgestellten Schiffe in der Binnenschifffahrt genutzt wurden.
Die Personen an Bord eines Binnenschiffs im 20. Jahrhundert unterschieden sich in
Abhängigkeit des Schiffstyps und auch der Gewässer die es befuhr. Grundsätzlich gab
es an Bord eines Schiffes einen Schiffsführer, der die Verantwortung für das Schiff und
seine Ladung hatte. Im Fall eines Partikulierschiffes war dieser zugleich der Besitzer
des Schiffes. Nebens ihm waren im Normalfall ein Matrose und ein Schiffsjunge an
Bord. Bei einem Dampfschiff kamen zusätzlich ein Heizer und ein Maschinist hinzu. Je
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nach dem befahrenen Flussgebiet war es außerdem üblich, dass sich die Familie des
Schiffsführers an Bord befand. [10]
4.1.Wohnverhältnisse an Bord
Die Wohnverhältnisse an Bord eines Binnenschiffs sind von Natur aus sehr beengt. Auf
den meisten Schiffen herrschte eine klare Trennung zwischen der Mannschaft und der
Schiffsführung. Die Mannschaft bewohnte zumeist das Vorschiff, während die Schiffs-
führung im Achterschiff lebte. [10]
Wie beengt die Wohnverhältnisse an Bord waren, lässt sich an der Kajüte im Vorder-
schiff der MS Franz-Christian erkennen. Sie wurde vom Schiffsjungen und dem Matro-
sen und zeitweise sogar von der Ehefrau des Matrosen bewohnt. In ihrem ursprüngli-
chen Zustand war sie dabei nur etwa 10 m2 groß. Dieser Zustand ist auf Abbildung 12
zu sehen. Zur Einrichtung zählte zwar ein eigener Herd, sanitäre Einrichtungen inner-
halb der Wohnung waren allerdings nicht vorhanden. Die Wohnung der Schiffsführung
im Achterschiff war mit 20 m2 zwar etwa doppelt so groß und verfügte über eine kleine
Küche und ein Schlafabteil, trotzdem waren die Platzverhältnisse nach heutigem Ver-
ständnis extrem eingeschränkt. Allerdings gab es auch Schiffe wohlhabenderer Parti-
kuliere, die über ein etwas höheres Platzaufgebot an Wohnraum verfügten, wie zum
Beispiel der Lastkahn „Ostara“. [10]
Abbildung 12: Kajüte im Vorderschiff der MS Franz-Christian
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4.2.Familienleben und Freizeitgestaltung
Besonders auf Partikulierschiffen war es üblich, dass die Familie des Schiffsführers mit
an Bord lebte. Dies galt insbesondere, solange noch keine Kinder im schulpflichtigen
Alter vorhanden waren. War dies der Fall, gab es zwei Wege, das Familienleben zu
organisieren: Entweder wurden die Kinder zu Verwandten an Land oder in sogenann-
ten Schifferkinderheimen untergebracht, während die Frau weiter an Bord blieb. Dann
wurde versucht, die Kinder am Wochenende möglichst oft wieder an Bord zu nehmen.
Diese Möglichkeit wurde oft bei Binnenschiffern im Rheingebiet gewählt, da die meis-
ten von ihnen keine Wohnung an Land besaßen. Die andere Möglichkeit war, dass die
Ehefrau des Schiffsführers mit den Kindern an Land ging. Diese Möglichkeit wurde oft
von Binnenschiffern in den Flussgebieten Elbe und Oder genutzt. [10]
Befand sich die Familie des Schiffsführers an Bord, so verlief das Familienleben ge-
trennt von der Mannschaft. War der Schiffsführer allein an Bord, so konnte es durchaus
zur gemeinsamen Haushaltsführung kommen, wie z.B. dem gemeinsamen Kochen und
Essen. [9]
Die Freizeitgestaltung wurde durch den Übergang von der Schleppschifffahrt zur Mo-
torschifffahrt einigen fundamentalen Änderungen unterworfen. Zu Zeiten der Schlepp-
schifffahrt gab es oft extrem lange Lade- und Löschzeiten. Dazu kam, dass die Fahr-
zeiten des Schleppverbandes stark von der Tageslichtdauer abhängig waren. Während
es im Sommer durchaus vorkommen konnte, dass der Schleppverband bis zu
16 Stunden unterwegs war, konnte es im Winter dagegen zu Fahrtzeiten unter acht
Stunden kommen. Das bedeutete, dass es oft abends nach Ende der Fahrt Möglichkei-
ten gab, sich mit den Bewohnern der anderen Schiffe im Schleppzug zu treffen, zum
Beispiel zum Musizieren. Am Wochenende wurden auch Unternehmungen in nahelie-
gende Dörfer gestartet. Sonntags wurde während der langen Lade- und Löschzeiten
nach Möglichkeit eine Kirche besucht. Dieser Lebensrhythmus wurde durch den Über-
gang zur Motorschifffahrt und die Modernisierung der Navigation der Schiffe einem
grundsätzlichen Wandel unterworfen. Einerseits sind die Schiffsführer nicht mehr an
die Entscheidungen des Schleppers gebunden und können selbst festlegen, wann und
wo sie Ankern wollen. Dadurch ist es zum Beispiel eher möglich, sich mit befreundeten
Schiffern gezielt zu verabreden oder Verwandte zu besuchen. Andererseits haben sich
auch die Lade- und Löschzeiten radikal verkürzt und die Fahrtzeiten konnten, durch die
Verbesserung der Navigationstechnik, auch bei Dunkelheit und schlechten Wetterver-
hältnissen ausgedehnt werden. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde die maximal
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erlaubte Fahrzeit, 16 Stunden für ein Binnenschiff ohne Schichtbetrieb, oft ausgenutzt.
