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Kompetenzorientierung und
Begabungsförderung Lernen, Begabung, Intelligenz und Kompetenz
aus Sicht der Lern- und Schulforschung.
Pädagogischer Tag, Schulsprengel Innichen
WFO Innichen
19. April 2017
Prof. Dr. phil. nat. Willi Stadelmann
I. Teil
Vorbemerkungen
1. Lernen Historisches; Vererbung und soziale Umwelt; Lernen aus
Sicht der kognitiven Neuropsychologie; Bedeutung des
Vorwissens.
2. Heterogenität. Menschen sind Unikate
3. Begabung und Intelligenz
II. Teil
4. Jeder lernt anders: Was macht lernen und lehren
sinnvoll?
5. «Gute» Schule
Vorbemerkungen zum Einstieg
«Wenn wir die Kinder des 21. Jahrhunderts
von Lehrern mit einem Ausbildungsstand
des 20. Jahrhunderts in einem Schulsystem
unterrichten lassen, das im 19. Jahrhundert
konzipiert wurde und sich seitdem nur
graduell verändert hat, dann kann das so
nicht funktionieren.»
Andreas Schleicher, PISA-Koordinator
4 Referat
UN-Konvention über die Rechte des Kindes
Art. 29:
Die Bildung jedes Kindes muss darauf gerichtet sein,
die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen
und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung zu
bringen.
«Bildung beginnt mit Neugierde. Man töte in
jemandem die Neugierde ab, und man nimmt ihm
die Chance, sich zu bilden.»
Peter Bieri: ZEITmagazin Leben 32/07, 26
«Staunen ist der erste Schritt zu einer Erkenntnis»
Louis Pasteur (1822-1895)
«Alles Lernen ist nicht einen Heller wert, wenn
Mut und Freude dabei verloren ginge.»
J.H. Pestalozzi (1746-1827) 1,121
«Die Natur will also, dass der Mensch durch ruhiges,
stilles festhaltendes Anschauen und Betrachten all der
Dinge, die vor ihn kommen, sich in Stand stelle, nach
und nach richtige Urteile über diese Gegenstände zu
fällen.
Die Schule bringt dem Menschen das Urteil in
den Kopf, ehe er die Sache sieht und kennt.»
III, 142
8
Ziel aller
Bemühungen ist
die Förderung
von
Begabungen,
nicht
ausschliesslich
die Förderung
von
Hochbegabten.
9 Referat
I. Teil
1. Lernen
1.1 Grundsätzliche Erkenntnisse über
«Lernen» sind seit vielen Jahrhunderten
bekannt:
«Sage es mir,
und ich werde es vergessen.
Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten.
Lass es mich tun, und ich werde es können.»
Konfuzius 515 – 479 v. Chr.
Auch Lao-tse zugeschrieben ca. 300 v.Chr. 9 Referat
Man kann einen Menschen nicht lehren,
man kann ihm nur helfen, es in sich selbst
zu tun
Galileo Galilei
1564 - 1642
10 Referat
«Langsam selber auf eigene Erfahrung kommen ist
besser, als schnell Wahrheiten, die andere Leute
einsehen, durch Auswendiglernen ins Gedächtnis
bringen und mit Worten gesättigt den freien,
aufmerksamen, forschenden Beobachtungsgeist des
eigenen Kopfes verlieren.»
Pestalozzi J.H. (1746-1827) Gesammelte Werke in zehn Bänden Hrsg. Bosshart et
al. Zürich (1945 ff) 9, 139
«Lernbulimie»
11 Referat
Ziel aller didaktischen Massnahmen
ist die Anregung der Lernenden
zum „Selbst- Tun“.
• Äusserliches Tun
• Verinnerlichtes Tun
12 Referat
13 Referat
Die Verantwortung für das Lernen liegt letztlich bei den
Lernenden. Ihre eigene Aktivität bestimmt die Qualität ihrer
Lernprozesse.
« Man kann ein Pferd zur Tränke führen, aber man kann es
nicht zwingen zu trinken»
(Herkunft unbekannt)
13 Referat
14 Referat
1.2 Vererbung und (soziale) Umwelt
Vor nicht allzu langer Zeit glaubten auch Hirnforscher
noch, das Gehirn werde von genetischen Programmen
zusammengebaut.
Dieses Weltbild aus dem Maschinenzeitalter spukt
leider noch immer in vielen Köpfen herum.
15 Referat
Immer wieder hört und liest man, die kognitive
Entwicklung und damit die Hirnentwicklung eines
Menschen, seine Begabung und Intelligenz seien zu 50-
80% erblich. Nur der Rest sei formbar.
Dies suggeriert, der Anteil der sozialen Umwelt
an der kognitiven Entwicklung liege nur bei 20-
50%.
Das ist eine falsche Vorstellung.
Es geht nicht um «Erblichkeit» sondern um den
«genotypischen Varianzanteil»
Vgl. Fischbach/Niggeschmidt. «essentials» Springer, Wiesbaden (2016) S.2
«Phänotypische Varianz» von Kindern in einer Gruppe
(z.B. Schul-Klasse):
V = V + V phän. gen. Umwelt
(«Umwelt-Faktoren»)
Aktiv erlebte Umwelt, individuell rezipierte Umwelt
basierend auf der bisherigen Lernbiografie!
18 Referat
Spektrum
Juli 2015 18
Methylgruppe
Sicher ist:
Ohne Gene funktioniert gar nichts.
Aber:
Gene sind die Potenziale eines Menschen. Sie
bestimmen die kognitiven Entwicklungs-
Möglichkeiten eines Menschen.
