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edition noir
Herausgegeben von der Politischen Akademie der ÖVP
#
Impulse für Österreichs Erfolg in der digitalen Welt
innovationsbericht_digital
edition noir
ISBN 978-3-9504138-2-3© 2016 Verlag noirVerlag noir – 1120 Wien, Tivoligasse 73
Herausgeber: Politische Akademie der ÖVPInhalte: Expertenkreis „Digitale Lebenswelten“ / Politische Akademie der ÖVPLeitung und Zusammenfassung: Mic HirschbrichRedaktion: Christian Kasper Lektorat: Barbara Anderl
Druck: Grasl FairPrintGrafik: Capitale Wien / Cora Akdogan, Daniel Perraudin
Politische Akademie der ÖVP
#innovationsbericht_digital
Impulse für Österreichs Erfolg in der digitalen Welt
4
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 5
Inhalt
6 Prolog
9 Einleitung Digitalisierung braucht Gestaltung
17 Den Standort fit für die Digitalisierung machen
29 Bildungsoffensive für digitale Kompetenzen starten
39 Ethik sichern und Recht weiterentwickeln
47 Partizipation und digitale Gemeinden fördern
54 Epilog
56 Danksagung
6
Prolog
Wir stecken mitten in der Vierten Industriellen Revolution.
Grundlegende Veränderungen betreffen vor allem die In-
formatisierung im Fertigungsbereich („Industrie 4.0“), die
Transformation des Internet zu einem „semantisch intelligenten
Netzwerk“ (Web 3.0), den Einsatz von Künstlicher Intelligenz
(KI) in wesentlichen Software-Bereichen, die prognostizierte
Intelligenzexplosion in künstlich erzeugten, neuronalen Net-
zen, die Durchdringung unserer Welt mit IoT-Anwendungen
(IoT – Internet of Things, „Internet der Dinge“) sowie neue
linguistische und intelligente Sprachsysteme.
Dieser rasante technologische Wandel durch die Digitalisie-
rung bringt enorme Herausforderungen, aber auch Chancen
für Standort und Gesellschaft. Im Rahmen des Expertenkrei-
ses „Digitale Lebenswelten“ der Politischen Akademie der
ÖVP war es unser Ziel, vor allem jene Herausforderungen
zu identifizieren, die noch nicht ausreichend im Fokus der
Debatte stehen – und die damit verbundenen Chancen auf-
zuzeigen. Vor diesem Hintergrund reflektiert der vorliegende
Innovationsbericht nicht Ansätze und Vorschläge, die bereits
in Regierungsprogrammen oder Arbeitspapieren festgehalten
sind, sondern bemüht sich um innovative und alternative Zu-
gänge in ausgewählten Handlungsfeldern.
Die im Arbeitskreis erarbeiteten Befunde, Perspektiven und
ersten Maßnahmenvorschläge verstehen sich als Impulse für
die politische Gestaltung und erheben nicht den Anspruch,
eine umfassende digitale Agenda für Österreich abzubilden.
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 7
Unser gemeinsames Ziel muss es sein, Österreich fit für die
Chancen der Digitalisierung zu machen. Dafür spielt neben
bildungspolitischen Maßnahmen auch die gezielte Verbesse-
rung unserer Wettbewerbssituation eine zentrale Rolle. Auf
dieser Basis kann und soll es Österreich gelingen, sich aus der
Gruppe der „late adopters“ der Digitalisierung zu den „early
adopters“ und in manchen Nischen sogar zum „first mover“
zu entwickeln. Denn das macht im Zeitalter der Digitalisierung
ganz besonders den Unterschied.
Mic Hirschbrich
Vorsitzender des Expertenkreises „Digitale Lebenswelten“
der Politischen Akademie der ÖVP
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• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 9
EinleitungDigitalisierung braucht Gestaltung
1 0
Vieles wird anders Allgegenwärtige digitale Infrastrukturen, Produkte und Dienst-
leistungen verändern Wirtschaft, Gesellschaft, Politik – und
unser gesamtes Leben. Die Digitalisierung ist einer der wirk-
mächtigsten Dynamiken unserer Zeit. Sie wird in ihrer Bedeu-
tung für die menschliche Entwicklung mit der Neolithischen
und der Industriellen Revolution verglichen, ist aber heute für
viele Menschen noch schwer „greifbar“.
Wie wollen wir leben? Die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche ist ein funda-
mentaler Veränderungsprozess, der entsprechende politische
Rahmenbedingungen erfordert. Die Digitalisierung und ihre
Auswirkungen sind nicht losgelöst von gesellschaftspoliti-
schen Visionen, ordnungspolitischen Konzepten und institu-
tionellen Lösungen zu sehen. Deshalb steht im Mittelpunkt
einer fundierten politischen Diskussion über die Digitalisierung
immer auch die Frage: Wie wollen wir künftig leben?
Orientierung statt Polarisierung Die mediale Diskussion über die Digitalisierung schwankt ge-
genwärtig zwischen Extremen. Der Hoffnung auf grenzenlose
(wirtschaftliche) Möglichkeiten, weltweite Demokratie und
erfolgreiche Bekämpfung des Hungers stehen die Befürch-
tungen lückenloser Überwachung und Kontrolle des Einzelnen
sowie massenhafter Substitution menschlicher Arbeitskraft
gegenüber. Die ambivalenten Einschätzungen der Digitalisie-
rung unterstreichen die Notwendigkeit einer umfassenden
politischen Auseinandersetzung mit dem Prozess der Digita-
lisierung. Damit wir die positiven Effekte der Digitalisierung
nutzen und negative Effekte dieses Transformationsprozesses
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 1 1
vermeiden können, braucht es entsprechende politische Ziel-
und Schwerpunktsetzungen. Politik für die digitale Zukunft
erfordert daher, aktuelle Entwicklungen möglichst früh aufzu-
greifen, zu diskutieren und zu bewerten.
