Post on 01-Nov-2014
description
transcript
Migration und Integration im Blickfeld
Positionen, Denkanstöße, Lösungsansätze
2
Impressum:
Herausgeber: Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier Alfred-Dallinger-Platz 1, 1034 WienRedaktion: Martina Tossenberger, GrundlagenabteilungLayout: Anita Schnedl, MarketingFotos: Nurith Wagner-Strauss, David Payr, Fotolia, iStockphoto, Martin Bolkovac, GPA-djp, WBV-GPADVR 0046655, ZVR 576439352
Stand: September 2012
Dr. Martin BolkovacMitarbeiter in der GPA-djp Grundlagenabteilung; Politologe
Mag.a Lucia BauerMitarbeiterin im Büro des Vorsitzenden der GPA-djp; Politologin
Inhaltliche Koordination
3
Vorwort
Der Begriff Migration stammt vom lateinischen
Wort migra bzw. migrare ab und bedeutet
wandern, bzw. übersiedeln. Aufgrund unterschiedlicher Migrationsformen und -ursachen (so kann der Grund
für Migration etwa ein kultureller, politischer, wirtschaftlicher, religiöser, ökologischer, ethnischer oder sozialer
sein) werden in der Literatur und in den Medien verschiedene Defi nitionen angewandt. Ihnen allen gemeinsam
ist aber die Erkenntnis, dass Migration ein auf Dauer angelegter Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in
eine andere Region darstellt.
Im Rahmen des Bundesforums im Herbst 2012 startete die GPA-djp einen ausführlichen internen Diskussions-
prozess zum Thema Migration und Integration, der im Juni 2012 in einem Grundsatzbeschluss des GPA-djp-
Bundesvorstands mündete.
Dieser Grundsatzbeschluss enthält eine Reihe wichtiger Themen, vom Spracherwerb über das Staats-
bürgerschaftsrecht bis zu Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungen und der Frage nach der
rechtlichen Vertretung von Menschen ohne Arbeitserlaubnis und schafft damit eine Basis für unser politisches
Handeln. Ausgearbeitet wurden die konkreten Forderungen in mehreren Workshops mit externen und internen
ExpertInnen, den Mitgliedern der work@migration und interessierten BetriebsrätInnen.
Dabei entstand schließlich auch die Idee einige lose Fäden noch einmal aufzugreifen und bei wichtigen
Punkten stärker in die Tiefe zu gehen. Den Raum für diese Diskussionserweitungen bietet die vorliegende
Broschüre. Sie greift Themen wieder auf, die uns im Diskussionsprozess besonders wichtig erschienen, wie
etwa die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifi kationen oder den Erwerb der deutschen Sprache.
In der Broschüre enthalten sind zudem aktuelle Neuerungen der österreichischen Migrationspolitik, die Rot-
Weiß-Rot-Karte und das Lohn- und Sozialdumpinggesetz sowie internationale Fallbeispiele und ein kurzer
Überblick zum Thema Rassismus im Betrieb.
Wir sehen sowohl den Bundesvorstandsbeschluss als auch die Broschüre als wichtigen ersten Schritt einer
wirklich seriösen Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Migration und Integration, die damit sicher nicht
abgeschlossen ist. Das liegt nicht nur im Interesse unserer vielen Mitglieder mit Migrationshintergrund sondern
ist auch Teil unseres gesellschaftspolitischen Auftrags als Gewerkschaft.
Dr.in Dwora Stein Wolfgang Katzian
Bundesgeschäftsführerin Vorsitzender
© D
avi
d P
ayr
© N
urith
Wagne
r-Stra
uss
4
Inhalt
Forderungen der GPA-djp zum Thema Migration und IntegrationZusammenfassung eines Antrages des GPA-djp Bundesvorstandes ........................................ Seite 5
Man schießt die Leute in Out – Interview mit Christian-Paolo Müllergeführt von Hannah Putz ..................................................................................................................... Seite 9
Alltagsrassismus in Österreich Lucia Bauer ..................................................................................................................................... Seite 12
Das Lohn- und Sozialdumping-Gesetz: Resümee ein Jahr nach dem Auslaufen der Übergangsfristen
Walter Gagawczuk .......................................................................................................................... Seite 16
Erste Erfahrungen mit dem Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsgesetzIngrid Reischl ................................................................................................................................... Seite 21
Die Rot-Weiss-Rot-Karte: Das neue Modell der Arbeitskräftemigration nach ÖsterreichJohannes Peyrl ................................................................................................................................. Seite 24
Wohnen ist ein Grundrecht Andrea Holzmann ............................................................................................................................ Seite 29
Kollektivvertragswirksame AnerkennungenGerald Musger ................................................................................................................................ Seite 34
Bildungshürde MigrationshintergrundBarbara Kasper ............................................................................................................................... Seite 39
Sprache als Schlüssel zur Integration?Verena Plutzar ................................................................................................................................ Seite 44
Man hört wenig von den Ursachen, sondern nur von den Symptomen!Interview mit Didem Strebinger
geführt von Hannah Putz ................................................................................................................... Seite 49
(Über-)leben und arbeiten ohne PapiereAndrea Schober ............................................................................................................................... Seite 52
Stell dir vor, die willst Arbeit und man gibt dir nur schlechte!Clara Fritsch .................................................................................................................................... Seite 54
Kanada – migrationspolitisches Vorzeigeland?Martin Bolkovac ............................................................................................................................... Seite 60
Europäische Gewerkschaften und Migration Martin Bolkovac ............................................................................................................................... Seite 62
5
Forderungen der GPA-djp zum Thema Migration und Integration
Zusammenfassung eines Antrags des GPA-djp-Bundesvorstandsbeschlossen am 1. Juni 2012
RASCHERE UND LEICHTERE INTEGRATION IN DEN ARBEITSMARKT
In Österreich hatten 2010 18% der Bevölkerung Migrationshintergrund1, deren Arbeitsmarktchancen
bleiben jedoch stark hinter der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund zurück. Sie sind häufi ger unter ihrem
Qualifi kationsniveau beschäftigt und auch häufi ger arbeitslos.
Die GPA-djp tritt daher für das Prinzip „Arbeit vor Sprache“ ein, weil das eine schnellere Arbeits-
marktintegration und damit eine fi nanzielle Selbstständigkeit von MigrantInnen ermöglicht. Das AMS hat bei
der Arbeitsmarktintegration eine zentrale Aufgabe zu erfüllen, der es bisher nicht ausreichend nachkommt.
Zwar gibt es eine Reihe von Unterstützungen speziell für MigrantInnen, ein schlüssiges Gesamtkonzept ist
allerdings bisher nicht zu erkennen.
Die GPA-djp fordert daher nicht nur die Gleichstellung für Drittstaatsangehörige (dazu
gehören auch Asylsuchende) mit EU-BürgerInnen beim Arbeitsmarktzugang, sondern richtet auch eine Reihe
von Forderungen konkret an das AMS. Dazu gehört eine bessere Schulung von AMS-MitarbeiterInnen genau-
so wie spezielle Mentoringprogramme und Ansprechpersonen für MigrantInnen bei den AMS-Außenstellen.
ANERKENNUNG VON AUS DEM AUSLAND MITGEBRACHTEN QUALIFIKATIONEN
Ein weiterer, ganz zentraler Punkt ist die Anerkennung von Qualifi kation. Die Anerkennung und darauf
aufbauend die richtige Einstufung ist im Interesse aller ArbeitnehmerInnen ein ganz zentrales Anliegen, und ein
wirksames Mittel gegen Lohndumping.
Kurz zusammen gefasst, fordert die GPA-djp daher einen Abbau von fi nanziellen und büro-kratischen Hürden für den Prozess der Anerkennung. Auch hier soll wiederum dem AMS eine
wichtige Rolle zukommen. Eine zentrale Begutachtungsstelle, die idealer Weise beim AMS angesiedelt werden
soll, soll sicherstellen, dass Bewertungen von Ausbildungen vorgenommen werden, die dann die Basis für die
richtige Einstufung bilden.
1 Laut Defi nition der Statistik Austria bedeutet das, dass beide Elternteile im Ausland geboren sind. Die Statistik Austria unterscheidet dann noch zwischen MigratInnen der 1. Generation, die selbst eingewandert sind und MigrantInnen der 2. Generation, die in Österreich geboren wurden.
6
FÖRDERUNG DES SPRACHERWERBS
Ebenfalls unverzichtbar ist eine sinnvolle Förderung des Spracherwerbs. Die GPA-djp fordert eine individuelle, kostenlose Sprachförderung statt Zwang – schon gar nicht VOR der Einreise nach
Österreich. Denn Sprache ist ein Ergebnis eines Integrationsprozesses, nicht aber dessen Vorbedingung.
EINRICHTUNG EINES MINISTERIUMS FÜR INTEGRATION
Die GPA-djp begrüßt die Einrichtung des Integrationsstaatssekretariats, denn damit wurde eine jahrelange
wichtige Forderung der GPA-djp umgesetzt. Weniger erfreulich ist allerdings die Tatsache, dass die Agenden
Asyl und Integration weiterhin dem Innenministerium zugeordnet sind und der Integrationsstaatssekretär diesem
unterstellt ist. Die GPA-djp fordert daher die Einrichtung eines Ministeriums für Integration.
VEREINFACHUNG BEI EINBÜRGERUNG UND STAATSBÜRGERSCHAFT
Für Menschen die dauerhaft in einem Land leben ist schließlich auch zentral, dass sie die Staatsbürgerschaft
ohne unnötige Hürden erwerben können. Österreich hat im internationalen Vergleich eines der striktesten
Staatsbürgerschaftsrechte und eine der niedrigsten Einbürgerungsraten. So sind etwa die Wartefristen auf eine
Einbürgerung im europäischen Vergleich überproportional lang (10 Jahre). Dazu kommt, dass auch die Kosten
für eine Einbürgerung außergewöhnlich hoch sind, sie betragen zwischen EUR 2.000,-- und EUR 5.000,--. Der
europäische Trend geht dagegen in Richtung kostenfreie Staatsbürgerschaft.
Die GPA-djp fordert daher auch, dass Kinder, die in Österreich geboren werden und deren
Eltern sich schon seit mehreren Jahren legal hier aufhalten, automatisch die österreichische Staats-bürgerschaft erhalten. Zudem soll der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft wesentlich
günstiger werden. Die Wartefrist auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft soll wesentlich
verkürzt werden.
GESELLSCHAFTLICHE TEILHABE, KOMMUNALES WAHLRECHT, ZUGANG ZU SOZIAL-LEISTUNGEN
Essentielle Voraussetzung für Integration ist die gleichberechtigte Möglichkeit zur gesellschaftlichen und
politischen Teilhabe für alle Menschen, die hier leben.
Die GPA-djp fordert daher: Das aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene für alle Menschen, die legal in Österreich leben.
Das soziale Netz muss für alle Menschen, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, gleichermaßen zugänglich
sein. Das muss auch für die Sozialleistungen von Ländern und Gemeinden gelten.
7
ERLEICHTERUNGEN BEIM FAMILIENNACHZUG
Familienzusammenführung ist ein Grundrecht. Die GPA-djp fordert daher, dass Menschen, deren Familienangehörige hier leben, rasch und ohne bürokratische Hindernisse einwandern dürfen. Außerdem ein eigenständiges Aufenthaltsrecht und vollen Arbeitsmarktzugang für alle, die über eine
Familienzusammenführung nach Österreich gekommen sind.
BESSERE AUSBILDUNG FÜR JUGENDLICHE MIT MIGRATIONSHINTERGRUND
Eine ganz zentrale Rolle spielt auch der Bereich der Bildung. Nicht nur Kindern mit Migrationshintergrund,
sondern auch anderen Kindern mit sozialen oder sonstigen Benachteiligungen würde es nützen, wenn unser
Bildungssystem durchlässiger gestaltet würde.
Um die Selektion im österreichischen Bildungssystem anhand ethnischer Kriterien abzuschwächen, fordert die GPA-djp u.a.:
eine Ausweitung des verpfl ichtenden Kindergartenjahres bei rechtzeitiger Feststellung des Förderbedarfs,
mehr fi nanzielle Mittel für BegleitlehrerInnen,
Hilfe bei Sprachschwierigkeiten anstatt Sonderschule,
mehr Auswahl bei den Fremdsprachen als Pfl icht- und Freigegenstände
(zB Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Türkisch etc. als Maturafach),
fl ächendeckende Einführung einer gemeinsamen schulischen Grundausbildung in den ersten neun Jahren
für alle SchülerInnen mit individuellem Unterricht und Fördermaßnahmen,
den Ausbau qualitativ hochwertiger Ganztagsschulen und
eine stärkere Bedachtnahme auf soziale und interkulturelle Durchmischung in Schulen.
WOHNEN IST EIN GRUNDRECHT
MigrantInnen leben in schlechteren Wohnverhältnissen. Sie fi nden immer schwieriger leistbaren Wohnraum
und müssen einen überdurchschnittlich hohen Anteil ihres Einkommens für Wohnen aufwenden.
Um MigrantInnen den Zugang zu leistbaren Wohnraum zu erleichtern, fordert die GPA-djp eine Reihe von Punkten, die darauf abzielen, versteckte und offene Diskriminierungen bei der Wohnungs-
suche abzubauen.
Die Zugangsbestimmungen zu gefördertem Wohnraum sowie zu Beihilfen, wie Wohnbeihilfe oder Eigen-
mittelersatzdarlehen, sind bundesweit zu vereinheitlichen.
Zuwanderer sind über die Möglichkeiten und die fi nanziellen Voraussetzungen, geförderten Wohnraum zu
erhalten, umfassend zu informieren.
Beratende und vermittelnde Organisationen in Fragen des Zusammenlebens und bei Nachbarschafts-
konfl ikten sind auszubauen.
8
MEHR RECHTE FÜR ARBEITNEHMERINNEN OHNE LEGALEN AUFENTHALTSTITEL UND/ODER ARBEITSPAPIERE
MigrantInnen, denen auf Grund ihres Aufenthaltstatus der Zugang zum formellen Arbeitsmarkt verwehrt ist
und die deshalb im informellen Sektor tätig sind, bewegen sich in einer Grauzone der Rechtlosigkeit und der
Willkür. Das betrifft auch Personen, die einen legalen Aufenthalt, aber keine Beschäftigungsbewilligung
haben. Diese Situation ist aber nicht nur für die einzelnen ArbeitnehmerInnen bedrohlich, sie führt auch
zur Unterminierung von sozial- und kollektivvertragsrechtlichen Standards und stellt damit ein gesamtgesell-
schaftliches Problem dar.
Die GPA-djp fordert daher: Damit ArbeitnehmerInnen ohne legalen Aufenthaltstitel ihre Ansprüche auf Entgelt und Sozialversicherungsbeiträge geltend machen können, sollen sie während eines diesbezüglichen laufenden Rechtsstreits nicht abgeschoben oder ausge-wiesen werden können.
Um diesen Menschen auch Beratungen anbieten zu können, sollen mittelfristig GPA-djp MitarbeiterInnen für
Erstberatungen qualifi ziert werden.
ASYL ALS MENSCHENRECHT ABSICHERN
Im Bereich Asyl fordert die GPA-djp schließlich die Abschaffung der Schubhaft, vor allem in der
jetzigen verschärften Form, die mit der Fremdrechtsnovelle vom 1.1.2010 in Kraft getreten ist, und fordert das
Innenministerium dazu auf, eine eingehende Analyse des Fremdenrechts unter Einbeziehung von ExpertInnen
einzuleiten, als Ausgangsbasis für eine Diskussion des Reformbedarfs.
9
„Man schießt die Leute ins Out.”
Interview mit Christian-Paolo Müller (geführt von Hannah Putz)
Du engagierst dich bei work@migration, könntest du kurz erklären um was es euch dabei geht? Welche Anliegen gibt es? Erstens ist es sehr wichtig, dass es diese Interessen-
gemeinschaft gibt, denn es hat sich das Klima
innerhalb der österreichischen Gesellschaft sehr
verschlechtert. Es ist gesellschaftsfähig geworden,
ausländerfeindlich zu sein.
Österreich ist da bestimmt in keiner guten Position
und aus diesem Grund gibt es work@migration.
Leute mit Migrationshintergrund – das höre ich
mittlerweile schon gar nicht mehr so gerne – sollen
ein Sprachrohr für ihre Probleme fi nden, darin sehe
ich die Aufgabe für work@migration. Aber auch
die Vernetzung und natürlich die Unterstützung,
besonders von der GPA-djp und dem ÖGB, für unsere Anträge, Anliegen und Vorstellungen sind von enormer
Bedeutung.
Welche Funktionen nehmt ihr in der GPA-djp wahr? Wir sind ein Sprachrohr, wir zeigen Probleme auf, bieten Lösungen an und bringen diese auch vor. Darin sehe
ich die wichtigste Aufgabe.
Welche Probleme sind das im Allgemeinen? Probleme am Arbeitsplatz, am Arbeitsmarkt, in der Wahrnehmung der Gesellschaft. Bildung ist ein großes
Problem, es gibt einen Missstand bei den Bildungseinrichtungen, sogar Wohnraumbeschaffung ist ein Problem.
Es gibt kaum irgendwelche Felder des täglichen Lebens, mit denen wir uns nicht zu befassen haben. Das klingt
zwar sehr düster, aber es ist leider so.
Das heißt es geht auch stark um alltägliche Diskriminierung ... ... ja, und das in allen Lebensbereichen. Ich habe das Glück, davon nicht so betroffen zu sein, aber denken
wir an die Staatsbürgerschaft. Es gibt in Österreich kein Recht der Geburt. Daraus ergibt sich folgende
Problematik, die ich in einem Beispiel aufzeigen will. Ich habe eine Freundin, die 30 Jahre in Österreich lebt,
sie ist Tochter eines Afrikaners und einer Tschechin. Die Eltern haben sich nicht so sehr um die Staatsbürger-
schaft bemüht und man wollte die Frau nach 30 Jahren ausweisen! Sie ist hier aufgewachsen, spricht Deutsch
und ist leider Ihrer „Muttersprache" nicht mächtig. Man muss die deutsche Sprache lernen, das ist richtig, das
hat aber nichts mit der Wahrnehmung der Leute zu tun. Auch der Kontakt mit Behörden, neben Wohnungs-
und Arbeitsbeschaffung sind ein Problem. Ich bin österreichischer Staatsbürger und auch ich bin in der Wahr-
nehmung der Gesellschaft, obwohl ich hier meinen Lebensmittelpunkt habe, ob meines Aussehens kein
richtiger „g´standener“ Österreicher.
10
Man versucht auch immer die Ausländer zu trennen: Fußballspieler, Diplomaten und Künstler sind natürlich
die „guten“ Ausländer. Die Deutschen sind überhaupt keine Ausländer. Die Personen, die ihre tägliche Arbeit
an der Baustelle verrichten, im Krankenhaus – ohne Ausländer würde auch unser Gesundheitssystem nicht
funktionieren – in der Fabrik usw., das sind die „schlechten“ Ausländer. Bestimmt auch ein soziales Problem.
Was ärgert dich diesbezüglich am meisten an den geführten Debatten in den österreichischen Medien? Am meisten ärgert mich, dass sich die Medien Themen bedienen, die sehr negativ bewertet werden von
bestimmten Leuten und dazu genutzt werden, Stimmung zu machen. Das zeigt natürlich schon auch ein Bild der
Gesellschaft, denn populistisch kann ja nur das sein, was in der breiten Masse schon auch eine Zustimmung
fi ndet. Es gibt relativ wenig Aufklärung, man hat sehr wenig darüber gesprochen. Denn wenn es irgendwo ein
kriminelles Problem gibt, ist es doch kein Integrationsproblem, und das wird leider ziemlich ausgeschlachtet.
Wo siehst du Anknüpfungspunkte für Veränderungen diesbezüglich? Aufklärung wird wahrscheinlich das Um und Auf sein, ohne Aufklärung wird es nicht möglich sein, die
Wahrnehmung der Leute zu verändern. Immer weiterarbeiten, Aktionstage organisieren, auf uns und auf die
Problematik der Nichtgleichbehandlung aufmerksam machen, wobei ich mir dessen bewusst bin, dass
sich nicht 100% der Leute dafür interessieren. Aber es wird doch einige geben, die zumindest darüber
nachdenken.
Welche Forderungen des Migrationsleitantrags der GPA-djp fi ndest du dringend notwendig? Dringend notwendig ist es, dass man das Bildungsangebot verbessert. Das Erlernen der deutschen Sprache
ist aber nicht das einzige Manko, dass es im Bildungsangebot gibt. Bildung ist leider kein Garant für eine
Beschäftigung! Da muss sich die Politik und die Gewerkschaft mehr ins Zeug legen, dass hier etwas passiert.
Man muss auch innerhalb der Gewerkschaft manchmal ein bisschen mehr auf uns aufmerksam machen, weil
auch da gibt es manchmal entbehrliche Zurufe.
Liegt es deiner Meinung nach am fehlenden Interesse, wollen sich die Menschen damit nicht auseinandersetzen? Es ist schon zum Teil fehlendes Interesse, aber nicht nur, es gibt vor allem auch innerhalb der Gewerkschaft
Aussagen, die nichts mit fehlendem Interesse zu tun haben.
Das heißt, dass es innerhalb der Gewerkschaft Aufholbedarf gibt? Viel mehr Aufholbedarf, viel mehr Aufklärung! Auch innerhalb der Gewerkschaft sind nur wenige Funktionäre
in höheren Positionen, die einen Migrationshintergrund haben.
Um Forderungen auch politisch umzusetzen, muss es innerhalb der Gewerkschaft mehr Sensibilisierung geben ... ... es soll vielleicht auch ein bisschen mehr Bedeutung bekommen. Also die Forderungen gibt es ja, es ist ja
nicht so, dass man darüber nicht Bescheid weiß. Vielleicht muss man die mit ein bisschen mehr Nachdruck
einfordern, weil eine Lobby haben wir in den Gremien nicht.
Darin besteht natürlich auch eine Aufgabe von work@migration, dass man sich vernetzt, dass man eine Lobby
bildet.
11
Nochmal zu den Forderungen im Migrationsleitantrag ... ... neben den Forderungen zur Qualifi kationsanerkennung, Doppelstaatsbürgerschaft und Familien-
nachzug wird auch die Öffnung des Arbeitsmarktes sehr wichtig sein, weil man auch mit dem Verwehren von
Beschäftigung die Leute ins Out schießt. Es gibt eigentlich nichts, wo nicht Nachholbedarf besteht. Man wird
mit den Forderungen, die man anbringt, auch aussieben müssen, welche dann die wichtigsten sind. Aber in
Wirklichkeit gibt es kein Thema das uns nicht auch betrifft.
Was würdest du jemanden entgegnen, der andere Menschen auf Grund von Herkunft, Sprache, Hautfarbe etc. diskriminiert? Wie würdest du reagieren, privat oder berufl ich? Zu dieser Haltung würde mir nicht viel einfallen, da gibt es für mich einfach Null Toleranz. Aber da sind wir
dann wieder bei dem Thema Aufklärungsarbeit.
Tauschen wir doch Ausländerangst mit Aufklärung und Integrationsprobleme mit Chancengleichheit!
Vielen Dank für das Gespräch!
12
Alltagsrassismus in Österreich
Lucia Bauer, GPA-djp Büro des Vorsitzenden
706 rassistische Vorfälle in ganz Österreich wurden 2011 von der Antirassismusorganisation ZARA2
dokumentiert3 . Rassismus beeinträchtigt nahezu alle Lebensbereiche von Personen, die eine andere ethische
Herkunft, Hautfarbe oder Sprache haben als die Mehrheitsgesellschaft. Rassismus ist kein Kavaliersdelikt,
sondern macht den Betroffenen, im wahrsten Sinne des Wortes, das Leben schwer, behindert bei Arbeitsplatz-
und Wohnungssuche und manchmal sogar beim Einkaufen oder bei einem Lokalbesuch.
Da es keine offi zielle und umfassende Dokumentation und Erfassung rassistischer Zwischenfälle in Österreich
gibt, kann man davon ausgehen, dass die von ZARA dokumentierten Fälle nur eine kleine Auswahl
bilden. Trotzdem liefern sie ein gutes Bild darüber ab, was Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich
manchmal zugemutet wird:
Ein Mann aus Kamerun wird an einer Wiener Tankstelle von 2 Männern zusammengeschlagen und schwer
verletzt. Die Kassierin weigert sich die Polizei zu rufen. Pöbeleien in der Straßenbahn, eine versuchte Brand-
stiftung in einem türkisch-islamischen Gebetshaus in Kufstein. Ein rassistisch motivierter Mord an einem Rumänen
in Traun und versuchter Mord an dessen Familie. Einem Mann gambischer Herkunft mit österreichischer Staats-
bürgerschaft wird die Familienbeihilfe für seine Tochter nur befristet gewährt, weil laut Finanzamt der Verdacht
missbräuchlicher Verwendung bestehe. Frauen mit Kopftuch schlägt bei der Arbeitssuche offene Ablehnung
entgegen, mit Kopftuch könne man nicht arbeiten. Menschen mit dunkler Hautfarbe werden in Restaurants
nicht bedient und in Lokale mit Türsteher erst gar nicht eingelassen. Einer Frau aus Chile wird die Eröffnung
eines Kontos verweigert, weil man sie für eine Sexarbeiterin hält. Wohnungs- und Stellengesuche bestehen
auf „Inländer“ und auch im Internet und auf Social Media Plattformen häufen sich laut ZARA die rassistischen
Vorfälle.
Besonders hartnäckig sind Kettenmails, die oft jahrelang immer wieder weiter geschickt werden und so zur
Legendenbildung rund um angebliche privilegierte MigrantInnen beitragen. Nicht tot zu bekommen ist
etwa ein seit 2009 kursierendes Kettenmail, in dem behauptet wird, es gäbe zahllose RumänInnen und
BulgarInnen, die nicht in Österreich wohnen würden, aber hier Ausgleichszulage bezögen.