Ob die Möglichkeiten «ausgeschöpft» werden, hängt
von der Umwelt ab.
Der Mensch ist kein durch die Gene
programmierter Automat, der sich kognitiv mit
Hilfe eines Autopiloten entwickelt.
Wir sind nicht die Sklaven unserer Gene!
Vgl. Bauer (2007) S.17
Es kommt darauf an, in welche Familie ein Kind
hineingeboren wird, in welcher Umgebung es
aufwächst, ob es zuhause einen Hund hat, in welche
Schulen es geht, welche Lehrerinnen und Lehrer,
welche Freunde es hat, in welchen Vereinen es
mitwirkt, ob es ein Musikinstrument spielt, ob es Sport
treibt…
Die Lernbiografie prägt den Menschen zum
Individuum, zum Unikat.
21 Referat
1 Das Gehirn verändert sich beim Lernen physisch:
Jeder Mensch hat seine eigene Lernbiografie.
2 Vielseitige Tätigkeiten fördern/stabilisieren die
Hirnentwicklung - ein Leben lang. Das Gehirn ist
plastisch (Aufbau und Abbau).
1.3 Lernen aus Sicht der kognitiven
Neuropsychologie
22 Referat
1.3.1 Wahrnehmung
ist notwenige Voraussetzung für Lernen.
Synapse
Axon
Dendrit
Vester 1972
24 Referat
Durchmesser einer Zelle:
5-30 Mikrometer
Das Gehirn hat keinen direkten Zugang
zur Aussenwelt, sondern nur indirekte
Verknüpfungen über Sinnesreize, die
aber nach Massgabe bereits
bestehender Verknüpfungen im Gehirn
wahrgenommen werden oder nicht.
26 Referat
28 Referat Bedeutung für Bildbetrachtung!
„Das Gehirn ist taub und blind für die Welt.
Es kann nur mit Signalen umgehen.“
Gerhard Roth
Universität Bremen, 2003
30 Referat
«Es gibt keine objektive ‘Umwelt’, die das Leben
eines Menschen bestimmt. Was wir ‘Umwelt’
nennen, ist immer abhängig von unserer subjektiven
Bewertung.»
Gerald Hüther: Mit Freude lernen ein Leben lang. Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen (2016) S. 97
32 Referat
Massgeblich dafür, ob ein
Sinneseindruck bewusst „wahr“
genommen wird, ist eben nicht der
Umstand, wie „wahr“ er ist, sondern als
wie individuell wichtig der Eindruck
durch die Person eingeschätzt wird.
Emotionen spielen dabei eine grosse
Rolle.
33 Referat
1.4 Lernen heisst Hirnentwicklung: Plastizität
Aus: Martin Meyer: Fittes Gehirn. Universität Zürich//Vortrag Meyer/Stadelmann 2014 34 Referat
G&G 5/2014 S.43
35 Referat Nervenzelle (Zellkultur im Labor) aus dem Hippocampus: Dendritische Dornen (Spines)
L. Jäncke (2013) s. 89
36 Referat
37 Referat
Durch „pruning“ wird erreicht, dass diejenigen
Verschaltungsmuster (Netzwerkteile) erhalten
bleiben und gestärkt werden, die häufig
benutzt, also immer wieder aktiviert werden.
to prune: beschneiden
38 Referat
Die Entwicklung eines Säuglings zum
erwachsenen Menschen ist also bei der Geburt
nicht determiniert!
Lernen ist ein individueller lebenslanger Prozess, der
durch eigene Tätigkeiten in Wechselwirkung mit der
Umwelt ermöglicht wird.
Lernen heisst selbst tun.
Giulio Tononi und Chiara Cirelli: Warum wir schlafen. Spektrum Dezember 2014, 26.
Cirelli, C., Tononi, G.: Sleep and the Price of Plasticity. Neuron 81, 12-34, 2014
Bedeutung des Schlafs für das Lernen: «… ist ausreichender Schlaf in der Kindheit und Jugend
besonders wichtig. Schliesslich handelt es sich um
Zeichen intensiven Lernens.»
39 Referat
40 Referat
«Ein genügend langer und ungestörter Schlaf ist
wahrscheinlich die beste Form von Neurodoping
überhaupt.»
Hans Rudolf Olpe/Erich Seifritz: Bis er uns umbringt? Wie Stress die Gesundheit
attackiert – und wie wir uns schützen können. Huber, Bern (2014) S.80
Use it or lose it
Lernen heisst selbst tun:
Das Netzwerk baut sich fortlaufend auf und um,
wenn es denn genutzt wird
Vgl. Lutz Jäncke: «Bund» 27. März 2017 S. 31
41 Referat
Das Kind ist ein von der Umwelt extrem
abhängiges Wesen: Wenn ihm seine
Umwelt die notwendigen Erfahrungen,
Tätigkeitsfelder vorenthält, kann es sich
nicht seinen Potenzialen entsprechend
entwickeln.
Modellvorstellung für den Unterschied
zwischen kindlichem Lernen und
Erwachsenenlernen: Kindliches Lernen: Strukturen aufbauen,
stabilisieren, schneller
machen, optimieren (pruning).
Hohe Plastizität. Kristalline und
fluide Intelligenz entwickeln.
Erwachsenenlernen: Strukturen ergänzen, reorganisieren
erweitern, verbinden;
reflektieren;
Lernstrategien anwenden.
Kristalline Intelligenz steigern.
Fluide Intelligenz kaum noch
entwickelbar.