Digitalisierung neu zu denken und richtig zu gestalten, macht
es notwendig, sich nicht bloß mit neuen Technologien, sondern
mehr denn je mit unseren Werten und Zielen auseinanderzu-
setzen.
Reales digitales Vorbild Globales Herz der Digitalisierung sind bisher die Innova-
tionen und Geschäftsmodelle, die vor allem das Silicon
Valley hervorbringt. Seine globalen wirtschaftlichen Erfolgs-
geschichten sind nicht nur Ergebnis innovativer technologi-
scher Lösungen. Ihre Basis ist eine dynamische, risikobereite
Entrepreneurship-Kultur, die laufend neue Entrepreneure und
Risikokapitalgeber anzieht. Das Silicon Valley hat neben sei-
ner vielzitierten Magnet- auch eine öffentlich weniger stark
beachtete Sieb-Funktion: Es zieht Innovatoren und digitale
Geschäftsideen an, stellt sie auf den Prüfstand und selektiert
sie konsequent aus.
1 2
Vom Silicon Valley lernen In der europäischen Debatte über die Digitalisierung wird
oft davon gesprochen, dass auch Europa ein Silicon Valley
brauche. Das Modell des Silicon Valley für Europa
oder Österreich zu „kopieren“, erscheint jedoch weder
möglich noch zielführend. Entscheidend ist es aber,
von den das Silicon Valley prägenden „Mindsets“ und
Haltungen zu lernen. Entrepreneurship und die einfa-
che Umsetzbarkeit neuer Geschäftsideen entscheiden
über Erfolg oder Misserfolg im digitalen Zeitalter.
Mehr EntrepreneurshipFür Europa und Österreich liegt die große gesellschafts- und
wirtschaftspolitische Chance des digitalen Wandels in der
Förderung einer vitalen Unternehmergesellschaft. Denn die
digitale Welt fordert und fördert Unternehmergeist. Sie eröff-
net unternehmerischem Denken und Handeln neue Freiheits-
und Handlungsspielräume: Die Digitalisierung ermöglicht
vollkommen neue Produkte und Dienstleistungen, eröffnet
neue Wertschöpfungsketten, vernetzt unsere Wirtschaft vom
Kleinstunternehmen bis hin zum Industriebetrieb mit globalen
Wirtschaftsräumen und bietet grenzenlose, dynamische Markt-
plätze. Diese Chancen können nur mit mehr Unternehmergeist
und Entrepreneurship-Kultur genutzt werden.
Innovative SzeneSchon heute steht Österreichs innovative Start-Up-Szene für
ein entsprechendes Mindset, das wir stärken und weiterent-
wickeln müssen. Die Vermittlung entsprechender Vorbilder,
eine höhere Fehlertoleranz und der Abbau mentaler und struk-
tureller Hürden für unternehmerisches Denken und Handeln
spielen dabei eine zentrale Rolle.
„Das wichtigste ist, dass die Menschen den Mut haben, Unter-nehmen zu gründen. Wir haben in Deutschland 1.400 Weltmarktführer aus dem Mittelstand – aber noch keinen Weltmarktführer im Internet.“
Google Hangout mit Lars Hinrichs (XING – Gründer) am 13. April 2016
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 1 3
Eigenverantwortung und EmpowermentDiese Entwicklung wird auch durch den gesellschaftlichen
Wandel unterstützt. Zukunft wird weniger „top down“ als
vielmehr „bottum up“ modelliert, so die Befunde der Zukunfts-
forschung. Der gesellschaftliche Trend geht in Richtung mehr
Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Dies ist durch eine
Politik des „Empowerment“ zu unterstützen. Maßstab für den
Umgang mit der Digitalisierung sind klare und verlässliche
gesellschaftspolitische Werthaltungen. Ihre Umsetzung för-
dert das notwendige Vertrauen in die digitale Welt und ihre
Dynamik.
1 4
Mindsets für die digitale Welt
—Wir brauchen in Österreich mehr Freiheitsbe-
wusstsein, Eigenverantwortung und unternehmeri-
sches Denken, um die Potenziale der Digitalisierung
nützen zu können. Österreich muss sich mental und
strukturell fit für die Digitalisierung machen. Dazu gehört
auch Offenheit für die Potenziale der sharing economy.
—Die Politik muss die Chancen der Digitalisierung in den
Vordergrund stellen, ohne jedoch kritische Entwicklungen
und damit verbundene Sorgen und Ängste auszublenden.
Die digitale Kluft in der Gesellschaft muss abgebaut werden.
—Die Politik soll gesellschaftspolitische Orientierungen
für den Umgang mit der Digitalisierung entwickeln. Unser
bisheriges Wirtschafts- und Sozialmodell und seine Institu-
Lukas HolterDie digitale Revolution kann man als Chance oder Gefahr sehen. Es kommt drauf an, was wir daraus machen! @MicHirschbrich #digitalelebenswelten
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 1 5
tionen müssen auf ihre Zukunftsverträglichkeit überprüft und
weiterentwickelt werden.
—Die Politik soll den digitalen Wandel gestaltend mode-
rieren, statt ihn zu sehr zu normieren. Der Prozess der Di-
gitalisierung braucht klare ordnungs- und gesellschaftspo-
litische Rahmenbedingungen (z.B. Sicherung von Freiheit
und Eigenverantwortung), aber keine Überregulierung, die
wünschenswerte Innovationen verhindert. Auch die internati-
onalen Spielregeln für die Digitalisierung sind in diesem Sinn
mitzugestalten.
Wir brauchen mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung.