Dies führte dazu, dass sich die Aufenthaltszeiten der Binnenschiffer radikal verkürzten,
was auch die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung radikal einschränkte. Ein Besuch
von umliegenden Dörfern war nach einem 16-stündigen Arbeitstag zum Beispiel nicht
mehr möglich. [10]
4.3.Arbeiten an Bord
Generell lassen sich die Arbeiten auf einem Binnenschiff in die folgenden drei Bereiche
gliedern: Das Fahren, das Laden und Löschen der Ladung und die Wartungsarbeiten
am Schiff. Jeder Bewohner eines Binnenschiffes hatte sein spezifisches Aufgabenge-
biet an Bord:
Der Schiffsführer war der Steuermann eines Binnenschiffes und haftete für dessen
Ladung. Auch zählte die praktische Ausbildung des Schiffsjungen zu seinen Aufgaben.
Er musste außerdem in der Lage sein, sein Schiff nach betriebswirtschaftlichen Ge-
sichtspunkten zu betreiben. [10]
Wenn die Frau des Schiffsführers an Bord war, so war sie meistens für die Hausarbeit
und die Kindererziehung zuständig. Allerdings war die Hausarbeit besonders in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwere körperliche Arbeit, da es keine elektri-
schen Haushaltsgeräte, wie z.B. Waschmaschinen und Kühlschränke, an Bord gab
und das Wasser bei Bedarf aus dem Fluss an Bord geholt werden musste. Neben der
Hausarbeit war es außerdem üblich, dass die Frauen an Deck mitarbeiteten und auch
bei schweren körperlichen Arbeiten, wie dem Löschen der Ladung, halfen. [10]
Der Matrose unterstützte den Schiffsführer beim Manövrieren des Schiffs und den Ar-
beiten zum Laden und Löschen. [9] Neben diesen Fähigkeiten musste ein Matrose vor
allem handwerkliches Geschick aufweisen, da er eventuell auftretende Schäden am
Schiff zumindest vorübergehend reparieren können musste. Gegen Ende des 20.
Jahrhunderts ist außerdem das Entrosten des Schiffs zu den Aufgaben des Matrosen
hinzugekommen. [10]
Der Schiffsjunge unterstützte den Matrosen und den Schiffsführer bei ihrer Arbeit und
wurde von ihnen ausgebildet. Gerade zu Zeiten der Schleppschifffahrt war er aber oft
auch „Mädchen für Alles“ und musste zum Beispiel sämtliche Putzarbeiten an Bord
übernehmen und die Positionslampe des Schiffs reinigen und warten. [10]
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5. Conclusio
Die Exkursion zum Museum inklusive Schiffshebewerk und Schleuse hat einen guten
Überblick über die historische Binnenschifffahrt und die Funktionsweise eines Hebe-
werks gegeben. Im Hauptgebäude des Museums waren einige historische Gegenstän-
de ausgestellt und auch Modelle von historischen Schiffen und des Hebewerks. Gera-
de durch die Modelle waren die einzelnen Bestandteile und ihre Wechselwirkungen
anschaulich dargestellt. Auf dem Schiff MS Franz-Christian war es möglich einen Ein-
druck von den Lebensbedingungen auf einem Schiff zu erhalten. Besonders deutlich
wurden die beengten Verhältnisse für die Boardcrew. Im starken Kontrast dazu stan-
den die Ausmaße des Trogs im Hebewerk. Durch die Begehung des Trogs wurden die
Ausmaße der Binnenschiffe und des Hebewerks überdeutlich. Auf der Exkursion konn-
ten interessante Impressionen von den enormen Bauwerke und historischen Schiffen
aufgenommen werden.
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Literaturverzeichnis
[1] http://wsv.de/wasserstrassen/historisches/binnenschifffahrt/index.html
(30.12.14)
[2] http://www.binnenschiffer-online.de/binnenschifffahrt/die-binnenschifffahrt/die-
geschichte-der-binnenschifffahrt.html (30.12.14)
[3] Lehmann B., 2014, Vorlesungsunterlagen zum Kurs Wasserbau II: Verkehrs-
wasserbau, Gewässerentwicklung und Ökohydraulik, Fachgebiet Wasserbau
und Hydraulik, Technische Universität Darmstadt
[4] Schinkel, Eckhard; Tempel, Norbert. Historische Binnenschiffe für das Museum
Schiffshebewerk Henrichenburg. Dortmund, 1998
[5] LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg, Hrsg. Audioguide des
Schiffsheberwerk Henrichenburg. Waltrop, 2013
[6] http://www.lwl.org/LWL/Kultur/wim/portal/S/henrichenburg/ort/ (22.01.15)
[7] http://www.lwl.org/LWL/Kultur/wim/portal/S/henrichenburg/sonderausstellungen/
alteausstellungen/wanderausstellung/stationen/ (08.02.15)
[8] http://www.binnenschiffe-rheinruhr.de/industriemuseum-altes-hebewerk-
henrichenburg/(08.02.15)
[9] Peters, Michael, Hrsg. MS Franz Christian - Arbeitsleben an Bord eines
Binnenschiffs. Dortmund, 1992.
[10] Dahlheim, Holger. Wandel der Lebens- und Arbeitsweisen von
Partikulierschiffern im 20. Jahrhundert. Münster, 1990.
[11] http://www.lwl.org/LWL/Kultur/wim/portal/S/henrichenburg/ort/geschichte/
(22.01.15)