(vgl. auch A. Neubauer G&G 8/2014 S. 32, 33) 43 Referat
1.5 Neuropsychologisches Paradoxon
und die Bedeutung des
Vorwissens:
Je mehr vorhanden ist, desto mehr geht
hinein
44 Referat
Wichtigkeit des Vorwissens und Vorkönnens
für das erfolgreiche Lernen von Neuem
Neues Wissen und Verhalten, neue Fähigkeiten und
Fertigkeiten müssen an bisheriges ‘andocken’ können
‘Chunking’ (Chunks = Bündel)
45 Referat
Elsbeth Stern, ETH Zürich, Vortrag Salzburg November 2013
• Hans baute ein Boot
• Urs liess einen Drachen steigen
• Lutz ass einen Apfel
• Beat ging über das Dach
• Jochen versteckte ein Ei
• Dominik setzte das Segel
• Peter schrieb ein Drama
• Viktor drückte den Schalter. 46 Referat
• Wer ass einen Apfel?
• Wer versteckte ein Ei?
• Wer liess einen Drachen steigen?
• Wer ging über das Dach?
• Wer setzte die Segel?
• Wer baute ein Boot?
• Wer schrieb das Drama?
E. Stern (2013)
47 Referat
• Noah baute ein Boot
• Benjamin Franklin liess einen Drachen steigen
• Adam ass einen Apfel
• Der Weihnachtsmann ging über das Dach
• Der Osterhase versteckte ein Ei
• Christoph Kolumbus setzte die Segel
• William Shakespeare schrieb ein Drama
• Thomas Edison drückte den Schalter.
E. Stern (2013) 48 Referat
• Wer ass einen Apfel?
• Wer versteckte ein Ei?
• Wer liess einen Drachen steigen?
• Wer ging über das Dach?
• Wer setzte die Segel?
• Wer baute ein Boot?
• Wer schrieb das Drama?
E. Stern (2013)
49 Referat
50 Referat
Ziel:
Lehrpersonen gestalten ihren Unterricht so,
dass die Schülerinnen und Schüler das Neue
in ihre Wissens- und Denkstrukturen einbauen
können.
2. Heterogenität. Menschen sind Unikate
Jedes Gehirn ist ein Unikat. Jeder Mensch ist ein Unikat.
Je mehr der Mensch lernt, desto grösser wird seine
Einzigartigkeit.
51 Referat
Gruppen von Menschen sind nie
homogen. Sobald zwei Menschen
zusammen kommen, haben wir
eine heterogene Gruppe.
Heterogenität ist natürlich.
Heterogenität lässt sich durch
Selektion nicht
vermeiden.
52 Referat
«Es gibt nichts Ungleicheres als die gleiche
Behandlung von ungleichen Menschen»
Thomas Jefferson (vgl. auch: Stern/Neubauer: Intelligenz, München 2013, 9)
53 Referat
Unterforderung ist ebenso problematisch wie
Überforderung.
Die Stress- Symptome sind kaum unterscheidbar.
20-30% der in die Schule eintretenden Schülerinnen und
Schüler in der deutschsprachigen Schweiz sind
unterfordert.
«Als entscheidend erleben Burn-out-Betroffene oft
fehlenden Spielraum für Individuelles, sinnentleerte und
uninteressante Aufgaben sowie fehlende Anerkennung
und Wertschätzung.»
Dr. med. Hanspeter Flury, Spezialist für Burn-out, Chefarzt der Klinik Schützen
Rheinfelden (Vista Nr. 10 Dezember 2013 S. 21)
Auch: «Boreout»!
55 Referat
Bore-out und Burn-out:
In Deutschland fühlt sich mehr als jeder 10. bei seiner
Arbeit unterfordert. Die Betroffenen klagen über zu
anspruchslose Aufgaben (52%), zu wenig Verantwortung
(48%) und zu viel Routine (37%).
Institut Forsa (2011). Aus G6G Nr. 7/2014 23
3. Begabung und Intelligenz
«Begabung» und «Intelligenz» sind Konstrukte.
«Unglücklicherweise herrscht in der Wissenschaft, wenn über
Begabung und Hochbegabung gesprochen wird, ein nahezu
babylonisches Sprachgewirr.»
(Albert Ziegler 2008, s.14)
56 Referat
3.1 Begabung
«Begabung» umschreibt einen lebenslangen
individuellen Lern-Prozess. «Begabung» ist keine
Konstante. «Dynamischer Begabungsbegriff».
«Begabung» umschreibt die individuelle
Lernfähigkeit auf der Basis individueller
Potenziale.
57 Referat
3.2 Intelligenz
Intelligenz ist das messbare Produkt des individuellen
Lernens eines Menschen auf der Basis seiner Potenziale
(Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Verhalten) im
Vergleich mit Gleichaltrigen aus der gleichen Kultur.
Intelligenz ist eine Folge von Begabung. Begabung ist
Voraussetzung für Intelligenz.
Intelligenz ist angewandte, realisierte Begabung
58 Referat
«Intelligenz ist immer eine Eigenschaft eines ganzen
Organismus; davon ist der Körper, die gesamte
Sensomotorik ein zentraler Bestandteil.»
Die Interaktion mit der Umwelt über unseren Körper
ist für intelligentes Verhalten «mindestens so wichtig
wie das Gehirn.»
«Zwischen der Informationsverarbeitung des Gehirns
und dem Körper besteht ein sehr enger
Zusammenhang.»
Rolf Pfeifer, Universität Zürich, Magazin 1/14 S. 30
Rolf Pfeifer: How the Body Shapes the Way We Think. A new view of intelligence.