Auf einen Blick
➳ Eigeninitiative und Eigenverantwortung stärken
➳ Mindset für digitale Entrepreneurship entwickeln
➳ Digitale Kluft vermeiden
➳ Digitalisierung gestalten, aber nicht überregulieren
1 6
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 1 7
Den Standort fit für die Digitalisierung machen
1 8
Neue StandortchancenFür den Wirtschafts- und Arbeitsstandort bringt die Digitalisie-
rung erhebliche Herausforderungen und Chancen. Produktin-
novationen, innovative Serviceleistungen und neue Geschäfts-
modelle eröffnen wichtige Potenziale für Wertschöpfung,
Wachstum und Arbeit. Mit der Digitalisierung der Wirtschaft
sind große standortpolitische Chancen verbunden, wenn es
Österreich gelingt, wettbewerbsfähig zu sein und leadership
in wichtigen Nischen zu etablieren. Dank Industrie 4.0 können
Produktivität gesteigert, Kosten gesenkt, Fehlerquoten mini-
miert und die „time to market“ verringert werden. Das eröffnet
sogar die Chance für den Standort, durch Effizienzsteigerun-
gen Produktion aus Niedriglohn ländern zurückzuholen.
Vom Wissen zur InnovationDigitalisierung und Reindustrialisierung gehen Hand in Hand.
Während sich große Leitbetriebe intensiv mit Anwendungs-
möglichkeiten der Digitalisierung beschäftigen, haben Klein-
und Mittelbetriebe noch Handlungsbedarf. Es geht darum, die
vielen Zuliefer-KMU nahtlos in die Industrie 4.0-Wertschöp-
fungskette zu integrieren. Eine wichtige Rolle für die Transfor-
mation spielen Start-Ups und Spin-Offs aus Universitäten und
großen Betrieben. Österreich verfügt über ein gutes Wissens-
system und muss sich verstärkt darum bemühen, dass daraus
(digitale) Innovationen entstehen können. Unternehmerisches
Scheitern darf nicht stigmatisiert werden. Für eine innovative,
starke Start-Up-Szene in Österreich und die Verhinderung
von Brain-Drain braucht es gemeinsame Bemühungen der
Politik, der Wirtschaft und der Universitäten. Mehr Spin-Offs
von Universitäten und Hochschulen sind wichtige Impulsgeber
für die Umsetzung digitaler Innovationen.
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 1 9
Digitaler MarktEin harmonisierter digitaler Markt kann laut Schätzungen
der Europäischen Kommission bis zu 415 Milliarden Euro
an zusätzlichem BIP-Wachstum und Hundertausende neue
Jobs in Europa bringen. Von freiem Zugang zum einheitlichen
digitalen Markt in Europa würde Österreich als kleine, offene
Volkswirtschaft besonders profitieren.
Produktivität & Wirtschaftswachstum
Durch die Förderung eines digitalen Binnenmarktes
könnten wir 415 Mrd. Euro an zusätzlichem Wachstum
erzielen, so das Europäische Parlament (alle Zahlen vgl.
www.ec.europa.eu)
Sichere und kostengünstigeöffentliche Dienstleistung
Nach Schätzungen der Euro-päischen Kommission könnten
bis zu 100 Mrd. Euro eingespart werden, wenn alle öffentlichen
Aufträge online vergeben würden
Vertrauen in dasOnline-Geschäft
Laut Online-Anzeiger der Kommission nutzen 315 Millionen Europäer pro Tag das Internet –
sichtbarer Beweis der gewaltigen Nachfrage nach
Online-Diensten
2 0
Maßnahmen-vorschläge
Damit die Digitalisierung für
Wirtschaft und Arbeit in Öster-
reich ein Gewinn ist, braucht es
im Sinn eines international sicht-
baren „großen Wurfs“ eine inte-
grierte Standortstrategie. Der
Fokus liegt dabei u.a. auf dem Konnex zwischen Reindustria-
lisierung und Digitalisierung, der digitalen Fitness der kleinen
und mittleren Unternehmen (KMU), dem Bildungssystem, der
Infrastruktur (Breitband in ganz Österreich – „100 Megabit
für jeden Bürger“) und einem modernen Arbeitsrecht. Öster-
reich soll sich auf international sichtbare Zukunftsbereiche
konzentrieren, die Clusterbildung forcieren und mit Blick auf
hochqualifizierte Arbeitskräfte ein weltoffenes Image pflegen.
Innovationsagenden auf Regierungsebene sind zu bündeln.
So soll Österreich zum Magnet für Unternehmen, Start-Ups
und Talente der digitalen Wirtschaft werden.
Großer Wurf für den digitalen Standort
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 2 1
Breitband-Durchdringung im internationalen Vergleich in Prozentvgl. ec.europa.eu
Weil schnelle Internetinfrastruktur über den Marktzugang entscheidet, wird die individuelle Bandbreite zum kritischen Standortfaktor. Österreich hat trotz Bemühungen noch Aufholbedarf. Zur Diskus-sion steht ein „Bürgerrecht“ auf 100 Mbit. Derzeit haben rund 4% der Österreicher eine 100 Mbit Anbindung, rund 21% haben mehr als 30 Mbit sowie 56% mehr als 10 Mbit. Die Bandbreite für den individuellen User entscheidet in einer digitalen Wirtschaft wesent-lich über dessen Marktzugang und -chancen.
Südkorea Japan Hong Kong Kuwait Niederlande Singapur USA Uruguay Ungarn Taiwan Norwegen Katar Schweden Estland V.A.Emirate China Kanada Kasachstan Finland Australien Slowenien Litauen Dänemark Schweiz Portugal Peru Österreich Belgien Jordanien Tschechien Saudi-Arabien Georgien Slowakei Bolivien Mexiko Rumänien Polen Marokko Südafrika Spanien Kolumbien Pakistan Griechenland
97908685848381817979797979787676767575757371706967666666656565646461616161606059595857
2 2
0 9 19 29 39 49
Großbritannien
Irland
Portugal Spanien
Frankreich
Anteil der Breibandnutzung mit ≥ 100 Mbit vgl. digital-agenda-data.eu
%
2 3
Niederlande
Deutschland
Österreich
Polen
Italien
Slowenien
Kroatien
Griechenland
Dänemark
Schweden
Estland
Lettland
Litauen
Rumänien
Bulgarien
Finnland
Tschechien
Slowakei
Ungarn
Belgien
2 4
Eine große Herausforderung für
die chronisch unterfinanzierte
Start-Up-Szene sind bessere fi-
nanzielle Rahmenbedingungen.