Die Wahrheit ist, dass die österreichische Pensionsversicherung hier äußerst streng und genau vorgeht und
Ausgleichzulagenbezieher auch wiederholt kontrolliert. Zudem stehen etwas mehr als 800 EU-BürgerInnen,
die hier leben und eine österreichische Ausgleichszulage beziehen alleine 1.300 ÖsterreicherInnen gegen-
über die eine schweizerische Ausgleichzulage beziehen und ähnliches gilt auch für AuslandsösterreicherInnen
in anderen europäischen Staaten. Offi zielle Klarstellungen von Pensionsversicherung und Sozialministerium,
die ebenfalls in Umlauf geschickt werden, können den rassistischen Mythos vom ausländischen Sozial-
schmarotzer jedoch nicht durchbrechen.
2 Zivilcourage- und Antirassismusarbeit3 Rassismus Report 2011. Einzelfallbericht über rassistische Übergriffe und Strukturen in Österreich
13
WAS IST EIGENTLICH RASSISMUS?
Rassismus ist eine Ideologie, die menschliche Eigenschaften auf die Zugehörigkeit zu einer biologistisch
begründeten „Rasse“ zurückführt. Menschen mit rassistischen Vorurteilen diskriminieren andere aufgrund
dieser Zuordnung. In seiner institutionalisierten Form bewirkt Rassismus, dass bestimmten Gruppen Vorteile und
Leistungen verweigert werden, während andere Gruppen privilegiert werden. Mit rassistischen Theorien und
Argumentationsmustern lassen sich Menschen für unterschiedliche politische Ziele mobilisieren.
ALLTAGSRASSISMUS
Die von ZARA dokumentierten Vorfälle aus dem Alltagsleben beruhen aber meist
nicht auf einer ausgefeilten Ideologie, sondern sind Folge eines weit verbreiteten
Alltagsrassismus, der alle Menschen, die sich in Hautfarbe, Sprache oder
Religion von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden als „Ausländer“ wahr-
nimmt und zwar unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Typisch für den, auch
in einigen Medien verbreiteten, Alltagsrassismus in Österreich ist, dass den „Ausländern“ bestimmte stereotype
Eigenschaften zugeschrieben werden: Sie werden als laut, unzivilisiert, faul oder kriminell bezeichnet. Auch
das klassische „Ausländerdeutsch reden“ ist die Folge eines solchen Stereotyps, das davon ausgeht, dass
MigrantInnen grundsätzlich nicht deutsch verstehen.
Besonders viele Stereotype werden MuslimInnen zugeordnet. Sie werden oft pauschal als Gefahr für die öster-
reichische Gesellschaft betrachtet. Die Folgen dieser rassistischen Anfeindungen und Ausgrenzung sind für die
Betroffenen zum Teil gravierend. Sie führen dazu, dass viele MigrantInnen sich in ihre eigenen Communities
zurück ziehen. Sie bewirken konkrete Benachteiligungen am Wohnungsmarkt und im Bildungsbereich, wenn
Kinder von MigrantInnen aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse zu wenig gefördert werden und sich
soziale Unterschiede auch in die 2. und 3. Generation fortsetzen. Auch im Arbeitsleben bewirken nicht zuletzt
rassistische Vorurteile, das viele MigrantInnen – trotz guter Qualifi kationen – in schlecht bezahlten und minder-
qualifi zierten Jobs arbeiten müssen.
RASSISMUS AM ARBEITSPLATZ
Rassisitisches Verhalten beginnt auch nicht erst dort, wo offen gepöbelt oder Gewalt ausgeübt wird.
Rassistisches und fremdenfeindliches Verhalten ist Teil unseres Alltagslebens und begegnet uns in allen Lebens-
bereichen, mit der Konsequenz, dass wir uns schließlich daran gewöhnt haben. Wir neigen dazu, rassistische
Bemerkungen von KollegInnen nicht mehr bewusst wahrzunehmen. Rassistisches Verhalten am Arbeitsplatz
und daraus resultierende Diskriminierungen werden daher auch nur selten bewusst angesprochen.
MigrantInnen selbst erleben die mehr oder weniger unterschwelligen Anfeindungen dagegen oft bewusst,
haben aber Hemmungen sie zur Sprache zu bringen. Viele fürchten sich vor möglichen Problemen oder haben
resigniert, weil sie das Gefühl haben, dass Gegenwehr ohnehin nichts bringt. Ungleichbehandlung wird auf
diese Weise leicht zur Normalität sowohl für In- als auch für AusländerInnen.
14
Neben den formalen Regeln, die das betriebliche Zusammensein regeln, hat jeder Betrieb auch eine Reihe
informeller Regeln. Diesem „heimlichen“ Gesetzbuch kommt oft eine sehr große Bedeutung zu. Es regelt
Pausenverhalten, Begrüßungen und innerbetrieblichen Aufstieg. „Normal“ ist in diesem Sinne, was im Betrieb
üblich ist und wer neu dazu kommt, muss die Regeln erlernen. Diskriminierendes Verhalten, das Bestandteil
dieses inoffi ziellen Regelwerks ist, lässt sich daher besonders schwer bekämpfen.
Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat als weiteren Grund für betriebliche Benachteiligungen
von MigrantInnen festgestellt, dass diese oft durch das „Leistungsprinzip“ begründet und Ungerechtigkeiten so
scheinbar objektiv begründbar werden: MigrantInnen verdienen weniger und machen weniger qualifi zierte
Arbeit, weil sie weniger gut Deutsch können und weniger Qualifi kationen haben und weniger leisten. So
wird Diskriminierung nicht nur schweigend akzeptiert sondern auch erfolgreich umgedeutet zu einem sachlich
argumentierbaren Unterschied.
STRUKTURELLER RASSISMUS
Rassismus besteht jedoch nicht nur aus einzelnen Vorfällen in Betrieb oder Alltagsleben, sondern tritt auch in
struktureller Form auf. Als strukturellen Rassismus kann man Gesetze bezeichnen, die Menschen aufgrund ihrer
Herkunft politische oder soziale Rechte verweigern. Dass die sogenannten Ausländergesetze in Österreich in
den vergangenen Jahren immer wieder verschärft wurden, trägt ganz wesentlich dazu bei, dass der soziale
Aufstieg von MigrantInnen oft schon im Keim erstickt wird.
Auf Ebene der betrieblichen Mitbestimmung zeigt sich das Problem der strukturellen Benachteiligung nicht
zuletzt beim passiven Wahlrecht zum Betriebsrat/zur Betriebsrätin. Zwar dürfen in Österreich seit 2006
neben EU- und EWR-BürgerInnen auch Menschen aus Ländern, die mit der EU ein Assoziierungsabkommen
abgeschlossen haben, wie etwa die Türkei, zum Betriebsrat kandidieren, alle anderen bleiben aber auch
weiterhin von der Mitarbeit im Betriebsrat ausgeschlossen. Von der GPA-djp seit langem gefordert, ging dieser
Gesetzesänderung ein langer Kampf voraus. Letztlich war dieser wichtige Schritt für mehr Gleichberechtigung
im Betrieb allerdings weniger der Einsicht der politischen EntscheidungsträgerInnen als mehr einem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2004 zu verdanken.
RASSISMUS IM BETRIEB BEKÄMPFEN
Gegen rassistisches und diskriminierendes Verhalten im Betrieb gibt es zwar kein allgemein gültiges
Rezept, jedoch eine Reihe von einfachen Maßnahmen, die sich in der Praxis bewährt haben und daher zu
Nachahmung empfohlen werden können:
Zentrale Voraussetzung für alle weiteren Maßnahmen ist, dass sich der Betriebsrat klar und öffentlich
gegen Rassismus positioniert und die Beschäftigten bestärkt, Diskriminierungen nicht einfach hinzunehmen,
sondern zu melden.
15Kolumnentitel
Als sinnvoll hat es sich auch erwiesen, die Personalpolitik des Betriebes (Einstellungen, Versetzungen,
Beförderungen,…) gezielt auf strukturelle Benachteiligungen von MigrantInnen zu untersuchen. Auch wenn
auf den ersten Blick alles korrekt aussieht, kann eine genaue Überprüfung noch Überraschungen bringen.
Entscheidend für eine Antirassismuspolitik im Betrieb, kann es auch sein, alltägliche rassistische oder
diskriminierende Bemerkungen zu dokumentieren. Dazu kann ein eigenes Beschwerdebuch angelegt
werden, aber auch die Betriebsratszeitung bzw. der Betriebsratsblog genutzt werden und/oder regelmäßig
ein Gleichstellungsbericht erstellt werden. So lässt sich verhindern, dass Alltagsrassismus im Betrieb als
„normal“ angesehen wird.
In großen Betrieben kann auch eine Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Rassismus im Betrieb
und/oder den Einsatz von Konfl iktlotsInnen sinnvoll sein.
DAS GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ
Neben den Maßnahmen, die auf betrieblicher Ebene gesetzt werden können, bietet seit 2004 auch das
Gleichstellungsgesetz Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt. Der im Gesetz festgeschriebene Schutz
vor Diskriminierung in der Arbeitswelt gilt bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, der Festsetzung des
Entgeltes (Lohn/Gehalt, Zulagen, Zuschläge etc.), der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, bei Maß-
nahmen der Aus- und Weiterbildung, bei Beförderungen und berufl ichem Aufstieg, bei Benachteiligung bei
sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus richtet sich
das Gleichbehandlungsgesetz auch gegen Diskriminierung in der sonstigen Arbeitswelt. Das betrifft unter
anderem Angebote des Arbeitsmarktservice sowie privater Bildungseinrichtungen (zB BFI, WIFI).
Menschen, die sich diskriminiert fühlen, haben verschiedene Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. In
jedem Fall ist es wichtig festzuhalten, wer was wann gesagt oder getan hat. Vor allem dann, wenn es nötig
ist, vor Gericht zu gehen. Am besten ist es in diesem Fall, ein Tagebuch zu führen. Opfer von Diskriminierung
können sich entweder an das Gericht wenden und dort Schadenersatz fordern, mit ihrem Fall zur eigens
eingerichteten Gleichbehandlungskommission gehen oder auch beide Wege gleichzeitig einschlagen. Da es
für Betroffene oft schwierig ist, Vorfälle zu beweisen, reicht es aus, dass sie das Vorliegen einer Belästigung
und/oder Diskriminierung vor Gericht glaubhaft machen. Die beklagte Partei muss den Vorwurf der
Diskriminierung widerlegen.
Alle diese Möglichkeiten können dazu beitragen, gegen Rassismus und Diskriminierung im Betrieb vorzugehen
und dadurch letztlich auch das Klima zwischen in- und ausländischen KollegInnen zu verbessern. Klar ist
aber auch: Bei der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung am Arbeitsplatz sind alle gefragt, Arbeit-
nehmerInnen, ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften – sie sind gefordert, rassistische Vorfälle ernst zu
nehmen, anzusprechen und ihnen so den Nährboden zu entziehen.
Wichtige Anregungen, wie Diskriminierung im Betrieb möglichst vermieden werden, und wie, wenn es doch
dazu kommt, damit umgegangen werden kann, bietet auch eine Broschüre des ÖGB: „Leitfaden gegen
Diskriminierung“ (zu fi nden unter: www.oegb.at/antidiskriminierung) siehe diesbzgl. auch das AK/VÖGB-
Skriptum „PGA-9 Rassismus im Betrieb“ (zu fi nden unter www.voegb.at)
16 Kolumnentitel
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz
RESÜMEE EIN JAHR NACH DEM AUSLAUFEN DER ÜBERGANGSFRISTEN
Walter Gagawczuk, Arbeiterkammer Wien
DIE ARBEITSMARKTÖFFNUNG – EIN BLICK ZURÜCK
Im Jahr 2004 sind 10 Staaten der Europäischen Union beigetreten. Für 8 dieser Staaten wurden in den
Beitrittsverträgen Übergangsfristen am Arbeitsmarkt vereinbart. Dabei handelt es sich um die Länder Estland,
Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Die Übergangsfristen bedeuteten, dass
für die Beschäftigung von Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen aus diesen Staaten weiterhin Beschränkungen
aufrechterhalten werden konnten. Österreich hat diese Möglichkeit auch bis Ende April 2011 in Anspruch
genommen. Danach musste unabhängig von der Situation am Arbeitsmarkt entsprechend den Beitrittsverträgen
volle Freizügigkeit am Arbeitsmarkt gewährt werden.
In der Übergangszeit von sieben Jahren wurden insbesondere auf Drängen von Arbeiterkammer, ÖGB und
Gewerkschaften Maßnahmen getroffen, um den österreichischen Arbeitsmarkt auf die neue Situation vorzu-
bereiten. Die Lohnunterschiede mit den neuen Mitgliedsländern waren bzw. sind nach wie vor sehr hoch und
die geografi schen Entfernungen sind relativ gering. Es war daher davon auszugehen, dass im Falle eines
starken Zustroms von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nach Österreich die Konkurrenz auf dem Arbeits-
markt steigen würde. Dies vor allem im Bereich der niedrigen Qualifi kationsstufen. Dort ist naturgemäß auch
die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes am höchsten und die Löhne und Gehälter am niedrigsten.
In den Jahren vor 2011 konnte nun vor allem durch den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik, also
insbesondere durch Schulungsmaßnahmen, die Unterstützungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen ausgebaut werden. Durch die Facharbeiterverordnung kam es zu einem dosierten, auf die
Arbeitsmarktsituation abgestimmten Arbeitsmarktzugang von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedsländern
und die Reduktion der Saisonnierkontingente hatte zum
Ziel in den Bereichen Gastgewerbe und Landwirtschaft
Verdrängungseffekte und Lohnkonkurrenz zu vermeiden.
Als wichtigstes Instrumentarium zur Vorbereitung auf die
Arbeitsmarktöffnung wurde aber das Lohn- und Sozial-
dumping-Bekämpfungsgesetz angesehen. Dieses soll vor
allem in Hinblick auf das große Lohngefälle zu den neuen
Beitrittsländern ein Unterbieten unter dem Kollektivvertrag
verhindern.
17Kolumnentitel
DAS LOHN- UND SOZIALDUMPING-BEKÄMPFUNGSGESETZ
Auf Grund des großen Lohngefälles gibt es im Prinzip einen starken Anreiz für Unternehmen durch den Einsatz
von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aus den neuen Mitgliedsländern zu „günstigen“ Löhnen ihre
Leistungen billiger anbieten zu können und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die
Einhaltung inländischer kollektivvertraglicher Mindestlöhne ist zwar vorgesehen, aber vor in Kraft treten des
Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes war es grundsätzlich nur möglich eine allfällige Differenz
zwischen tatsächlich erfolgter und kollektivvertraglich vorgeschriebener Entlohnung zivilrechtlich über Gerichte
einzuklagen. In der Praxis ist dies aber kaum je erfolgt.
Meist bekommen die ArbeitnehmerInnen für die Auslandseinsätze mehr als in ihrem Herkunftsland und der
Anreiz, die Differenz einzufordern ist kaum gegeben. Auch müssen ArbeitnehmerInnen damit rechnen, dass
sie nach Einbringung der Klage nicht mehr weiter beschäftigt werden. Insbesondere bei kurzfristig entsandten
oder grenzüberschreitend überlassenen ArbeitnehmerInnen hat die Erfahrung gezeigt, dass die bloße
Möglichkeit, die Ansprüche selbst geltend zu machen, nicht zur Durchsetzung geeignet ist. Auch ist das
Risiko des/der Arbeitgeber(s)in sehr gering. Schlimmstenfalls muss er ja nur das zahlen, was er sowieso zahlen
müsste. Seit Jahren haben Gewerkschaften und Arbeiterkammern daher in Österreich eine behördliche Entgelt-
kontrolle mit Sanktionen bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Löhne und Gehälter gefordert.
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sieht derartiges nun seit Mai 2011 vor. Die Höhe der
Sanktionen orientiert sich dabei am Ausländerbeschäftigungsgesetz. Der Strafrahmen liegt zwischen
EUR 1.000,-- und EUR 10.000,-- pro ArbeitnehmerIn. Bei Lohndumping in Bezug auf mehr als drei Arbeit-
nehmerInnen erhöht sich der Strafrahmen pro ArbeitnehmerIn automatisch. Er liegt dann zwischen
EUR 2.000,-- und EUR 20.000,-- pro ArbeitnehmerIn und im Wiederholungsfall zwischen EUR 4.000,-- und
EUR 50.000,--. Würde etwa eine Baufi rma damit spekulieren, sich durch unterkollektivvertragliche Löhne einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen und es wird auf der Baustelle Lohndumping in
Bezug auf 5 ArbeitnehmerInnen festgestellt, so wäre die Mindeststrafe EUR 10.000,-- (EUR 2.000,-- x 5) bzw.
der Strafrahmen wäre EUR 10.000,-- bis EUR 100.000,--. Im Wiederholungsfall wäre die Mindeststrafe dann
EUR 20.000,-- und der Strafrahmen EUR 20.000,-- bis EUR 250.000,--. Auch müsste der/die ArbeitgeberIn
mit dem Entzug der Gewerbeberechtigung oder – im Fall eines/r ausländischen Arbeitgeber(s)in – mit der
Untersagung der Tätigkeit in Österreich für zumindest ein Jahr rechnen.
Keine Sanktion erfolgt u.U., wenn eine geringe Unterschreitung des kollektivvertraglich vorgeschriebenen
Mindestlohnes bzw. ein geringes Verschulden des/der Arbeitgeber(s)in vorliegt. Die Umstände, die dafür
hinzutreten müssen sind, dass es sich um das erste Mal handelt und der/die ArbeitgeberIn dem/der Arbeit-
nehmerIn den gebührenden Lohn nachzahlt. Dahinter steht der Gedanke, dass in solchen Fällen der unter-
kollektivvertraglichen Bezahlung nicht das Erzielen eines Wettbewerbsvorteils ausschlaggebend war. Aus-
drücklich hervorgehoben hat der Gesetzgeber auch, dass eine Nachzahlung des gebührenden Entgelts an
den/die ArbeitnehmerIn jedenfalls bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen ist. Damit wird ein
klarer Anreiz an den/die ArbeitgeberIn zur Nachzahlung gegeben.
18 Kolumnentitel
ERSTE UMSETZUNGSSCHRITTE
Verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass für die Vollziehung des Lohn- und Sozialdumping-
Bekämpfungsgesetzes verschiedene Behörden zuständig sind. Konkret sind dies die Finanzpolizei, das bei
der Wiener Gebietskrankenkasse eingerichtete Kompetenzzentrum, die Gebietskrankenkassen der jeweiligen
Bundesländer, die Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse und die Bezirksverwaltungsbehörden. Die
Vollziehung war daher in mehrfacher Hinsicht gefordert. Es ging nicht bloß um ein neues Gesetz, sondern
darüber hinaus war eine gute Koordination dieser Behörden notwendig. Auch handelt es sich oft um Verfahren
mit Auslandsbezug. Ein Umstand, der die Abläufe meist schwieriger und aufwändiger macht und sie mit
zusätzlichem Risiko behaftet. Weiters ist für die Finanzpolizei und die Bezirksverwaltungsbehörden die Lohn-
kontrolle und daher die damit im Zusammenhang stehende notwendige Kenntnis über das Kollektivvertrags-
wesen ein Novum.
Die Behörden hatten zudem wenig Zeit sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Es war zwar seit längerem
bekannt, dass ein entsprechendes Gesetz verhandelt wird, die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgte
jedoch erst am 28.4.2011 und selbst für Insider war der endgültige Inhalt des Lohn- und Sozialdumping-
Bekämpfungsgesetzes erst kurze Zeit vorher bekannt. Es waren daher sehr kurzfristig Schulungen und
Koordinationstreffen der involvierten Behörden auf verschiedenen Ebenen und in den Bundesländern
erforderlich. Dies erfolgte auch. Ein – soweit überblickbar – auf Grund des großen zeitlichen Drucks wenig
koordiniertes, aber trotzdem konzertiertes Zusammenspiel von BMASK, Interessenvertretungen und sonstigen
Einrichtungen ermöglichte es innerhalb weniger Wochen die involvierten Behörden und sonstigen Akteure
über die Inhalte des neuen Gesetzes zu informieren und zu schulen, sowie eine Struktur für die notwendige
Koordination und Kooperation aufzubauen.
Dies war aber nur der erste Schritt. Koordination und Kooperation muss gelebt und gepfl egt werden. Es war
der AK und den Gewerkschaften daher ein besonderes Anliegen, dass hier nachhaltig eine Art Monitoring
stattfi ndet. Zudem ist es notwendig allfällige Schwierigkeiten bei der Vollziehung rasch zu erkennen um darauf
entsprechend reagieren zu können. Auch hier kann man vom gegenwärtigen Standpunkt aus zufrieden sein.
Es erfolgen regelmäßige Treffen der Behörden zwecks Erfahrungsaustausch, Kooperation und Koordination.
Zudem soll – so ausdrücklich die Erläuterungen zum Gesetz – zwei Jahre nach in Kraft treten des Lohn- und
Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes dessen Wirksamkeit überprüft werden.
Sehr bald hat sich gezeigt, dass das neue Gesetz nicht nur bei den zuständigen Behörden auf großes Interesse
gestoßen ist, sondern insbesondere auch bei den unmittelbar und mittelbar Betroffenen. Im Bereich der AN und
insbesondere deren Vertreter und Vertreterinnen war diesbezüglich eine vom BMASK in Zusammenarbeit mit
ÖGB Verlag, Gewerkschaften und Arbeiterkammern organisierte Veranstaltungsreihe im Mai und Juni 2011
sehr erfolgreich. In Linz, Graz, Salzburg und Wien wurden GewerkschaftsvertreterInnen und BetriebsrätInnen
zu Fragen der Arbeitsmarktöffnung nicht bloß mittels Vorträgen etc. informiert, sondern es wurde auch die
Möglichkeit geboten, Fragen und konkrete Problemstelllungen einzubringen, die in Workshops bearbeitet
wurden. An diesen Veranstaltungen haben insgesamt 945 Personen teilgenommen. Näheres dazu unter
http://www.arbeitsmarktoeffnung.at
19Kolumnentitel
Auch auf ArbeitgeberInnenseite erfolgten Veranstaltungen und schriftliche Informationen, sodass das Lohn- und
Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz innerhalb kurzer Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad hatte. Aber nicht nur
innerhalb Österreichs, auch in den Nachbarländern war schnell bekannt, dass Unternehmen bei Lohndumping
in Österreich empfi ndliche Strafen drohen können.
Eine Art Höhepunkt in diesem Zusammenhang war ein Artikel in einer slowakischen Zeitung, in dem der
slowakische Wirtschaftsminister scharfen Protest gegen die seiner Ansicht nach diskriminierenden neuen
Bestimmungen in Österreich übte, die im Widerspruch zu den Regeln der Union stehen. Der Umstand, dass die
EU-Entsenderichtlinie seit vielen Jahren das Prinzip „gleicher Lohn am gleichen Ort“ vorsieht und die Mitglied-
staaten dazu verpfl ichtet wirksame Maßnahmen dazu zu treffen, wurde dabei vom slowakischen Wirtschafts-
minister offenbar „übersehen“.
VORLÄUFIGES RESÜMEE
Der große Bekanntheitsgrad und die Aufregung, die das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in
den ersten Wochen verursachte, weisen auf eine große generalpräventive Wirkung hin. Diese wird auch von
vielen Insidern bestätigt. Der Anreiz für viele ausländische Unternehmen mit Billiglöhnen am österreichischen
Arbeitsmarkt gute Geschäfte zu machen, wurde wesentlich gebremst.
Dennoch musste von den Kontrollbehörden in vielen Fällen Lohndumping festgestellt werden. Im ersten halben
Jahr nach In Kraft treten des Gesetzes traten allein durch die die Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungs-
kasse bei der Überprüfung von 2.310 Baufi rmen 181 Verdachtsfälle auf. Die Quote bei den ausländischen
Firmen ist dabei wesentlich höher als bei den inländischen. In Salzburg etwa gab es bei der Überprüfung von
309 inländischen Unternehmen 21 Verdachtsfälle, bei der Überprüfung von 68 ausländischen Betrieben in
31 Fällen einen Verdacht auf Unterentlohnung.
Lohn- und Sozialdumping kann also nicht völlig unterbunden werden. Dies war aber auch nicht zu erwarten.
Um seriös beurteilen zu können, wie gut das neue Gesetz wirkt und welche Verbesserungen erforderlich sind,
sind aber noch weitere Erfahrungswerte notwendig. Prinzipielle Schwachpunkte des Gesetzes waren aber
bereits von Beginn an absehbar. Vor allem der Umstand, dass nur die Kontrolle des Grundlohns vorgesehen
ist, ist problematisch. Ob die nach dem einschlägigen Kollektivvertrag gebührenden Zulagen und Zuschläge
gewährt werden, wird von den Kontrollbehörden nicht geprüft. Diese bilden aber oftmals gerade im Bau-
bereich einen nicht unwesentlichen Teil des Lohns.
Ein brisanter Diskussionspunkt war auch die Frage, wie viele Personen auf den österreichischen Arbeitsmarkt
nach Auslaufen der Übergangsfristen kommen werden. Das WIFO hat vor dem Mai 2011 eine Zahl von
25.000 für das erste Jahr prognostiziert. Damit dürfte man nicht allzu weit von der Realität entfernt gewesen
sein. Das BMASK hat nämlich Anfang 2012 bekannt gegeben, dass auf Grund der Arbeitsmarktöffnung
vom Mai bis November 2011 etwas über 22.000 zusätzliche unselbstständig Beschäftigte aus den neuen
Mitgliedsländern auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu verzeichnen sind.
