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Dresden, 29.10.2015
Instruktion & Wissenserwerb
Theorie und Methodik – 2/5
Gerda Börner, Magnus Hirschfeld, Lisa Knake
Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 2
Fokus in dieser Sitzung:
Der Nutzer benötigt Wissen für die Bearbeitung seiner Aufgaben.
Dieses Wissen wird vorher vermittelt.
Welches Wissen benötigt welcher Nutzer bei welcher Art von Aufgaben?
Wie wird dieses Wissen vermittelt?
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Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 3
Gliederung
1. Mentale Modelle 1. Begriffsklärung „mentales Modell“ 2. Wissenserwerb und –struktur
1. Wissenserwerb 2. Wissenskorrektur
3. Praktische Implikationen
2. Cognitive Load 1. Intrinsischer vs. extrinsischer load 2. 4 Experimente von Sweller und Chandler 3. Cognitive theory of multimedia learning
3. Minimal Instruction 1. Ansätze 2. Metaanalyse 3. Prinzipien und Heuristiken 4. Umsetzung
4. Implikationen
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Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 4
1. Mentale Modelle
• Heterogene Definitionen
• „unsichtbarer Informations- und Transformationsprozess zw. Input und Output“ (Bayman und Mayer, 1984)
• „Instruktionsgerät beim Lernen des Systems“ (Borgman, 1984)
• „mentale Modelle“ „konzeptuelle Modelle“
• „Komponentenmodelle“ „kausale Modelle“
• …
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1. Mentale Modelle
Ein mentales Modell ist das, was der Nutzer über das System glaubt, welches er vor sich hat.
Es basiert in erster Linie auf Annahmen, nicht auf Fakten.
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Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 6
Empirie
• Messung und Beweis des inneren Vorgangs sind kompliziert
• Typische Paradigmen:
• Vergleich der Problemlösefähigkeit zw. Experte und Novize
• Performancevergleich zw. Modell/Treatment- und Kontrollgruppe
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Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 7
Empirie
• Anwendung bereitgestellter Modelle vor Konstruktion eigener (Moran, 1981)
• Abhängig von Motivation u. Systemkomplexität
• Modelluser:
• Bessere Performance bei komplizierten Aufgaben (Borgman, 1984)
• Höhere Effizienz
• Weniger (schwerwiegende) Fehler (Norman, 1983)
• Implementierung vor Erstbedienung (Bayman & Mayer,
1984; Carroll & Mack, 1985)
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1.2 Wissenserwerb und -struktur
• Mind. 3 verschiedene Bedingungen von Vorwissen
1. Kein Vorwissen hinzufügen
2. Lückenhaftes Vorwissen Lücken schließen
3. Falsches Vorwissen Modell überarbeiten
(Später mehr dazu)
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1.2.1 Wissenserwerb - „Structure Mapping“ (Gentner, 1983)
• Verknüpftes Wissen > lose Fakten
• Einbettung neuen Wissens in Strukturen:
• Entitäten (Sonne, Erde)
• Attribute (groß/gelb, klein/blau)
• Relationen (zieht an, umkreist)
• Lernen über Analogien & Metaphern
• Lernerfolg höher
• Je perfekter die Relationenpassung (Gentner)
• Je praktischer der Nutzen (Carroll & Mack, 1985)
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1.2.1 „Structure Mapping“
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1.2.1 Wissenserwerb
• Aktiver Lernvorgang durch • Aktives Vergleichen
• Entdecken von Abweichungen
• Konstruktion neuer Strukturen
• Postulieren und Testen von Heuristiken
• Hoher Nutzen „unperfekter“ Analogien • Computer Schreibmaschine
• Schallwellen Wasserwellen
• Bonding (Atome) Bonding (Mensch)
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1.2.1 Wissenserwerb
• Keine „goldene Regel“, sondern Passung in Abhängigkeit des Nutzers
• Seltene Nutzung Metapher ausreichend
• Gelegentliche Nutzung Analogie nützlich
• Häufige Nutzung konzeptuelles Modell notwendig
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1.2.2 Wissenskorrektur
• Inkorrektes Wissen ist oft änderungsresistent • 3 Repräsentations (& Änderungs)-möglichkeiten 1. Categories
• Korrektur durch Categorial Shift
2. (flawed) Mental Models • Mental Model Transformation • Korrektur durch ganzheitliches neues Modell oder • Richtigstellung mehrerer kritischer Individual Beliefs
3. Individual Beliefs • Belief Revision • Relativ einfache Korrektur bei direkt gegensätzlichen
Realitäten
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1.2.2 „Categorial Shift“
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Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 15
1.3 Zusammenfassung und Implikationen
• Mentale Modelle = Schlüsselkonzepte
• Annahme des Nutzers bestimmt seine zukünftige Handlung
• Anpassung des Systems an Modelle des Nutzers
• Optimierung der vorhandenen Modelle • Fehlkonzepte Erkennen
• Treffende/ökonomische Analogie finden
• Bestmögliche Darbietung dieser (multimodal, z.B. Film, Comic,…)
• Möglichkeit zur Hypothesentestung bieten
• Persistente Fehler revidieren (Categorial Shift)
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2. Cognitive load theory (John Sweller & Paul Chandler)
Kognitive Belastung beim Lernen Annahmen:
begrenzte Kapazität des AG
Schemabildung im LG und Automatisierung als Lernmechanismen
Das Lernen einer bestimmten Information hängt entscheidend von den Lernumständen ab.