Die Anreize für private Investiti-
onen in Start-Ups sind massiv
zu verbessern, z.B. durch die
Absetzbarkeit privater Inves-
titionen bis zu 100.000 Euro
(der Wert entspricht der sta-
tistischen Obergrenze privater
Investments im internationalen arithmetischen Mittel). Alter-
nativ zur klassischen Förderpolitik für den digitalen
Wirtschaftszweig ist ein vertikales Steuerregime mit
Blick auf Start-Ups bis zu einem gewissen Umsatz
oder auf Firmen in bestimmten kritischen Nischen (z.B.
Künstliche Intelligenz, Nanotechnologie) zu prüfen.
Politische AkademieHarald Mahrer: „Bei der Digitalisie-rung müssen wir die Zeichen der Zeit erkennen, sonst sind wir international chancenlos.“ #polakGoesBxl
Leitbild Daten - souverä- nität
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 2 5
Die Gründungsdynamik ist
durch konsequente Online-
Abläufe zu unterstützen. Grün-
dungen müssen einfacher und
schneller möglich sein. In Est-
land beispielsweise sind Fir-
mengründungen binnen 30 Mi-
nuten möglich. Es gilt daher,
eine rasche Harmonisierung
der Schnittstellen von Ämtern,
Körperschaften und Versiche-
rungen zu gestalten. Via API (Application Programming Inter-
face – Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung) sollen
sogenannte „Public Mashups“ (Radikal neue Zusammenfüh-
rung bereits bestehender Inhalte) datenschutzgesetzkonform
und ohne großen technischen Umbau Prozesse vereinfachen
und beschleunigen (Desktop- oder App-Version).
App statt Amt, und Public Mashups:
2 6
Die Rahmenbedingungen für
Corporate Ventures sind zu
verbessern, damit neue Busi-
ness-Ideen von der Verbindung
zwischen flexibler Start-Up-
Struktur und dem Kapitalzugang
eines großen Unternehmens pro-
fitieren können. Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, die neue Ideen
entwickeln, sollen ein Innovations-Sabbatical in Anspruch
nehmen können.
➳ Quicker education of external and internal innovation projects
➳ Faster time to market
Speed
➳ Setup outside of existing corporate structure
Flexibility
➳ Investment risk shared with other investors
➳ Diversification of innovation and investment portfolio
Risk reduction
➳ Test of alternative business models and new markets
Tour d’horizon
➳ Cooperation with non-competing companies
Cooperation
Eine entwickelte Corporate Venture Kultur ist ein wichtiger Beitrag zur Innovationsförderung. Corporate Ventures ermöglichen es, vom Markt- zugang und Kapital des Konzerns zu profitieren, andererseits aber Geschwin-digkeit, Flexibilität und reduzierte Risiken eines Start-Ups zu nutzen. vgl. www.rat-fte.at
Sabbaticals und Innova-tionen
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 2 7
Auf einen Blick
➳ Start-Ups und Spin-Offs fördern
➳ Globale Nischen-Player stärken
➳ „Bürgerrecht auf 100 Mbit“
➳ bessere Absetzbarkeit von Privatinvestitionen
➳ Schnellere Amtswege
durch innovative Public Mashups
➳ Sabbaticals für Innovationen
➳ Corporate-Venture-Kultur etablieren
Das digitale Österreich braucht eine integrierte Standortstrategie.
2 8
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 2 9
Bildungs-offensive für digitale Kompetenzen starten
3 0
„Die digitale Kompetenz unserer Kinder darf nicht ausschließlich vom Engagement der Lehrerinnen und Lehrer abhängen.“
Jobs gehen und kommenIm Gegensatz zu den ersten drei Industriellen Revolutionen
bewirken die erhöhten Anforderungen der Digitalisierung keine
lineare technologische Substitution: Gänzliche oder teilwei-
se Substitution findet nunmehr auf allen Komplexitäts- und
Bildungsstufen statt. Dies gilt für standardisierte ebenso wie
für hochkomplexe Jobs. Gleichzeitig sorgen neue Geschäfts-
modelle, Robotik oder Künstliche Intelligenz (KI) für neue
Anwendungen, Produkte, Märkte und Arbeitsplätze.
Digital divide durch Bildung verhindernViele Berufe werden mit Systemen der Künstlichen Intelligenz
kooperieren. Es wird kaum Berufe geben, die technologieun-
abhängig ausgeübt werden können. Diese Entwicklung und
die Verhinderung eines „digital divide“ erfordern vor
allem Reformen im Bildungssystem. Es wird gegen-
wärtig als zu träge und zu langsam wahrgenommen,
um neue Anforderungen an Qualifikationen zu reali-
sieren. Schulen bilden nicht aus, was der (Arbeits-)
Markt fordert, wenn ihre Absolventen in die Berufswelt
einsteigen. Das Bildungssystem muss jene Kompe-
tenzen vermitteln, die in einer schnelllebigen, inno-
vationsgetriebenen digitalen Wirtschaft gefragt sind.
Digitale ZukunftskompetenzenBildung und Ausbildung, die „fit“ für die digitale Welt machen,
sind künftig entscheidender Wettbewerbsfaktor. Zusätzlich
zu Fachwissen, Medien- und Informationskompetenz sind
empathische Fähigkeiten gefragt, um Bedürfnisse richtig
erfassen und individuelle Fähigkeiten entsprechend anbieten
zu können. Kreative Neugier, Lernbereitschaft und soft skills
Google Hangout mit Dorothee Bär (Parlamentarische Staatssekretärin beim deutschen Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur) am 26. April 2016
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 3 1
sind unverzichtbar, um für die Berufstätigkeit in der digitalen
Welt Wissen und Mehrwert aufbauen und auch sein Image
weiterentwickeln zu können. Nach den Expertenbefunden
haben vor allem folgende Kompetenzen Zukunft:
➳ Soft Skills
➳ Medienkompetenz (Nutzung)
➳ Technologische Kompetenz (Gestaltung, Kreation)
➳ Kreativität
➳ Perfektes Englisch
➳ Programmiersprachen
Derzeit haben nur rund 12% der österreichischen Bevölkerung
bereits eine Programmiersprache eingesetzt. Beim Spitzenrei-
ter Finnland sind es 28%. Gefordert ist neben ganzheitlichem
Denken auch ein zukunftsfähiger Umgang mit dem „Scheitern“.