20 Kolumnentitel
Auffällig war dabei der hohe Anteil an Personen, der sich in Österreich nicht niedergelassen hat, sondern
regelmäßig über die Grenze pendelt. Nicht überraschend waren die hauptsächlich betroffenen Branchen,
nämlich Bau und Tourismus und der Umstand, dass der Schwerpunkt der neu Beschäftigten im Osten
Österreichs liegt.
FAZIT: Die Inanspruchnahme der Übergangsfristen mit den neuen Mitgliedstaaten und die Nutzung dieser
Fristen zur Vorbereitung auf die Öffnung des Arbeitsmarktes sowie dessen schrittweise Öffnung waren überaus
sinnvoll.
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz spielte bzw. spielt dabei eine wesentliche Rolle. Es
konnten bislang negative Entwicklungen am Arbeitsmarkt, wie insbesondere Verdrängungseffekte, unfaire
Wettbewerbsbedingungen und Lohndumping weitgehend hintangehalten werden. Es ist aber erforderlich die
weitere Entwicklung aktiv zu beobachten, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu treffen.
21Kolumnentitel
Erste Erfahrungen mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz
Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse
Am 1. Mai 2012 feierte das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDB-G), das ein Jahr zuvor –
nach Ablauf der Übergangsbestimmungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit – erlassen wurde, sein einjähriges
Bestehen. Ziel der Strafbestimmungen des LSDB-G war von Beginn an die Sicherstellung des von Gesetz,
Verordnung oder Kollektivvertrag aus zustehenden Mindestentgelts der in Österreich beschäftigten Arbeit-
nehmerInnen.
Damit hat Österreich konsequent einen Weg weiterbeschritten, der bereits 1996 durch die Entsende-Richtlinie
der Europäischen Gemeinschaft eingeschlagen wurde. Aufgrund dieser Richtlinie, die in Österreich durch das
Arbeitsvertragsrecht-Anpassungsgesetz (AVRAG) umgesetzt wurde, haben ausländische Unternehmen den in
Österreich gewöhnlich beschäftigten bzw. den nach Österreich entsandten bzw. überlassenen ArbeitnehmerInnen
das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte bzw. kollektivvertragliche Entgelt zu zahlen.
Während also das AVRAG die Verpfl ichtung den jeweiligen Kollektivvertragslohn zu zahlen regelt, verpfl ichtet
das LSDB-G die ausländischen Arbeitgeber zur Bereithaltung jener Unterlagen, die zur Überprüfung, ob das
bezahlte Entgelt den österreichischen Rechtsvorschriften entspricht, notwendig sind.
Die Unterlagen sind prinzipiell am Arbeitsort und in deutscher Sprache für die gesamte Dauer der
Beschäftigung bereit zu halten. Sollte das unzumutbar sein, müssen sie jedenfalls im Inland so bereitgehalten
werden, dass sie auf Verlangen der Abgabebehörde (Finanzpolizei, Bauarbeiter-Urlaubs- bzw. Abfertigungs-
kasse) innerhalb von 24 Stunden übermittelt werden können. Laut den Erläuterungen zum LSDB-G sind die
erforderlichen Lohnunterlagen, die bereitgehalten werden müssen der Arbeitsvertrag/Dienstzettel, Arbeitszeit-
aufzeichnungen und Lohnaufzeichnungen oder Lohnzahlungsnachweise des Arbeitgebers.
Darüber hinaus besteht die Verpfl ichtung des Arbeitgebers, allen überprüfenden Behörden die Betretung der
Betriebsstätte und der Betriebsräume zu gewähren, Auskünfte zu erteilen sowie Einsicht in die erforderlichen
Unterlagen zu gewähren.
Inländische und ausländische Arbeitgeber machen sich nach dem LSDB-G strafbar, wenn sie nicht den nach
Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn zahlen. Für diesen Grundlohn sind auch
die jeweiligen Einstufungskriterien des Kollektivvertrags relevant. Die Erläuterungen des LSDB-G führen als
Einstufungskriterien zB die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sowie die Anrechnung von Vordienstzeiten, Schul-
zeiten und sonstigen Ausbildungen an. Außerdem sieht das LSDB-G die Möglichkeit vor, die Kollektivvertrags-
Partner, die den zur Anwendung kommenden Kollektivvertrag abgeschlossen haben, anzuhören.
Für die Vor-Ort-Kontrolle ausländischer Arbeitgeber, also zB Baustellenkontrollen, sind die Finanzpolizei und die
Bauarbeiter-Urlaubs- bzw. Abfertigungskasse zuständig. In weiterer Folge laufen sämtliche Kontrollunterlagen
der Finanzpolizei im Kompetenzzentrum der WGKK zusammen und werden zur Erstellung der Anzeigen
aufbereitet, bzw. die Anzeigen eingebracht.
22 Kolumnentitel
Für die Kontrolle inländischer Arbeitgeber sind die Gebietskrankenkassen bzw. wiederum die Bauarbeiter-
Urlaubs- bzw. Abfertigungskasse zuständig. In der Praxis beteiligen sich speziell bei Baustellenkontrollen zu-
meist mehrere Behörden, um alle Bereiche abzudecken.
Das Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetz kann nach etwas mehr als einem Jahr als sehr erfolgreich
bewertet werden. Trotzdem gibt es natürlich Verbesserungsbedarf:
In der Praxis hat sich gezeigt, dass sehr viele ausländische Arbeitgeber die Lohnunterlagen entweder nicht
oder unvollständig oder nicht in deutscher Sprache am Arbeitsort bereit halten. Das führt natürlich dazu, dass
nicht kontrolliert werden kann, ob das zustehende Entgelt auch bezahlt wurde. Da die Strafen für Nichtbereit-
haltung der Unterlagen wesentlich niedriger sind als jene für eine festgestellte Unterentlohnung, besteht die
Gefahr, dass Arbeitgeber dazu verleitet werden, keine Lohnunterlagen zu führen oder diese jedenfalls nicht
den Kontrollbehörden zu übermitteln. Deshalb sollten die Strafbestimmungen für die Nichtbereithaltung der
Lohnunterlagen möglichst rasch an die Strafbestimmungen der Unterentlohnung angeglichen werden.
ZAHLEN UND DATEN
Im ersten Jahr des LSDB-G wurden von der Bauarbeiter-Urlaubs- bzw. Abfertigungskasse über 3.400 Baustellen
mit 4.654 Firmen und über 17.600 ArbeitnehmerInnen kontrolliert. Die Finanzpolizei hat im selben Zeitraum
über 28.300 Kontrollen mit mehr als 54.000 ArbeitnehmerInnen durchgeführt.
Verdachtsfälle auf Unterentlohnung ergaben sich bei 526 Unternehmen mit 2.302 ArbeitnehmerInnen. Davon
waren 378 ausländische Unternehmen und 148 inländische Unternehmen betroffen.
Insgesamt gab es im ersten Jahr 160 Anzeigen wegen Unterentlohnung und 6 rechtskräftige Strafbescheide.
Das Ausmaß der verhängten Geldstrafen war EUR 53.500,--.
Darüber hinaus gab es 378 Anzeigen wegen nicht vorhandener Lohnunterlagen (bzw. Verweigerung der
Einsicht). 29 Bescheide dazu waren per 1. Mai 2012 rechtskräftig und das Ausmaß der verhängten
Geldstrafen war EUR 23.650,--.
23Kolumnentitel
Statistik – Verteilung der Anzeigen gem. Unterentlohnung (nach Bundesland)
36
2322
20
17 17
14
11
0
5
10
15
20
25
30
35
40
STMK W B T K NÖ S OÖ
Statistik – Verteilung der Anzeigen gem. Unterentlohnung (nach Herkunftsland)
45
2826
13 1210 9
74 4
1 1
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Ungar
n
Slow
enien
Österre
ich
Slow
akei
Portu
gal
Deutsc
hlan
d
Polen
Italie
n
Rum
änien
Tsch
echisc
he R
epup
lik
Litau
en
Verein
igte
s Kön
igre
ich
24 Kolumnentitel
Die „Rot-Weiß-Rot – Karte“: Das neue Modell der Arbeitskräftemigration nach Österreich
Johannes Peyrl, Arbeiterkammer Wien
EINLEITUNG
Mit Juli 2011 wurde die Zuwanderung von (hoch-)qualifi zierten Arbeitskräften nach Österreich völlig neu
geordnet. Grundlage dieses neuen Modells ist die Einigung der Sozialpartner von Bad Ischl im Oktober 2010.
Die Arbeitskräftemigration wird dadurch breiter aufgefächert, da es anstelle des früheren eher starren Systems
der Schlüsselkräfte nun drei Säulen des Zuzuges für qualifi zierte Erwerbstätige nach Österreich gibt, hinzu
kommen auch Erleichterungen für StudienabsolventInnen.
Eines ist aber wichtig zu wissen: Mit diesem Modell wird nur ein kleiner Teil der Zuwanderung nach Österreich
geregelt, den größten Anteil der Zuwanderung aus Drittstaaten (=Nicht-EWR-Staaten) macht Migration aus
familiären Gründen aus. Die meisten NeuzuwanderInnen nach Österreich kommen zudem aus der EU, diese
Personen benötigen weder einen Aufenthaltstitel noch (sieht man von den Übergangsfristen für BulgarInnen
und RumänInnen ab) eine Arbeitsberechtigung, um in Österreich unselbständig erwerbstätig sein zu dürfen.
BESONDERS HOCHQUALIFIZIERTE
Mit dieser Säule wurde eine Möglichkeit im höchstqualifi zierten Segment geschaffen, ohne konkretes
Arbeitsplatzangebot nach Österreich zuwandern zu können. Besonders Hochqualifi zierte können daher zum
Zweck der Arbeitssuche für bis zu sechs Monate ein „Visum D“ erhalten. Dieses wird von der zuständigen
österreichischen Botschaft erteilt, wenn das Arbeitsmarktservice dieser mitteilt, dass die erforderliche Mindest-
punkteanzahl erreicht ist. Punkte werden für „besondere Qualifi kation und Fähigkeiten“ (insb. Abschluss eines
mindestens vierjährigen Studiums, Habilitation, letztes Bruttogehalt), Berufserfahrung (ausbildungsadäquat
oder in Führungspositionen), Deutsch- oder Englischkenntnisse sowie für Studium in Österreich erteilt. Von
insgesamt 100 möglichen Punkten müssen 70 erreicht werden.
Die besonders Hochqualifi zierten müssen bei
Beantragung des Visums alle Dokumente bzw. Unter-
lagen vorlegen, die belegen, dass eine ausreichende
Punkteanzahl vorliegt. Stellt das AMS fest, dass
genügend Punkte vorliegen, teilt es dies der Botschaft
mit und es wird bei Vorliegen aller sonstigen Voraus-
setzungen ein Visum D erteilt. Wenn einmal bereits ein
solches Visum D zur Arbeitssuche erteilt wurde, ist ein
neuerlicher Antrag erst nach einem Jahr ab Ausreise
möglich.
25Kolumnentitel
In weiterer Folge kann im Inland eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erteilt werden, wenn die allgemeinen Voraus-
setzungen wie Versicherung, Unterkunft und Unterhalt erfüllt sind und der/die besonders Hochqualifi zierte
einen Arbeitsplatz gefunden hat, der „seiner [ihrer] Qualifi kation und den sonstigen für die Erteilung des
Aufenthaltsvisums maßgeblichen Kriterien“ entspricht. Dafür muss der Arbeitsvertrag vorgelegt werden. Eine
Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall fi ndet nicht statt, es müssen auch nicht zwingend Deutschkenntnisse vor der
Erstantragstellung nachgewiesen werden.
FACHKRÄFTE
Um eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ als Fachkraft erhalten zu können, müssen mehrere Kriterien vorliegen: Die
wichtigste Voraussetzung ist, dass der entsprechende Beruf in der „Fachkräfteverordnung“ als Mangelberuf
angeführt ist, weiters muss eine einschlägige Berufsausbildung vorliegen, das Entgelt muss mindestens betriebs-
üblich sein und es muss eine bestimmte Punkteanzahl erreicht werden.
Zunächst muss der Beruf in der Fachkräfteverordnung aufgezählt sein: In dieser werden (nur im Fall eines
längerfristigen Arbeitskräftebedarfs, der im Inland nicht abgedeckt werden kann, nicht also zB saisonale
Spitzen) Berufe festgelegt, in denen MigrantInnen als Fachkräfte zuwandern dürfen. Als Mangelberuf kann
grundsätzlich gelten, wenn pro gemeldeter offener Stelle nicht mehr als 1,5 Arbeitsuchende gemeldet sind
(„Stellenandrangsziffer“). Das ist aber nur ein Indikator für das Vorliegen eines Mangels. Berufe mit einer
Stellenandrangsziffer bis 1,8 können berücksichtigt werden, wenn weitere Indikatoren wie insbesondere
erhöhte Ausbildungsaktivität der Betriebe zu verzeichnen sind. Vice versa darf auch eine Stellenandrangsziffer
unter 1,5 nicht automatisch zu einer Nennung in der Fachkräfteverordnung führen.
Weiters muss für die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte“ als Fachkraft eine einschlägige, abgeschlossene
Berufsausbildung vorliegen. Nicht notwendig ist eine bestimmte Form (zB Lehre), da Berufsausbildungen nicht
in der ganzen Welt in derselben Form angeboten werden. Außerdem muss eine Entlohnung geboten werden,
die nicht nur dem anwendbaren Kollektivvertrag entspricht, sondern auch betriebsübliche Überzahlungen
berücksichtigt. Im Ermittlungsverfahren wird das AMS vermutlich BetriebsrätInnen nach der Betriebsüblichkeit
befragen. In Unternehmen ohne Betriebsrat kann es in Einzelfällen schwierig werden, die konkrete Über-
zahlung für einen bestimmten Beruf zu ermitteln.
Zuletzt muss eine Mindestpunkteanzahl (mindestens 50 Punkten von 75 möglichen Punkten) erreicht werden.
Punkte werden für Qualifi kation (von Berufsausbildung bis abgeschlossenes Studium), ausbildungsadäquate
Berufserfahrung, Sprechkenntnisse (deutsch oder englisch) und Alter vergeben.
Wenn sowohl diese Kriterien als auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel erfüllt
sind, kann eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erteilt werden. Es fi ndet keine Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall
statt. Den Antrag müssen die MigrantInnen selbst stellen. Dieser muss bereits eine schriftliche Erklärung der
Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers bezüglich der oben angeführten Voraussetzungen des Arbeitsplatzes
enthalten.
26 Kolumnentitel
Grundsätzlich muss der Antrag im Ausland gestellt werden, eine Inlandsantragstellung ist nur möglich, wenn
dies aus anderen Gründen (zB visumfreie Einreise) möglich ist. Es müssen keine Deutschkenntnisse vor der
Erstantragstellung nachgewiesen werden.
SONSTIGE SCHLÜSSELKRÄFTE
Sogenannte sonstige Schlüsselkräfte können eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ erhalten, wenn sie ein Bruttoentgelt
von 60% der Höchstbeitragsgrundlage erhalten (im Jahr 2012: EUR 2.538,--), für Personen unter 30 Jahren
ist ein Bruttoentgelt von 50% der HBG ausreichend (2012: EUR 2.115,--). Dazu müssen sie die erforderliche
Mindestpunkteanzahl erreichen (mindestens 50 von 75 möglichen Punkten), wobei Punkte für Qualifi kation
(von Berufsausbildung bis abgeschlossenes Studium), ausbildungsadäquate Berufserfahrung, Sprechkenntnisse
(deutsch oder englisch) und Alter vergeben werden.
In dieser Säule kommt es aber zu einer Arbeitsmarktprüfung: Eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ kann daher nur
dann erteilt werden, wenn für die zu besetzende offene Stelle weder ÖsterreicherInnen noch am Arbeitsmarkt
verfügbare AusländerInnen zur Verfügung stehen, die bereits in den Arbeitsmarkt integriert und bereit und in
der Lage sind, die beantragte Beschäftigung auszuüben.
Interessant ist, dass Profi sportlerInnen sowie Profi sporttrainerInnen automatisch 20 Zusatzpunkte erhalten, eine
Differenzierung wie etwa beim Kriterium Ausbildung fi ndet in diesen Fällen nicht statt (es macht daher keinen
Unterschied, ob zB ein Profi fußballspieler aus der englischen Premier League oder der dortigen 4. Liga nach
Österreich wechselt). Hintergrund der Regelung ist, dass ansonsten SportlerInnen kaum die erforderlichen
Punkte erreichen dürften. Man stelle sich den Aufschrei in weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung vor,
wenn einem Spitzenverein – egal ob in schwarz-weißen, grünen oder violetten Trikots – die Verpfl ichtung
eines neuen brasilianischen Stürmers mit der Begründung verwehrt würde, es lägen zu wenig Punkte gemäß
AuslBG vor.
STUDIENABSOLVENTINNEN
Für StudienabsolventInnen, die entweder ihr Masterstudium zur Gänze oder ihr Diplomstudium zumindest
ab dem zweiten Studienabschnitt an einer österreichischen Universität, Fachhochschule oder akkreditierten
Privatuniversität absolviert haben, wird der Verbleib in Österreich nach Studienende um vieles einfacher.
Ebenso wurden die Beschäftigungsmöglichkeiten während des Studiums ausgeweitet (nach Abschluss des
Bachelorstudiums bzw. des ersten Studienabschnitts eines Diplomstudiums ist ohne Arbeitsmarktprüfung eine
Erwerbstätigkeit von bis zu 20 Wochenstunden möglich, davor 10 Stunden pro Woche; nötig ist aber eine
Beschäftigungsbewilligung).
27Kolumnentitel
Solche AbsolventInnen können eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ bekommen, wenn sie ein Entgelt erhalten, das für
inländische StudienabsolventInnen für eine vergleichbare Tätigkeit und mit vergleichbarer Berufserfahrung
üblich ist. Das Mindestentgelt (ohne Sonderzahlungen) muss aber 45% der HBG (2012: EUR 1.903,50)
betragen. Die Beschäftigung muss weiters dem Ausbildungsniveau der AbsolventInnen entsprechen: Es
darf sich daher nicht um eine unqualifi zierte Tätigkeit handeln, sondern das Aufgabengebiet muss der
akademischen Ausbildung entsprechen. Es fi ndet keine Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall statt und es ist keine
Mindestpunkteanzahl erforderlich.
Nach Beendigung des Studiums können AbsolventInnen, wenn sie in Österreich bleiben und eine
„Rot-Weiß-Rot – Karte“ anstreben, eine Bestätigung der Aufenthaltsbehörde erhalten, dass sie für sechs Monate
zum Zweck der Arbeitssuche in Österreich bleiben dürfen. Diese Bestätigung ist nicht verlängerbar. Finden
sie innerhalb dieser sechs Monate eine adäquate Beschäftigung, können sie den Antrag auf Erteilung einer
„Rot-Weiß-Rot – Karte“ im Inland stellen. In der Praxis werden aber drittstaatsangehörige Studien-
absolventInnen eher weiter inskribieren und direkt von einer Aufenthaltsbewilligung – Studierende zu einer
„Rot-Weiß-Rot – Karte“ wechseln.
BLAUE KARTE EU
Neben der „Rot-Weiß-Rot – Karte“ wird der fremdenrechtlichen Farbenlehre nun auch die Blaue Karte EU
hinzugefügt. Diese wird aus europarechtlichen Notwendigkeiten eingeführt. Die Anforderungen (insbesondere
das erforderliche Mindestgehalt) sind sehr hoch, es sind kaum Fälle denkbar, in denen eine Blaue Karte EU,
nicht aber eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“ möglich ist. Zudem sind die Vorteile einer Blauen Karte EU gegen-
über der „Rot-Weiß-Rot – Karte“ äußerst marginal, ein Ansturm auf die Blaue Karte EU ist daher nicht zu
erwarten.
Eine Blaue Karte EU kann im Wesentlichen erteilt werden, wenn die/der Fremde über einen Abschluss eines
mindestens dreijährigen Studiums verfügt und für eine dieser Ausbildung entsprechende Tätigkeit ein Brutto-
jahresgehalt bekommt, das mindestens dem Eineinhalbfachen des durchschnittlichen österreichischen Brutto-
jahresgehalts von Vollzeitbeschäftigten entspricht (im Jahr 2012: EUR 3.745,-- pro Monat). Eine Blaue Karte
EU kann nur nach erfolgter Arbeitsmarktprüfung erteilt werden.
WEITERES AUFENTHALTSRECHT VON INHABERINNEN EINER „ROT-WEISS-ROT – KARTE“
Die „Rot-Weiß-Rot – Karte“ nach den oben beschriebenen Voraussetzungen wird für die Dauer eines Jahres
erteilt. Nach einem Jahr der Niederlassung mit „Rot-Weiß-Rot – Karte“ ist die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot
– Karte plus“ möglich, mit der jede Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann. Voraussetzung ist aber, dass in
diesem Jahr zumindest 10 Monate eine Erwerbstätigkeit „unter den für die Zulassung maßgeblichen Kriterien“
ausgeübt wurde. Liegen weniger Zeiten dieser qualifi zierten Erwerbstätigkeit vor, ist meist eine Nieder-
lassungsbewilligung möglich, allerdings ist in diesem Fall für die Arbeitsaufnahme eine Bewilligung nach dem
AuslBG erforderlich. Dies wird in der Praxis wahrscheinlich selten vorkommen.
28 Kolumnentitel
Die „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ kann nach zwei Jahren Niederlassung für drei Jahre erteilt werden. Nach fünf
Jahren Niederlassung ist es möglich, den unbefristeten Titel „Daueraufenthalt – EG“ zu erhalten, allerdings
muss hierfür Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt sein, es müssen also Deutschkenntnisse auf dem
Niveau „B1“ des sogenannten Europäischen Referenzrahmens für Sprachen vorliegen.
Im Idealfall ergibt sich daher folgendes „1+1+3-Jahres-Schema“: Zunächst wird eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“
erteilt, mit der eine konkrete, qualifi zierte Tätigkeit ausgeübt werden kann. Danach kann eine „Rot-Weiß-
Rot – Karte plus“ für ebenfalls ein Jahr erteilt werden, wobei damit bereits jede Erwerbstätigkeit möglich ist.
Nach Ablauf diesen Jahres kann die „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für drei Jahre erteilt werden, danach ist ein
unbefristeter Titel „Daueraufenthalt – EG“ möglich.
FAMILIENANGEHÖRIGE DER QUALIFIZIERTEN ARBEITNEHMERINNEN
EhegattInnen (eingetragene PartnerInnen) und minderjährige, ledige Kinder von „Rot-Weiß-Rot – Karte“-
InhaberInnen können quotenfrei eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erhalten, wenn sie die allgemeinen Voraus-
setzungen erfüllen und haben daher sofort unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Allerdings müssen sie
(meist) sowohl das Erfordernis der Deutschkenntnisse bereits bei Erstantragstellung erfüllen sowie die Erfüllung
des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung binnen zwei Jahren nachweisen.
FAZIT: Die Arbeitskräftemigration nach Österreich wurde durch dieses Modell in vielfacher Hinsicht breiter
aufgefächert. Die wesentlichsten Neuerungen sind der Verzicht auf individuelle Arbeitsmarktprüfung in
einigen Bereichen und die Möglichkeit für besonders Hochqualifi zierte, zur Arbeitsplatzsuche nach Österreich
einzureisen.
Erste Erfahrungen zeigen, dass der Zweck, die Arbeitskräftemigration bedarfsgerechter zu gestalten, durchaus
erreicht werden könnte. Es darf aber nicht übersehen werden, dass nur wenige Prozent der Zuwanderung
nach Österreich in dieses Schema fallen. Eine Rundumlösung für alle Herausforderungen der Migrationspolitik
kann die „Rot-Weiß-Rot – Karte“ daher nicht sein.
29Kolumnentitel
Wohnen ist ein Grundrecht
Andrea Holzmann, Wohnbauvereinigung für Privatangestellte
Leistbarer Wohnraum wird zunehmend knapp. In größeren Städten mit wachsender Bevölkerungszahl,
insbesondere in der Bundeshauptstadt, übersteigt die Nachfrage nach kostengünstigen Wohnungen längst
das vorhandene Angebot. Die Wartelisten bei gemeindeeigenen Wohnungsvergabestellen und bei gemein-
nützigen Bauträgern werden immer länger. Billige Substandardwohnungen im privaten Sektor sind aufgrund
erfolgreicher Sanierungsoffensiven in den vergangenen Jahrzehnten kaum noch vorhanden. Engpässe im
öffentlichen Sektor mit negativen Auswirkungen auf die Wohnbauförderung dämmen zusätzlich die Neubau-
tätigkeit ein.4 Die Auswirkungen spüren die ärmeren Bevölkerungsschichten, zu denen MigrantInnen über-
proportional gehören, am meisten.
ZUWANDERER LEBEN IN SCHLECHTEREN WOHNVERHÄLTNISSEN5
Menschen mit Migrationshintergrund leben generell in schlechteren Wohnverhältnissen als eingesessene
ÖsterreicherInnen. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Größe des Wohnraums, den eine Person im Schnitt für
sich beanspruchen kann. Während die Wohnfl äche pro Kopf in Österreich durchschnittlich 43m2 beträgt und
EU-BürgerInnen im Schnitt 47m2 zur Verfügung haben, wohnen MigrantInnen aus Ex-Jugoslawien auf 26m2
und Zuwanderer aus der Türkei auf 21m2 pro Person. Diese Situation bessert sich insbesondere was
Zuwanderer aus der Türkei betrifft, auch in der zweiten Generation nur unwesentlich.
Auch die Wohnkostenbelastung ist für Personen mit ausländischer Herkunft vergleichsweise höher als für die ein-
gesessene Bevölkerung. Im Durchschnitt der vergangenen drei bis vier Jahre mussten 16% der ÖsterreicherInnen,
jedoch 35% der AusländerInnen über ein Viertel ihres Haushaltseinkommens für Wohnen aufwenden.