The MIT Press (2006)
«Denn Intelligenz entsteht nur, wenn ein Körper
sich in seiner Umwelt verhält.»
«embodied mind»
Hans-Johann Glock, Universität Zürich. Magazin 1/14 S.32
«Lernen macht intelligent» !
Buchtitel Neubauer/Stern: Lernen macht intelligent. DVA München (2007)
61 Referat
Kein Kind wird begabt oder gar hochbegabt
und schon gar nicht intelligent geboren.
Kinder werden mit verschiedenen Potenzialen
geboren.
62 Referat
63 Referat
UMWELT
Stimulation Stimulation
«Epigenetik»
Genexpression
BEGABUNG lernen INTELLIGENZ Potenzial + «kristallin»: Wissen,
Lernfähigkeit ‘Schulwissen’
«fluid»: Verstehen;
vielseitige Verarbeitung
von Informationen,
Schlussfolgerungen,
Hypothesen
Stadelmann (2014): Vortrag Meyer/Stadelmann «Alles Neuro?» Zürich 19.11.2014
64 Referat
«Üben, üben, üben…»
«Die Strasse zum Erfolg besteht aus einem jahrelangen,
zielstrebigen Üben…»
Heiner Gembris (Hg) Begabungsförderung und Begabungsforschung in der Musik.
IBFM Lit Berlin (2010) S.54
64 Referat 64 Referat
65 Referat
Ericsson et al. 2007
66 Referat
«… können sich weniger intelligente
Menschen bei entsprechenden
Übungsmöglichkeiten in ein Inhaltsgebiet so
einarbeiten, dass sie imstande sind, die
gleichen Leistungen zu erbringen wie
intelligentere Personen»
Neubauer/Stern 2004, 175
67 Referat
«Wir interpretieren das so, dass auch weniger
intelligente Personen die Effizienz ihrer
Gehirnnutzung steigern, wenn sie sich nur lange
genug mit einer speziellen Aufgabe oder
Wissensdomäne beschäftigen.» Stern/Neubauer (2013) 173
68 Referat
«If I don’t practise for a day, I know it.
If I don’t practise for two days, my wife knows ist.
If I don’t practise for three days, the whole world
knows ist.»
Horowitz zugeschrieben
Colvin, (2006) p. 90. Zit, nach Grassinger (2012)
68 Referat
69 Referat
«So wurde noch nie eine spätere Nobelpreisträgerin/ein
späterer Nobelpreisträger in Hochbegabtenstudien
identifiziert, doch einige als ungenügend begabt
zurückgewiesen.»
Albert Ziegler (2010)
69 Referat
70 Referat
«Wenn Sie sich die Personen anschauen, die in den
letzten 50 Jahren etwas Bedeutendes zustande
gebracht haben, dann stellen Sie fest, dass keiner von
denen ein besonders gutes Abitur gemacht hat.
Aber alle haben sich dadurch ausgezeichnet, dass sie
sich ihren Eigensinn, ihre Gestaltungslust und ihre
Entdeckerfreude bewahrt haben.»
Gerald Hüther in Eckoldt (2014) S. 63
„Ein aktuelles leistungsmotiviertes Handeln
findet besonders dann statt, wenn die Tendenz
‚Hoffnung auf Erfolg‘ die Tendenz ‚Furcht vor
Misserfolg“ überwiegt.“
Walter Edelmann: Lernpsychologie Beltz 2000 S. 254
71 Referat
Motivation
71 Referat
II. Teil: Jeder lernt anders
4. Was macht Lernen und Lehren
«Sinn-voll»?
«Sinn» als Katalysator für Lernen und Verhalten ist ein
Prozess, ein Weg; er verändert sich im Laufe des
Lebens.
Was «Sinn» macht, ist individuell verschieden.
Trotzdem gibt es Zugänge zu «Sinn-vollem» Lernen, die
für viele Individuen wirksam sein können.
Einige Beiträge zu «Sinn-vollem» Lernen und
Lehren im Überblick:
• Emotionalität; Identifikationsmöglichkeiten für die SchülerInnen;
Persönlichkeit der Lehrerin, des Lehrers
• Vorwissen und Vorverhalten
• Vernetzung, Interdisziplinarität; die Welt verstehen lernen
• Balance zwischen Konkretion und Abstraktion
• Zeit für Reflexion. Weg von der «50-Minuten-Hackmachine»; weg
vom «bulimischen Lernen»
• Selbst-verantwortetes Lernen (selbst-organisiertes) Lernen fördern:
inhaltliche und pädagogische Freiheitsgrade
• Anwendbarkeit des Wissens; Kompetenzorientierung • Sprachliche Verbindlichkeit und Klarheit
• Weder Unterforderung noch Überforderung:
Unterrichtsdifferenzierung
• Förderorientierte Beurteilung; Selbstbeurteilung
• Schulautonomie (Qualität wächst bottom up): «Gute
Schule»
4.1 Emotionalität. Persönlichkeit der
Lehrerin/des Lehrers
Der Lernstoff sollte emotional «aufgeladen» sein.
SchülerInnen müssen das Gefühl haben, dass etwas für
sie und für ihr Leben emotional wichtig ist; dass sie
deshalb lernen wollen.
Die Person, von welcher die Schülerin/der Schüler etwas
lernt, sollte als bedeutsam erlebt werden. Eine emotionale
Beziehung zu Lehrenden ist von grosser Bedeutung.
Lehrerinnen und Lehrer wirken
mit ihrer Person.