Der Mut, Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen muss
höher bewertet werden, als die Angst vor dem Scheitern.
Neue Ziele für die BildungDie Inhalte von Bildungsreformen müssen den Herausfor-
derungen der Digitalisierung entsprechen. Dies erfordert
die Formulierung entsprechender, klarer Bildungsziele. Al-
lein weitere Höherqualifizierung ist nicht immer die
richtige Antwort auf die Erfordernisse der digitalen
Wirtschafts- und Arbeitswelt. Der Einsatz digitaler
Medien im Bildungswesen hat im Rahmen eines pä-
dagogischen Konzeptes zu erfolgen. Er bietet neue
Möglichkeiten zur individuellen Förderung von Kin-
dern und Jugendlichen. Österreich braucht u.a. mehr
Lehrende, die auch Unternehmensgründer sind und Wissen
zwischen Theorie und Praxis transferieren.
Politische Akademie Einsatz v Technologie soll nicht Selbstzweck, sondern Ergänzung zum didaktischen Konzept sein #digitalelebenswelten
3 2
Maßnahmen-vorschläge
Österreich soll mit einer digita-
len Bildungsoffensive die IT- und
Medienkompetenz als Teil der
Allgemeinbildung forcieren. Das
erhöht die Digitalisierungs-Fitness des Landes und sorgt
zudem für mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung. Alle
Schülerinnen und Schüler sollen als weitere „Fremdsprache“
eine Programmiersprache beherrschen. Unternehmerisches
Denken, Neugier, soziale Fähigkeiten und Kreativität werden
in der Schule gefördert. Grundlage für die digitale Bildungs-
offensive ist eine entsprechende Aus- und Weiterbildung des
pädagogischen Personals.
Digitale Bildungs-offensive
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 3 3
Die Digitalisierung erfordert die
Erhöhung der Medienkompe-
tenz aller Bevölkerungsgrup-
pen, um eine digitale Kluft in
der Gesellschaft zu verhindern.
Eine staatlich zertifizierte E-Le-
arning-Plattform soll in Verbin-
dung mit einem individuellen Bildungskonto gezielte, in On-
line-Prüfungen dokumentierte Qualifizierung in ausgewählten
Zukunftsbereichen (z.B. Technologie- und Medienkompetenz,
Softwareentwicklung) ermöglichen. Mit diesem Instrument
wird allen Bürgerinnen und Bürgern ein Instrument für indi-
viduelles Bildungsmanagement in die Hand gegeben. Die
Nutzung ist unabhängig von Alter oder Vorbildung. Jeder
Österreicher und jede Österreicherin kann mit seiner Educa-
tion-4.0-Card seine Lernprogramme abrufen. Dort sind auch
die absolvierten Ausbildungsinhalte dokumentiert (z.B. für
Bewerbungen). Die Lehrinhalte und -programme stammen aus
der Privatwirtschaft oder aus staatlichen Lehreinrichtungen,
die den Zertifikatsstandards entsprechen. Mit dieser Plattform
wäre Österreich ein absoluter „first mover“ im Bereich der
digitalen Bildung. Der Standort revolutioniert damit parallel
zum institutionalisierten Bildungswesen die Bildungschancen
seiner Bürgerinnen und Bürger und entspricht auf innovative
Weise den Anforderungen der Digitalisierung.
E-Learning- Plattform
3 4
Großbritannien
Irland
Portugal Spanien
Frankreich
0 5 11 16 22 27
Anteil jener Menschen, die mithilfe einer Programmier-sprache ein Computerprogramm geschrieben habenvgl. digital-agenda-data.eu
%
3 5
Niederlande
Deutschland
Österreich
Polen
Italien
Slowenien
Kroatien
Griechenland Türkei
Dänemark
Schweden
Norwegen
Estland
Lettland
Litauen
Rumänien
Bulgarien
Finnland
Tschechien
Slowakei
Ungarn
Belgien
Mazedonien
3 6
Nachdem Software unser pri-
vates und berufliches Leben
massiv mitbestimmt und dies
die kommenden Jahre noch
deutlich zunehmen wird, ist das
Verstehen, wie Software funkti-
oniert, von großer Bedeutung.
Nicht jeder wird Software entwi-
ckeln – aber beinahe jeder wird
Software parametrisieren oder anwenden können müssen.
Dabei soll Österreich durch die Verankerung von Program-
mieren als „zweite Fremdsprache“ Vorreiter werden.
Die Erweiterung des volkswirt-
schaftlichen Gesamtrechnungs-
modells soll Technologie- und
Medienkompetenz quantifi-
zierbar und deren Einfluss auf
Wohlstand und Wirtschafts-
wachstum nachvollziehbar ma-
chen. Das ist die Grundlage,
um im digitalen Bildungsbereich
die richtigen Maßnahmen entwi-
ckeln zu können.
Program-mieren als zweite Fremd-sprache
Volkswirt-schaftliche Gesamt-rechnung um digitale Kompetenz erweitern
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 3 7
Ausbau der Bildungs-piloten
Eine höher skalierte Versuchs-
reihe unterschiedlicher didak-
tischer und pädagogischer
Konzepte sowie technischer
Infrastruktur erlaubt mit entspre-
chender Evaluierung das geziel-
tere Identifizieren der erfolg-
reichsten Wissensvermittlung
in diesen Kompetenzbereichen.
In den klassischen Bil-
dungseinrichtungen ist die
Ausstattung der Schüler
dafür entscheidend, wie
rasch sie digitale Kompe-
tenzen erwerben können.