Zuwanderer verfügen in deutlich geringerem Ausmaß über Wohnungseigentum. Nur 26% der Haushalte
mit Migrationshintergrund haben ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, während dies auf 56% der
österreichischen Haushalte zutrifft. Die wenigen noch vorhandenen Substandardwohnungen der Kategorie D,
in denen es kein WC und keine Möglichkeit zur Wasserentnahme in der Wohnung gibt, werden über-
proportional häufi g von Zuwanderern bewohnt.
SOZIALE DURCHMISCHUNG UND ZUGANG ZU GEFÖRDERTEM WOHNRAUM
Im Wohnbereich besteht eine latente Tendenz zur Segregation, weil Einwanderer sich nach ihrer Ankunft am
ehesten dort ansiedeln wo ihre Landsleute schon wohnen und vielleicht auch bereits ihre eigene Infrastruktur,
etwa in Form von ethnischen Geschäften und Lokalen, aufgebaut haben. Neu zugewanderte Menschen
verfügen gewöhnlich nur über geringe fi nanzielle Mittel und suchen billigsten Wohnraum.
4 Vgl. Österreichischer Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen – Revisionsverband http://www.gbv.at/Page/View/42785 Vgl. Österreichischer Integrationsfonds: Wohnen. http://www.integrationsfonds.at/zahlen_und_fakten/statistisches_jahrbuch_2011/wohnen_und_raeumlicher_kontext/wohnen/
30 Kolumnentitel
Dies könnte insbesondere in größeren Städten zur Bildung sozialer Ghettos führen, wie sie etwa die
berüchtigten ‚Banlieus’ in Paris darstellen. Um derartigen Entwicklungen entgegen zu wirken, setzt man in
Österreich gezielte wohnpolitische Maßnahmen. Die Bundeshauptstadt Wien hat, trotz starker Zuwanderung
in den vergangenen Jahrzehnten, keine sozialen Ghettos und auch keine Stadtteile, in denen ausschließlich
MigrantInnen leben. Dies ist kein Zufall, sondern das Ergebnis Jahrzehnte langer sensibler Wohnpolitik auf
unterschiedlichen Ebenen.
In Wien, immer noch weltweite Hochburg des sozialen Wohnbaus, wird seit den Tagen des „Roten Wien“ in
den 1920er Jahren das Prinzip der „Sozialen Durchmischung“ verfolgt. Damals wurden Gemeindebauten für
Arbeiterfamilien mitten in sogenannte Nobelbezirke hinein gebaut um zu verhindern, dass niemand aufgrund
seiner Wohnadresse einer bestimmten sozialen Schicht oder ethnischen Gruppe zugeordnet und womöglich
diskriminiert werden kann. Heute praktiziert Wien mit dem international viel beachteten Konzept der „Sanften
Stadterneuerung“6 eine kluge Sanierungspolitik, die ebenfalls der sozialen Durchmischung verpfl ichtet ist.
Ganze Häuserblöcke des gründerzeitlichen Altbaubestands bzw. ganze Straßenzeilen werden unter Einbe-
ziehung der Bevölkerung gefördert saniert. Die Förderung stellt sicher, dass die BewohnerInnen auch nach
der Sockelsanierung in ihrem Viertel bleiben können und nicht im Rahmen einer „Gentrifi zierung“ von einer
zahlungskräftigeren Klientel verdrängt wird. Gleichzeitig werden – durch Ausbau von Dachgeschoßen zum
Beispiel – neue BewohnerInnen angelockt, die das Viertel beleben und neu durchmischen.
Die wichtigste politische Maßnahme zur sozialen und ethnischen Durchmischung und damit zur Integration
von Zuwanderern ist jedoch die Sicherstellung des Zugangs zu gefördertem Wohnraum – zum einen durch
Öffnung von gemeindeeigenen Wohnungen für Zuwanderer, und zum anderen durch Gewährung von
Förderungen, Beihilfen und Eigenmittelersatzdarlehen für das Anmieten geförderter, von gemeinnützigen
Bauträgern errichteten Wohnungen. Nach einer Zeit mit einer fragwürdigen öffentlichen Diskussion unter
dem Schlagwort „Migranten im Gemeindebau“ haben mittlerweile alle Bundesländer unter bestimmten
Bedingungen Zugang für Zuwanderer zu gefördertem Wohnraum geschaffen.
Die Zugangsregeln sind nicht einheitlich. Laut einer 2011 für diesen Beitrag durchgeführten Erhebung der
Wiener Wohnbauforschung7 setzen alle Bundesländer die Erfüllung der sozialen Förderkriterien voraus,
differieren jedoch was Staatsbürgerschaften bzw. den Aufenthaltsstatus betrifft. In den meisten Bundesländern
genügt für ein Ansuchen um Wohnbauförderung für Miete ein legaler Aufenthaltsstatus unter Erfüllung der EU-
Aufenthalts- und Niederlassungsbedingungen, der bei ÖsterreicherInnen, EU-BürgerInnen, EWR-BürgerInnen
sowie ihnen Gleichgestellten wie zB anerkannten Flüchtlingen gegeben ist. In Vorarlberg ist ein unbefristeter
legaler Aufenthaltsstatus (der erst nach 10 Jahren erreichbar ist) erforderlich, sowie eine achtjährige
Steuerpfl icht. Kärnten verlangt von Drittstaatenangehörigen einen mindestens fünfjährigen Aufenthalt und den
Nachweis von Deutschkenntnissen.
In Wien werden EU-BürgerInnen und Gleichgestellten, anerkannte Flüchtlingen und Personen mit
ausländischer Staatsbürgerschaft, die mehr als fünf Jahre in Österreich leben, die gleichen Rechte einräumt wie
österreichischen StaatsbürgerInnen. Eine Vereinheitlichung der Richtlinien wäre wünschenswert und ist politisch
zu fordern.
6 Die Sanfte Stadterneuerung ist seit 1996 ein UN-HABITAT Best Practice und hat 2010 den HABITAT Scroll of Honour erhalten.7 www.wohnbauforschung.at
31Kolumnentitel
DER FORMALE ZUGANG REICHT NICHT AUS
Nicht nur der formale Zugang von Zuwanderern zu gefördertem Wohnraum ist sicherzustellen. Zuwanderer
sind über die Möglichkeiten und die fi nanziellen Voraussetzungen, geförderten Wohnraum zu erhalten, auch
umfassend zu informieren – um dies wirkungsvoll zu bewerkstelligen, wohl auch in ihren Muttersprachen, auch
wenn manche Behörden explizit und im Sinne einer positiven Kompetenzzuschreibung davon ausgehen, dass
die Zuwanderer die deutsche Sprache beherrschen. Das mehrsprachige Angebot in einschlägigen Beratungs-
stellen wird jedenfalls trotzdem eifrig genutzt.
Neben der Einhaltung objektiver Vergabekriterien ist auch durch Bewusstsein bildende Maßnahmen zu verhindern,
dass es zu versteckter Diskriminierung aufgrund nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit kommt. Immer
wieder berichten Wohnungssuchende mit ausländisch klingenden Namen oder einem sprachlichen Akzent,
dass Wohnungen, insbesondere im privatwirtschaftlichen Sektor, als „schon vergeben“ deklariert werden, die
dann für den nächsten Anrufer, der sich als eingesessener Österreicher präsentiert, noch zu haben sind.
Es steht außer Zweifel, dass Wohnen – neben Bildung und Arbeit – einer der wesentlichsten Aspekte der
Integration von Zuwanderern in ihrem neuen Heimatland ist. Eine gute Wohnadresse, ein ansprechendes
Wohnumfeld, eine gepfl egte Wohnanlage und nicht zuletzt die angemessene Größe und gute Ausstattung
der Wohnung, möglichst mit eigenem Balkon, können durchaus als Gradmesser des Eingebundenseins in die
Aufnahmegesellschaft gesehen werden.
INTERKULTURELLE HAUSVERWALTUNG
Auch im Wohnumfeld haben es MigrantInnen nicht immer leicht. In der kürzlich durchgeführten europäischen
Wertestudie8 trat zutage, dass die ÖsterreicherInnen von allen EuropäerInnen am wenigsten geneigt sind
Einwanderer als Nachbarn zu haben. Der negative politische Diskurs in Bezug auf die Migration, der seit
den 1990er Jahren in Österreich – von bestimmten politischen Gruppierungen geschürt – leider breit geführt
worden ist, hat auch in der wohlmeinenden Bevölkerung, auch wenn sie persönlich keine schlechten Erfahrungen
mit MigrantInnen gemacht hat, ihre Spuren hinterlassen. Misstrauen ist gewachsen, Vorurteile haben
zugenommen und erschweren insbesondere in sozial schwächeren Nachbarschaften – etwa in manchen
Wiener Gemeindebauten – das Zusammenleben. Zwar entpuppen sich Konfl ikte meist als solche, die in
Nachbarschaften immer schon üblich waren, doch werden sie jetzt vermehrt den kulturellen Eigenschaften der
Zuwanderer zugeschrieben. Wenn der Lärm der spielenden türkischen Kinder stört, vergisst man allzu leicht,
dass man vor Jahrzehnten, als noch keine MigrantInnen da waren, als Kind selbst vom Hausmeister oder von
Hausparteien vom Hof vertrieben worden ist, weil man zu laut war.
Tatsache ist aber, dass wohl auch unterschiedliche Wohnkulturen bestehen, die ethnische Hintergründe
haben. Großfamiliäre Strukturen südländischer MigrantInnen mit hoher gegenseitiger Besuchsfrequenz führen
zu mehr Lärmentwicklung und manchmal zu der sprichwörtlichen „Schuheansammlung“ vor der Wohnungstür
am Gang, die für eingesessene ÖsterreicherInnen irritierend ist.
8 http://ktf.univie.ac.at/wertestudie
32 Kolumnentitel
SüdländerInnen empfi nden laut spielende Kinder selten als Ärgernis. Nutzungskonzepte was die gemeinschaft-
lichen Räume im Haus betrifft, sind manchmal durchaus kulturell geprägt und daher unterschiedlich. Es liegt auf
der Hand, dass sich dadurch Konfl iktpotenzial ergibt.
In Deutschland sind SozialarbeiterInnen rund um größere Wohnanlagen durchaus keine Seltenheit mehr.
In Wien kümmern sich Organisationen wie die „Wohnpartner“ (in den Gemeindebauten, siehe
http://www.wohnpartner-wien.at/) und die „Gebietsbetreuungen“ für die übrigen Wohnbereiche (siehe
http://www.gbstern.at/) um nachbarschaftliches Miteinander.
Im Übrigen sind es wohl die gemeinnützigen Hausverwaltungen, die durch ihre Nähe zu dem sehr
persönlichen Lebensbereich Wohnen geradezu prädestiniert sind, bei der Integration eine Schlüsselstellung
einzunehmen, denn der interkulturelle Dialog in Wohnanlagen bedarf oft der Hilfestellung. Für einzelne
MieterInnen ist es auch mit gutem Willen nicht immer einfach, den ersten Schritt auf die/den anderen zu zu
tun und das Gespräch mit dem fremden Nachbarn zu beginnen. Hier tut sich ein Handlungsfeld für Haus-
verwaltungen auf, die auf unterschiedliche Weise vermitteln können.
Hausverwaltungen können auf die kulturelle und sprachliche Vielfalt
eingehen, zB durch das Verfassen und Vermitteln einer Hausordnung,
die für alle verständlich ist. Dazu können Cartoons ebenso verwendet
werden wie Mehrsprachigkeit. Des Weiteren kann eine Hausverwaltung
Anlässe und Gelegenheiten schaffen, den interkulturellen Dialog in Gang
zu setzen und zu fördern.
So sind etwa Haus- und Hoffeste eine gute Gelegenheit, Anliegen
von MieterInnen aufzunehmen, Botschaften zu vermitteln und im Haus
gemeinschaftsbildend zu wirken. Auch für künstlerische Interventionen,
die die Bewohnerschaft einbeziehen oder für Kulturprojekte wie Chöre
oder Tanzgruppen, sind Wohnanlagen ein idealer Ausgangspunkt und
eine gute Gelegenheit, vor allem auch jugendliche BewohnerInnen
jeglicher Herkunft, in gesellschaftliche Aktivitäten mit einzubeziehen.
Solche Initiativen sind, da sie auf Potenzial statt auf Defi zite abstellen, weit wirksamer als traditionelle
Sozialarbeit. Es gibt dazu bereits zahlreiche erfolgreiche Beispiele.9 Interessant sind auch internationale
Modellprojekte wie zB die „Stadtteilmütter“ in Berlin-Neukölln (siehe http://www.stadtteilmuetter.de/), die,
entsprechend adaptiert, auch in österreichischen Städten erfolgreich umgesetzt werden könnten.
9 Die Wohnbauvereinigung für Privatangestellte hat im Kauerhof, einer von Menschen aus 18 verschiedenen Nationen bewohnten Anlage in Wien-Fünfhaus, eine Kooperation mit dem Kulturverein Superar (http://superar.eu/). Dort wurden im Februar 2012 ein Kinder- und ein Jugendchor etabliert, die unter professioneller Anleitung täglich proben und demnächst ihre erste öffentliche Aufführung absolvieren werden.
© W
BV-
GPA
33Kolumnentitel
INTERKULTURELLE WOHNPROJEKTE
Die Stadt Wien hat in den letzten Jahren mehrmals Wettbewerbe unter dem Motto „Interkulturelles Wohnen“
ausgeschrieben.Die Beiträge wurden in partizipativer Auseinandersetzung durch Bauträger, ArchitektInnen,
GrünraumgestalterInnen und IntegrationsexpertInnen entwickelt, um bauliche und soziale Lösungen zu fi nden,
die den Bedürfnissen der unterschiedlichen Kulturen gleichermaßen Rechnung tragen.
Interkulturelle Wohnprojekte sollten sowohl im Neubau als auch im Rahmen der Sanierung bzw. der Bezirks-
betreuung gefördert werden, da sie das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen zum Normalfall machen.
POLITISCHE FORDERUNGEN
Die wichtigsten politischen Forderungen mit Implikationen auf die Einbindung von Zuwanderern sind vor allem
die folgenden:
Wohnbauförderung ausschließlich für Mietwohnungen. Im Hinblick auf knapper werdende öffentliche 1.)
Mittel für Wohnbau sollten diese ausschließlich dem Mietsegment zugeführt werden.
Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel des Bundes, die an die Länder gehen, ausschließlich für den 2.)
Wohnbau. Derzeit wird dies nur in Wien praktiziert.
Bundesweite Vereinheitlichung der Zugangsregeln für den geförderten Wohnbau3.)
Ausbau und Förderung von Nachbarschaftsservices und Kulturinitiativen im Wohnumfeld.4.)
Politische Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, breites Verständnis für die Unterschiedlichkeit von Kulturen 5.)
und Lebensformen zu schaffen in der Gewissheit, dass kulturelle Vielfalt eine große Bereicherung für
unsere Gesellschaft ist.
34 Kolumnentitel
Kollektivvertragswirksame Anerkennungen
Gerald Musger, GPA-djp Interessengemeinschaften work@professional
97% aller Arbeitsverträge haben als Basis einen Kollektivvertrag. Damit ist Österreich Weltmeister. Zusammen
mit dem Recht des Betriebsrates, die richtige Einstufung im Kollektivvertrag zu überprüfen, gibt es also
rechtlich sehr gute Voraussetzungen, fehlerhafte Verträge und Diskriminierung durch zu geringe Entlohnung,
zu verhindern.
Dennoch ergeben sich viele Fragen der Anerkennung formaler Bildungsabschlüsse, vorgeschriebener
Qualifi kationsnachweise sowie informeller Kompetenzen und Berufserfahrungen. Kollektivverträge enthalten
zwar explizit oder implizit das Verbot jeglicher Diskriminierung, dennoch ergeben sich aus Branchen- und
Staatenwechsel, eine Reihe systemischer Hürden, die erst einmal überwunden werden wollen.
UNTERSCHIEDLICHE EINSTUFUNGSKRITERIEN IN DEN KOLLEKTIVVERTRÄGEN
Kollektivverträge stufen die ArbeitnehmerInnen in der Regel in verschiedene (meist zwischen 5 und 11)
Gruppen ein, die nach unterschiedlichen Kriterien gegliedert und mit entsprechenden Tabellen von Mindest-
grundgehältern/Mindestlöhnen kombiniert sind.
Je nach Tradition der Branche und der Berufe, stehen dabei entweder die zertifi zierten Qualifi kationen
(Zeugnisse, Diplome)10 oder die theoretischen und praktischen Kompetenzen, unabhängig vom formalen
Abschluss11, im Vordergrund. Zusätzlich zu den erwähnten Kollektivvertragsgruppen sehen die meisten
Kollektivverträge auch die Berücksichtigung berufl icher Erfahrung, in zwei- oder mehrjährigen Vorrückungs-
stufen, vor.
Die Frage der Anerkennung stellt sich daher als komplex und auf verschiedenen Stufen dar. Da betriebliche
oder branchenweite Kollektivverträge anderer Länder manchmal weder Qualifi kations- oder Tätigkeits-
beschreibungen kennen und auch berufl iche Erfahrungen nicht immer berücksichtigen, sind BetriebsrätInnen
gut beraten, all diese Grundlagen einer korrekten kollektivvertraglichen Einstufung in Österreich, bei neu
ankommenden ArbeitsmigrantInnen, genau zu hinterfragen, damit keine Rechte verloren gehen.
Dazu kommt noch, dass in manchen Ländern größere Gruppen qualifi zierter ArbeitnehmerInnen von den
Kollektivverträgen ausgenommen sind, während sie in Österreich in ihren Genuss kommen.
10 zB Kollektivvertrag für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS), Verwendungsgruppe 7:Diplom-SozialbetreuerInnen mit Altenarbeit (AA), Behindertenarbeit (BA), Behindertenbegleitung (BB) und Familienarbeit (FA), Dipl. Gesundheits- und Krankenpfl ege-personal (DGKP), DGKP mit Verwendung, zu deren Ausübung eine Sonderausbildung* notwendig ist, GroßküchenleiterInnen, HaustechnikerInnen, SachbearbeiterIn-nen, Sicherheitsfachkräfte, Kindergarten- und HortpädagogInnen*Sonderkindergarten- und -hortpädagogInnen, alleinverantwortliche Behindertenfachkräfte, Berufs- und SozialpädagogInnen (zB in dislozierten Wohngruppen und in der berufl ichen Rehabilitation), FrühförderInnen, LehrlingsausbildnerInnen mit Spezialaufgaben (zB im Behindertenbereich), Musik- und SportförderInnen, Lern- und FreizeitbetreuerInnen, Fachkräfte in der Flüchtlingsbetreuung, alleinverantwortliche Fachkräfte für die Betreuung von TMA.
11 zB Kollektivvertrag Metallindustrie, Beschäftigungsgruppe H:ArbeitnehmerInnen, die selbstständig schwierige und verantwortungsvolle Tätigkeiten mit beträchtlichem Entscheidungsspielraum verrichten, die besondere Fach-kenntnisse und praktische Erfahrung erfordern. Weiters ArbeitnehmerInnen, die in beträchtlichem Ausmaß mit der Leitung von Projekten betraut sind und dabei im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der Beschäftigungsgruppe tätig werden. Ferner ArbeitnehmerInnen, die regelmäßig und dauernd mit der selbstständigen Führung, Unterweisung und Beaufsichtigung von zumindest 4 ArbeitnehmerInnen, worunter sich mindestens 1 ArbeitnehmerIn der BschGr. G und 2 ArbeitnehmerInnen der BschGr. F befi nden müssen, beauftragt sind.
35Kolumnentitel
AUTOMATISCHE ANERKENNUNG DURCH DIE EU-RICHTLINIE 2005/36/EC
Auf der Grundlage europaweit harmonisierter Ausbildungssysteme, werden die Abschlüsse der
Berufe Arzt, Krankenschwester, Hebamme, Apotheker, Zahnarzt, Tierarzt, Chirurg und Architekt innerhalb der
Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums automatisch anerkannt. Für einige andere Berufs-
gruppen sind zurzeit Bemühungen im Gange, die Anerkennungen – mittels so genannter Professional Cards
– zu erleichtern. Eine Übersicht zu den europäischen Anerkennungssystemen fi ndet sich auf der Website der
Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/internal_market/qualifi cations
STAATLICHE ANERKENNUNGSVERFAHREN FÜR AUSLÄNDISCHE BILDUNGSABSCHLÜSSE
Für die Ausübung einiger Berufe in Österreich sind Berufsberechtigungen erforderlich (so genannte reglementierte
Berufe). Diese fi nden dann auch in den entsprechenden Kollektivverträgen ihren Niederschlag, in Form von
Eingruppierungskriterien für die Verwendungsgruppen. Man unterscheidet die so genannte Berufszulassung für
Abschlüsse aus der EU und dem EWR gemäß den europäischen Anerkennungsregeln zur Gleichwertigkeit von
der so genannten Nostrifi zierung, der Gleichwertigkeitsanerkennung von Abschlüssen aus Drittstaaten.
Als Anerkennungsbehörden kommen das Ministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (Lehrabschluss,
Ingenieurtitel), das Wissenschaftsministerium (Studienabschlüsse), aber auch die Länder (Gesundheitsberufe)
in Frage; das Wirtschaftsministerium übernimmt die Rolle der Koordination und internationalen Kontaktstelle.
In einigen Fällen wird dieses Anerkennungsverfahren einfach durch Vorlage beglaubigter Übersetzungen von
Zeugnissen sowie Unterlagen zu den Curricula zu bewerkstelligen sein. Je unterschiedlicher die Ausbildungs-
wege und Gestaltungen der Berufe im Quell- und Zielland sind, desto komplizierter und auch zeitaufwändiger
wird sich die Anerkennung gestalten.
In jedem Anerkennungsverfahren kann die zuständige Behörde die Absolvierung ergänzender Ausbildungs-
module verlangen, bevor die Gleichhaltung und damit Anerkennung erteilt wird. Das kann dann in der Praxis
zu einer oft jahrelang falschen Einstufung oder Nichtzulassung zum erlernten Beruf und somit zu einer
faktischen Diskriminierung führen.
EINFACHER NACHWEIS AUSLÄNDISCHER BILDUNGSABSCHLÜSSE
Handelt es sich hingegen um einen in Österreich nicht reglementierten
Beruf und sieht der Kollektivvertrag lediglich vor, dass zB eine
qualifi zierte Tätigkeit vorliegt, die in der Regel einen (Fach-)Hoch-
schulabschluss erfordert, dann genügt zum Nachweis und somit
zur kollektivvertraglichen Anerkennung der Verwendungsgruppe
eine beglaubigte Übersetzung des ausländischen Abschluss-
diploms oder Abschlusszeugnisses.
36 Kolumnentitel
Wenn der Kollektivvertrag in seinem Einstufungssystem ausschließlich auf der summarischen Tätigkeits-
beschreibung beruht, dann ist eine Vorlage von Zeugnissen streng genommen nicht erforderlich. Allerdings
werden ArbeitnehmerInnen schon bei ihrer Bewerbung ihren Lebenslauf mit entsprechenden Zeugnissen
dokumentieren und dadurch ihre Kompetenz unterstreichen wollen. In diesen Fällen wird eine einfache Kopie
der Diplome bzw. auch eine unbeglaubigte Übersetzung ausreichen.
ANERKENNUNG UND ANRECHNUNG FACHEINSCHLÄGIGER VORDIENSTZEITEN
Die meisten österreichischen Kollektivverträge kennen eine Anrechnung der Berufserfahrung, wenn sie für die
vorgesehene Tätigkeit in der neuen Arbeit relevant ist. Facheinschlägige Vordienstzeiten werden im defi nierten
Ausmaß angerechnet und bewirken dann ein entsprechend höheres Gehalt in der jeweiligen kollektiv-
vertraglichen Beschäftigungs-/Tätigkeitsgruppe. Sie können auch aus einer selbständigen berufl ichen Tätigkeit
resultieren. In jedem Fall müssen sie nachgewiesen werden. Dazu gibt es meist relativ kurze Fristen ab
Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Diese Fristen sind oft kaum zu halten, wenn man die nachweisenden
Dokumente nicht bereits rechtzeitig vorbereitet hat.
Bei einem Berufswechsel im selben Land und in derselben Branche sind Vordienstzeiten durch das Dienstzeugnis
meist leicht zu bewerkstelligen. Schwieriger wird es beim Branchen- und damit Kollektivvertragswechsel, denn
die Strukturen und Beschreibungen der Kollektivverträge können sehr unterschiedlich sein; der Nachweis fach-
einschlägiger Tätigkeit gelingt dann nur in einer detaillierten Einzelbestätigung, wie sie in Standarddienst-
zeugnissen nicht immer gegeben ist.
Wenn beim Arbeitswechsel von einem in ein anderes Land die Qualifi zierungswege, die Kollektivverträge,
die Strukturen und die Arbeitsverträge stark unterschiedlich sind, die eventuell vorhandene Dokumentation nur
in einer Übersetzung vorliegt oder überhaupt nicht mehr aufzutreiben ist, weil die Arbeitgeberinstitution mit
dem politischen Umbruch einfach untergegangen ist, dann kann der Nachweis der Vordienstzeiten ein sehr
schwieriges Unterfangen werden.
EUROPÄISCHE INSTRUMENTE, UM ANERKENNUNG PRAKTISCH ZU MEISTERN
Eine praktische Hilfe stellt dabei der so genannte Europäische Qualifi kationsrahmen (EQR) dar, den man als
Referenzsystem beim Vergleichen unterschiedlicher Eingruppierungssysteme und berufl icher Beschreibungen
nutzen kann:12
Der EQR als Referenzsystem eignet sich deshalb gut, weil er
bereits auf einer langen europaweiten Debatte beruht und die Komplexität formaler Ausbildungen,
erworbener Berufserfahrungen und allgemeiner sozialer Kompetenzen abbildet,
den Vorzug eines durchgängigen Systems von den niedrigsten bis zu den höchsten Kompetenzen aufweist,
und mit 8 Niveaus praktikabel genug ist, zumindest grob der Vielfalt der Beschreibungsanforderungen von
Arbeitsverträgen zu genügen.