Persönlichkeit manifestiert sich im
Handeln
75 Referat 75 Referat
«Person» kommt sprachlich von
persona (lat.) = «Maske»
(ev. etruskischen Ursprungs)
Im Mittelhochdeutschen (18. Jh.) im Sinne von
«das dargestellte Wesen».
(Vorsicht mit «personare» (lat.) hindurchtönen).
Kluge: Ethymologisches Wörterbuch. De Gruyter (1975)
76 Referat 76 Referat
«Es gibt eine Dialektik von Person und Rolle, von
Individualität und Maske. Denn Masken verbergen
nicht nur, sie fordern heraus und machen
Rollenangebote.»
Man schlüpft in eine Rolle und wächst über sich
hinaus. «Und gibt es nicht auch Rollen im Leben, in
die man hineinwachsen muss, wenn man eine
Persönlichkeit werden will?»
Niklaus Peter: Die Maske der Tugend. Das Magazin Nr. 9, 4. März 2017 S. 7
Was wirkt auf Schülerinnen und Schüler?
• Begeisterungsfähigkeit:
«Emotionales Infizieren»; «Begeisterung ist
Dünger für das Hirn» M. Stamm, Münster 10.9.2015
• Wertschätzung
• Empathie
• Teil der eigenen Biografie geben
• Vorbild-Funktion; Identifikationsfigur
• Authentizität
• Kommunikationsfähigkeit
• Reflexion der eigenen Tätigkeit (auch
Feedback-Verhalten; Schüler-Feedback)
• Fachliche Kompetenz
78 Referat 78 Referat
4.2 Zeit für Reflexion der Lernprozesse und des
Gelernten. Weg von der 50-Minuten-
Hackmaschine
• zu wenig Zeit für das Eintauchen in die Materie
• zu wenig Gelegenheit zur sozialen Interaktion
• zu wenig Methodenvielfalt
• zu wenig Zusammenhänge
• zu wenig Reflexion
Weniger Stoff; mehr verstehen!
Der Unterschied zwischen Wissen und Bildung liegt
insbesondere in der Reflexion, im eigenen Involviertsein.
4.3 Selbst-verantwortetes, selbst-organisiertes
Lernen fördern («SOL»)
81 Referat
Selbstreguliertes Lernen soll die intrinsische
Motivation der SchülerInnen steigern durch
Freiheitsgrade:
• in Teilen der Stoffauswahl oder
Stoffvertiefung
• im Arbeitstempo
• in den Lernformen
• in den Lernstrategien
• in der Darstellung und Kommunikation des
Gelernten
• in der Selbstbeurteilung
82 Referat
Didaktische Szenarien und Formen des
selbstorganisierten Lernens, z.B.:
• Fallstudie
• Forschungsorientiertes Lernen
• Projekt erarbeiten (allein oder in der Gruppe)
• Selbständige Lektüre oder Internetrecherche
mit Zusammenfassung und persönlichem
Kommentar zu einer Aufgabe
• Erarbeitung und Herstellung von Modellen
83 Referat
Also:
Eigenverantwortetes Lernen in der Schule
erfordert offenere Unterrichtsformen, das heisst
die Gewährung von lernorganisatorischen und
inhaltlichen Freiräumen und die
Weiterentwicklung der Lehrerrolle von der
direkten Instruktion zum adaptiven Lerncoaching.
84 Referat
Bemerkung: Es braucht immer wieder
«direktive» Unterrichtsteile.
Ein Coach hat auch die Aufgabe, klare Ziele zu
vermitteln und Resultate zu fordern. Er muss immer
wieder festhalten, was für alle gilt!
Lehrperson als «Coach» bedeutet also nicht, die
Jugendlichen einfach sich selbst zu überlassen.
Kritik aus der Schulpraxis:
Wie können solche individuelle, «selbstverantwortete»
Schüler- Leistungen im Klassenverband beurteilt/benotet
werden?
4.4 Anwendbarkeit des Wissens; Aufbau auf
dem Vorwissen und Vorkönnen:
Kompetenzorientierung
«Lernen ist ein aktiver Prozess, bei welchem neue
Information mit bestehendem wissen in Beziehung
gesetzt wird. Neue Kompetenzen entwickeln sich durch
neue Erfahrungen aus bestehenden heraus.»
Prüfungen, Benotung und Lehr-Lernaktivitäten müssen so
aufeinander abgestimmt sein, dass sie die Schülerinnen
und Schüler optimal in ihrem Lernen unterstützen.
Vgl. Elsbeth Stern ETH Zürich (2013) 17
Kompetenz
«Unter dem Begriff der Kompetenz kann in einem
ganzheitlichen Sinne die Fähig- oder Fertigkeit
verstanden werden, komplexe Anforderungen und
Aufgaben in einem konkreten Kontext erfolgreich zu
bewältigen, indem man Ressourcen mobilisiert.»
«Ressourcen» = Wissen, Techniken und
Verfahrensweisen (lesen, schreiben,
Informationsbeschaffung), Denk- und Problemlöse-
Strategien, Empathie, Kommunikationsfähigkeit,
Infrastruktur, persönliches Netzwerk….
Criblez, Oelkers, Reusser, Berner, Halbheer, Huber (2009) 35
87 Referat 87 Referat
«Über eine Kompetenz verfügt ein Schüler oder eine
Schülerin dann, wenn er oder sie:
• Zur Bewältigung einer Situation vorhandene Fähigkeiten nutzt;
• dabei auf vorhandenes Wissen zugreift und sich benötigtes
Wissen verschafft;
• die zentralen Zusammenhänge eines Lerngebietes oder eine
Fachbereiches verstanden hat;
• angemessene Lösungswege wählt;
• bei seinen oder ihren Handlungen auf verfügbare Fertigkeiten
zurückgreift;
• seine oder ihre gesammelten Erfahrungen in seine oder ihre
Handlungen mit einbezieht.»