Hier gilt es neue Finanzie-
rungs- und Versicherungs-
modelle zu entwickeln,
damit Kinder die beste und
nicht zwingend die billigste
Technik zur Verfügung ge-
stellt bekommen.
Finanzierungs- und Versicherungs-modelle für IT-Infra-struktur
3 8
Um deutlich mehr Spezialis-
ten in wichtigen digitalen Ni-
schenbereichen zu bekom-
men, sind entsprechende
Ausbildungen breitestmög-
lich anzubieten und attrak-
tiver zu gestalten. Dies gilt
u.a. für Big- und Smart-Data
Experten, Data-Mining-Experten und Data-Scientists, Metrik-
Analysten, digitale Journalisten und Kuratoren sowie Gamifi-
cation- und Game-Designer.
Neue digitale Berufs felder etablieren und aufstocken
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 3 9
Auf einen Blick
➳ Digitale Bildung als Teil
der Allgemeinbildung verankern
➳ Bildungsfokus auf Soft-, Medien-
und Technik-Skills, Kreativität und Englisch
➳ Programmieren als „zweite Fremdsprache“
einführen
➳ Bildungspiloten und digitale
Berufsfelder forcieren
➳ E-Learning-Plattform für alle Bürger
Österreich braucht eine digitale Bildungsoffensive.
4 0
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 4 1
Ethik sichern und Recht weiter-entwickeln
4 2
Neue FragenDie digitale Technik macht mit der massenweisen Verbreitung
von Sensoren und IoT-Anwendungen Gegenstände, Zustän-
de, Prozesse und menschliche Eigenschaften umfassend
mess- und quantifizierbar. Die Frage, wessen Eigentum diese
Daten sind, wer aller Zugang zu diesen Daten hat und wie sie
genutzt werden dürfen, muss geklärt und nachvollziehbar sein
(z.B. Gesundheit, Mobilität). Die zunehmende Verbreitung von
Künstlicher Intelligenz (KI) und von Big Data-Anwendungen
wirft ethische Fragen auf (z.B.: Wie sollen selbstfahrende
Autos für Situationen programmiert werden, in denen sie die
Fahrzeuginsassen oder andere Personen gefährden würden?
Treffen autonome Fahrzeuge künftig Überlebensentscheidun-
gen über Menschen?). Technologische Entwicklungen sind
stets ethisch zu reflektieren und zu begleiten.
Rechtlicher RahmenDen dank digitaler Technik möglichen neuen Produkten, Ge-
schäftsmodellen und Erkenntnissen stehen die Gefahren
erheblicher Einschränkungen der Privatsphäre und von mehr
Überwachung gegenüber. Die digitale Welt erfordert zeitge-
mäße Bemühungen auf politischer wie auf individueller Ebene,
Freiheit und Autonomie durchzusetzen. Dafür braucht es eine
entsprechende politische Schwerpunktsetzung, ange-
messene rechtliche Schutzbestimmungen und mehr
Eigenverantwortung beim Umgang mit persönlichen
Daten. Die Digitalisierung benötigt daher zukunftsfä-
hige rechtliche Rahmenbedingungen, die sowohl neue
Chancen eröffnen, als auch Schutz für den Einzelnen
und für Unternehmen gewährleisten. Ein zeitgemäßes
Urheber- und Leistungsschutzrecht muss die Balance
„Unser Rechtssystem, wie beispielsweise das Urheberrecht, wird sich durch dezentrale Datenspeicher wie Blockchain massiv ändern.“
Google Hangout mit Jana Moser (Datenschutzexpertin beim Springer Verlag) am 27. April 2016
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 4 3
zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und der Ermögli-
chung neuer Content-Modelle zum Thema haben.
Datensouveränität für BürgerVor allem auf europäischer Ebene sind einheitliche und aus-
gewogene Standards für den persönlichen Datenschutz von
großer Bedeutung. Die Bürger haben ein Grundrecht auf
Datensouveränität als Grundlage für ein selbstbestimmtes,
freies Leben in der digitalen Welt.
Chance für Soft LawZur Nutzung der wirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung
sind viele rechtliche Regelungen nicht mehr zeitgemäß, zu
schwerfällig, zu wenig international oder die Durchsetzung
derselben erfolgt zu langsam. Während traditionelles Recht
konfrontativ ist, setzt die Internet Community auf Dialog. Dies
fördert „Soft Law“ in Form ethisch geprägter Selbstverpflich-
tungs-Regeln (z.B. auferlegte Übereinkünfte, Absichtserklä-
rungen, Leitlinien). Im Gegensatz zum „Hard Law“, zu dessen
Einhaltung die Beteiligten gesetzlich verpflichtet sind, stellt
„Soft Law“ eine weniger strenge Selbstbindung dar, wobei
deren Verletzung vor allem durch die Community oft strenger
sanktioniert wird (Stichwort „Shitstorms“), als dies bei „Hard
Law“ der Fall ist. Der Gesetzgeber kann die Entwicklung von
„Soft Law“ fördern, indem er im Rahmen von „Hard Law“ auf
entsprechende Normen und Standards (z.B. ISO-Normen)
verweist.
4 4
Maßnahmen-vorschläge
Das Recht muss die Freiheit des Bürgers
auch im digitalen Zeitalter schützen. Dies
bringt das Leitbild der Datensouveräni-
tät auf den Punkt: Die Bürgerinnen und
Bürger sollen entscheiden können, was
mit den von ihnen generierten Daten
passiert. Dieses Leitbild soll die Grund-
lage für politische Entscheidungen und
Regulierungen sein.
Datenpolitik soll zum eigenen Hand-
lungsfeld der Politik werden. Die Eigen-
verantwortung für Daten muss gestärkt
werden.
Handlungsfeld Daten politik
Leitbild Daten-souveränität
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 4 5
Es soll ein sinnvolles „Recht auf Verges-
sen“ (personenbezogene Daten werden
nach einer gewissen Zeit gelöscht) ge-
setzlich verankert werden, wenn es um
schützenswerte, sensible und private In-
formationen aus der Vergangenheit eines
Internetusers geht.