12 Siehe http://ec.europa.eu/education/pub/pdf/general/eqf/leafl et_de.pdf
37Kolumnentitel
In ihrer jüngsten Initiative zur Erleichterung berufl icher Anerkennungen in Europa hat die Europäische
Kommission einen höheren Verbindlichkeitsgrad des bisher nur Empfehlungscharakter habenden Europäischen
Qualifi kationsrahmens eingemahnt. Das trifft sich gut mit der Initiative einiger europäischer Gewerkschaften,
die so genannte Transparenzrichtlinie 91/533EEC zu verbessern.
Indem für jeden Arbeitsvertrag ein Verweis auf das jeweilige Niveau im Europäischen Qualifi kations-
rahmen (EQR) verlangt wird, und
ein Recht auf ein normiertes Arbeitszeugnis verankert wird, das die Berufserfahrung auf dem jeweiligen
Niveau des Qualifi kationsrahmens dokumentiert.13
Denn derzeit gibt es keinerlei europäische Standards, wonach ein Arbeitsvertrag auch auf das Qualifi kations-,
Tätigkeits- und Kompetenzprofi l Bezug nehmen muss, noch gibt es Vorschriften oder Standards für Arbeits-
zeugnisse, die aber für den Nachweis unerlässlich sind.
DAS EUROCADRES MOBILITÄTSBERATUNGSNETZWERK INFORMIERT RECHTZEITIG
ExpertInnen des Netzwerks "Eurocadres Mobilnet" des Rates der europäischen Fach- und Führungskräfte
informieren rechtzeitig zum arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Hintergrund der Arbeitsverträge
im Zielland, so dass notwendige Dokumente für Anerkennungen rechtzeitig gesammelt bzw. auch übersetzt
werden können, und überprüfen auch vorgelegte Vertragsentwürfe. Denn Verhandeln und Verbessern lohnt
immer, spätere Reparaturen eines unfairen Vertrags lassen sich meist nur sehr schwer durchsetzen.14
MITWIRKUNG DES BETRIEBSRATS BEI DER EINSTUFUNG IM KOLLEKTIVVERTRAG
Die Bedeutung der richtigen Einstufung und damit der richtigen Bezahlung muss gerade im Zusammenhang mit
grenzüberschreitendem Arbeitsplatzwechsel besonders hervorgehoben werden. Eine Nichtanerkennung von
Vordienstzeiten (durch Unkenntnis oder Mangel an Nachweis) ist kaum aufzuholen, eine Einstufung in eine
falsche Gruppe kann Gehaltsdiskriminierung nach sich ziehen.
Der Betriebsrat hat aus der Arbeitsverfassung ein Recht, bei der Einstellung neuer MitarbeiterInnen über die
vorgesehene Tätigkeit und damit die entsprechende Einstufung im Kollektivvertrag informiert zu werden. Das
gibt ihm auch die Möglichkeit, die neuen MitarbeiterInnen über ihre Rechte aufzuklären, nach berufl ichem
Erfahrungshintergrund, Arbeitszeugnissen und Vordienstzeiten zu fragen.
Wenn bei der Einstellung Fehler im Arbeitsvertrag hinsichtlich der Einstufung passiert sind, so können und
sollen sie in den darauf folgenden Wochen repariert und der Vertrag korrigiert werden. Auch dazu kann der
Betriebsrat aktiv werden.
Positiver Nebeneffekt: So kann der Betriebsrat das Vertrauen der neuen MitarbeiterInnen gewinnen und sie
auch für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft motivieren.
13 Siehe Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pfl icht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31991L0533:DE:HTML14 Siehe http://www.eurocadres.org/
38 Kolumnentitel
MITWIRKUNG DER KOLLEKTIVVERTRAGSPARTNER IN DER METALLINDUSTRIE
Hier sieht der Kollektivvertrag eine erweiterte Mitsprache vor: Bei Nichteinigung auf betrieblicher Ebene kann
der Betriebsrat ein Vermittlungsverfahren der Kollektivvertragsparteien einleiten. In Betrieben ohne Betriebsrat
kann die Gewerkschaft vermittelnd eingreifen, wenn die falsche Einstufung einer oder mehrerer Gruppen von
Angestellten als falsch vorgenommen vermutet wird.
WIE WIR IN ÖSTERREICH UNSERE KOLLEKTIVVERTRÄGE EUROPAFIT MACHEN KÖNNEN
Arbeitsplatzwechsel quer durch Branchen, aber auch im offenen europäischen Arbeitsmarkt werden in Zukunft
sicher weiter zunehmen. Damit ist eine erhöhte Herausforderung gegeben, was Anerkennungen von Berufs-
erfahrungen aus unterschiedlichen Hintergründen anlangt. Das Stichwort heißt „stärkere Durchlässigkeit“ der
Systeme. Hier gibt es Reformbedarf mit mehreren Ansatzmöglichkeiten:
Zusammenfassung von Kollektivverträgen zu größeren Komplexen (auch branchenübergreifend, zum
Beispiel bei Dienstreisebestimmungen)
Harmonisierung der Tätigkeitsbeschreibungen für größere Gruppen, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen
Andocken an das Matrixsystem des Europäischen Qualifi kationsrahmens mit seinen drei Säulen von
„Kenntnissen“ (Qualifi kation), „Fertigkeiten“ (Anwendung) und „Kompetenzen“ (persönliche, soziale,
entwicklungsbezogene Nutzung) und seinen acht Niveaus, um unterschiedliche Beschreibungssysteme
vergleichbarer zu machen
WELCHE INITIATIVEN WIR IN ÖSTERREICH UND AUF EUROPÄISCHER EBENE ERGREIFEN KÖNNEN
Staatliche Anerkennungsprozeduren sind mit viel Bürokratie verbunden und erfordern einen langen
Hürdenlauf. Auf diesem Gebiet können Betriebsrat und Gewerkschaft Hilfen bieten, sei es bei der Verfahrens-
begleitung, sei es durch Angebote, teilweise sehr teure Übersetzungen zu unterstützen.
Mittelfristig sind sicherlich gesetzliche Initiativen auf nationaler und vor allem auch auf europäischer Ebene
erforderlich, um die Arbeitsmobilität zu erleichtern.
Auf europäischer Ebene kann die Transparenzrichtlinie 91/533EEC verbessert werden: Bei den Mindest-
anforderungen an einen Arbeitsvertrag soll auch das Kompetenzniveau entsprechend dem Europäischen
Qualifi kationsrahmen als verbindlich verankert und mit dem Recht auf ein standardisiertes Arbeitszeugnis die
Anrechnung und Berücksichtigung von Berufserfahrung erleichtert werden.
39Kolumnentitel
Bildungshürde Migrationshintergrund
Barbara Kasper, GPA-djp Jugendsekretärin der Bundesjugendabteilung
Die eigene Herkunft wirkt sich erheblich auf die eigene Bildungslaufbahn aus – Migrationshintergrund und
Sprache spielen eine wesentliche Rolle. Da das österreichische Bildungssystem nicht gerade vor sozialer
Bildungsdurchlässigkeit strotzt, haben es MigrantInnen gleich einmal doppelt so schwer.
KINDERGARTEN/KINDERGRIPPE
Bildung beginnt im Kleinkindalter, also im Kinder-
garten oder in der Kindergrippe. Laut Statistik Austria
besuchen Kinder mit Migrationshintergrund seltener
Krippen und Kindergärten, als Kinder ohne. Der
Besuch solcher Einrichtungen fördert die Sprachfähig-
keiten der Kinder jedoch enorm und verringert später
auch den sprachlichen Förderbedarf. Die Sprache zu
erlernen und zu beherrschen, ist der Grundstein für eine
gute (Aus-)Bildung, und die Betreuung in Kindergärten
verbessert eindeutig die Sprachfähigkeiten.
„Unter jenen Kindern, die zum Zeitpunkt der Sprachstandserhebung15 noch keinen Kindergarten besuchten,
sondern ausschließlich in der Familie oder bei Tagesmüttern betreut wurden, war der Anteil der Kinder mit
sprachlichem Förderbedarf mit rund 50% generell höher, als bei in Kindergärten betreuten Kindern (23%).
Deutschsprachige Kinder, welche keine Betreuungseinrichtung besuchten, benötigten zu etwa 16% zusätzliche
Unterstützung, während es unter den fremdsprachigen Kindern sogar 80% waren.“ (Statistik Austria 2010:
S. 40).
Ein weiterer Grund dafür, dass der Anteil an Kindern mit migrantischem Hintergrund in Kindergärten mit
25% (2008) deutlich unter dem von österreichischen Kindern in Kinderbetreuungseinrichtung liegt, ist, dass
ausländische Mütter seltener berufstätig sind als österreichische.
Um diesen Problemen entgegenzuwirken, braucht es mehr Kinderbetreuungsplätze und die Ausweitung des
verpfl ichtenden Kindergartenjahres auf zwei Jahre, da ein einzelnes Jahr für gegensteuernde Maßnahmen zu
kurz ist. Nötig ist auch die Aufnahme von Kindern in Betreuungseinrichtungen während des gesamten Jahres
und nicht bloß im September.
15 Im Frühjahr 2008 wurde eine Sprachstandsbeobachtung bei 4½- bis 5½-jährigen Kindern durchgeführt. Quelle: Statistik Austria: migration & integration. zahlen.daten.indikatoren 2010: S. 40
40 Kolumnentitel
SCHULE/SCHULPFLICHT
Das Bildungsniveau von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheidet sich in
Österreich deutlich. Wesentlich ist dabei, dass Kinder mit Migrationshintergrund, nur auf Grund unzureichender
Deutschkenntnisse, ihre Ausbildung oft in der Sonderschule anstatt in der Volksschule beginnen. Der Anteil
an Kindern und Jugendlichen, mit nicht-deutscher Umgangssprache, in Sonderschulen betrug im Schuljahr
2008/09 rund 28%.
„In Volks- und Hauptschulen war hingegen nur gut ein Fünftel der Schulkinder fremdsprachig. In weiterführenden
Schulen verringert sich der Anteil nicht-deutsprachiger SchülerInnen abermals: So stammen in Allgemein-
bildenden Höheren Schulen 13% und in Berufsbildenden Höheren Schulen nur 11% der Auszubildenden aus
fremdsprachigen Familien.“ (Statistik Austria 2010: S. 42)
„Jugendliche mit nicht-deutscher Umgangssprache wechseln häufi ger in Polytechnische Schulen und BMS16
(zusammen 54%) als in maturaführende Schulen. Hinzu kommt, dass überproportional viele SchülerInnen
und Schüler mit nicht-deutscher Umgangssprache nach der Hauptschule, wenn die Schulpfl icht bereits erfüllt
wurde, ihre schulische Ausbildung überhaupt beenden und gar nicht erst in eine Ausbildung der Sekundarstufe II
eintreten.“ (Statistik Austria 2009/10: S.28)
Zumindest 15% der fremdsprachigen Hauptschulkinder verlassen das Schulsystem ohne Pfl ichtschul-
abschluss. Jeder Jugendliche, der die Schule ohne Pfl ichtschulabschluss verlässt, ist einer zu viel. Es kann nur im
gesellschaftlichen Interesse sein, Kinder und Jugendliche möglichst lange im Bildungssystem zu halten und für
eine gute Ausbildung zu sorgen. Studien belegen: Je besser die (Aus-)Bildung, desto geringer das Risiko auf
langjährige Arbeitslosigkeit. Eine Selektion im Bildungssystem aufgrund ethnischer Kriterien und Herkunft ist
nicht zu akzeptieren. Stattdessen sollte das Können einer Fremdsprache in Österreich endlich als Vorteil und
Qualifi kation anerkannt werden, und nicht als Nachteil oder gar Hürde gesehen werden.
Um allen dieselben Bildungschancen zu gewährleisten, wäre die Einführung einer fl ächendeckenden
gemeinsamen schulischen Grundausbildung in den ersten neun Jahren für alle SchülerInnen mit individuellem
Unterricht und Fördermaßnahmen ein erster Schritt. Das heißt, keine Aufteilung in Gymnasien und Neue
Mittelschule, sondern eine gemeinsame Ganztagsschule für alle, wo Lernen, Freizeit und Üben in Form von
Lernhilfen und Förderangeboten über den ganzen Tag verteilt stattfi nden.
Besondere Aufmerksamkeit muss der Situation von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache geschenkt
werden. Obwohl die Schule integrationspolitische Ziele unterstützen sollte, wirkt sie hier nur mäßig. Es
bedarf besonderer Anstrengung, da diese Bevölkerungsgruppe mehreren sozialen Risikofaktoren (sprachliche
und soziale Defi zite, Diskriminierung etc.) ausgesetzt ist. Wesentliche Maßnahmen sind der Einsatz von
IntegrationslehrerInnen und gezielt von PädagogInnen mit Migrationshintergrund.
16 Berufsbildende mittlere Schulen
41Kolumnentitel
Weiters sollte Kindern mit Sprachschwierigkeiten besser Hilfe angeboten werden, anstatt sie in die Sonder-
schule abzuschieben. Sinnvoll wäre, Kinder in Sonderschulen jedes Jahr zu „überprüfen“, ob eine Rückkehr
ins Regelschulwesen möglich ist, wenn nicht generell die Abschaffung der Sonderschulen zu fordern ist. Es ist
nämlich nicht einzusehen, dass die Sonderschule die Endstation sein muss und Kindern die Chance auf Bildung
genommen wird. Bildung ist einer der Wege für Integration. Auch die OECD sieht Bildung als „starken Hebel“
für Integration.
LEHRAUSBILDUNG/FACHKRÄFTE
Die möglicherweise größte Herausforderung des österreichischen Berufsausbildungssystems, aber auch ein
besonderes Potenzial an zusätzlichen Lehrlingen und Fachkräften, ist die Integration von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund in das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem.
Denn Jugendliche mit Migrationshintergrund scheiden wesentlich häufi ger bereits nach Erfüllen der Schulpfl icht
aus dem Bildungssystem aus. In der 8. Schulstufe befi nden sich zwar noch rund 11% Jugendliche mit nicht-
österreichischer Staatsbürgerschaft und rund 19% Jugendliche mit nicht-deutscher Umgangssprache, ab der
10. Schulstufe sinkt der Anteil jener Jugendlichen aber markant.
In der 12. Schulstufe liegt der Anteil an Jugendlichen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft nur mehr bei
rund 6%, jener an Jugendlichen mit nicht-deutscher Umgangssprache bei rund 9% (ibw 2011: S. 33). Das ist
nur mehr rund die Hälfte, teilweise weniger, als in den unteren Schulstufen (da Berufsschulen mit inbegriffen
sind, ist auch die Lehrausbildung enthalten). Nennenswerte geschlechtsspezifi sche Unterschiede gibt es beim
frühzeitigen Ausscheiden aus dem Ausbildungssystem nicht.
Erstaunlich ist dennoch, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund innerhalb der Sekundarstufe II in der
Lehrlingsausbildung besonders stark unterrepräsentiert sind. So lag der Anteil der Jugendlichen mit nicht-
deutscher Umgangssprache in der Berufsschule im Jahr 2009/10 lediglich bei 8,8%, wobei der Anteil in den
Polytechnischen Schulen noch bei 23,2% lag.
Der geringe Anteil jener Jugendlichen in der Lehrlingsausbildung ist nicht nur aus integrationspolitischer
Perspektive höchst problematisch, sondern auch hinsichtlich des von der Wirtschaft viel beklagten Fachkräfte-
mangels.
Hier besteht sowohl ein verstärkter Integrationsbedarf in Ausbildung und Arbeitsmarkt als auch ein hohes (und
ungenutztes) Potential an qualifi zierten und talentierten (oft auch mehrsprachigen) Fachkräften der Zukunft, das
gerade auch unter dem Aspekt der rückläufi gen Zahl an 15-Jährigen […] und der erwartbaren Fachkräftelücke
aufgrund einer hohen Zahl an bevorstehenden Pensionierungen […] besondere Bedeutung gewinnen könnte.
(ibw 2011: S. 37)
42 Kolumnentitel
Auffällig ist außerdem, dass der Anteil an Lehrlingen (2010) mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft17 in
der integrativen Berufsausbildung mit 18,3%, in der Überbetrieblichen Lehrausbildung mit 13,6%, in jener
des AMS mit 14,1%, und in Ausbildungseinrichtungen 13,1% überproportional hoch ist. In Sparten wie der
Industrie oder Nicht-Kammer18 sind sie lediglich mit 3,8% bzw. 3,7% vertreten (vgl. ibw 2011: S. 39 ff.).
Die Ursache für die Unterrepräsentation jener Jugendlichen in der Lehrausbildung und die Überrepräsentation
in Ausbildungseinrichtungen ist nicht eindeutig festzustellen, jedoch ist eine Reihe von Faktoren ausschlag-
gebend. Einerseits spielen Deutschkenntnisse eine Rolle, wodurch sich Jugendliche verunsichern lassen und
sich gegen einen weiteren Ausbildungsweg entscheiden – obwohl viele Jugendliche mit Migrationshinter-
grund, besonders jene der sogenannten 2. Generation, über gute Deutschkenntnisse verfügen.
Ein viel größeres Problem liegt im Informationsdefi zit hinsichtlich dualer Ausbildung auf Seite der Jugendlichen
selbst, deren Eltern und der Betriebe. Die Art der dualen Ausbildung, wie sie in Österreich praktiziert wird, gibt
es sonst in keinem anderen (europäischen) Land (Deutschland und Schweiz ausgenommen). Das führt dazu,
dass migrantischen Jugendlichen dieser Ausbildungsweg nicht (gut) bekannt ist und somit ein Informations-
defi zit besteht:
Welche Lehrberufe gibt es?
Wie fi nde ich eine Lehrstelle?
Was sind die genauen Fristen?
Die Eltern sind in vielen Fällen noch schlechter informiert und können die eigenen Kinder nicht optimal
unterstützen. Informationsdefi zite und unzureichende Berufsorientierung, welche gerade bei Jugendlichen mit
Migrationshintergrund besonders häufi g anzutreffen sind, werden noch dadurch verstärkt, dass Jugendliche
mit Migrationshintergrund häufi g aus einer besonders bildungsfernen Herkunftsfamilie stammen (vor allem jene
mit türkischem oder serbischem Migrationshintergrund). Geringe Kenntnis des österreichischen Systems der
Lehrlingsausbildung und fehlende Unterstützung bzw. fehlendes Wissen der Eltern kann beispielsweise schlicht
und einfach dazu führen, dass Bewerbungen zu spät versandt werden. (ibw 2011: S. 37)
Hinzu kommen Informationsdefi zite sowie Ängste/Schwierigkeiten der Lehrbetriebe, welche sie hinsichtlich
kultureller Unterschiede oder auch in Bezug auf die bürokratischen Erfordernisse/Beschränkungen der
Beschäftigung von Jugendlichen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft haben.
Weiters gibt es Betriebe migrantischer EigentümerInnen, die keine Scheu vor kulturellen Unterschieden haben,
dafür aber gar nicht wissen, dass bzw. wie sie Jugendliche im eigenen Betrieb ausbilden können.
Ein letzter Punkt ist, dass viele Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht die 9. Schulstufe erreichen (wegen
Klassenwiederholung, späterer Einschulung, …). Nur rund die Hälfte der 14-Jährigen befi ndet sich in der
9. Schulstufe (2009/10). Das heißt, es ist davon auszugehen, dass ein großer Teil von ihnen die (neunjährige)
Schulpfl icht bereits vor dem Erreichen der 9. Schulstufe erfüllt und in der Folge die für die Berufswahl und
-vorbereitung so wichtige 9. Schulstufe (zB polytechnischer Lehrgang) gar nicht besucht. (ibw 2011: S. 37)
17 Bosnien-Herzegowina. Deutschland, Kroatien, Serbien, Türkei18 etwa öffentliche Verwaltung, Apotheken, Rechtsanwaltskanzlei etc.
43Kolumnentitel
Um frühzeitigem Schulabbruch, Informationsdefi ziten und unzureichender Berufsorientierung entgegen-
zuwirken, ist eine verpfl ichtende Berufs-, Bildungsweg- und Arbeitsweltorientierung ab der 6. Schulstufe
unbedingt notwendig. Kinder, Jugendliche und deren Eltern müssen frühzeitig über die Möglichkeiten der
verschiedenen Ausbildungswege in Österreich informiert werden, sowohl über weiterführende Schulen
als auch über die duale Ausbildung. Je früher mit diesem Prozess begonnen wird, umso eher erweisen
sich die angestrebten Pläne als realistisch und umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, in die Gruppe der
"Orientierungslosen" zu fallen. (ibe 2011: S.5)
Außerdem muss Unterstützung und Förderung von Mädchen und Burschen gegeben sein, die sich für Berufs-
zweige entscheiden, die nicht den typischen gesellschaftlichen Rollenbildern entsprechen. In einem weiteren
Schritt müssen alle UnternehmerInnen, mit und ohne Migrationshintergrund, bezüglich dualer Ausbildung
geschult und informiert werden, um zu wissen wie und unter welchen Voraussetzungen Lehrlinge auf-
genommen und ausgebildet werden können. Es muss vor allem im Interesse der Betriebe sein, mehr Lehrstellen
anzubieten, um mehr Lehrlinge und somit Fachkräfte auszubilden, die wir in Österreich nötig haben. Es ist nicht
zu akzeptieren, junge MigrantInnen großteils in überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen abzuschieben und
sich gleichzeitig über zu wenig qualifi zierte Fachkräfte zu beschweren.
Genau so wenig ist es zu akzeptieren, junge Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihres Migrationshinter-
grundes zu benachteiligen, ihnen Qualifi kationen oder Fähigkeiten abzuschreiben – ihnen schlicht geringere
Chancen im Bildungsweg zu ermöglichen, als jungen ÖsterreicherInnen.
Wir sollten endlich kapieren, dass die Herkunft, ein „anderes“ Aussehen, eine andere Muttersprache kein
Grund für Benachteiligung sind. Im Gegenteil, wir müssen erkennen, dass wir alle von verschiedenen Fähig-
keiten und Potentialen profi tieren, und daher jeder und jede in Österreich die gleichen Chancen auf Bildung
haben muss.
44 Kolumnentitel
Sprache als „Schlüssel“ zur Integration?19
Verena Plutzar, Universität Wien
Sprache spielt eine Schlüsselrolle in den Integrationspolitiken Europas. Die Integrationsprogramme der
europäischen Länder vermitteln mehrheitlich, dass nur eine gemeinsame Sprache, in Österreich die Staats-
sprache Deutsch, den sozialen Zusammenhalt in einer durch Diversität gekennzeichneten Gesellschaft sichern
könne und dass Sprachtests und verpfl ichtende Kurse die Durchsetzung dieses Zieles garantieren würden.
Die Forderung, dass MigrantInnen die Landessprache zu erlernen hätten, suggeriert „einfache“ Lösungen, wo
komplexe Bedingungsgefüge wirken. Mit dem Ziel Chancengleichheit herzustellen, werden Ungleichheiten
geschaffen.
SPRACHLERNZWANG
In Österreich gibt es seit 2003 im Rahmen der sog. „Integrationsvereinbarung“ im Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz (NAG §14-16) eine gesetzliche Deutschlernpfl icht. Gegenwärtig muss für die Erlangung
eines Aufenthaltstitels eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 des Europäischen Referenzrahmens für
Sprachen (GERS) abgelegt werden, deren Nicht-Bestehen Sanktionen bis hin zur Ausweisung zur Folge haben
kann. Die Kosten für den Kursbesuch (vorgesehen sind 300 Stunden) sind von den MigrantInnen selbst zu
tragen und werden bei Bestehen der Prüfung innerhalb von zwei Jahren zur Hälfte (bis max. EUR 750,--)
zurückerstattet. Seit Juli 2011 muss für die Erlangung der Staatsbürgerschaft eine Deutschprüfung auf dem
Niveau B1 bestanden werden und vor Einreise ist für sog. „Drittstaatsangehörige“ der Nachweis eines
Diploms auf A1 obligatorisch.
Die gesetzliche Sprachlernpfl icht wird von SprachwissenschafterInnen und Fachverbänden kritisch
eingeschätzt. In erster Linie wird der Zwangscharakter der Maßnahme als kontraproduktiv beurteilt. Das
Gesetz unterstellt in dieser Form, dass man MigrantInnen zum Erwerb des Deutschen zwingen müsse und
reagiert dabei vordergründig auf die Beobachtung, dass viele ZuwanderInnen trotz jahrelangen Aufenthalts
in Österreich nur über geringe Deutschkenntnisse verfügen. Es wird dabei übersehen, dass es bisher kaum
ausreichende Deutschlernmöglichkeiten für MigrantInnen gab bzw. dass Anreize, Deutsch zu lernen, fehlten.
Außerdem geht der Gesetzgeber fälschlicherweise davon aus, dass ein Kursbesuch dem Erlernen einer
Sprache gleichzusetzen ist, und nimmt nicht zur Kenntnis, dass die Aneignung der Zweitsprache im Kontext
von Migration in erster Linie außerhalb von Kursen durch Sprachkontakte stattfi ndet.
Schließlich wird die Koppelung unverhältnismäßiger Sanktionen, wie der Entzug der Aufenthaltserlaubnis, an
das Bestehen einer Prüfung aus sprachenrechtlicher und ethischer Perspektive als bedenklich eingeschätzt.