Criblez, Oelkers, Reusser et al. (2009) 35/36
88 Referat 88 Referat
Kritik aus der Unterrichtspraxis:
Kompetenzen lassen sich im Gegensatz zu Wissen
kaum mit Noten bewerten.
4.5 Vernetzung, Interdisziplinarität Problem: Isoliertes Faktenwissen statt
konzeptuelles Netzwerk E. Stern, Salzburg 2013
• Die Stärke des Gehirns liegt in der Vernetzung
• Wissen und Verhalten werden im Gehirn nicht lokal gespeichert
• Fach-Gefässe füllen, genügt nicht für das Verstehen von
Zusammenhängen.
• «Sinn» liegt in Zusammenhängen, in der Ordnung der Einzelteile vgl. Luhmann
• Die Welt manifestiert sich nicht in den zu Schulfächern
auseinandergerissenen Details.
Vermehrt Fachbereiche!
Zum Beispiel «Lehrplan 21» für die deutschsprachigen
Volksschulen, Schweiz (in Einführung):
Natur, Mensch, Gesellschaft:
Natur und Technik
Wirtschaft, Arbeit, Haushalt
Räume, Zeiten, Gesellschaften
Ethik, Religionen, Gemeinschaft
(Analoge Entwicklung in Österreich)
Kritik aus der Unterrichtspraxis:
Kenntnisse und Fähigkeiten, die auf
Zusammenhängen und Wechselwirkungen beruhen,
lassen sich nicht gut oder gar nicht mit Noten
bewerten.
4.6 Beurteilung von Schülerleistungen und
von Schülerverhalten
Notengebung in der Schweiz:
1 = schlechteste Note
6 = beste Note
94
Die Hauptaufgabe der Beurteilung:
die Schülerinnen und Schüler fördern.
(Förderung steht pädagogisch vor Selektion)
• Beurteilung unterstützt und fördert das Lernen
• Beurteilung ermöglicht persönliche
Standortbestimmung
• Beurteilung animiert zum Besser-Machen
• Beurteilung unterstützt die Persönlichkeits-
Entwicklung
• Beurteilung unterstützt Laufbahn-
entscheide
95
• Sie orientiert sich an klar definierten Zielen
• Sie zeigt den persönlichen Fortschritt auf
• Sie ist in einen offenen Dialog eingebettet
• Selbstbeurteilung der SchülerInnen ist wichtig und
wird gefördert. Sie ist Teil der Gesamtbeurteilung.
Anforderungen an die
Beurteilung
4.6.1 Kritik an der Schülerbeurteilung durch
Noten
Schülerinnen und Schüler wünschen sich in aller
Regel eine Leistungsbeurteilung mit Noten (weil sie
sich so gewöhnt sind und nichts anderes kennen?).
Sie kritisieren aber häufig das Verfahren, das zur
Notengebung führt:
«Insbesondere monieren sie die mangelnde
Transparenz, die dazu führt, die
Notengebung wie ein undurchschaubares
Schicksal zu erleben.»
Oelkers 2002
98 Referat
Vögeli-Mantovani (1999): Kritik an Noten als alleinige Unterrichtsbeurteilung
Noten sind schlecht oder unbrauchbar, weil: • Verschiedene Lehrkräfte bewerten dieselbe Arbeit unterschiedlich
• Die Lehrkraft hat die Tendenz, dieselbe Arbeit zu verschiedenen
Zeitpunkten unterschiedlich zu bewerten
• Es ist keineswegs klar, was mit einer Note ausgedrückt wird
• Noten sind zur Beurteilung bestimmter Sachverhalte ungeeignet
• Notenarithmetik ist mathematisch unzulässig.
Vgl. auch Oelkers 2002
Messen heisst vergleichen:
Messstandard/Messeinheit.
Physikalische Grössen wie Masse, Länge, Zeit haben
definierte Standards, einen definierten Nullpunkt.
Noten hingegen erlauben «lediglich Aussagen über
Rangplätze».
«Die Note 5 ist besser als die Note 4, aber eine 4 ist nicht
doppelt so gut wie eine 2».
Einen arithmetischen Mittelwert darf man aus
messtheoretischer Sicht nicht interpretieren
(‘Notendurchschnitt’).
Die Berechnung von Durchschnitten würde Daten auf
einer Intervallskala voraussetzen und würde erfordern,
dass Daten, welche zu einem Durchschnitt beitragen,
sich auch inhaltlich auf eine gemeinsame Skala
beziehen. In einer Intervallskala lässt sich die Grösse von Abständen
zwischen Messwerten vergleichen und als inhaltlich
bedeutungstragend interpretieren.
Noch einmal: «Notendurchschnitte sind aus
messtheoretischer Sicht folglich weder zulässig
noch interpretierbar. Daraus folgt, dass Entscheide aufgrund von Notendurchschnitten
mit einem zusätzlichen, schwer schätzbaren Fehler behaftet sind,
welcher über die Messfehler der einzelnen Prüfungen hinausgeht.»
Elsbeth Stern ETH Zürich (2013) 21
Die Praxis der Notengebung auf allen Schulstufen
unterstellt die Vergleichbarkeit der Notengebung der
Lehrerinnen und Lehrer eines bestimmten Faches an
allen Orten.
