Post on 17-Sep-2018
transcript
Exerzitien im Alltag 2014
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Einführung
„WIR – unendlich geliebt!?“ – wie lese ich es? Mit
Ausrufezeichen oder mit Fragezeichen? Was spricht mich
momentan eher an und wo liegt der Grund dafür?
Was kann ich darunter alles verstehen? WIR? Unendlich?
Geliebt?
In den vierwöchigen Exerzitien im Alltag wollen wir in
diesem Jahr den Blick auf die Liebe richten.
Liebe – was verstehe ich darunter? Welche Rolle spielt die
Liebe in meinem Leben? Wen liebe ich? Wer liebt mich?
Welche Rolle spielt Gott dabei?
Eine ganze Menge an Fragen, denen wir in den nächsten
Wochen etwas auf die Spur kommen wollen, und vielleicht
findet der ein oder andere eine Antwort.
Die Liebe – ein lebensnotwendiger Punkt in unserem
Leben. Aber auch ein Punkt, der sehr verletzend und
schmerzlich sein kann. Die Liebe hat viele Seiten! Ich kann
sie bekommen und ich kann sie geben. Es gibt die Liebe zu
anderen Menschen, die Liebe zu mir oder auch die Liebe
zu Gott. Es gibt Zeiten, da spüren wir sie und es gibt
Momente im Leben, da ist sie weniger spürbar.
Immer wieder müssen oder sollten wir uns mit ihr
auseinandersetzen, an ihr arbeiten.
Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, um der Liebe
und dem Bewusstsein dafür, ein Stückchen näher zu
kommen…
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Impuls durch die Zeit: Joh 15, 9-17
Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch
geliebt. Bleibt in meiner Liebe!
Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe
bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten
habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch
gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure
Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt
einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine
größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine
Freunde hingibt.
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch
auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der
Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich
euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles
mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch
erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und
Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch
der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen
bittet.
Dies trage ich euch auf: Liebt einander!
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Auf den folgenden Seiten finden Sie Anregungen, wie Sie
sich ihre Impulszeit, während der Exerzitien im Alltag,
bestmöglich gestalten können.
Einladung zur Stille …im Sitzen
Ich nehme eine aufrechte Haltung
auf meinem Stuhl ein: Spüre, wie ich aufsitze.
Vom Becken aus richtet sich mein Oberkörper auf. Ich stelle mir vor, wie sich mein Körper
Wirbel um Wirbel der Decke entgegenstreckt.
Ich richte mich auf. Ich richte mich aus.
Meine Hände suchen eine gesammelte Haltung: Ich lasse sie auf den Oberschenkeln ausruhen
oder lege sie ineinander zu einer Schale in meinen Schoß.
Ich schließe meine Augen.
Ich lasse meinen Blick nach innen fallen.
In dieser Zeit darf ich loslassen: Alles Planen und Leisten müssen,
alle Sorgen und Ängste,
alles, was mich jetzt noch umgibt und „gefangen hält“.
Herr, ich bin da,
komme an und
stelle mich in Deine Gegenwart, offen für das, was du mir sagen und schenken möchtest.
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…im Liegen Ich lege mich in Rückenlage auf eine Decke.
Ich nehme wahr, wie ich jetzt da bin. Ich stelle meine Beine auf und fühle meinen Rücken mit
seiner ganzen Breite und Länge auf dem Boden aufliegen.
Ich lasse langsam meine Beine ausgleiten, etwa hüftbreit auseinander.
Die Fußspitzen fallen nach außen. Ich spüre meine Beine auf dem Boden.
Mein Hinterkopf ruht auf dem Boden. Ich lege meine Hände auf en Unterbauch und spüre
meine Atembewegung.
Ich bleibe ganz aufmerksam in meiner Atembewegung und lasse mich jedem Ausatmen mehr los.
Ich beende die Übung, indem ich tief durchatme, die Augen öffne und mich dem Impuls zuwende.
…im Stehen
Ich stelle mich möglichst ohne Schuhe auf den Boden.
Die Füße sind hüftbreit auseinander:
Ich bewege leicht meine Fußgelenke – die Kniegelenke –
die Hüftgelenke – die Schultern – die Arme in den
Gelenken.
Ich spüre mein Gewicht – meine Fersen – meine
Zehenballen.
Ich drehe den Kopf nach links und nach rechts.
Ich lasse ihn auf der Wirbelsäule ruhen.
Mein Scheitelpunkt zeigt nach oben.
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Ich entspanne meinen Hals, indem ich mein Kinn etwas
senke. Ich fühle mich in mein Gesicht ein:
Ich spüre meine Stirn – meine Augen – meine Wangen –
meine Nase – meinen Mund.
Wenn ich Anspannungen in diesem Bereich wahrnehme,
versuche ich sie loszulassen.
Ich spüre meine Atembewegung, wie mein Leib durch das
Einatmen weit und im Ausatmen wieder schaler wird.
Ich verweile in dieser Wahrnehmung.
Ich beende die Übung, indem ich tief durchatme und die
Augen öffne…
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Der rote Faden 1. Woche: Gottesliebe 2. Woche: Selbstliebe
3. Woche: Nächstenliebe 4. Woche: Zeit für die Liebe
Grundhaltungen auf dem Exerzitien-Weg
1. Den Leib beachten und einbeziehen
Eine Gebetshaltung suchen, die mir hilft, da zu sein
– wach und aufmerksam
Empfindungen wahrnehmen
2. Stille und Schweigen schätzen lernen
Die Stille ist eine große Chance. Ich muss sie nicht
krampfhaft suchen oder mich in sie hineinzwingen.
Ich versuche die Stille zu genießen, die sich in
meinem Innern ausbreitet, wenn ich zur Ruhe komme.
3. Aufmerksam und achtsam sein
Viele Dinge in uns und um uns herum bleiben von
uns unbemerkt, weil wir ihnen keine Aufmerksamkeit schenken.
Gott kann sich in allem mitteilen. Ich versuche aufmerksam zu sein für die Dinge in mir, für die Welt,
für Gott.
Ich darf achtsam mit mir selber sein, mit meinen Gefühlen, meinen Bedürfnissen, meinen Grenzen.
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4. Mit allen Sinnen leben – und glauben
Gelegentlich eine Wahrnehmungsübung machen: Ganz bewusst die Sinne einsetzen: sehen, hören,
riechen, tasten, spüren.
Staunen lernen über die Schönheit der Schöpfung.
5. Sich als Übende(n) verstehen
Üben heißt: ausprobieren dürfen, experimentieren
Mit mir geduldig sein (Gott ist es auch)
Schrittweise gehen, sich von Fehlschlägen nicht entmutigen lassen
mich nicht unter Leistungsdruck setzen
mich aber auch nicht von Lust und Unlust abhängig
machen, frei sein
Gott eine Chance geben: Das Wichtigste tut ER – nicht ich.
Schritte einer Übungszeit Ich setze bewusst einen Anfang
o Ich zünde eine Kerze an, verneige mich, mache ein Kreuzzeichen,…
Ich werde still und spreche mein Anfangsgebet
o Ich nehme meinen Atem wahr, meinen Leib, ich lasse meine Gedanken und mein Planen los
und versuche im vergegenwärtigen Moment anzukommen, komme ins Schweigen…
Hier bin ich Gott, vor dir, so wie ich bin –
mit meiner Sehnsucht,
meiner Hoffnung,
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meiner Freude,
meinem Ärger, meiner Müdigkeit…
Hilf mir zu sehen, was du mir jetzt zeigen möchtest,
zu hören,
was du mir jetzt sagen möchtest, zu spüren,
dass du mit mir gehst und bei mir bleibst.
So bin ich jetzt vor dir.
(Dag Hammerskjöld)
Schweigen möchte ich, Herr,
und auf dich warten.
Schweigen möchte ich,
damit ich verstehe,
was in deiner Welt geschieht.
Schweigen möchte ich,
damit ich den Dingen nahe bin,
allen deinen Geschöpfen,
und ihre Stimme höre.
Schweigen möchte ich,
damit ich lerne,
dein und mein Wort zu unterscheiden.
Ich möchte schweigen,
damit ich unter den vielen Stimmen
die Deine erkenne.
(nach Jörg Zink)
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Herr, öffne mir die Augen
mach weit meinen Blick
und mein Interesse
damit ich sehen kann,
was ich noch nicht erkenne.
Herr, gibt mir ein
großzügiges Herz,
dass sich Deinem Wort überlässt
und zu tun wagt,
was es noch nicht getan hat.
Herr, ich weiß,
dass ich nur lebe,
wenn ich mich von dir
rufen und verändern lasse.
Amen.
(nach Ignatius von Loyola)
Meine Tagesbetrachtung o Ich verweile bei dem, was mich persönlich
anspricht und bewegt
Ich schließe bewusst ab
o Mit einem persönlich formulierten Gebet oder
einen vorgegebenen Gebet (Vater unser,…), mit einer Geste.
Reflexion o Ich schaue, wie es mir erging, was ich in den
weiteren Tag mitnehmen will, ob ich an meinem Umgang mit der Betrachtungszeit
etwas ändern sollte.
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Der Tagesrückblick Ich setze einen bewussten Anfang
Ich werde still
o Ich darf da sein, wie ich bin.
Ich muss nichts leisten. Ich bin da vor Gott.
Gott ist für mich da.
Ich schaue auf meinen Tag zurück
o Ich schaue auf meine Gebetszeiten und auf
mein Tun an diesem Tag zurück: Was war unangenehm,
was hat mir wohlgetan. Ich nehme es an, so wie es ist.
Ich bitte, ich danke
o Ich darf alles, was mich belastet, in Gottes Hände legen
und ihm danken für alles, was gut war.
Ich schließe mit einem Gebet
o z.B. Mein Gott, nun kehr ich heim zu mir. Des Tages Stunden, des Tages Wunden,
all meine Weiten und Armseligkeiten
leg ich in deine Hände hinein. Gott, wie ich bin, bin ich dein…(Ignaz Klug)
Gestaltung eines Gebetsortes ich wähle mir einen ruhigen Ort in der Wohnung/
im Haus
ich gestalte ihn so, dass ich dort zur Ruhe kommen
kann
ich versuche mich auf das Wesentliche zu
konzentrieren
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Gestaltungsmöglichkeiten: eine Kerze, eine Bibel, ein
Kreuz,…
Exerzitien-Tagebuch Erlebnisse, Erfahrungen,…, die ich immer wieder
einmal zur Hand nehmen möchte, können hierin
festgehalten werden
Dieses Buch kann auch eine Hilfe für den geistlichen
Austausch sein
Gebetszeit mit einem Bibeltext nach Ignatius von Loyola
Mich einfinden
Die Bibelstelle wählen, mit der ich beten will.
Mir den Raum schaffen. Äußere Stille: An einem ruhigen Platz die Körperhaltung einnehmen, die mir jetzt hilft,
wach da zu sein.
Innere Stille: Mir bewusst werden, dass ich ungestört Zeit
habe für mich – vor Gott/Jesus Christus. Ich brauche nichts zu leisten. Ich darf da sein mit meinem ganzen Sein,
mit Körper, Geist und Seele, mit allem, was mich
beschäftigt, so wie ich jetzt bin – in seiner Gegenwart.
Mich in meinem Leib wahrnehmen, den Atem kommen
und gehen lassen, Störungen (Geräusche, Gedanken ...) ziehen lassen.
Mich aufmachen – Betrachten Vorbereitungsgebet: Bitten, dass ich jetzt ganz
ausgerichtet sei auf Gott, dass Sein Geist jetzt in mir bete.
Den Schrifttext lesen, mir den „Schauplatz“ , die Atmosphäre vergegenwärtigen.
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Erbitten, was ich jetzt wünsche oder ersehne: vielleicht,
dass Er mich ansprechen möge; dass ich Ihm begegnen darf – oder dass ich nicht taub sei für Sein Wort und Seine
Einladung, sondern voll Bereitschaft mich öffne – oder dass ich schon sehen darf, was Er mir mit dieser
Schriftstelle für mein Leben sagen will.
Verweilen: Den Schrifttext – vielleicht laut – langsam durchgehen, Wort für Wort, Satz für Satz. Das Geschehen
auf mich wirken lassen, innerlich daran teilnehmen, schauen, hören, sprechen, glauben. Bei dem bleiben, wo
ich angesprochen bin, es einsinken lassen, mich betreffen lassen. Wenn mich nichts betrifft: aushalten, warten,
hoffen ...
Ins Gespräch kommen: Anknüpfen an das, was ich zu Beginn als Wunsch oder Sehnsucht ausgesprochen habe;
versuchen, mit Gott/Jesus Christus ins Gespräch zu kommen: danken, fragen, loben, bitten ... z.B. um
Entschlossenheit, den richtigen nächsten Schritt zu tun ...
Rückschau halten
Nach der Gebetszeit sehen, wie es mir ergangen ist, was in
mir nachklingt. Vielleicht einiges davon aufschreiben.
Gebetsanregungen – keine Leistung Es wird wichtig sein, die Gebetsanregungen für jeden Tag
auf keinen Fall als eine zu absolvierende „Leistung“ zu verstehen, sondern als Hilfe, im Alltag mit Gott ins
Gespräch zu kommen.
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Mich loszulassen, Herr, bin ich hier:
Aus meiner Verspannung, aus meiner Verstrickung,
aus meiner Verkrampftheit, aus der ich mich festhalten will,
und doch verliere.
Mich niederzulassen, Herr bin ich hier: In meiner Mitte, in meine Tiefe,
in meinen Grund. Dorthin, wo ich an Dich grenze,
wo mein Leben an Dein Leben rührt.
Eins zu werden, Herr bin ich hier: Mit dem Boden, mit der Erde, in der ich wurzeln kann und
die mich trägt: DU
Neu zu werden, Herr bin ich hier: Aus Deiner Kraft, aus Deiner Liebe,
aus deinem Geist, mit dem Du mich durchflutest,
und Leben in Fülle schenkst.
(Alois Albrecht)