19 Dieser Text basiert auf einer gekürzten und leicht bearbeiteten Version meines Textes: Sprache als „Schlüssel“ zur Integration? Eine kritische Annäherung an die österreichische Sprachenpolitik im Kontext von Migration, in: Herbert Langthaler (Hrsg.), Integration in Österreich. Sozialwissenschaftliche Befunde. Innsbruck, Wien und Bozen: Studien Verlag. 121 – 140. Dort sind auch sämtliche Quellen- und Literaturangaben zu fi nden, die in dieser Version aufgrund von Platzgründen weggelassen wurden.
45Kolumnentitel
WAS DAHINTER STEHT
Kenntnisse der Landessprache als Voraussetzung von Integration?
Die gesetzliche Verpfl ichtung von MigrantInnen, die Landessprache in Kursen zu erlernen, wie auch der
Einsatz von verpfl ichtenden Sprachprüfungen, werden durch die Annahme legitimiert, dass dieser Sprach-
erwerb den Zugang zum Bildungssystem und Arbeitsmarkt eröffnet. Solche Erklärungsmuster blenden dabei
andere Faktoren wie zB die soziale Herkunft, rechtliche Rahmenbedingungen, systemimmanente strukturelle
Diskriminierung, den ungleichen gesellschaftlichen Wert von Sprachen oder die sprachenpolitischen Rahmen-
bedingungen in den Herkunftsländern, aus.
Die Überbetonung der Rolle der Landessprache lässt übersehen, dass Integration ein komplexer und vor allem
auch gesellschaftlicher Prozess ist, in dem gesellschaftspolitische Fragen entscheidend sind. Mehrfach wurde
bereits am Beispiel der Pariser banlieues darauf hingewiesen, dass in Ländern mit kolonialer Vergangenheit
die Beherrschung der Landessprache durch MigrantInnen die Integrationsprobleme bzw. soziale Spannungen
auch nicht verhindern konnte.
Sprachenlernen, und vor allem das Sprachenlernen in der Migration, ist keine abstrakte, in Kursen geübte
Tätigkeit, sondern stellt eine soziale Praxis dar in der sich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse wider-
spiegeln und Einfl uss auf individuelle Spracherwerbsverläufe nehmen können. Negativ erlebte Fremd-
zuschreibungen, mangelnde Möglichkeiten des Selbstausdrucks und die Erfahrung der sprachlichen
Unzulänglichkeit können den Spracherwerb hemmen. MigrantInnen werden in der Regel nicht als Sprach-
lernende akzeptiert, noch werden sie in ihrer mehrsprachigen Identität anerkannt.
Ein weiterer Zusammenhang zwischen Spracherwerb und dem individuellen Integrationsprozess stellt sich
über den durch die Migration hervorgerufenen Kulturschock, der auch als „Migrationskrise“ bezeichnet wird,
her. Seine Auswirkung auf den Spracherwerb ist zwar anerkannt, wird aber weder in der Forschung noch
in der Umsetzung von Sprachprogrammen entsprechend berücksichtigt. Deutschkenntnisse von MigrantInnen
korrelieren weder mit der Aufenthaltsdauer noch mit dem Stundenausmaß des Unterrichts, sondern mit der
Qualität der Sprachkontakte.
Sprachförderung durch Kurse?
Die Annahme der zentralen Rolle von Kursen ist wohl von
Konzepten des Lernens einer Fremdsprache inspiriert.
Der Erwerb der Zweitsprache steht jedoch in Struktur und
Verlauf dem Erwerb der Erstsprache näher. Spracherwerb
fi ndet demnach weniger in Kursen als im „wirklichen“
Leben statt. Kurse können hier lediglich eine unterstützende
Funktion übernehmen, indem sie zu sprachlichen
Erkundungen anregen und alltägliche Sprachgebrauchs-
erfahrungen produktiv verarbeiten. Schließlich wird übersehen, dass Sprachenlernen weit mehr Zeit braucht
als in den verpfl ichtenden Kursstunden möglich gemacht wird.
46 Kolumnentitel
Die Macht der Tests
Tests sind in unserer Gesellschaft Symbole der Leistung und des Erfolgs geworden. Prüfungen werden im
Allgemeinen als wichtiges Unterrichtsinstrument betrachtet. Erst Prüfungen würden, so die weit verbreitete
Meinung, SchülerInnen zum Lernen motivieren. Dieser Konsens über die positive Wirkung von Prüfungen
erklärt, warum sie im Kontext von Integrationspolitiken so einen zentralen Einsatz fi nden und sogar von jenen
anerkannt werden, die sich ihnen unterziehen müssen. Über die Sprachkompetenzen der getesteten Personen
sagen Sprachprüfungen jedoch vergleichsweise wenig aus, da sie den ungleichmäßigen Sprachprofi len von
mehrsprachigen Menschen nicht gerecht werden. Sprachkompetenzen von MigrantInnen können aufgrund
ihrer komplexen Sprachbiografi en und schwierigen Lebenssituationen je nach Kontext und Lebenssituation
beträchtlich variieren. Will man etwas über die Sprachkompetenzen von MigrantInnen erfahren, so ist der
Einsatz von komplexen, mehrsprachigen Erhebungsverfahren unumgänglich.
Tests und Prüfungen unterstützen die dominanten Sozial- und Bildungssysteme. Im Rahmen von Migrations-
politiken entscheiden sie über Zugehörigkeit oder Zutritt zu einer Gesellschaft. Jene, die die überprüften Inhalte
reproduzieren können, werden mit Aufnahme belohnt, wobei zu fragen bleibt, ob es sich dabei nicht nur um
eine scheinbare Aufnahme handelt.
EIN FALSCHES VERSPRECHEN
Welche Sprache?
Obwohl von „Sprachförderung“ gesprochen wird, ist ausschließlich die Landessprache, das Deutsche, gemeint.
MigrantInnen werden für „sprachlos“ erklärt. Integrationsprogramme, die den Erwerb der Staatssprache als
geeignetes Mittel zur Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts in den Mittelpunkt rücken, präsentieren sich
in einem nationalstaatlichen Paradigma. In diesem Zusammenhang wird ein „Mehrsprachigkeitsparadox“ der
europäischen Sprachenpolitiken konstatiert: Einerseits wird viel Geld investiert, um Sprachenkenntnisse von
Menschen in den EU-Sprachen zu erweitern, während der durch Migration entstehende sprachliche Reichtum
ignoriert wird.
Missbrauch sprachenpolitischer Instrumente
Zu dieser Ignoranz der Sprachen der MigrantInnen Europas gesellt sich die missbräuchliche Verwendung
des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen im Rahmen der Integrationsprogramme.
Als Instrument, das ursprünglich dazu dienen sollte, mehrsprachige Kompetenzprofi le adäquat zu erfassen,
indem er die Beschreibung ungleichmäßiger und veränderlicher Kompetenzen erlaubt, wird er in Bezug auf
die Messung integrationsrelevanter Sprachkenntnisse, auf genau das reduziert, wogegen er sich richtet: auf
einheitliche Niveaubeschreibungen, die für alle Fertigkeiten gelten und damit für mehrsprachige Menschen
unpassend sind.
47Kolumnentitel
Symbolische Politik
An diesen Inkonsistenzen der europäischen Politiken wird u.a. sichtbar, dass es den Regierungen nicht um
Integration, als vielmehr um Assimilation geht. Die Antwort auf die Frage, warum europäische Länder in
unliberaler und paternalistischer Form auf Integrationsprogramme setzen, die sie als Sprachprogramme
auslegen und die oft mit großem Aufwand und hohen Kosten verbunden sind, wird einerseits mit Hinweis
auf den symbolischen Charakter von Integrationsprogrammen beantwortet. Andererseits können die politisch
geschürten Erwartungen durch die Operationalisierbarkeit der Sprachtests erfüllt werden: Integration durch
Sprache scheint eine Antwort auf die Frage zu erlauben, wie sich Integration organisatorisch ausgestalten
lässt.
Die Implementierung von Integrationsprogrammen funktioniert als Botschaft an die Mehrheitsgesellschaft, dass
die Regierungen sich des „Problems Integration“ bewusst und gleichzeitig dabei sind, es zu lösen.
Die Erwartungen, die mit dieser symbolischen Politik aufgebaut wurden, können hier wie dort nicht eingelöst
werden. Ganz im Gegenteil, eine aktuelle europaweite Studie zeigt, dass die verpfl ichtenden Sprachprüfungen
keinen nennenswerten Effekt auf die Verbesserung der Sprachkenntnisse, noch auf strukturelle Integration
habe, wohl aber auf die Qualität der Einwanderung – bessere Qualifi zierung und weniger Frauen. Die Studie
bestätigt, worauf kritische Testtheoretiker bereits seit Jahren hinweisen: Sprachtests bieten Regierenden ein
einfaches Werkzeug um exkludierende Politik zu betreiben.
Was es sein könnte – Hier bieten sich aus meiner Perspektive drei Denkrichtungen an:
Die erste beschäftigt sich mit der Frage, wie unter den gegebenen Bedingungen die Politik „Integration
durch Landesprache“ verbessert werden kann. Hier lassen sich eine Reihe von notwendigen Maßnahmen
nennen: Das Angebot an Deutschkursen müsste auf Freiwilligkeit beruhen und deren Attraktivität aus
ihrer Qualität erwachsen. Dazu gehört in allererster Linie ein differenziertes Angebot auch auf höheren
Niveaus. Außerdem haben Lernangebote über reine Deutschkurse hinauszugehen und entweder mit
anderen Bildungserfahrungen verbunden zu sein, am Arbeitsplatz stattzufi nden oder an Orten der Freizeit.
Sprachlernen muss als etwas Kreatives und Lustvolles erlebbar und mit dem Aufbau von Beziehungen
sowohl zu Menschen wie auch zu Orten und der Sprache selbst verbunden sein.
Die zweite Denkrichtung löst Sprache aus der Integrationsdebatte wieder heraus und schärft das Bewusstsein
dafür, dass Sprache in der gegenwärtigen Politik der Schauplatz eines symbolischen Kampfes geworden
ist, bei dem „wir“ gegen „die Anderen“ angetreten sind, um „uns“ zu schützen. Das bedeutet, dass immer,
wenn argumentiert wird, Sprachprüfungen und Sprachverpfl ichtungen seien zum Wohle der MigrantInnen
eingesetzt, auf die Instrumentalisierung von Sprachenlernen in diesem Zusammenhang hinzuweisen ist.
Es muss dabei immer deutlich und bewusst gemacht werden, dass es in diesem Zusammenhang nicht um
Sprache, sondern um Macht geht.
Die dritte Möglichkeit ist, Überlegungen anzustellen, wie die Gesellschaft mit der real existierenden Vielfalt
an Sprachen und der zunehmend sprachteilig werdenden Realität umgehen und dabei den wohlfahrts-
staatlichen Anspruch der Herstellung von Chancengleichheit erfüllen kann. Hier geht es darum, die Normalität
von Viel- und Mehrsprachigkeit zu begreifen und das einsprachige Selbstverständnis des Staates und seiner
Institutionen, allen voran der Schule, aufzugeben.
48 Kolumnentitel
MigrantInnen wird in der gegenwärtigen Sprachen-, Bildungs- und Integrationspolitik „von oben herab“
begegnet, sie werden für sprachlos und ungebildet erklärt, es wird mittels Programmen und Sanktionen über
sie verfahren und bestimmt und sie werden mit Kriterien gemessen, denen sie nicht gerecht werden können.
Nicht die Förderung von Deutschkenntnissen, sondern eine Haltung, die sich u.a. auch in der Ignoranz der
Mehrsprachigkeit zeigt, ist mit aller Deutlichkeit in Frage zu stellen. Wenn es darum gehen soll, dass wir in
Österreich wie auch in ganz Europa friedlich miteinander leben wollen, so muss sich diese Haltung ändern
und die Bereitschaft entwickelt werden, allen Menschen, die in diesem Land leben auf gleicher Augenhöhe zu
begegnen. Gelingt dies nicht, erreichen alle noch so gut gemeinten Bemühungen letztendlich das Gegenteil:
Sie grenzen aus, wo sie doch Zusammenhalt schaffen wollen.
49Kolumnentitel
„Man hört wenig von den Ursachen, sondern nur von den Symptomen!“
Interview mit Mag.a Didem Strebinger (geführt von Hannah Putz)
Es gibt nun zum ersten Mal in der GPA-djp einen Migrationsleitantrag, wie hast du diesen Prozess beobachtet und welche Forderungen fi ndest du besonders relevant?Das, was ich sehr wichtig fi nde, ist die Vereinfachung bei Einbürgerung und Staatsbürgerschaft, wo es vor allem
um die Doppelstaatsbürgerschaften geht. Es fi ndet eine eindeutige Differenzierung zwischen EU-BürgerInnen
und Nicht-EU-BürgerInnen statt. Warum werden Menschen, die nicht in der EU geboren wurden oder eine
andere Staatsbürgerschaft haben – die jedoch in Österreich arbeiten – nicht die gleichen Rechte zugesprochen
wie EU-BürgerInnen? Ich fi nde, dass hier eine Ungleichbehandlung stattfi ndet. Ein weiterer wichtiger Punkt ist
die Erleichterung beim Familiennachzug, was vor allem auch Frauen betrifft. Sie kommen nach Österreich
nach, und ihr Verbleib ist quasi von der Person abhängig, wegen der sie hier sind. Und im Fall einer Scheidung
kann es dann dazu kommen, dass sie das Land verlassen müssen. Also ich denke, dass das Gesetz nicht
so gemeint war, und das ist sicher etwas was man nachkorrigieren sollte. Was immens wichtig ist, ist die
Integration in den Arbeitsmarkt. Also, dass man Qualifi kationen richtig anrechnet. Denn wenn das nicht
passiert, und die Personen, die hier arbeiten, niedriger eingestuft werden, untergraben wir unsere eigenen
Bestimmungen und Kollektivverträge. Und das sollte nicht der Fall sein!
Stichwort Arbeitsmarkt: Wie könnte man den Anstieg der illegalen Arbeit eindämmen?Was sollen die Menschen sonst tun, wenn sie nicht legal hier arbeiten dürfen, von etwas müssen sie ja leben!
Ich bin der Meinung, dass es weniger Bedarf für Schwarzarbeit gibt, wenn man die Forderung, den Arbeits-
marktzugang zu erleichtern und das Ganze qualifi zierter anzugehen, umsetzen würde. Die Gefahr, die ich
auch sehe, ist, dass die Leute, die hier bereits schon illegal arbeiten, dies nicht ändern werden können.
Wann bist du nach Österreich gekommen? Warst du anfangs mit Schwierigkeiten konfrontiert?Ich bin in Istanbul geboren und 1989 nach Österreich gekommen. Ich bin Absolventin der Österreichischen
Schule in Istanbul und deswegen war ich im Studium den ÖsterreicherInnen gleichgestellt. Ich habe mich nach
dem Studium selbst entschieden, hier zu bleiben, da ich schon einen Freundeskreis aufgebaut hatte und es mir
hier sehr gut gefi el. Ich hatte natürlich den Vorteil, dass ich die Sprache konnte. Das heißt aber nicht, dass ich
am Anfang den Dialekt verstanden habe. Ein Kollege hat mich dann beruhigt und gesagt, als er als Steirer
nach Wien gekommen ist, hat ihn auch niemand verstanden.
Ist dir persönlich auch ein diskriminierendes Erlebnis in Erinnerung geblieben?Das Problem bei solchen Sachen ist, dass man es als Betroffene oft erst sehr spät merkt, dass es sich um eine
Diskriminierung gehandelt hat. Man denkt zunächst: „Das kann nicht sein bzw. das war bestimmt ein Miss-
verständnis!“. Und erst viel später kommt man drauf: Aha! Das war doch diskriminierend. Ich persönlich hatte
grundsätzlich keine Probleme, eher im Gegenteil, alle waren mir gegenüber immer sehr offen. Als ich aber in
Graz zu studieren begonnen habe, hat man mich vorgewarnt, dass es jemanden in der Inskriptionsstelle gibt,
der Ausländer nicht mag und die Dinge gerne verzögert. Das hat sich dann leider auch bestätigt. Aber wie
gesagt: Ich hatte schon den Vorteil, dass ich mich auf Grund der Sprache auf jeden Fall besser integrieren
konnte. Für jemanden, der die Sprache nicht so beherrscht, ist es schwieriger.
50 Kolumnentitel
Wie beurteilst du die Debatte in den Medien rund um Migration und Integration?Das ist ein sehr schwieriges Thema und auch schwer zu
lösen. Es wird immer so verstanden, dass es Unterschiede
zwischen InländerInnen und AusländerInnen gibt, aber es gibt
Unterschiede zwischen den Ausländern und da gibt es auch
einige Probleme. Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2010
war Migration ein großes Thema und in dieser Zeit habe
ich viele Artikel gelesen, vor allem, wie die ausländischen
Medien die Wahlen sehen. Und das war sehr interessant,
weil unterschiedliche Zeitungen geschrieben haben, dass sie die Wiener nicht verstehen können. Denn der
Ausländeranteil liegt bei bloß 16% und Großstädte wie Paris und London haben ganz andere Probleme
mit Kriminalität und „Ghettos“. Und diese Angst vor Ausländern hier versteht eigentlich niemand. Man darf
die Probleme natürlich nicht unter den Tisch kehren. Aber man hört wenig von den Ursachen, sondern nur
von den Symptomen, sodass man sich unsicher fühlt. Es hat ja mit dem Beitritt zur EU begonnen, wo schon
klar war, dass es zu einer „Vermischung“ und dadurch zu Differenzen kommen wird. Entweder möchte man
kosmopolitisch werden oder nicht, denn wenn man den einen Weg geht, muss man auch wissen, wie man mit
den Nachteilen zurechtkommt.
Es ist doch irgendwie auch die Unzufriedenheit mit der eigenen Situation, die die Leute dazu bringt, Angst vor AusländerInnen zu haben...Da gebe ich dir völlig recht, das ist eben schon auch die eigene Unzufriedenheit, die einige dann auf andere
übertragen. Aber bestimmt auch die Angst vor potenziellen Problemen, die noch gar nicht da sind, aber
möglicherweise irgendwann eintreten. Und deswegen fürchten wir uns vor dem, was noch kommen kann.
Die Finanzkrise stellt wahrscheinlich ein größeres Problem dar als die Kriminalität, die durch Ausländer
verursacht werden könnte. Übrigens: die größte Gruppe der Ausländer sind immer noch die Deutschen.
Es gibt Fälle, wo Menschen auf Grund ihrer nicht perfekten deutschen Aussprache oder ihres ausländischen Namens am Arbeitsmarkt diskriminiert, oder oft erst gar nicht angestellt werden. Sind dir solche Fälle selbst bekannt?Diese Frage ist schwierig zu beantworten, wenn du jetzt mit jemandem aus dem Personalbereich sprichst, wird
er dir sagen: „Nein, so etwas machen wir nicht.“
In der Zeit vor meiner Einbürgerung im Jahr 2000 haben mich auch einige Firmen abgelehnt, weil sie wussten,
dass sie für mich keine Arbeitsbewilligung bekommen würden. Damals war es auch so, dass man gewusst
hat, Österreich wird der EU beitreten, und man hat daher verstärkt Menschen aus „Drittländern“ keine Arbeits-
bewilligung mehr erteilt.
Du engagierst dich nicht nur im GPA-djp Steuerbeirat, sondern besonders auch für die Anliegen von Frauen. Welche Besserungen würdest du dir für Frauen mit Migrationshinter-grund wünschen?Die Forderung nach kostenlosen Deutschkursen für alle nicht-deutschsprachigen Menschen in Österreich halte
ich für wichtig, allerdings hätte ich gerne einen Zusatz, der möglicherweise etwas seltsam klingt: Für einige
Frauen bräuchte man Kurse in deren Muttersprache, denn manche können weder Lesen noch Schreiben.
Und Menschen, die nicht in der eigenen Muttersprache schreiben können, werden auch keine Fremdsprache
51Kolumnentitel
lernen können. Und das ist das Problem von Frauen, die eben mitkommen, aber immer von ihren Ehemännern
abhängig sind und auch nicht arbeiten können ohne Sprachkenntnisse.
Man kann das nicht in allen Sprachen anbieten, aber für die Länder, wo man weiß, dass am meisten BürgerInnen
hier vertreten sind sehr wohl. Das betrifft zwar hauptsächlich Frauen, aber auch Männer.
Welche Anliegen sollten deiner Meinung nach in der Gewerkschaft noch mehr Beachtung fi nden?Das was mir noch aufgefallen ist: Es ist schwierig für jemanden, der aus einem anderen Wirtschaftssystem
kommt, ein Wirtschaftssystem, das auf der Sozialpartnerschaft beruht, zu verstehen. Die Menschen sind
dann immer überrascht, dass sie Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Arztbesuche und Krankenhaus-
aufenthalte werden in manchen Ländern ganz selbstverständlich privat bezahlt. Es wäre gut, wenn es nicht nur
Deutschkurse gibt und man die Geschichte lernt sondern auch das Sozialsystem erklärt.
Und vielleicht wäre es sinnvoll, dass die GPA-djp oder überhaupt die Gewerkschaften sich auch stärker für
die Verbesserung des Ausbildungs- und Bildungssystems für MigrantInnen einsetzen. Das, glaube ich, fehlt
komplett. Denn wenn man das System nicht versteht, wie soll man es dann anwenden oder sich überhaupt
zurechtfi nden? Je mehr wir den Menschen ein Systemverständnis beibringen können, umso mehr können wir
auch die Errungenschaften schützen. Man kann Nichts schützen, was man nicht versteht.
Das Problem ist, dass AusländerInnen immer in Zusammenhang gebracht werden mit Kriminalität. Weiters
ist mir aufgefallen, dass viele AusländerInnen Angst voreinander haben. Vor allem im Bereich der geringen
Qualifi kation. Denn wenn jemand unter den schwierigsten Umständen es endlich geschafft hat, nach Jahren
eine Arbeitsbewilligung zu bekommen oder eben zu arbeiten, fürchtet er sich natürlich vor dem Nächsten,
denn er schützt auch seine Errungenschaften. Das ist auch der springende Punkt: denn wenn das System-
verständnis da wäre sowie der Arbeitsmarktzugang besser organisiert und erleichtert würde, dann wäre das
auch kein Problem mehr. Es geht nicht nur darum, dass man die Toleranz der ÖsterreicherInnen gegen die
AusländerInnen erhöht, sondern auch die zwischen den AusländerInnen.
Wenn man weiters auch noch einen Integrationsminister hätte, könnte man diese Themen zentral regeln, besser
gestalten und auch umsetzen!
Vielen Dank für das Gespräch !
52 Kolumnentitel
(Über-)leben und arbeiten ohne Papiere
Andrea Schober, GPA-djp Interessenvertretung
Migration ist ein äußerst komplexer und zutiefst psychisch und emotional anspruchsvoller Prozess. Weder wird
der Schritt in die Migration leicht gegangen, noch ist die Ankunft in der fremden Gesellschaft der Abschluss
dieses Prozesses. Im Gegenteil, damit fi nden eine Vielzahl an neuen Unlösbarkeiten erst ihren Ausgang.
Aufenthaltsbewilligungen, Arbeitsbewilligungen, fester Wohnsitz, Nachweise über ein – nach österreichischer
Norm – ausreichendes Einkommen und eine Flut an Dokumenten und Papieren gilt es einzubringen und zu
erreichen.
Sprachkenntnisse, Orientierung im neuen Land, mit all seinen anderen Regeln und Maßstäben, Aufbau von
neuen sozialen Kontakten und Netzwerken, Arbeitssuche, Einschulungen, all das und noch viel mehr gilt es
zu leisten. Die psychischen und sozialen Belastungen für die/den Einzelne/n sind enorm, die Hilfestellungen
dazu sind teilweise vorhanden, erfordern aber auch viel an Eigeninitiative, um sie nutzen zu können. Das gilt
für MigrantInnen mit Aufenthaltstitel und Arbeitsbewilligung – noch mal um ein Vielfaches verschärft jedoch
ist die Situation für Menschen, die entweder nur über eines von beiden verfügen, oder sogar weder einen
Aufenthaltstitel noch eine Arbeitsbewilligung haben.
MigrantInnen, denen aufgrund ihres Aufenthaltsstatus der Zugang zum formellen Arbeitsmarkt verwehrt ist,
sind auf Grund dessen oft im informellen Sektor tätig. Das betrifft auch Personen, die einen legalen Aufenthalt
in Österreich haben, wie etwa StudentInnen, oder AsylwerberInnen im laufenden Verfahren. Diese Situation
der Betroffenen wird oft als undokumentiert Arbeiten bezeichnet. Da hier eben keine Beschäftigungs-
bewilligung vorliegt, müssen diese KollegInnen oftmals einer illegalen Beschäftigung nachgehen, um überhaupt
leben zu können. Diese Art prekärer, weil rechtloser, Beschäftigung fi nden sich vor allem in den Bereichen
Hausarbeit, Pfl ege, Kinderbetreuung, also bei den haushaltsnahen Dienstleistungen, aber auch in Gastronomie
und Tourismus, Landwirtschaft oder etwa in der Bauindustrie.
Wir sprechen hier von Arbeitsverhältnissen, die vollkommen im rechtlosen Raum stattfi nden: Denn die Abhängig-
keit vom Arbeitgeber ist für die betroffenen ArbeitnehmerInnen in diesem Bereich absolut. Sie sind ganz und
gar der Willkür der Beschäftiger ausgeliefert, egal ob in Sachen Entlohnung, Arbeitszeit, oder Arbeitsort.
Die Angst vor Lohnbetrug, Anzeige oder Abschiebung wiegt mehr als jede Benachteiligung und Ausbeutung,
daher akzeptieren undokumentiert Arbeitende oftmals menschenunwürdige Arbeitszeiten und Arbeits-
bedingungen ebenso wie einen Stundenlohn von EUR 3,--.
Eine Einschätzung, welche Rechte sie hätten, welche Bestimmungen in Österreich bei Lohnbetrug etc. gelten,
haben die KollegInnen meistens nicht. Nicht nur, weil es eine Vielzahl von Regelungen gibt, die auch für Mutter-
sprachlerInnen ohne einschlägige Ausbildung schwer zu erfassen sind, sondern auch, weil viele dieser Arbeit-
nehmerInnen den Weg zu Arbeiterkammern und Gewerkschaften scheuen. Grund dafür ist wahrscheinlich,
dass Kammern und Gewerkschaften oftmals als offi zielle Repräsentanten des Staates Österreich wahr-
genommen werden, und undokumentiert Arbeitende häufi g schlechte Erfahrungen mit dem staatlichen
Einrichtungen in ihren Herkunftsländern gemacht haben. Das heißt, es fehlt ihnen oft das grundsätzliche
Vertrauen in diese Institutionen.
53Kolumnentitel
In den letzten Jahren wurden die Regelungen bezüglich Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis in Österreich
immer wieder verschärft und verhärtet. Mit der Einführung der „Rot-Weiß-Rot-Karte" 2011 und den
Bestimmungen aus der sogenannten Integrationsvereinbarung wird es für ausländische ArbeitnehmerInnen
immer schwieriger überhaupt in Österreich arbeiten zu können. Eine Konsequenz daraus ist, dass illegale
Beschäftigung weiter angeheizt wird und die Situation für undokumentierte ArbeitnehmerInnen sich weiter
prekarisiert. Andererseits wurde aber auch das Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz verabschiedet,
welches sowohl ArbeitnehmerInnen das ihnen zustehende Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung sichern
soll, und bei Unterentlohnung Strafen für die Unternehmen vorsieht. Welche Maßnahmen können wir aber als
Gewerkschaft noch ergreifen um die Situation für undokumentierte KollegInnen zu verbessern?
In Deutschland wurden in dieser Beziehung schon mehr Erfahrungen gemacht als bei uns. Hier leben
Schätzungen zufolge bis zu einer Million Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus. Vor allem die Vereinigte
Dienstleitungsgewerkschaft ver.di hat hier wertvolle Aufbauarbeit geleistet. 2008 eröffnete ver.di die erste
Beratungsstelle für undokumentiert Arbeitende in Hamburg, mittlerweile gibt es ein bundesweites Netz an
Beratungsstellen. Für die Betroffenen wird hierbei umfassende Unterstützung für alle Lebensbereiche
angeboten, denn die Arbeitssituation ist meist nur ein Problem aus einem ganzen Bündel an Schwierigkeiten.
Die ArbeitnehmerInnen fi nden also nicht nur Hilfe bezüglich Lohnbetrugs, sondern auch was medizinische
Versorgung, Wohnungssuche, Aufenthaltsbewilligung etc. betrifft. Ver.di agiert hier im Verbund mit anderen
Institutionen und ist nur für den arbeitsrechtlichen Aspekt zuständig, wobei diese Leistung auch ausschließlich
Mitgliedern angeboten wird. Denn ver.di versteht sich als Gewerkschaft, nicht als Hilfsorganisation. Für
KollegInnen ohne Aufenthaltstitel, die immer von der Abschiebung bedroht sind, hat ver.di Modalitäten für die
Mitgliedschaft gefunden, etwa die Möglichkeit eine Mitgliedschaft unter einem Synonym abzuschließen, oder
über Vertrauensleute. Dadurch konnten viele Ängste abgebaut werden und dem Weg zur gewerkschaftlichen
Beratungsstelle waren einige Hürden genommen.
Ver.di hat schon eine Vielzahl an Erfolgen zu verzeichnen. Denn oft kommt es gar nicht zu arbeitsrechtlichen
Verfahren. Meistens genügt es, wenn Arbeitgeber wissen, dass undokumentierte ArbeitnehmerInnen von der
Gewerkschaft vertreten werden, damit sie zu einem Vergleich bzw. Nachzahlungen bereit sind. Aus diesen
Erfahrungen heraus wäre es auch für Österreich wünschenswert und zielführend, eine ähnliche Beratungsstelle,
im Verbund mit Gewerkschaften, Arbeiterkammern und NGOs einzurichten.
Integration fi ndet bei Kindern über den Schulbesuch und bei Erwachsenen oft über die Erwerbsarbeit statt.
Deshalb ist die Arbeitssituation von MigrantInnen auch immer ein Indikator dafür, ob Integration überhaupt
gelingen kann, ob es überhaupt Möglichkeiten gibt, sich im Zielland eine neue Existenz aufzubauen, oder ob
die neue Umwelt nur als feindlich und ausgrenzend erlebt wird. Beim Thema undokumentierte Arbeitende geht
es nicht nur darum, dass die Situation für die einzelne Kollegin, den einzelnen Kollegen, oder nur für diese
Gruppe von ArbeitnehmerInnen inakzeptabel und beklemmend ist und ein Gefühl der Machtlosigkeit auslöst.
Letztlich geht es darum, dass wir als Gewerkschaften auch in diesem Bereich unsere ureigenste Aufgabe
übernehmen müssen, nämlich dem unendlichen Drang nach Bereicherung der ArbeitgeberInnen auf Kosten
der ArbeitnehmerInnen entschlossen entgegenzutreten. Denn je mehr ArbeitnehmerInnen undokumentiert
arbeiten, umso mehr werden die hart erkämpften sozial- und kollektivvertragsrechtlichen Standards in Österreich
unterminiert. Dies ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir mit aller Kraft verhindern müssen.
54 Kolumnentitel
„Stell dir vor, du willst Arbeit und man gibt dir nur schlechte“
ZUR ARBEITSMARKTINTEGRATION VON MIGRANTiNNEN IN ÖSTERREICH UND AUSGEWÄHLTEN EU-STAATEN
Clara Fritsch, GPA-djp Abteilung Arbeit und Technik
Dieser Artikel widmet sich zwei Fragestellungen:
Einerseits wird ein Überblick darüber gegeben, welche gesetzlichen Grundlagen es in Österreich für die
Integration am Arbeitsmarkt für MigrantInnen gibt. Dabei sollen auch die Auswirkungen der Gesetzgebung
auf die Arbeitsrealität von MigrantInnen dargestellt werden.
Andererseits möchte ich versuchen, diese gesetzlichen Vorgaben in einen gesamteuropäischen Zusammen-
hang zu bringen und punktuell denen in anderen EU-Ländern gegenüberzustellen.
WIE IST DIE ARBEITSMARKTINTEGRATION VON MIGRANTiNNEN GESETZLICH GEREGELT?
Um zu einer Arbeitserlaubnis zu gelangen, müssen Dritt-Staaten-Angehörige mehrere Gesetze berücksichtigen:
Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG),
Fremdenpolizeigesetz (FPG),
Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und
Asylgesetz (AsylG)
sind die wichtigsten davon.
Die Rechtsgrundlagen sind aufs komplexeste miteinander verwoben. Mitunter ist die Arbeitserlaubnis an
den Aufenthaltsstatus gebunden. Für Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln gilt eine unbefristete Arbeits-
erlaubnis (zB Asylberechtigte, Daueraufenthaltsberechtigte), andere Arbeitsberechtigungen wiederum sind
befristet (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein).
Wenn eine Arbeitserlaubnis beantragt wird, tritt entweder das Arbeitsmarktservice (AMS) auf den Plan und
prüft die Qualifi kation der BewerberInnen und/oder einE einzelneR ArbeitgeberIn erklärt sich bereit, eine/n
bestimmte/n MigrantIn anzustellen (dazu muss gewährleistet sein, dass es keine inländischen ArbeitnehmerInnen
gibt, die diese Arbeit ausüben könnten). Die Arbeitsbewilligung wird nur für die eine angegebene Qualifi kation
geprüft, wodurch de facto nur ein eingeschränkter Bereich als passender Arbeitsplatz für die jeweilige Person
bestimmt wird. Beschäftigte aus Drittstaaten sind daher in einem sehr engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem/r
ArbeitgeberIn und können nur in einem engen Berufsfeld gemäß ihrer Qualifi kation beschäftigt werden.
55Kolumnentitel
Durch die enge Bindung von Aufenthalt an die Arbeitserlaubnis sind ArbeitnehmerInnen ohne EU-Staatsbürger-
schaft davon bedroht, ihren rechtmäßigen Aufenthaltstitel zu verlieren, sollten sie ihre Arbeit verlieren. Um
diesem Damoklesschwert zu entgehen, werden Arbeitsverhältnisse eingegangen, die weder den eigentlichen
Qualifi kationen, noch den Wünschen der ArbeitnehmerInnen entsprechen. Für diese Menschen kommt
zusätzlich zur fi nanziellen Abhängigkeit auch noch eine Abhängigkeit bezüglich ihrer gesamten Lebens-
situation – ihr Aufenthalt in Österreich ist bei längerer Arbeitslosigkeit bedroht.
Für Hochqualifi zierte, Fachkräfte in Mangelberufen, sonstige Schlüsselkräfte und StudienabsolventInnen hat
die „Rot-Weiß-Rot-Karte” seit Juli 2011 den Arbeitsmarktzugang etwas erleichtert. Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“
schafft etwas Transparenz, indem sie eindeutige Punktebewertungen vorgibt. Und wer genug Punkte erreicht,
erhält Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Was dabei nicht eindeutig geklärt ist, ist das Prüfungs-
verfahren des AMS, das entscheiden soll, ob die BewerberInnen „entsprechend ihrer Qualifi kation“ beschäftigt
werden. Wer auf Basis der „Rot-Weiß-Rot-Karte” arbeiten und leben will, muss ein überdurchschnittlich hohes
Einkommen nachweisen, hat mit zunehmendem Alter weniger Chancen, muss Sprachkenntnisse vorweisen und
muss einer „Integrationsvereinbarung“ zustimmen (Die einzige „Branche“, die dezidiert ein paar Vorschuss-
lorbeeren erhält, also Punkte für die Erfüllung der Anspruchskriterien, ist der Profi sport).
Für die Anerkennung von ausländischen Qualifi kationen spielen die Niederlande eine Vorbild-Rolle.
Hier ist eine einzige Behörde dafür zuständig, sämtliche im Ausland erworbenen Bildungsabschlüsse zu
klassifi zieren. Es gibt ein klares Bewertungssystem. Allfällige Gebühren übernimmt die Behörde.
Übersetzungen werden von Amts wegen bezahlt.
Wer eine österreichische Staatsbürgerschaft anstrebt, womit auch der uneingeschränkte Zugang zum
österreichischen Arbeitsmarkt verbunden wäre, muss einen Sprach- und Integrationstest absolvieren. Nach
einer Wartefrist von 10 Jahren können MigrantInnen einen Antrag auf die österreichische Staatsbürgerschaft
stellen. Mit diesen formalen Anforderungen an eine Einbürgerung schafft es Österreich im EU-Ranking noch
knapp vor den baltischen Staaten auf Platz 28 von 31.
Portugal bietet MigrantInnen im EU-Vergleich die günstigsten Bedingungen für eine Einbürgerung. Das
Staatsangehörigkeitsgesetz von 2006 ermöglicht uneingeschränkt die Doppelstaatsbürgerschaft. Die
Wartefristen für AnwärterInnen aus Ländern mit portugiesisch als Amtssprache ist von zehn auf sechs Jahre
verkürzt, wodurch sich Portugal von anderen ehemalige Kolonialmächten positiv unterscheidet. Es müssen
keine Tests absolviert werden.
Im „Migration Policy Index“ (MIPEX) wird die Gesetzeslage aller europäischen Staaten plus Kanada und
USA in Bezug auf Integration evaluiert: Rechtliche Arbeitsmarktbeschränkungen, Aufenthaltsregelungen,
Einbürgerungsmöglichkeiten, politische Partizipationsrechte, Rechte der Familienzusammenführung und des
Bildungszugangs werden miteinander verglichen und danach bewertet, in wie weit sie den „Tampere-Zielen“
der EU entsprechen.
56 Kolumnentitel
1999 verfasste der EU-Rat im fi nnischen Ort Tampere folgende Schlussfolgerungen bezüglich der gemeinsamen
Asyl- und Migrationspolitik: „Die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen sollte der Rechtsstellung der Staats-
angehörigen der Mitgliedstaaten angenähert werden.
Einer Person, die (…) einen langfristigen Aufenthaltstitel besitzt, sollte (…) eine Reihe einheitlicher Rechte
gewährt werden, die sich so nahe wie möglich an diejenigen der EU-Bürger anlehnen; zB das Recht auf Wohn-
sitznahme, das Recht auf Bildung und das Recht auf Ausübung einer nichtselbständigen oder selbständigen
Arbeit sowie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung gegenüber den Bürgern des Wohnsitzstaates.“
Ausgewählte Wertungen aus dem Migration-Policy-Index 2011insgesamt wurden 31 Länder einbezogen
(darunter USA und Kanada als traditionelle Einwanderungsländer außerhalb der EU)
GesamtwertungArbeitsmarkt-
mobilitätEinbürgerung Bildung
Schweden 1 1 2 1
Portugal 2 2 1 4
Kanada 3 5 3 2
Niederlande 5 3 5 10
Belgien 6 17 4 3
USA 9 11 8 8
Deutschland 12 6 9 17
Österreich 24 14 28 15
Quelle: Mipex
Weltweit gesehen sind Schweden, Portugal und Kanada jene drei Industrieländer, welche die
Tampere-Ziele am weitestgehendsten erfüllen, also eine integrationsfördernde Politik auf allen Ebenen
betreiben. Auch bei den Einbürgerungsmöglichkeiten legen diese drei Staaten den MigrantInnen die
wenigsten Hürden in den Weg.
Auffällig dabei ist, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Integrationsförderung insgesamt
und der integrationsfördernden Gesetzgebung am Arbeitsmarkt gibt. In allen drei Wertungen (Gesamt,
Einbürgerung und Arbeitsmarkt) liegen Schweden und Portugal entweder auf Platz eins oder zwei; die
Niederlande sind insgesamt auf Platz fünf, in der Mobilität des Arbeitsmarktes für MigrantInnen auf Platz drei.
Die Schlussfolgerung, dass eine gute Gesetzgebung zur Arbeitsmarktintegration Hand in Hand geht mit
einer guten gesetzlichen Grundlage zur allgemeinen Integration, ist zulässig (Eine weitere enge Verbindung
ist gegeben zwischen den gesetzlichen Bedingungen für Familienzusammenführung und denen für dauer-
haften Aufenthalt).
57Kolumnentitel
In Österreich hat sich seit 2010 die rechtliche Arbeitsmarktsituation für Dritt-Staaten-Angehörige laut MIPEX
ein wenig verbessert. Grund dafür ist der Nationale Aktionsplan (NAP), der konkrete Vorgaben entwickelt,
um die Arbeitsmarktintegration zu verbessern. So werden im NAP beispielsweise kombinierte Sprach- und
Berufsausbildungen eingeführt, ein verbessertes Betreuungsangebot für Arbeitslose mit Migrationshinter-
grund eingerichtet oder die Aufnahme von ArbeitnehmerInnen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen
Verwaltung angestrebt. Allerdings konstatiert der MIPEX: „Dieser politische Veränderungsprozess hat viel
Papier und Diskussion produziert, bislang aber wenig konkrete Verbesserung gebracht“.
WIE SIEHT DIE ARBEITSMARKTSITUATION IN DER PRAXIS AUS?
Soweit Datenmaterial verfügbar ist, kann folgende Zusammenfassung abgegeben werden: Dritt-Staaten-
angehörige, die in EU-Ländern beschäftigt sind, arbeiten häufi ger in befristeten Verträgen, in Teilzeitarbeits-
verhältnissen, mit fl exibler Zeiteinteilung (was sich vorwiegend dadurch bemerkbar macht, dass sie häufi ger
Abends, in der Nacht oder am Wochenende arbeiten) und mit einer schlechteren Informationslage, was
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz betrifft (Dublin Foundation 2011). Kurzum, sie sind häufi ger das,
was man „prekär beschäftigt“ nennt.
Der Migrationsforscher August Gächter legt dar, in welchen Bereichen des Arbeitsmarktes Menschen aus
Drittstaaten überproportional häufi g anzutreffen sind: höher Qualifi zierte arbeiten in Hilfs- und Anlerntätig-
keiten, höher Qualifi zierte sind arbeitslos, Menschen mit geringer Bildung sind häufi g berufl ich inaktiv (also
weder arbeitslos, noch arbeitend, noch in Ausbildung) und unter den berufl ich Inaktiven fi nden sich auch
überproportional viele Drittstaatenangehörige mit höherer Bildung. Im Raum Wien üben 60% der Arbeit-
nehmerInnen mit Migrationshintergrund Hilfsjobs oder angelernten Tätigkeiten aus (Riesenfelder et al. 2011).
Während in Österreich 2009 die nationale Arbeitslosenquote bei 4,8% lag, lag sie für Drittstaaten-Angehörige
bei 12,8% (Eurostat). Diese – aus unterschiedlichsten Quellen stammende – Datenlage zeigt deutlich, dass
es für Menschen aus Drittstaaten erheblich schwieriger ist, Arbeit zu erhalten, als für ÖsterreicherInnen bzw.
EU-BürgerInnen. MigrantInnen sind vor allem dann im Arbeitsmarkt „integriert“, wenn es um wenig vorteilhafte
Positionen geht. Gächter schreibt: „Es gibt einen ausgeprägten Trend EinwanderInnen unabhängig von ihrer
Bildung entweder in gering qualifi zierten Tätigkeiten oder gar nicht zu beschäftigen.“
Dieser Trend setzt sich – schwächer aber doch – auch in der zweiten Generation fort. Jugendliche, die in
Österreich geboren sind und die eine inländische Berufs- bzw. Schulausbildung absolviert haben, deren Eltern
aber zugewandert sind, haben schlechtere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt und sind häufi ger arbeitslos als
ihre gleichaltrigen KollegInnen mit inländischen Eltern. Insbesondere bei gering Gebildeten ist der Unter-
schied eklatant. Während 6% der gering gebildeten Jugendlichen mit Eltern aus Österreich arbeitslos sind,
beträgt dieser Anteil bei den Jugendlichen mit Eltern aus anderen Herkunftsländern 17% (Gächter 2010). Das
Versprechen „Integration durch Ausbildung“ wird eindeutig nicht gehalten. In einer für den Raum Wien
durchgeführten Studie konnte allerdings festgestellt werden, dass diejenigen, die eine Anstellung bekommen,
häufi ger in höher qualifi zierten Positionen tätig sind als es ihre Eltern waren (Riesenfelder et al. 2011).
58 Kolumnentitel
Portugal bietet im EU-Vergleich die besten Chancen auf eine Anerkennung der Qualifi kation für Dritt-
Staaten-Angehörige. In Portugal wurde eingesehen, dass mit der Berücksichtigung ausländischer
Qualifi kationen dem „Brain Waste“ (der Begriff bezeichnet die „Verschwendung von Bildung“) effektiv
entgegengewirkt werden kann.
Seit 2007 ist in Portugal die gleichberechtigte Anerkennung von ausländischen Qualifi kationen per Erlass
gegeben.
Nicht nur in Bezug auf die Qualifi zierung müssen MigrantInnen auf weniger begehrten Plätzen ihre Arbeit
verrichten. Auch wenn man sich ansieht in welchen Branchen MigrantInnen überwiegend häufi g beschäftigt
sind, lässt sich eine gewisse Benachteiligung feststellen.
Die Statistik Austria schreibt: „Unternehmensdienstleistungen, wie zum Beispiel Gebäudereinigung, Arbeits-
kräfteüberlassung oder Kraftwagenvermietung, waren im Jahr 2010 wiederum die Branche mit dem höchsten
Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund (38%), wobei der Anteil der Frauen (46%) deutlich höher
war als jener der Männer (28%).“
Einige MigrantInnen weichen angesichts der Hindernisse auf die Selbständigkeit aus. Die Dienste von
„Selbständigen“ in Anspruch zu nehmen, ist allseits beliebt. Unternehmen wie einzelne AuftraggeberInnen
greifen auf diese SubunternehmerInnen gerne zurück, ersparen sie sich damit doch ihrerseits Behördengänge,
Sozialversicherungsbeiträge, die Verantwortung für Sicherheitsbestimmungen und nicht zuletzt das Einhalten
von kollektivvertraglichen Mindeststandards. „Besondere Verbreitung fi ndet der Rückgriff auf (angemeldete)
selbständige migrantische Arbeit in der Baubranche, in der industriellen Reinigung und in der Pfl ege (…)“,
schreibt die Ökonomin und Migrationsforscherin Bettina Haidinger.
Probleme werden den Arbeitsuchenden schon in der Bewerbungsphase bereitet – die ja einer Arbeitsmarkt-
beteiligung notwendiger Weise vorangeht. Eine Studie der Universität Konstanz stellte 2010 fest, dass
BewerberInnen mit eindeutig türkischem Namen 14% weniger Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch
bekamen.
Ähnlich erging es der fi ktiven Bewerberin „Leyla Aktürk“, die bei einer Studie im Auftrag des österreichischen
Wissenschaftsministeriums im August 2011 nur von 40% der Unternehmen überhaupt eine Antwort bekam –
und selbst diese führten in den seltensten Fällen zu einem Termin für ein Vorstellungsgespräch (Bei der Studie
wurden Blindbewerbungen an die 500 größten Unternehmen und Institutionen Österreichs geschickt und die
Resonanz darauf gemessen).
59Kolumnentitel
Schweden erreicht im MIPEX die höchste Punktezahl bei der Arbeitsmarktintegration. Seit 2010 sieht das
„Arbeitsmarktvorbereitungsgesetz“ vor, wie neu eingereiste MigrantInnen beim Finden eines Arbeitsplatzes
unterstützt werden sollen. Gemeinsam mit den MigrantInnen werden „Einführungspläne“ erarbeitet. Diese
gelten für den Zeitraum von zwei Jahren, in denen den Neuankömmlingen fi nanziell und personell
Unterstützung gewährt wird. Es werden verschiedene Formen von Einstiegsjobs angeboten. MigrantInnen
können in Arbeitsplätze „hineinschnuppern“. Wer möchte, kann einen 60-stündigen Staatsbürgerschaftskurs
besuchen.
Das Prinzip „Spracherwerb durch Arbeit“ zieht sich durch, was bedeutet, dass Kenntnisse der Landessprache
über die Arbeitsmarktintegration erworben werden und nicht davor – wie es in Österreich versucht wird. Es
werden berufsbegleitende Sprachkurse angeboten, deren Besuch die Arbeitszeit reduziert. Außerdem gibt
es für alle, die das wollen, eine/n persönliche/n „ArbeitsmarktbetreuerIn“, der/die je nach Bedarf bei der
Arbeitssuche unterstützt, bei Vorstellungsgesprächen begleitet oder auch bei Übersetzungen behilfl ich ist.
Hier wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die meisten Arbeitsstellen über persönliche Beziehungen
gefunden werden. Bei erfolgreicher Vermittlung erhält diese/r BetreuerIn (Personen aus einer NGO, einem
Privatunternehmen oder einer Organisation) eine fi nanzielle Anerkennung. Für die Durchführung dieses
Gesetzes wurden den Gemeinden und Kommunen EUR 100 Millionen zur Verfügung gestellt.
Beschäftigung sollte mit einem ausreichenden Einkommen und einer sozialen Absicherung verbunden sein.
Für MigrantInnen gilt das immer weniger. Sie sind durch befristete Arbeitsverhältnisse, komplizierte rechtliche
Hürden, ein erschwertes soziales Umfeld, weil Familiennachzug nur quotenabhängig erlaubt ist,
benachteiligt.
Möchte man stabile Arbeitsverhältnisse, braucht es dazu einen stabilen Rechtsrahmen. „Der migrationspolitische
Trend von Seiten der EU-Mitgliedsstaaten geht allerdings in die gegenteilige Richtung: Aufenthalts- und
Beschäftigungsstatus für MigrantInnen werden für unterschiedliche Zwecke, Längen und Personen fragmentiert“,
schreibt der australische Migrationsforscher Stephen Castles. Anstatt einheitliche und damit einfacher zu
durchschauende Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen, werden immer unterschiedlichere Zugänge bzw.
Hindernisse zum Arbeitsmarkt geschaffen. Dieses Vorgehen fördert präkarisierte Arbeitsverhältnisse und
soziale Unsicherheit. Einige Länder in Europa haben sich bereits von dieser Politik verabschiedet und sich
auf den Weg in Richtung mehr Arbeitsmarktintegration von MigrantInnen gemacht. Schön wäre es, wenn
Österreich ihnen folgen würde.
60 Kolumnentitel
Kanada – migrationspolitisches Vorzeigeland?
Martin Bolkovac, GPA-djp Grundlagenabteilung
„Im Gegensatz zu Europa kann keine Anti-Migrations- oder rassistische Partei in Kanada damit rechnen, eine
Wahl zu gewinnen.“ (Haroon Siddiqui, kanadischer Journalist)
Kanada ist das Land mit der höchsten Nettozuwanderungsrate der Welt. Jedes Jahr wandern ca. 250.000
Menschen neu nach Kanada zu. Die AusländerInnenquote beträgt 20%. Interessant ist, dass die KanadierInnen
trotzdem mehrheitlich Immigration positiv beurteilen. So antworteten bei einer Untersuchung der renommierten
kanadischen Meinungsforschungsagentur „Nanos“ 4 von 5 Befragten, dass Migration ein positiver Schlüssel-
faktor für Kanada sei. Und immerhin zwei Drittel gaben an, dass die kanadische Regierung mehr Sprach- und
Arbeitsmarktunterstützungen für MigrantInnen zur Verfügung stellen soll als bisher, auch wenn das mit Mehr-
kosten verbunden ist.
Für europäische BeobachterInnen von besonderem Interesse war in diesem Zusammenhang auch die Fernseh-
diskussion der Spitzenkandidaten vor den Wahlen zum kanadischen Parlament 2011. Alle vier Diskutanten
versuchten ihre promigrantische Haltung herauszustreichen und überlegten sich, wie die Bedürfnisse der
ZuwandererInnen erfüllt werden könnten, anstatt sich – wie bei europäischen Diskussionen üblich – dabei zu
übertrumpfen, wer die härteste Position zur Abwehr von Neuzuwanderung einnimmt. Auch wurde nicht mit
rassistischen Verunglimpfungen versucht, politisches Kleingeld zu gewinnen oder WählerInnen gegeneinander
aufzuhetzen.
WAS IST DAS GEHEIMNIS DER KANADISCHEN MIGRATIONSPOLITIK?
Als im kanadischen Parlament 1971 das sogenannte Multikulturalismus-Gesetz beschlossen wurde, machte
dies Kanada zum Vorreiter. Kein anderes Land der Welt hatte zuvor eine offi zielle Multikulturalismus-Agenda
in Gesetzesform gegossen. Es war darüber hinaus eine scharfe Gegenposition zum US-amerikanischen
melting pot-Ansatz, bei dem Assimilation im Zentrum stand. Kanada plädierte dagegen für ein kulturelles
Mosaik, durch das alle Bevölkerungsgruppen ihre eigenen Werte und kulturellen Gepfl ogenheiten beibehalten
konnten.
Zwei wesentliche Faktoren begünstigen die
im internationalen Vergleich vorbildliche
Integration von Neuzuwanderern im besonderen
Ausmaß. Zum einen das bereits 1967 eingeführte
Einwanderungs-Punktesystem, zum anderen das
kanadische Bildungssystem.
61Kolumnentitel
Das Punktesystem führt dazu, dass ImmigrantInnen im Durchschnitt besser gebildet sind als Menschen, die in
Kanada geboren sind. Wer 67 Punkte erreicht, darf nach Kanada einreisen. Punkte werden aber nicht nur für
gute Sprachkenntnisse und das Ausbildungsniveau vergeben, sondern auch für Berufserfahrung. Bei letzterer
Kategorie können sogar alleine bis zu maximal 21 Punkte erreicht werden, womit auch ältere ArbeitnehmerInnen
durchaus Chancen haben, nach Kanada einwandern zu dürfen. Auch kommen nicht, wie man erwarten
würde, in erster Linie Einwanderer/Einwanderinnen aus englisch- oder französischsprachigen Ländern nach
Kanada. Ganz klar die Nase vorne haben vielmehr die AsiatInnen.
Nach fünf Jahren Aufenthalt bekommt man in der Regel die kanadische Staatsbürgerschaft, allerdings muss
auch in Kanada zuvor ein – stark kritisierter – Einbürgerungstest absolviert werden. Unsinnige Regelungen,
wie die hierzulande bestehende Vorgabe, dass Familienangehörige vor dem Zuzug Deutsch lernen müssen,
gibt es in Kanada aber nicht.
Die Kinder der MigrantInnen sind im kanadischen Bildungssystem sehr gut aufgehoben. Die Gemeinsame Schule
der 6 bis 15-Jährigen ist als Ganztagesschule mit gemeinsamen Essen konzipiert. Nachdem es keine Haus-
aufgaben gibt, werden Kinder von Eltern mit Migrationshintergrund (bzw. auch Kinder aus bildungsferneren
Schichten) nicht benachteiligt, weil ihre Eltern sie bei den Hausaufgaben weniger gut unterstützen können
als etwa Eltern mit Universitätsabschluss. Dazu kommen spezielle Förderungen durch AssistenzlehrerInnen.
Die Konsequenz ist, dass Kanada bei internationalen Bildungsvergleichen immer in den vorderen Rängen
angesiedelt ist und kaum Unterschiede im Leistungsniveau von Kindern aus MigrantInnenfamilien und
„Einheimischen“ feststellbar sind. Übrigens werden social skills wie Eigeninitiative oder Konfl ikt- und Problem-
lösung eigens beurteilt und im Zeugnis auch ausgewiesen.
Selbstverständlich gibt es auch in Kanada Probleme und Dinge, die weniger gut funktionieren. Doch hat
man den Eindruck, dass beim Auftauchen solcher Probleme versucht wird, so rasch als möglich darauf
zu reagieren. Das jüngste Beispiel ist die Einrichtung der ersten, öffentlich fi nanzierten, afrozentristischen
Schule in Kanada. In der Provinz Ontario durchgeführte Leistungstests haben zuvor herausgefunden, dass die
Performance von schwarzen SchülerInnen ab der 10. Klasse rapide abnahm. Als Ursache wurde die
Sozialisierung durch die LehrerInnen identifi ziert. Die mehrheitlich weißen ErzieherInnen vermittelten Werte,
mit denen sich schwarze SchülerInnen ab einem gewissen Alter nicht mehr identifi zieren konnten, weil sie nicht
den Realitäten in schwarzen Haushalten entsprachen. Die neue afrozentristische Schule in Toronto legt nun im
Lehrplan einen Schwerpunkt auf afrozentristische Perspektiven und Geschichte, um das Selbstbewusstsein der
schwarzen SchülerInnen zu steigern. Die 2009 eröffnete Schule ist bereit so erfolgreich dabei, dass bereits die
Einrichtung einer zweiten Schule genehmigt wurde.
62 Kolumnentitel
Europäische Gewerkschaften und Migration?
Martin Bolkovac, GPA-djp Grundlagenabteilung
Laut Eurostat beträgt die Migrationsrate in der EU 6,5%, davon stammt deutlich mehr als die Hälfte der
Einwanderinnen/Einwanderer aus Nicht-Mitgliedsstaaten. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung variiert
zum Teil sehr stark zwischen den einzelnen Ländern. Die Schweiz hat etwa eine MigrantInnenrate von 22%,
während in Polen mit einer Rate von 0,1% Immigration de facto nicht vorhanden ist.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der relativ hohe Wert Österreichs (10,5%) auch auf
die im internationalen Vergleich sehr spät erfolgenden Einbürgerungen zurückzuführen ist. Eurostat zählt bei
seinen Vergleichsstatistiken ja alle Menschen, die (noch) keine Staatsbürgerschaft besitzen.
Lettland und Estland weisen beispielsweise eine sehr hohe Rate an Nicht-EU-AusländerInnen auf. Fast alle
MigrantInnen, die ins Baltikum kommen, stammen von außerhalb der EU.
Statistik – MigrantInnen-Quote aus EU-Länderng
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Pole
n
Lita
uen
Slow
akei
Ung
arn
Finn
land
Nie
derla
nde
Tsch
echi
en
Slow
enie
n
Port
ugal
Mal
ta
Fran
krei
ch
Dän
emar
k
Schw
eden EU
Nor
weg
en
Gro
ßbrit
anni
en
Italie
n
Grie
chen
land
Irlan
d
Deu
tsch
land
Bel
gien
Öst
erre
ich
Span
ien
Zype
rn
Estla
nd
Lettl
and
Isla
nd
Schw
eiz
Luxe
mbu
rg
Quelle: Eurostat 2012
63Kolumnentitel
Statistik – MigrantInnen-Quote aus Nicht-EU-Ländern
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
Pole
n
Slow
akei
Ung
arn
Lita
uen
Isla
nd
Irlan
d
Finn
land
Nie
derla
nde
Mal
ta
Tsch
echi
en
Nor
weg
en
Bel
gien
Port
ugal
Schw
eden
Slow
enie
n
Fran
krei
ch
Dän
emar
k
Gro
ßbrit
anni
en EU
Italie
n
Zype
rn
Deu
tsch
land
Luxe
mbu
rg
Öst
erre
ich
Grie
chen
land
Span
ien
Schw
eiz
Estla
nd
Lettl
and
Quelle: Eurostat 2012
GEWERKSCHAFTLICHER AUSTAUSCH
Ende Februar 2012 trafen sich GewerkschafterInnen aus einem Dutzend europäischer Länder im
portugiesischen Küstenort Sesimbra, um sich auf einer von der Europäischen Gewerkschaftsakademie
organisierten Veranstaltung über Migration und Integration in Europa auszutauschen.
Bei allen Unterschieden, von der in den oberen Tabellen dargestellten unterschiedlichen Anzahl der
Bevölkerung mit Migrationshintergrund bis zu unterschiedlichsten rechtlichen Rahmenbedingungen, stehen die
europäischen GewerkschafterInnen doch vielfach vor den selben Problemstellungen:
Wie kann der Zugang zu Arbeitsrecht (Stichwort Unterbezahlung) und Sozialleistungen für MigrantInnen
sicher gestellt werden?
Wie kann Rassismus in den jeweiligen Staaten entgegen getreten werden?
Wie können MigrantInnen besser erreicht und gewerkschaftlich organisiert werden?
Viele KollegInnen berichten von eingeschüchterten KollegInnen mit migrantischem Hintergrund, die den
Kontakt mit der Gewerkschaft scheuen, weil es in ihren Herkunftsländern zum Teil sehr gefährlich ist sich einer
ArbeitnehmerInnen-Interessenorganisation anzuschließen.
64 Kolumnentitel
Der Europäische Gewerkschaftsbund hat drei Grundprinzipien formuliert, für die Gewerkschaften in Europa stehen sollen:
„Inclusive Citizenship“ steht für eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, allen BürgerInnen das Gefühl
zu geben, Teil der Gesamtgesellschaft zu sein. Dafür müssen Gesetze erlassen werden, die den gleichen
Zugang zu allen arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sicher stellen. Und das unabhängig von
Hautfarbe, Geschlecht oder Religion der Betroffenen.
Toleranz steht nicht für das einfache „Tolerieren“ von Menschen anderer Hautfarbe oder anderer Religion.
Toleranz heißt, Differenzen zu akzeptieren und sie als Teil einer pluralistischen Gesellschaft anzuerkennen.
Solidarität im Rahmen von Migration bedeutet, Zuwandererinnen/Zuwanderer, die in unseren Ländern
leben und arbeiten, einen Teil des Kuchens abzugeben. Und mehr noch: Wenn sie dieses Kuchenstück nicht
bekommen, müssen wir als GewerkschafterInnen mit demselben Einsatz dafür sorgen, dass MigrantInnen
bekommen, was ihnen zusteht, wie wir es bei ÖsterreicherInnen tun.
BEST-PRACTICE-BEISPIELE AUS FINNLAND, BELGIEN, GROSSBRITANNIEN
Die GewerkschafterInnen aus unterschiedlichen Ländern stellten in Sesimbra entsprechende Best-Practice-
Beispiele aus ihren Ländern dar, um zu untermauern, wie diese drei Prinzipien in der Praxis gelebt werden
können und sollen:
Finnland
Die fi nnische Arbeitergewerkschaft SAK ist der größte der drei Gewerkschaftsdachverbände des nord-
europäischen Landes. Während Finnland generell mit einer sehr hohen gewerkschaftlichen Organisationsrate
von etwa 70% zur Spitze zählt, ist auch die Organisationsrate von MigrantInnen mit 30% im europäischen
Vergleich ein hoher Wert.
Finnland entschied sich im Zuge der Osterweiterung, anders als Österreich, nur für recht kurze Übergangs-
fristen. Die Regierung, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften handelten ein Abkommen aus, um für
die osteuropäischen MigrantInnen gerüstet zu sein. Zum einen gibt es strenge Registrierungsbestimmungen
für neue Arbeitskräfte, zum anderen werden „Überprüfungen“ forciert. „Überprüfung“ bedeutet in diesem
Zusammenhang, dass Unternehmer, die in Verdacht stehen, Illegale zu beschäftigten bzw. auszubeuten,
stärker kontrolliert werden. Aber auch die Arbeitsbedingungen der legalen MigrantInnen werden regelmäßig
überprüft. Das fi nnische Arbeits- und Sozialrecht soll nicht unterminiert werden.
Doch die FinnInnen wollen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, und versuchen, besonders aktiv auf die
ArbeiterInnen mit Migrationshintergrund zuzugehen. Das Motto ist, dass der schriftliche Kontakt nie ausreicht,
und immer der persönliche Kontakt gesucht werden soll.
65Kolumnentitel
Zuletzt wurde in diesem Zusammenhang etwa eine eigene russisch-sprachige Abteilung innerhalb der
fi nnischen Bauarbeitergewerkschaft eingerichtet, um russisch-sprechende Mitglieder nicht nur zu werben,
sondern auch effektiv betreuen zu können.
Ein großer Erfolg gelang den fi nnischen KollegInnen auch im Atomkraftwerk Olkiluoto. Polnische ArbeiterInnen
brachten ungerechte Arbeitsbedingungen mit der Unterstützung der Gewerkschaft erfolgreich vor Gericht
und erhöhten so das Ansehen der SAK und das Vertrauen innerhalb der polnischen Community zu den
GewerkschafterInnen generell.
Man muss fairer Weise anmerken, dass die fi nnischen KollegInnen für ihre Aktivitäten auch bessere Rahmen-
bedingungen vorfi nden als GewerkschafterInnen in anderen Ländern. So darf die Rolle des vorbildlichen
fi nnischen Schulsystems bei der Integrationspolitik nicht unterschätzt werden. MigrantInnen weisen kaum mehr
Defi zite auf als einheimische Kinder und werden gezielt und effektiv gefördert.
Belgien
Eine OECD-Studie aus dem Jahr 2009 stellt große Übereinstimmungen zwischen Belgien und Österreich fest,
wenn auch leider nicht im positiven Sinne.
Belgien hat demnach teilweise ähnliche Probleme wie Österreich: Wie hierzulande ist die Arbeitslosenquote
von jungen Erwachsenen (20-29 Jahre) mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so hoch wie die von
Einheimischen. Ein besonders großes Problem stellen in diesem Zusammenhang auch die selektiven Bildungs-
systeme der beiden Länder dar, die Kinder von MigrantInnen nur unzureichend fördern. So wiesen junge
Erwachsene der 2. Generation (= Menschen, die zwar eine migrantische Herkunft aufweisen, aber bereits
in Belgien bzw. Österreich geboren sind) im Durchschnitt ein weitaus schlechteres Bildungsniveau auf als
Einheimische.
Die belgische Gewerkschaft versucht hier gegenzusteuern. Der christlich-soziale Gewerkschaftsdachverband
ACV-CSC ist mit 1,7 Millionen Mitgliedern der größte der drei belgischen Gewerkschaftsdachorganisationen
und diesbezüglich der einfl ussreichste Player.
Um möglichst alle MigrantInnengruppen zu erreichen legen die belgischen GewerkschafterInnen Arbeitsrechts-
Broschüren in 30 verschiedenen Sprachen auf: von serbisch über arabisch bis zu deutsch. Die größten Erfolge
konnten auch in Belgien bei der polnischen Community erzielt werden. Die Gewerkschaft nutzte die enge
organisatorische Verfl echtung der PolInnen untereinander aus, um sie zu organisieren. Schwieriger gestaltet
sich dieses Unterfangen bei den – mehrheitlich eher schlecht ausgebildeten – NordafrikanerInnen.
Um zu zeigen, dass die Themen Migration und Integration nicht immer nur todernst zu sein haben, engagierten
die belgischen GewerkschafterInnen bekannte Kabarettisten, die in Form von kleinen Videos auf ironische und
humoristische Weise auf der Website Integrationsprobleme präsentieren.
66 Kolumnentitel
Großbritannien
Der englische Gewerkschaftsdachverband TUC engagierte sich bereits in den 70er Jahren aktiv gegen
Rassismus. Ein bis heute gerne zitiertes Beispiel war etwa die Unterstützung von Musikveranstaltungen unter
dem Banner „Rock against racism“. Die Anti-Rassismus-Kurse innerhalb der britischen Gewerkschaften sind bis
heute verpfl ichtender und wichtiger Teil der Ausbildung von hauptamtlichen GewerkschafterInnen.
Nach der EU-Osterweiterung und der sich daraus ergebenden stärkeren Zuwanderung – Großbritannien
sprach sich gegen jegliche Übergangsfristen aus – aus Polen und Portugal, wurden enge Kooperationen
mit den Gewerkschaften der beiden Länder gebildet. Die polnischen und portugiesischen Gewerkschaften
unterstützen den TUC vor Ort bei der Organisierung ihrer Landsleute, die in Großbritannien oft mit schlechten
Lohn- und Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, welche auch zu Sozialdumping geführt haben. Die
wichtigsten Informationen werden von der britischen Gewerkschaft auch auf polnisch und portugiesisch zur
Verfügung gestellt.
Die englischen GewerkschafterInnen vertreten die Ansicht, dass die MigrantInnen insgesamt die Wirtschaft
Großbritanniens gestärkt und zu Wirtschaftswachstum beigetragen haben. Die Rechte der MigrantInnen
werden aber immer noch oft missachtet, und auch gut ausgebildete OsteuropäerInnen üben unqualifi zierte
Jobs aus, die von BritInnen als zu minder angesehen werden. Der Agrar- und Nahrungsmittelsektor könnten
ohne ZuwandererInnen etwa überhaupt nicht mehr existieren.
Insgesamt gilt für alle europäische Gewerkschaften gleichermaßen, dass sie die Herausforderungen, die
Migration mit sich bringt, annehmen und ihrer Verpfl ichtung nachkommen müssen, Neuankömmlinge aktiv
zu unterstützen.
67Kolumnentitel
Literaturverzeichnis
ad Artikel: Kollektivvertragswirksame Anerkennungen (Seite 31)Erfahrungen länderübergreifender Mobilität im Projekt „Dobrodošli“: –
Mit Analysen zur Komplexität der Kollektivvertragslandschaft in Europa, Beispielen aus Polen, Ungarn, Tschechien und
Österreich, Vorschlägen und Initiativen zur Überwindung von Mobilitätshindernissen auf europäischer und nationaler Ebe-
ne. So kann Mobilität zur Chance werden! http://www.gpa-djp.at/dobrodosli
Europäische Exzellenz-Verträge in den Forschungssektoren: –
EUROCADRES-Projekt, das bis Ende 2012 Vorschläge für Best practice Arbeits- und Kollektivverträge im Bereich der
Forschung erarbeitet, auf der Basis der Mitwirkung von Gewerkschaften und Betriebsräten aus 10 europäischen Ländern:
http://www.eurocadres.org
Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pfl icht des Arbeitgebers zur Unterrichtung –
des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31991L0533:DE:HTML
Europäischer Qualifi kationsrahmen und Europäische Anerkennungssysteme –
http://ec.europa.eu/education/pub/pdf/general/eqf/leafl et_de.pdf
http://ec.europa.eu/internal_market/qualifi cations
ad Artikel: Bildungshürde Migrationshintergrund (Seite 36)Statistik Austria (2009/10): Bildung in Zahlen –
Statistik Austria (2010): migration & integration. zahlen.daten.indikatoren –
Ibw/Institut der Bildungsforschung der Wirtschaft (2011): Lehrlingsausbildung im Überblick 2011. Strukturdaten, Trends –
und Perspektiven
Ibe/Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung (2011): Berufsorientierung und Berufsberatung von Jugendlichen –
mit Migrationshintergrund
ad Artikel: Stell dir vor, du willst Arbeit und man gibt dir nur schlechte! (Seite 51)“Dublin Foundation”, European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2011): Working –
Conditions of nationals with a foreign background. Dublin
Gächter, August (2010): Der Integrationserfolg des Arbeitsmarktes. In: Herbert Langthaler (Hrsg.) Integration in Österreich, –
Sozialwissenschaftliche Befunden. Wien
Haidinger, Bettina (2010): Verschlungene Wege durch Prekarität und Informalisierung: Arbeitsverhältnisse im Kontext von –
Migration. In: Herbert Langthaler (Hrsg.) Integration in Österreich, Sozialwissenschaftliche Befunden. Wien
Huddleston Thomas und Jan Niessen (2011): Index Integration und Migration III. Brüssel –
Riesenfelder, Andreas, Susanne Schelepa und Petra Wetzel (2011): Beschäftigungssituation von Personen mit Migrations- –
hintergrund in Wien. Wien
Statistik Austria, Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften –
(2011): Migration & Integration, Zahlen, Daten, Indikatoren. Wien
68 Kolumnentitel
Kurzbiografi en AutorInnen
BAUER Lucia, Mag.a, seit 2007 Mitarbeiterin in der GPA-djp im Büro des Vorsitzenden. Politologin
(Schwerpunkt arabischer Raum). Von 2000 bis 2007 pädagogische Mitarbeiterin beim VÖGB (Verband
Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung).
BOLKOVAC Martin, Dr., seit 2007 Mitarbeiter in der GPA-djp Grundlagenabteilung; Politologe.
Spezialisiert auf die Themenbereiche Vergleichende Sozialpolitik, Steuerpolitik und Pfl ege. Von 2006 bis
2011 Lektor am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien (Sozialpolitik, Politische Systeme
Kanadas, Australiens und der USA).
FRITSCH Clara, Mag.a, seit 2007 Mitarbeiterin in der Abteilung Arbeit & Technik der GPA-djp, vorrangig zu
den Themen Datenschutz, technische Systeme sowie social media.
GAGAWCZUK Walter, Mag., Arbeits- und Sozialrechtsexperte der AK in der Abteilung Sozialpolitik.
Schwerpunkte: Schulung und Beratung von ArbeitnehmervertreterInnen, Verfassen von rechtswissen-
schaftlichen Publikationen und Positionspapieren zu sozialpolitischen Themen sowie Verhandlungen und
Stellungnahmen zu Gesetzesinitiativen.
HOLZMANN Andrea, Mag.a, seit 2009 Geschäftsführerin der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte;
Volkswirtin. Von 1990 bis 2007 Forscherin bzw. leitende Forschungsmanagerin an der WU Wien, dem Think
Tank DEMOS London, der Sozialökonomischen Forschungsstelle und dem Wissenschaftszentrum Wien. Von
2007-2009 Forschungsbeauftragte im Büro des Wiener Wohnbaustadtrats Dr. Michael Ludwig.
KASPER Barbara, Bakk.Komm., Jugendsekretärin der GPA-djp Bundesjugendabteilung, zuständig für
SchülerInnen, Studierende und junge Frauen. Sie studiert Kommunikationswissenschaft/Publizistik an der
Universität Salzburg.
MÜLLER Christian-Paolo ist seit 17 Jahren Sachbearbeiter in der Pensionsversicherungsanstalt und seit
längerem auch Vertrauensperson. Seine Mutter ist Brasilianerin, sein Vater Österreicher. Er engagiert sich in
der GPA-djp bei den Interessengemeinschaften work@social und work@migration.
MUSGER Gerald, Dr., Bundessekretär der Interessengemeinschaften work@professional (Fach- und
Führungskräfte) und work@external (Außen- und Mobildienst) sowie Vice President des Rates der europäischen
Fach- und Führungskräfte EUROCADRES.
PEYRL Johannes, Mag., ist in der AK Wien beschäftigt, seine Arbeitsschwerpunkte sind österreichisches und
europäisches Migrationsrecht. Er ist Mitglied in diversen Gremien bzw. Ausschüssen zu migrationsrechtlichen
Themen auf nationaler und EU-Ebene und leitet Seminare zu migrationsrechtlichen Fragestellungen. Er ist auch
Lehrbeauftragter der FH Vorarlberg.
69Kolumnentitel
PLUTZAR Verena, Mag.a Dr. M.A., Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Interkulturelle
Kompetenzen. Leitet Deutschkursen für MigrantInnen und Flüchtlinge, 2007-2010 wiss. Assistentin am Institut
für Germanistik mit Schwerpunkt Sprache und Integration. Mitbegründerin des Netzwerks SprachenRechte.
Lehr-, Vortrags- und Workshoptätigkeit in verschiedenen Kontexten.
PUTZ Hannah, ist Studentin der Politologie sowie der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität
Wien; war Praktikantin in der GPA-djp Grundlagenabteilung
REISCHL Ingrid, Mag.a, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, Vorsitzende der Trägerkonferenz des
Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Geschäftsbereichsleiterin Grundlagen der
GPA-djp
SCHOBER Andrea, Mag.a, studierte Geschichte, Germanistik und Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache
an der UNI Wien, seit 2007 in der GPA-djp u.a. zuständig für die work@fl ex, die Interessengemeinschaft für
ArbeitnehmerInnen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.
STREBINGER Didem, Mag.a, ist in Istanbul geboren, dort absolvierte sie die Österreichische Schule,
1989 kam sie nach Österreich um Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Seit 1999 ist sie in der AUA
beschäftigt, wo sie stellvertretende Vorsitzende im Betriebsrat ist und die Stabstelle „Corporate Culture
Development“ für Gleichbehandlungsaufgaben leitet.
70 Kolumnentitel
Notizen
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
........................................................................................................................................................
71Kolumnentitel
GPA-djp – ganz in Ihrer Nähe
Ihre AnsprechpartnerInnen in ganz Österreich
Service-Hotline: 05 0301-301GPA-djp Service-Center1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1
Fax: 05 0301-300, eMail: service@gpa-djp.at
Regionalgeschäftsstelle Wien1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1
Regionalgeschäftsstelle Niederösterreich3100 St. Pölten, Gewerkschaftsplatz 1
Regionalgeschäftsstelle Burgenland7000 Eisenstadt, Wiener Straße 7
Regionalgeschäftsstelle Steiermark8020 Graz, Karl-Morre-Straße 32
Regionalgeschäftsstelle Kärnten9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 44/4
Regionalgeschäftsstelle Oberösterreich4020 Linz, Volksgartenstraße 40
Regionalgeschäftsstelle Salzburg5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 10
Regionalgeschäftsstelle Tirol6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 14-16
Regionalgeschäftsstelle Vorarlberg6900 Bregenz, Reutegasse 11
www.gpa-djp.at
1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1 – Service-Hotline: 05 0301-301, service@gpa-djp.at – www.gpa-djp.atDVR 0046655, ZVR 576439352
die mehr wollen!
www.gpa-djp.at
Für alle,