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2.1 Intrinsischer vs. extrinsischer cognitive load
intrinsisch = Komplexität des zu lernenden Materials = Interaktivität einzelner Lernelemente
extrinsisch = Gestaltung des Lernmaterials = Art und Weise, wie Information gelernt werden soll
Hohe kognitive Belastung: hohe Interaktivität von Lernelementen + komplexe Gestaltung des Lernmaterials
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2.1 Extrinsische Belastung
Split-attention Effect: Viele verschiedene Materialien mit unterschiedlichen
Inhalten, welche mental integriert werden müssen (hohe Interaktivität inhaltlicher Elemente)
Hohe kogn. Belastung durch Aufmerksamkeitsspaltung
Redundancy Effect Verschiedene Materialien, die jeweils gleiche Informationen
vermitteln
Assoziation versch. Elemente führt zu hoher Interaktivität
Hohe kogn. Belastung durch physische Integration
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Lernen, ein technisches Gerät zu benutzen
Verschiedene Möglichkeiten: Manual vs. modifiziertes Manual (mit Bildern) vs. Manual (mit oder ohne Bildern) + Gerät
Sweller & Chandler (1994)
Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 20
2.2 4 Experimente von Sweller & Chandler
Aufgaben mit hoher Interaktivität vs. niedriger Interaktivität der Elemente
modifiziertes Manual vs. Manual + PC
Bessere und schnellere Performanz von Gruppe mit modifiziertem Manual bei hoher intrinsischer Belastung
Split-attention Effect
Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 21
2.2 4 Experimente von Sweller & Chandler
Aufgaben mit hoher Interaktivität vs. niedriger Interaktivität der Elemente modifiziertes Manual vs. Manual + PC vs. modifiziertes Manual + PC Zusätzlich zum Split-attention Effect: Bessere und schnellere Performanz von Gruppe mit modifiziertem Manual bei hoher intrinsischer Belastung gegenüber Gruppe mit modifiziertem Manual und PC Redundancy Effect
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2.2 4 Experimente von Sweller & Chandler
Aufgaben mit niedriger Interaktivität der Elemente
modifiziertes Manual vs. Manual + PC vs. modifiziertes Manual + PC
Keine Gruppenunterschiede in Performanz
Bei niedriger intrinsischer Belastung spielt extrinsische Belastung keine Rolle
Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 23
2.2 4 Experimente von Sweller & Chandler
Prüfung der Generalisierbarkeit für technische Instruktionen in anderen Settings
Es wurden gleiche Effekte gefunden (Split-attention, Redundancy)
Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 24
2.3 Cognitive theory of multimedia learning (Mayer)
Bezieht sich auf Lernen durch Wörter (geschrieben oder gesprochen) und Bilder (statisch oder dynamisch) Basiert auf drei Theorien:
• Informationsverarbeitung passiert auf 2 Kanälen: auditiv und visuell
• Jeder Kanal hat nur begrenzte Kapazität • Nachhaltiges Lernen durch kogn. Verarbeitungsprozesse
während des Lernens (Organisation neuen Wissens und Integration in bestehendes Wissen)
Gerade bei multimedialen Anleitungen: großes Potential einer kogn. Überlastung
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2.3 Cognitive theory of multimedia learning (Mayer)
• 5 aktive Prozesse des multimedialen Lernens: – Wörter bewusst wahrnehmen – Bilder bewusst wahrnehmen – Konstruktion einer kohärenten verbalen Repräsentation – Konstruktion einer kohärenten bildlichen
Repräsentation – Integration mit bereits bestehendem Wissen
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2.3 Cognitive theory of multimedia learning (Mayer)
Prinzipien zur Reduzierung der extrinsischen Belastung:
• Kein zusätzliches, irrelevantes Material nutzen
• Essenzielle Infos/Wörter hervorheben
• Animation und narrative Erklärung, dann nicht auch noch Verschriftlichung auf einem Bildschirm
• Prinzip der räumlichen Nähe von Abb. und Text
• Prinzip der zeitlichen Nähe von Animation & gesprochener Erklärung
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2.3 Cognitive theory of multimedia learning (Mayer)
Prinzipien der essenziellen Verarbeitung
• Gestückelte Präsentation von vielen zusammenhängenden Wissenselementen
• Einführung grundlegender Begriffe/Komponenten vor eigentlicher Animation
• Eher Grafiken mit gesprochenem Text als Grafiken mit verschriftlichtetem Text
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Minimal Instruction
Vermittlung von Computerbasiertem lernen
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Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 29
Zwei Ansätze
Traditional „system-centred“ materials:
system-centred – that is, focussed on providing a comprehensive account of a technology’s functions and limitations, and emphasising set sequences of drill and practice, based on hierarchical decomposition and clear exposition of task structures (e.g. Gagne & Briggs, 1979).
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Zwei Ansätze
Minimalist Materials:
1980 entwickelte John Carrol mit seinen Kollegen bei IBM eine alternative Strategie.
Sie realisierten, dass Nutzer keine Notwendigkeit sahen erst eine Anleitung durchzuarbeiten und nur an dem interessiert sind was sie persönlich betrifft.
Daraus abgeleitet entwickelten Sie ein „minimalist“ training model, die design principles for information and communication technologies.
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Principles and Heuristic
Principle 1: Choose an action-oriented approach Heuristic 1.1: Provide an immediate opportunity to act. Heuristic 1.2: Encourage and support exploration and innovation. Heuristic 1.3: Respect the integrity of the user’s activity.
Principle 2: Anchor the tool in the task domain. Heuristic 2.1: Select or design instructional activities that are real tasks. Heuristic 2.2: The components of the instruction should reflect the task structure.
Principle 3: Support error recognition and recovery. Heuristic 3.1: Prevent mistakes whenever possible. Heuristic 3.2: Provide error information when actions are error prone or when correction is difficult. Heuristic 3.3: Provide error information that supports detection, diagnosis, and recovery. Heuristic 3.4: Provide on-the-spot error information.
Principle 4: Support reading to do, study and locate. Heuristic 4.1: Be brief, don’t spell out everything (often referred to as “slash the verbiage”). Heuristic 4.2: Provide closure for chapters.
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Metaanalyse
Hauptuntersuchung: Verglichen wurden konventionelle „system-centered approaches“ mit „minimalist lerner-centred approaches“. Thirteen effects n = 288 Using Cohen´s (1988) criteria for effect size magnitudes, the weighted mean effect size of the 13 effects was large, d = 1.12 (d was defined as the difference between the means of the integrated and non-integrated conditions divided by the pooled standard deviation, corrected for the slight bias due to small sample sizes (Hedges & Olkin, 1985).
Instruktion & Wissenserwerb Folie Nr. 33
Metaanalyse
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Follow-Up Metaanalyse
Untersuchung zwei spezieller Prinzipien: a. Support error recognition and recovery
• Three studies • n = 118 • Using Cohen’s (1988) criteria for effect size
magnitudes, the weighted mean effect size of the 3 effects was moderate, d = 0.59
b. Support reading to do, study and locate • Three studies • n = 120 • Using Cohen’s (1988) criteria for effect size
magnitudes, the weighted mean effect size of the 3 effects was large, d = 0.89
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Umsetzungen
1. minimal manual
2. training wheels • Software
• Für Anfänger unwichtige Funktionen, die oft zu Fehlern führen sind blockiert
• Zusätzlich sollte ein minimal manual benutzt werden
3. genetic growing systems • Weiterentwicklung des „training wheels“
• Nach dem erlernen von Funktionen werden weitere Funktionen freigeschaltet
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4. Implikationen
• Was ist beim Erstellen einer Instruktion konkret zu beachten?
• Mentale Modelle
• Cognitive Load
• Minimal Instruction
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