Tatsache ist aber, dass die Bewertungen von
Schule zu Schule, von Fach zu Fach, von
Lehrperson zu Lehrperson variieren, zum Teil
erheblich und ärgerlich.
«In verschiedenen Fächern wird mit unterschiedlicher
Strenge zensiert, die Strenge nimmt mit der Bedeutung
des Faches in der Stundentafel zu, ‘stark selektive
Hauptfächer’ haben die strengste Notengebung.»
Die Benotungsstrenge nimmt mit der Klassenstufe zu.
Die Hauptfächer des Gymnasiums steigern die
Anforderungen, die Zensuren in den Nebenfächern ist
milder.
De Groot (1971); Ingenkamp (1976); Hopp/Lienert (1976); Oelkers (2002)
Der prognostische Wert von Zensuren und
Zeugnissen ist gering und reproduziert das
«klasseninterne Bezugssystem», also die Relativierung
der Notenaussagen im Blick auf Ort und Kontext, in
dem sie entstehen. Sie zeigen lediglich die Verteilung in
einer bestimmten Leistungsgruppe auf.
Noten umschreiben den internen Rangunterschied.
Ziegenspeck (1999); Weinert (2001)
Die Streuung der Aufsatznoten ist ein bekanntes
Phänomen, weniger bekannt sind Befunde, die darauf
hindeuten, dass die gleichen Beurteiler die gleiche
Arbeit zu verschiedenen Zeitpunkten höchst
unterschiedlich bewerten.
Es gibt auch eine «Verlaufskurve der Bewertung»: Die
erste Arbeit einer Korrekturserie wird tendenziell anders
bewertet als die letzte.
«Der stärkste Faktor für Erfolg oder Misserfolg
aber ist die Schichtzugehörigkeit, das soziale
Milieu, aus dem die Schülerinnen und Schüler
stammen.» Ingenkamp (1976); Moser/Rhyn (2000)
Mädchen erhalten bessere Zeugnisnoten als
Jungen, sie repetieren erheblich weniger und
haben den grösseren Schulerfolg. Richter (1996)
Aber: «Mädchen müssen mit schlechteren
Physik-Noten rechnen»
«Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz und Österreich,
die seit weniger als zehn Jahren unterrichten, benoten
Mädchen signifikant schlechter als Knaben.» Benachteiligung in der CH im Schnitt 0,7 Noten; in A 0,9 Noten.
Deutschland: «Die Lehrer benoten Schülerinnen und
Schüler gleich, die Lehrerinnen hingegen verhalten sich
wie ihre Schweizer und Österreicher-Kollegen.»
Benachteiligung im Schnitt 0,9 Noten. Eine Erklärung für
diesen Unterschied zwischen A,D und CH gibt es nicht.
Dissertation Sandra Hofer, ETH Zürich.
Hofer, S.: Studying Gender Bias in Physics Grading: The role of teaching experience
and country. International Journal of Science Education, 2015, 37, 2879-2905
Es ist nicht verwunderlich, «dass Korrelationen
zwischen professionell konstruierten Leistungstests
und den Noten in dem entsprechenden Fach selten
r =.40 übersteigen.
Vgl. Elsbeth Stern, ETH Zürich; November 2013
Wichtigkeit der Selbstbeurteilung:
Fähigkeit, den eigenen Lernprozess und das
Lernergebnis selbst beurteilen zu können.
«Schülerinnen und Schüler, die ihre eigenen
Leistungen annähernd realistisch einschätzen können,
verfügen über eine solide Basis für weiterführende
Lernprozesse. Sie sind in der Lage, ihr Lernen selbst
zu regulieren und die Motivation für das Lernen
aufrecht zu erhalten.»
Städeli/Obrist/Sägesser: Kerngeschäft Unterricht. hep Verlag Bern 2003 S. 86
Mögliche Fragestellungen für die Selbstbeurteilung:
• Lernzuwachs: Was kann ich jetzt mehr oder besser?
• Lernerfolg: Was gelang mir gut? Warum? Was
förderte meinen Lernerfolg?
• Lernprobleme: Wo hatte ich Schwierigkeiten? Warum?
Was hemmte meinen Lernerfolg?
• Lernklima: Was gefiel mir, was nicht?
• Lernhilfen: Was half mir beim Lernen, was nicht?
Welche Lernhilfen brauche ich künftig,
um besser zu lernen?
Beeler (1999), 130; verändert WS
• Lernjournal / Lerntagebuch
• Lernportfolio
Weigand et al.(2014) S.199
114
Ziele festlegen
Beobachtungen Beurteilen
Fördern
Idealvorstellung:
E. Stern (2013) S. 17
116
5.«Gute» Schulen
Klafki, Fend, Aurin
117 Referat
«Wissenschaftlich ist längstens belegt, dass die
Qualität der Lehrkräfte und die Güte ihrer
Zusammenarbeit in ihrer Schule die stärksten
positiven Auswirkungen auf den Lernerfolg der
Kinder und Jugendlichen haben.»
Rolf Dubs: Bildungspolitik und Schule wohin? Tobler Verlag Altstätten (2010) 26
«Was alle angeht, können nur alle lösen»
Friedrich Dürrenmatt
118 Referat
Helmut Fend (1986):
… die Wiederentdeckung «der einzelnen Schule als
pädagogische Handlungseinheit.»
Das Kollegium einer Schule kann im Zusammenwirken
mit SchülerInnen und Eltern pädagogisch Erhebliches
bewirken, kann die eigene Schule zu einer «guten
Schule» gestalten (damit ist insbesondere eine
förderorientierte Schule zu verstehen).
• Zielkonsens
Die Lehrerschaft erarbeitet einen Konsens in den
Erziehungs- und Bildungszielen, in den Vorstellungen
über die Persönlichkeits- und Charaktererziehung der
Schülerinnen und Schüler: Schule als pädagogischer
Organismus.
• Eigene Schulhauskultur:
Schul- und Lernklima, Unterrichtsatmosphäre, Arbeits-
und Lernzufriedenheit aller an der Schule Beteiligten
haben grosse Bedeutung und werden aktiv gepflegt.
«Gute» Schulen
• Leistungserwartung
Die Lehrpersonen stellen klare Forderungen, an die
Schülerinnen und Schüler und an sich selbst, unter-
stützen die Schülerinnen und Schüler beim Lernen
und geben ihnen intensiv Feedback. Lehrpersonen trauen
ihren Schülern etwas zu und haben eher optimistische
Erwartungen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten.
• Kooperation
Lehrpersonen wirken in wichtigen Entscheidungs-
prozessen mit und pflegen untereinander sowie mit
Schulleitung, Behörden und den Eltern eine gute
Zusammenarbeit. Keine «freie Künstlerschaft», kein
«Einzelkämpfertum».
«Gute» Schulen
• Leadership:
Die Schule ist geleitet. Die Schulleitung ist an
pädagogischen Entwicklungen interessiert, führt und
unterstützt das Lehrerkollegium («Leadership») und
schafft gute Voraussetzungen für Innovations- oder
Optimierungs- Prozesse. Sie regt zur Mitwirkung und
Mitentscheidung an und trifft bei gemeinsam nicht
lösbaren Problemen die notwendigen Entscheidungen.
«Gute» Schulen
• Evaluation:
Lehrpersonen reflektieren ihren Unterricht und
überprüfen für sich und ihre Schule die selbst
gesetzten erzieherischen und unterrichtlichen Ziele in
einer Selbstevaluation. Periodisch lassen ganze
Schulen ihre Arbeit und Zielerreichung durch eine
externe Evaluation überprüfen.
• Unterrichtsreflexion:
Lehrpersonen tappen nicht in die «Erfahrungsfalle».
Sie sind bereit, ihre eigene Arbeit immer wieder
selbstkritisch zu prüfen und mit andern zu erörtern.
«Gute» Schulen
Schulkultur (Schulen aller Ebenen):
Kulturen zeichnen sich aus durch:
• gemeinsame Ziele
• gemeinsame Normen, Abmachungen,
Absprachen
• Austausch innerhalb der Gruppe
(Gemeinschaft)
• gemeinsame Rituale mit dazugehörenden
Zeitgefässen.
Kulturen beruhen nicht auf Beliebigkeit.
124 Referat
Eine Gruppe von EinzelkämpferInnen bzw. von freien
KünstlerInnen kann keine «gute» Schule führen.
«Begabungsförderung an Schulen ist ohne
Schulentwicklung nicht möglich.»
Stadelmann news&science Salzburg 2006
5.1 Ganz besonders: Schulleitung
125 Referat
Die Schulleitung ist eine ‘Schlüsselgrösse’ (Steffen et al. 1993 S. 89)
Schwerpunkte effektiven Schulleitungshandelns sind:
• Langfristige Schwerpunktsetzung bezüglich der
Lerninhalte
• Erarbeiten eines Schulentwicklungsplans, der vom
Kollegium getragen wird; Weiterbildungsstrategie und
–Planung.
• Zusammenhang zwischen einzelnen schulischen
Elementen schaffen
• Inkohärenzen bekämpfen. Effiziente Zusammenarbeit
fördern.
Fullan (2000) zitiert nach Diss. Stemmer (2011/2012) S. 8
126 Referat
«Pädagogische Führung bedeutet insbesondere:
• Leit-, Schul- und Jahresprogramm mit dem Kollegium
erarbeiten und umsetzen
• Schul- und Unterrichtsentwicklung initiieren und
evaluieren
• Schulinterne Weiterbildung planen und umsetzen.»
Diss. Gabriele Stemmer Obrist (2011/2012) Universität Zürich S. 50
127 Referat
Fazit «gute Schule»:
Leistungsqualität an Schulen ergibt sich vor allem aus
• der Qualität der Lehrpersonen
• der Zusammenarbeit im Kollegium
• der Wirkung der Schulleitung
• dem Zusammenspiel zwischen Systemvorgaben
und Eigengestaltung.
Qualität kann nicht top-down dekretiert werden.
Qualität wächst bottom-up: Schulautonomie!
129 Referat
5.2 Eine begabungsfördernde Schule ist ohne
Schul- und Unterrichtsentwicklung nicht zu
realisieren.
Es braucht beides:
• «Ich und meine Klasse»
• «Wir und unsere Schule»
130
Die vier Beine der
Schulentwicklung
Kompetenzen-
Delegation
(politisch):
„Teilautonome
Schulen“
Organisations-
entwicklung:
Schulleitung,
Leadership.
Pädagogische
Schulleitung!
Pädagogische
Entwicklung:
„Schule als
pädagogische
Einheit“
Gemeinsame
Ziele.
Beg.förderung
Qualitäts-
entwicklung:
Selbstevalua-
tion, Externe
Evaluation,
Systemeva-
luation
Stadelmann news&science 2006
Genes make a difference
Parents, family, peer-group make a difference
Teachers make a difference (John Hattie)
Schools make a difference
Politics make a difference