Im Sinn von Experimentierräumen sol-
len konkrete gesetzliche Rahmenbedin-
gungen für neue digitale Themen und
Anwendungen auf Basis gewonnener
Erkenntnisse und Erfahrungen entwickelt
werden.
Gesetzliche Regelungen sollen künftig
vor ihrer Beschlussfassung dahingehend
überprüft werden, welche Auswirkungen
sie auf die Entwicklung der digitalen Wirt-
schaft in Österreich haben.
Recht auf Vergessen
Experimentier-räume
Digitalisierungs-Check
Soft Law-Ent wicklung
Ethik kommission
4 6
In beiden Gebieten gilt es, Österreich
zukunftsfähig zu machen und die Trans-
formation auch legislativ zu fördern. Im
Bereich der Netzneutralität sind potenti-
ellen Konzentrationen vorzubeugen und
das freie Netz als Basis eines vitalen di-
gitalen Standortes zu sichern. Auch beim
Leistungsschutzrecht muss ein Übergang zu einem modernen
digitalen Schutzrecht ermöglicht werden, das der Natur digi-
taler Inhalte hinsichtlich deren Entstehung, Gestaltung und
Verbreitung gerecht wird.
Die Entwicklung von Soft Law ist durch
die Etablierung eines Lehrstuhls für Soft
Law, durch Soft-Law-Beauftragte an Ins-
titutionen für Technologiefolgenabschät-
zung sowie durch die Förderung priva-
ter Soft-Law-Initiativen (z.B. zertifizierte
Bewertungs- und Diskussionsboards,
Vereine, Think Tanks) zu forcieren.
Einsatz und Auswirkungen von ethisch
kritischen Technologie-Anwendungen
(insbesondere im Bereich Künstliche
Intelligenz) sind von entsprechenden
Ethikkommissionen als Grundlage für
politische Entscheidungen zu bewerten.
Netzneu tralität und Leistungs-schutzrecht
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 4 7
Auf einen Blick
➳ Datensouveränität für freie Bürger sichern
➳ Soft-Law stärken
➳ Digitalisierungs-Check für Gesetzesvorhaben einführen
➳ Netzneutralität und Leistungsschutzrecht
zukunftsfit machen
➳ Digitale Ethikkommissionen etablieren
Datenpolitik als politisches Handlungsfeld etablieren.
4 8
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 4 9
Partizipation und digitale Gemeinden fördern
5 0
Politik in EchtzeitDie Digitalisierung ist ein wichtiger Treiber des gesellschaft-
lichen Trends in Richtung Partizipation und Transparenz. Das
stellt neue Anforderungen an die Politik und an politische
Akteure: Politik muss zunehmend in Echtzeit erfolgen.
Bürgernähe ist nicht nur in der Offline-, sondern auch
in der Online-Welt zu gewährleisten.
Online entscheidenDie Durchdringung der Gesellschaft mit Online-Medien schafft
die technisch-organisatorischen Voraussetzungen dafür, um
demokratische Prozesse und insbesondere die Meinungsbil-
dung weiterzuentwickeln. Auch die Entscheidungsfindung auf
digitalem Weg (E-Voting) ist ein konkretes Zukunftsszenario.
Die Digitalisierung schafft nicht nur für demokratische Prozes-
se, sondern auch für mehr Transparenz im staatlichen Handeln
wichtige Grundlagen. Mit entsprechenden Instrumenten (z.B.
Open Data-Anwendungen) kann die Wirksamkeit staatlichen
Handelns auf den Prüfstand gestellt und verbessert werden.
Chancen für digitale GemeindenDigitale Anwendungen eröffnen gerade für Gemeinden neue
Handlungsspielräume und erhöhen ihre Attraktivität als Le-
bens- und Wirtschaftsräume: Auf Grundlage entsprechender
Infrastrukturen können Gemeinden kommunale Dienstleis-
tungen für Bürgerinnen und Bürger effizienter und günstiger
erbringen als bisher (z.B. durch smarte Sensoren und IoT-Lö-
sungen in den Bereichen Sicherheit, Straßenbeleuchtung, Ab-
wasser, Müll, Parkraummanagement, Wartung und Reparatur
von kommunalen Infrastrukturen), mehr Service ermöglichen
„Die Idee von E-Governance
ist auch, die Bürger viel näher an die
Entscheidungsprozesse zu bringen
und, dass Sie aktiv mitgestalten.“
Google Hangout mit Max Schnödl (Finanzchef bei Accela) am 6. April 2016
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 5 1
(z.B. E-Government) und gemeinsame Plattformen für die
kommunale und ländliche Entwicklung (z.B. Nahversorgung)
ins Leben rufen. Gemeinden brauchen Anreize, um in sinnvolle
Digitalisierung zu investieren.
5 2
Maßnahmen-vorschläge
Die Digitalisierung bringt neue
Chancen für Kommunikation,
Mitbestimmung und Partizipati-
on. Für die unterschiedlichen politischen Ebenen und Orga-
nisationsformen sind entsprechende Verfahren und Angebo-
te – von der Online-Beteiligung bis zur Entscheidung – zu
entwickeln.
Digitale Anwendungen sollen
einen Beitrag leisten, um staat-
liches Handeln auf allen Ebe-
nen transparent und im Ergeb-
nis wirksamer zu machen (z.B.
intelligente Verkehrssteuerung,
treffsicheres Sozialsystem, effi-
Online-Partizi pation
Effizienter Staat
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 5 3
ziente Energieversorgung, präventionsförderndes Gesund-
heitssystem, kommunale Leistungen). Mit Blick auf einen
sinnvollen Datenschutz ist so viel wie möglich mit anonymen
und pseudonymisierten Daten zu arbeiten.
Mit einem Gütesiegel für digi-
tale Gemeinden können diese
ihre Standortattraktivität für Un-
ternehmen und Privatpersonen
dokumentieren. Kriterien dafür
sind u.a. Wifi-Hotspots in al-
len öffentlichen Einrichtungen,
semantische Bürger-Terminals,
E-Government-Lösungen, Web 4.0-Status, 100 Mbit-Versor-
gung für alle Bürger, Programme für alle Bürger zur Erwerbung
von Technologie-Kompetenz.
Zertifikat digitale Gemeinde
Auf einen Blick
➳ Mehr Bürgernähe durch neue Partizipationsmodelle
➳ Effizienterer Staat durch digitale Anwendungen
➳ Zertifikat „digitale Gemeinde“
Bürgernähe in Echtzeit.
5 4
EpilogPolitik neu denken
Roboter die Augenoperationen vornehmen und Uhren reparie-
ren, selbstfahrende LKWs die unsere Waren transportieren,
automatisierte Sekretariate, Lagerarbeiter und Einzelhandels-
bedienstete – wohin der Weg der Digitalisierung führt, können
wir noch nicht abschätzen. Was wir jedoch mit Sicherheit
sagen können ist, dass die Digitalisierung und Automatisie-
rung unser Leben und unseren Alltag von Grund auf ändern.
Dazu gehören Automatisierungsprozesse genauso wie die
Entwicklungen im Bereich des „Internet of Things“, „big data“
oder ständig neuen Kommunikationskanälen.
Mit dem vorliegenden „#innovationsbericht_digital“ haben wir
zahlreiche Herausforderungen der Digitalisierung identifiziert.
Wir brauchen eine neue Standortpolitik, müssen uns grund-
legende Gedanken darüber machen, welche Kompetenzen
unsere Kinder in Zukunft benötigen, welche rechtlichen und
ethischen Fragen von der Automatisierung betroffen sind und
wie wir unsere politische Mitbestimmung digitalisieren. Wir
haben vor allem aber auch Chancen aufgezeigt, wie wir Start-
Ups besser fördern, unsere Kinder auf die Zukunft vorbereiten
oder Digitalisierung für mehr Bürgernähe nutzen können.
Der „#innovationsbericht_digital“ ist dabei nicht das Ende
dieses Diskussionsprozesses. Er ist nur ein weiterer Schritt
auf diesem Weg. Die im Bericht niedergeschriebenen Vor-
schläge unserer Experten verstehen wir daher auch nicht als
verbindlichen Maßnahmenkatalog. Vielmehr sind sie Hand-
lungsanleitungen: diese Ideen sind ein Fundament, wie wir
uns als Individuen und Gesellschaft den digitalen Wandel
• D i g i t a l e L e b e n s w e l t e n • 5 5
nicht nur vorbereiten sondern diesen aktiv mitgestalten. Und
das muss unser Ziel sein – nicht Passagier, sondern Pilot des
digitalen Wandels zu werden.
Ich möchte mich bei allen Menschen sehr herzlich bedanken,
die uns auf diesem Weg begleiten. Stellvertretend für alle
danke ich ganz herzlich Mic Hirschbrich, der mit unglaublich
viel Zeit, Energie und Engagement, unseren Expertenkreis
leitet, uns immer wieder neue Ideen und Impulse gibt, sowie
Diskussionen mit verschiedensten Personen anregt und deren
wertevolle Perspektiven auch jetzt zusammengetragen hat.
Genau diese Unterstützung von Expertinnen und Experten aus
Theorie und Praxis hilft uns, gemeinsam Politik neu zu denken.
Sebastian KurzVorsitzender der Politischen Akademie
P.S.: All jene, die beim Durchlesen des Innovationsberichtes Lust bekommen haben, sich zu engagieren oder die meinen, dass eine wichtige Idee noch fehlt: bitte meldet euch bei uns unter digital@politische-akadmie.at.
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Dr. Henrietta Egerth-Stadlhuber, Geschäftsführerin der Österrei-chischen Forschungsförderungs-gesellschaft mbH
Mag. Gerald Grünberger, Geschäfts-führer des Verbands Österreichischer Zeitungen
Mag. Christoph Hermann MPP MIM, Geschäftsführer der „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“
Eva-Maria Himmelbauer BSC, Abgeordnete zum Nationalrat
Mag. Jakob Kiblböck CEMS MIM, Digital Transformation, Solution Manager SAP Österreich GmbH
Dr. Johannes Kopf LL.M., Mitglied des Vorstandes des Arbeitsmarkt-services Österreichs
Marcus Kottinger, Solution Architect Industry 4.0 / Life Science von IBM Watson IoT
Felix Krause, Developer Tools at Twitter
Mag. Dr. Brigitte Krenn, Bereichs-leiterin Sprache und Interaktions-technologien“ des Austrian Research Institute for Artificial Intelligence (OFAI)
Mag. Elisabeth Mayerhofer, Geschäftsführerin der Julius Raab Stiftung
Ing. Christian Paltinger MSc., Business Development Manager Tech Data Österreich GmbH
Dipl. oec. Selma Prodanovic, Grün-derin & CEO der Brainswork Group
Mag. Dr. Michael Strugl, MBA, Wirt-schaftslandesrat in Oberösterreich
Mag. Werner Wutscher, MBA, Gründer und CEO von New Venture Scouting
Prof. Mag. Peter Zellmann, Leiter des Institut für Freizeit und Tourismusfor-schung
Dr. Lukas Zinnagl, CEO der Diagno-sia Internetservices GmbH
Folgende Mitglieder des Expertenkreises haben zusätzlich eigene Beiträge eingebracht:
DI Dr. Ludovit Garzik, MBA DWT, Geschäftsführer des Rates für For-schung und Technologieentwicklung
Mag. Michael Hirschbrich MBA, Gründer und CEO von updatemi
Dr. Bernhard Schober, Shareholder & Business Development bei updatemi
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl, Institut für Zivilrecht an der Universi-tät Wien
Wir danken allen Personen, die sich am Diskussions-prozess beteiligt haben – im Besonderen den Mitgliedern des Expertenkreises „Digitale Lebens-welten“ der Politischen Akademie der ÖVP: