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(Es gilt das gesprochene Wort) Stand: 17.07.2012
Einführende Darstellung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am
17. Juli 2012
I. Vorbemerkungen
Am 12. April 2012 gab das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine
Pressemitteilung heraus unter der Überschrift „Kampf gegen Krankenhauserreger“.
„In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 400.000 bis 600.000
Patientinnen und Patienten an einer Infektion, die sie im Krankenhaus
erworben haben. Bis zu 15.000 Menschen sterben daran (...).
Besonders gefährlich sind die sogenannten multiresistenten Keime,
gegen die Antibiotika kaum noch helfen. Sie entwickeln sich insbesondere
in Krankenhäusern, weil hier von außen ständig neue Erreger
eingeschleppt werden und andererseits Patienten je nach ihrer
Erkrankung mit Antibiotika behandelt werden müssen. In einem derartigen
Biotop können die Erreger gut verschiedenste Resistenzen ausbilden und
damit zum Problem werden.“
Noch viel komplizierter und bedrohlicher als die hier beschriebene allgemeine
Situation in den deutschen Krankenhäusern ist die Lage frühgeborener Kinder, weil
sie noch nicht über ein eigenes funktionsfähiges Immunsystem verfügen. Deshalb
werden bis zu 90 % der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als
1 500 g während ihrer stationären Behandlung mit einer breit wirksamen
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antibakteriellen Kombinationstherapie behandelt. Wegen des potenziell sehr
schnellen Verlaufs von Infektionen sind die behandelnden Ärzte vielfach gezwungen,
mit einer antibiotischen Therapie zu beginnen, obwohl die klinischen Zeichen für eine
Infektion noch unspezifisch sind. Nur so verbessern sie die geringe
Überlebenschance der Frühgeborenen. Die hohe Anwendungsrate breit wirksamer
Antibiotika bei Frühgeborenen erhöht aber auf der anderen Seite den
Selektionsdruck für Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen. Denn
nur solche resistenten Keime überleben die Antibiose.
Es darf deshalb nicht übersehen werden, dass derartige Keimvorfälle aus
systemischen Gründen Alltag in deutschen Kliniken sind, insbesondere in Stationen
der Neonatologischen Intensivmedizin. Mit diesen Hinweisen bagatellisiere ich
keineswegs den Tod von mindestens drei Frühgeborenen auf der Neonatologischen
Station im Klinikum Bremen Mitte, den wir alle, mich eingeschlossen, außerordentlich
bedauern. Es ist jedoch in der gebotener Klarheit auf die grundsätzlichen Probleme
und die Rahmenbedingungen zu verweisen, die nicht außer Acht gelassen werden
dürfen.
Sie haben hier Prof. Dr. Laux von der Asklepios-Klinik Hamburg Barmbek gehört, der
seine Erleichterung darüber ausgedrückt hat, dass bei 22 kolonisierten
Frühgeborenen in seiner Klinik nur in einem Fall eine Sepsis entstanden ist, die
jedoch nicht zum Tode geführt hat. Parallel hat es – wie sie ebenfalls wissen – im
vergangenen Jahr entsprechende Vorfälle nicht nur in Bremen gegeben, z.B. in:
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Rotterdam (Klebsiella Oxa auf der Intensivstation; 28 infizierte Patienten sind
verstorben, davon 3 sehr wahrscheinlich als direkte Folge, bei weiteren 10 ist
nicht ausgeschlossen, dass sie infolge der Infektion starben) und in
Leipzig (Klebsiella pneumoniae Carbapenemasen) Juli 2010 – Febr. 2011 mit
30 betroffenen Patienten und 8 Nachweisen in 2012. 26 infizierte Patienten
starben, wie viele infolge der Infektion ist ungeklärt).
Das Besondere in Bremen ist also nicht der Keimausbruch an sich, sondern die
Vermutung, dass schuldhaftes Handeln die Ursache dieses Keimausbruches ist. In
der Folge hat die Bremische Bürgerschaft angesichts des Todes von Frühgeborenen
auf der Neonatologischen Station im Klinikum Bremen-Mitte besonderen
Aufklärungsbedarf gesehen, diesen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss
eingesetzt und den Untersuchungsauftrag auf sieben Themenkomplexe erstreckt. Ich
werde sie sowie die Beweisbeschlüsse als Gliederung meiner Stellungnahme
aufgreifen.
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II. Die politische und administrative Verantwortung des Senats, insbesondere
der Senatorin für Gesundheit als Senatorin und als Vorsitzende des
Aufsichtsrates der Gesundheit Nord
Ich trage die politische Verantwortung für das Gesundheitsressort im Senat.
Was heißt das?
Es gibt eine Auffassung von politischer Verantwortung, die besagt, dass
Regierungsmitglieder in ihrem Ressort jederzeit und für alles uneingeschränkt
verantwortlich sind oder verantwortlich gemacht werden können. Nach dieser
Sicht der Dinge können Politiker dann sehr schnell aufgefordert werden, von
ihrem Amt zurückzutreten, wenn in ihrem Ressort an irgendeiner Stelle
schwerwiegende Probleme auftreten oder ihnen unterstellte Beamte fehlerhaft
gehandelt haben.
Ich definiere politische Verantwortung als eine besondere Ausprägung
persönlicher Verantwortung. Ich bin persönlich verantwortlich für das, was ich tue
oder unterlasse und für die Folgen meines Tun und Unterlassens – auch den
unbeabsichtigten. Sobald ich als Verantwortliche in meinem Ressortbereich über
Probleme informiert werde, bin ich verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen, ihn zu
bewerten, mich beraten zu lassen und dann unverzüglich die Maßnahmen zu
treffen, die zu einer Lösung führen können. Treffe ich keine oder falsche
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Entscheidungen, trage ich dafür die persönliche und politische Verantwortung.
Das Fehlverhalten oder die Fehler, die gemacht wurden, müssen mir zugerechnet
werden können. Nur dann kann ich „für Etwas gerade stehen“ – und für dieses
Verhalten bin ich bereit, „Rechenschaft abzulegen“
Damit will ich zu ihrer Diskussion hier im Ausschuss klarstellen. Ich übernehme
keine Verantwortung für Probleme, die nicht in meinem Zuständigkeitsbereich
liegen, sich meiner unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeit entziehen oder zu
Zeiten stattgefunden haben, zu denen ich die Ressortverantwortung gar nicht
hatte.
Diese allgemeinen Aussagen will ich konkretisieren:
1. Manche vergessen, dass die vier kommunalen Kliniken nicht mehr als
städtische Eigenbetriebe geführt werden, sondern aufgrund politischer
Entscheidungen als eigenständige Gesellschaften mit einer ebenfalls
eigenständigen Holding als Rahmen. Ich habe weder als Senatorin noch als
Vorsitzende des Aufsichtsrates der Gesundheit Nord das Recht, diesen
Leitungen Anweisungen zu erteilen. Weder in meinem Senatorenamt noch in
meiner Funktion als Vorsitzende des Aufsichtsrates der Gesundheit Nord
nehme ich eine Fachaufsicht über die Kliniken oder deren Holding war. Die
GeNo-Kliniken in Kommunaler Trägerschaft sind bei Gründung der gGmbH
politisch gewollt der unmittelbaren Zuständigkeit des
Gesundheitsressorts entzogen worden.
Seit 2004 sind 5 Geschäftsführungen mit insgesamt 14 Geschäftsführern (2
Geschäftsführer auf Holdingebene und jeweils 3 Geschäftsführer auf der
Ebene der vier Krankenhäuser für das operative Geschäft zuständig. Diese
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Führungskräfte tragen die Verantwortung für die Arbeit in den Kliniken der
Gesundheit Nord.
Übernommen habe ich im vergangenen Jahr eine Gesundheitsabteilung ohne
Zuständigkeit für die Kliniken in kommunaler Trägerschaft. Das ist durch
Senatsbeschluss vom 17.07.2007 grundsätzlich so entschieden worden,
nachdem der Senat bereits am 20.02.2007 die Leitlinien hierfür festgelegt
hatte. Folgerichtig gibt es kein Klinikreferat mehr, das die Eigenbetriebe
steuert, sondern außerhalb der Gesundheitsabteilung ein kleines
Beteiligungsmanagement, das die Aufsichtsratsmandate, die die
Gesundheitssenatorin und der Staatsrat innehaben, betreut und für die
Vorbereitung der Sitzungen sorgt.
2. Als Senatorin habe ich nach der Geschäftsverteilung des Senates die
Verantwortung für das Gesundheitsressort und damit für eine Reihe von
landes- und kommunalpolitischen Aufgaben. Ich bin als Senatorin z.B. für die
Landeskrankenhausplanung und die Rechtsetzung zuständig. Meine
Gesundheitsabteilung übt die Fach-, Dienst- und Rechtsaufsicht über das
Bremer Gesundheitsamt aus. Für das Bremerhavener Gesundheitsamt liegt
sie teilweise beim dortigen Magistrat. Die Gesundheitsämter überwachen
nach dem Öffentlichen Gesundheitsdienstegesetz ( § 25) die Einhaltung der
Anforderungen der Hygiene in Einrichtungen, bei denen ein besonderes
Hygienerisiko besteht. In diesem Rahmen übe ich über das Referat von Herrn
Dr. Götz die Aufsicht über das Gesundheitsamt Bremen und Bremerhaven
durch regelmäßige Termine und einen Jahresbericht aus, der auch die
Deputation erreicht und an dem entlang die Steuerung stattfindet. Ich bin in
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diesem Zusammenhang verantwortlich, Gegenmaßnahmen auf den Weg zu
bringen, sobald mir von Gefahren für Patienten berichtet wird. Gemäß den
Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes schalte ich bei bedeutenden
Keimausbrüchen das Robert Koch-Institut als Bundeseinrichtung ein. Als
letzte Mittel der Gefahrenabwehr stehen mir schließlich ein Aufnahmestopp
oder gar die Schließung einer Station zur Verfügung. In diesen Fällen kann
ich im Übrigen nur unter Beteiligung der dem Innensenator zugeordneten
Ordnungsbehörde handeln, da diese formal zuständig ist. Aufgrund der
Sachnähe wird in diesen Fällen die Entscheidung von mir vorbereitet.
3. Ich bin als Aufsichtsratsvorsitzende des Klinkverbundes für die Überwachung
und Beratung der Geschäftsführung des Klinikverbundes zuständig, nicht
jedoch für die Geschäftsführung in den Krankenhäusern. Gegenstand der
Überwachung durch den Aufsichtsrat ist die Ordnungsmäßigkeit, die
Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. Hierzu
gehört die Prüfung, ob sich die Holding im Rahmen ihrer satzungsmäßigen
Aufgaben betätigt und die maßgebenden Bestimmungen beachtet hat und ob
die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsführers wirtschaftlich und sparsam geführt worden sind. Eine
unmittelbare Einflussmöglichkeit des Aufsichtsrats besteht nur für die in der
Satzung geregelten zustimmungspflichtigen Geschäfte (Bspw. Erwerb,
Veräußerung und Beendigung von Beteiligungen, Geschäfte, die festgelegte
Betragsgrenzen überschreiten, Wirtschaftplan). Eine solche
Satzungsregelung ist im Aktiengesetz ausdrücklich vorgesehen. Ich kann als
Aufsichtsratsvorsitzende zudem die Geschäftsführer der Holding bestellen
und entlassen, wenn entsprechende Gründe vorliegen. Ich kann aber auf der
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Grundlage des Gesellschaftsrechts nicht unmittelbar in das operative
Geschäft der Holding oder der einzelnen Kliniken eingreifen. Nach § 111
Abs. 4 des Aktiengesetzes sind Fragen der Geschäftsführung dem
Aufsichtsrat ausdrücklich entzogen. Dort heißt es:
„Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht
übertragen werden.“
Bei dieser Regelung handelt es sich um eine abschließende und zwingende
Norm (vgl. § 23 Abs. 5 AktG). Sie kann auch nicht durch Gesellschaftsvertrag
geändert werden. Für die Überwachung und Beratung der
Geschäftsführungen der vier Krankenhäuser sind die jeweiligen Aufsichtsräte
zuständig.
4. Die von manchen behauptete Interessenkollision zwischen dem Amt der
Senatorin für Gesundheit und der Aufgabe als Aufsichtsratsvorsitzende sehe
ich in der Realität nicht, da ich in beiden Funktionen zunächst dem Wohl der
Bürger, hier konkret der Patientinnen und Patienten, verpflichtet bin. Dies
umso mehr, als die Holdung, eine gemeinnützige Gesellschaft ist, also nicht
mit Gewinnerzielungsabsicht arbeitet. Der Senat hat in seiner Sitzung am
17.07.2007 die Struktur des Kommunalen Klinikverbundes beschlossen,
welche den Vorsitz der Gesundheitssenatorin im Aufsichtsrat der Holding
vorsieht.
5. Und schließlich ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Aufgaben
der Gesellschafterin des Klinikverbundes nicht von der Senatorin für Bildung,
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Wissenschaft und Gesundheit, sondern von der Senatorin für Finanzen
wahrgenommen werden. Gesellschafter der Einzelkliniken ist die
Geschäftsführung der Gesundheit-Nord Holding. Daraus folgt: eine
persönliche Weisungsbefugnis als Gesellschafterin habe ich aufgrund dieser
Konstruktion weder auf der einen noch auf der anderen Ebene.
Als ich Anfang November 2011 „Klebsiella pneumoniae – SHV 63“ kennenlernte, war
dieses Darmbakterium bereits seit April 2011 auf der Neonatologischen Station
vorhanden und - wie wir heute wissen - bereits seit 2009 im Klinikum Bremen-Mitte.
Als ich am Nachmittag des 1.11.2011 mit dem Keimvorfall im Klinikum Bremen-Mitte
konfrontiert wurde, habe ich zügig und stringent gehandelt. Am folgenden Morgen
habe ich die Experten des Robert-Koch-Instituts zu Hilfe gerufen. Ich habe
umgehend Öffentlichkeit hergestellt, da ich der Meinung war, dass der Vorfall so
gravierend ist, dass die Bürger ein Anrecht haben, informiert zu werden. Und seit
diesem Tag arbeite ich mit allen Verantwortlichen gemeinsam daran, die
kommunalen Bremer Kliniken personell und strukturell so aufzustellen, dass derartige
Keimausbrüche künftig mit einem professionellen Hygienemanagement bearbeitet
werden.
Diese multiresistenten Keime sind eine unabwendbare Folge unserer modernen
Medizin sowie unserer Lebens- und Produktionsweisen. An ihnen sterben jährlich
mehr als fünfzehntausend Menschen in Deutschland und damit auch in Bremen. Das
ist für viele eine neue und beunruhigende Erkenntnis, die wir jedoch nicht durch
Verdrängen aus der Welt schaffen können. Ob wir derartige Keimausbrüche in
Zukunft beherrschen werden, erscheint mir nach allem, was ich inzwischen gelesen
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habe und auf der Grundlage meines Studiums der Fächer Biologie und Chemie mehr
als fraglich.
Im Mittelpunkt unseres Handelns muss deshalb neben besseren vorsorgenden
Maßnahmen vor allem ein professionelles Ausbruchsmanagement stehen.
Angesichts der inzwischen offenkundigen Nachlässigkeiten und Fehler vor allem
wohl im Hygienemanagement der Klinik Bremen-Mitte, denen sie in diesem
Untersuchungsausschuss mit Sorgfalt und intensiver Detailaufklärung nachgegangen
sind, bitte ich sie jedoch, nicht die entscheidende Frage aus dem Augen zu verlieren.
Können wir am Ende mit hinreichender Sicherheit sagen, dass die
festgestellten Defizite und Mängel ursächlich sind für den Tod der
Frühgeborenen?
Gibt es eine beweisbare menschliche Verantwortung bis hin zum Vorwurf der
fahrlässigen Tötung? Wird deshalb die Staatsanwaltschaft an Ende der Ermittlungen
Anklage erheben oder das Verfahren einstellen?
Krankheit und Tod sind Teil unseres Lebens und wir können sie nur begrenzt
abwenden. Die Medizin ist nicht allmächtig, sondern arbeitet im Grenzbereich
zwischen Leben und Tod. In diesen Fragen sollten wir alle gemeinsam nicht zu
schnell, zu laut und zu unbedacht Schuld zu weisen, zumal der parlamentarische
Untersuchungsausschuss zum einen vom Parlament die Rolle wissenschaftlicher
Experten zugewiesen bekommen hat, indem es die „Erforschung der möglichen
Ursachen für die Klebsiellen-Infektion“ zu seinem Hauptziel erklärt hat. Er würde zum
anderen, wenn er eine Kausalkette zwischen festgestellten Fehlern im
Hygienebereich und dem Tod der Frühgeborenen als gegeben aufstellen würde,
eigentlich der Strafjustiz zustehende Kompetenzen beanspruchen.
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Beim zweiten Ausbruch haben wir gesehen, dass trotz verbesserter Bedingungen
und einer Sanierung auf dem Stand „guter Klinischer Praxis der Krankenhaushygiene
und Infektionsprävention“ gemäß den Vorgaben des Robert Koch-Instituts und des
Deutsches Beratungszentrums für Hygiene (BHZ) und nach Freigabe durch das
Gesundheitsamt Bremen wir dennoch neue Besiedelungen und wahrscheinlich auch
neue Sepsis bei zwei Kindern zu verzeichnen hatten.
Die Ratlosigkeit der Experten vom RKI sollte uns zu denken geben:
„Nach wie vor stochern wir im Nebel und sind total verzweifelt…..wir waren dann
direkt auf der Station, haben es untersucht, und dann taucht genau in dem Zimmer
der Erreger wieder auf, was dann ein völlig sauberes Zimmer war bei diesen letzten
beiden Kindern…was uns sehr verblüfft hat, aber wir haben letztlich nichts
gefunden…Klar bringt uns das ein bisschen zur Verzweiflung, aber wir wissen aus
der Literatur, dass das ganz oft ist, man es nicht herausbekommt, das ist so.“
(Eckmanns, RKI, BA des PUA vom 19.04.2012, S. 2046/2047)
Wir wissen, in 48 % der bekannten Ausbruchsfälle bleibt die Ursache unklar. Das
Gefühl der Ohnmacht und der Ratlosigkeit ist in Anbetracht der Erkenntnis, dass
vermutlich weder die Herkunft noch die Verbreitungswege des Keims von den
Fachleuten oder vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss geklärt werden
können groß.
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III. Wichtige Stationen des Keimvorfalls
1. Meldewege und Maßnahmen
a. Vorbemerkungen
Ich war als Gesundheitssenatorin 123 Tage im Amt, als mich am 1. November
2011 die Nachricht von dem Keimausbruchsgeschehen und den Todesfällen
der Frühgeborenen im Klinikum Bremen-Mitte erreichte.
Ich hatte bis zu diesem Tage alle vier Standorte der GeNo-Kliniken sowie vier
freigemeinnützige Kliniken besucht und mit deren Krankenhausleitungen und
Chefärzten Gespräche geführt. In Vorbereitung der anstehenden
Entscheidungen zur Landeskrankenhausplanung habe ich mich über die
jeweiligen Standortprobleme informiert. Hier bestand Entscheidungs- und
Handlungsdruck, denn diese Entscheidungen standen seit Beginn des Jahres
2011 an.
Ich hatte weiterhin bis zu diesem Tage, bis auf eines, die Referate der
Gesundheitsabteilung besucht und mir die anstehenden Arbeitsvorhaben von
meinen Mitarbeitern erläutern lassen.
Als Aufsichtsratsvorsitzende der GeNo hatte ich bis dahin eine
Aufsichtsratssitzung geleitet und mich in Vorbereitung und Nachbereitung
Stück für Stück in die wirtschaftliche Situation des Klinikverbundes
eingearbeitet.
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Mit anderen Worten: ich hatte gerade eine intensive Einarbeitungsphase hinter
mir, hatte mich in weiteren zahlreichen Gesprächen bereits bemüht, alle
wesentlichen Akteure auf diesem Feld kennenzulernen, dabei waren mehr als
50 Gesprächswünsche abzuarbeiten, die nach der Übernahme der
Ressortverantwortung bei mir eingegangen waren.
Der Gesundheitsbereich ist für mich ein hoch interessantes Politikfeld, dem ich
mich auch vor dem Hintergrund meines naturwissenschaftlichen Studiums
nach den Wahlen des vergangenen Jahres gerne zusätzlich zugewandt habe.
Aufgrund meiner langjährigen administrativen Erfahrung und meiner
Arbeitskraft sehe ich in dem erweiterten Ressortzuschnitt kein Problem, das
nicht zu bewältigen ist.
Ich betone das deshalb, weil es Stimmen gab, die den Keimausbruch im
Klinikum Bremen-Mitte in einen kausalen Zusammenhang mit dem neuen
Ressortzuschnitt gestellt haben. Das ist nicht nur unredlich, sondern auch
logisch nicht haltbar. Vielleicht geben die traurigen Vorfälle Anlass für
Unzufriedene, die sich mit der Ressortaufteilung nicht abfinden wollten.
Rational betrachtet, genügt es eigentlich, darauf hinzuweisen, dass der
Ressortzuschnitt sich 2009 (beim ersten Auftreten des Keims im Klinikum
Bremen-Mitte) nicht von dem im April 2011 (beim Auftritt des Keims in der
neonatologischen Station) unterschied. Und der Keim hat im Herbst 2011
kaum wissen können, dass sich im Sommer hier etwas geändert hatte.
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b. Meldung nach Infektionsschutzgesetz durch das Krankenhaus
Die vom Krankenhaus unverzüglich zu leistende Meldung über einen
Keimausbruch erfolgte am 8. September 2011. In der Rückbetrachtung hat
Herr Professor Stauch meines Erachtens zu Recht bemängelt, dass die
Meldung nach § 6 (3) seitens des Krankenhauses hätte früher erfolgen
können. Er sieht eine Meldepflicht spätestens am 08.08.2011 gegeben.
c. Die Übermittlung des Ausbruchgeschehens durch das Gesundheitsamt
Die Meldung hat am dritten Arbeitstag der folgenden Woche an die
Landesbehörde und durch sie an das Robert Koch-Institut zu erfolgen.
Die Übermittlung erfolgte nach der rechtlichen Einschätzung von Staatsrat
Stauch und auch nach meiner Einschätzung zu spät. Dies wird erklärt mit der
Konstruktion eines Landeskompetenzzentrums seit 2001. Selbst wenn man
dieser Konstruktion folgt, hätte eine Information der nachgeordneten Behörde
an die Landesbehörde aus wichtigem Grund oder als besonderes Vorkommnis
erfolgen müssen. Dies bestreitet in der Leitungsebene des Gesundheitsamtes
Bremen auch niemand. Die Ergebnisse einer arbeitsrechtlichen Prüfung
wurde Ihnen in nichtöffentlicher Sitzung seitens meines Ressorts bereits
vorgetragen.
d. Reaktion auf den Keimausbruch in meinem unmittelbaren Ressortbereich
Die Information des Gesundheitsamtes wurde in der Senatsbehörde
unverzüglich bearbeitet. Das Robert Koch-Institut wurde unverzüglich um
Analyse und Beratung gebeten, das Screening und ein Aufnahmestopp
wurden vorbereitet und umgesetzt. Ich kenne bisher niemanden, der an der
Reaktionszeit und den Maßnahmen etwas auszusetzen hat.
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Ich habe mich entschlossen, am 2. November 2011 Deputation und
Öffentlichkeit gleichzeitig zu unterrichten, zumal die Sitzung der
Gesundheitsdeputation für diesen Tag bereits länger feststand. Es hat über
diese parallele Information und die Tatsache, dass ich selbst mich den
Deputierten gestellt habe, in den Medien ein Gemurre gegeben. Aber zu
meiner Entscheidung, zuerst und persönlich den Deputierten in einer zudem
öffentlichen Sitzung Rede und Antwort zu stehen, stehe ich auch heute noch.
Wenn die Staatsanwaltschaft nicht auf der Grundlage einer Falschmeldung
der Landesrundfunkanstalt zum gleichen Zeitpunkt in Aktion getreten wäre,
wäre diese parallele Unterrichtung auch ohne zusätzliche Probleme gelungen.
Die schwierige Entscheidung des Aufnahmestopps für Risikoschwangere
wurde in allen Facetten in der Gesundheitsdeputation mit den Fachpolitikern
erörtert.
e. Die Übermittlung von der Landesbehörde an das Robert Koch-Institut
Die Novellierung des § 11 (2) IfSG ist am 04. August 2011 in Kraft getreten.
Die Landesbehörde muss danach die Übermittlungen innerhalb einer Woche
an das Robert Koch-Institut tätigen. In der Begründung des Gesetzentwurfs
heißt es dazu:
“Infolge der Änderung in § 11 IfSG haben die Gesundheitsämter dem
Robert Koch-Institut über die zuständige Landesbehörde auch
Informationen über nosokomiale Ausbrüche zu übermitteln. Nach § 6
Absatz 3 IfSG sind nosokomiale Ausbrüche dem zuständigen
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Gesundheitsamt zu melden Dieses stellt bei einer entsprechenden
Meldung die erforderlichen Ermittlungen an und trifft erforderliche
präventive Maßnahmen und Schutzmaßnahmen. Eine Übermittlung von
Daten aus den Meldungen nach § 6 Absatz 3 IfSG an die zuständige
Landesbehörde und das Robert Koch-Institut erfolgte bislang nicht. Bei
Ermittlungen allein auf örtlicher Ebene ist aber nicht gewährleistet, dass
Zusammenhänge mit gemeldeten Ausbrüchen im Zuständigkeitsbereich
anderer Gesundheitsämter zeitnah erkannt werden können. Infolge des
neuen § 11 Absatz 2 IfSG wird das Robert Koch-Institut in die Lage
versetzt, die übermittelten Informationen über nosokomiale Ausbrüche auf
epidemiologische Zusammenhänge hin zu untersuchen und die zuständige
Landesbehörde anhand der gewonnenen Erkenntnisse zu beraten oder,
wenn Ausbrüche in anderen Krankenhäusern zu befürchten sind, durch
Veröffentlichungen im Epidemiologischen Bulletin zu informieren…“
Dies stellt nochmals klar, das Gesundheitsamt Bremen trifft die erforderliche
präventiven Maßnahmen und Schutzmaßnahmen, nicht das Robert Koch-
Institut. Die Informationen sollen das Robert Koch-Institut in die Lage
versetzen, die zuständigen Landesbehörden zu beraten und
Veröffentlichungen zu ermöglichen. Eine direkte Beratung des Krankenhauses
durch das Robert Koch-Institut sieht der Gesetzgeber (eigentlich) nicht vor.
2. Die fristlose Kündigung des Herrn Dr. Huppertz
Am 15.11.2011 hat Herr Dr. Hansen Herrn Dr. Huppertz fristlos gekündigt. Vorher
hatte Herr Dr. Huppertz seine Verantwortung als Arzt hygieneverantwortlicher und
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stellvertretender ärztlicher Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Mitte selbst zur
Verfügung gestellt.
Die Behauptung, Herr Dr. Hansen hätte diese Kündigung vorher mit mir
abgestimmt, habe ich bereits mehrfach als unwahr zurückgewiesen. Ich
wiederhole das hier ausdrücklich.
3. Die Wiedereröffnung der Station/ Aufhebung des Aufnahmestopps
Die Wiedereröffnung ist nach Sanierung am 09.01.2012 erfolgt. Die Freigabe
durch das Gesundheitsamt lautet:
“bei der Nachbegehung heute wurden keine baulichen Mängel mehr
festgestellt. Auch im (vorläufigen) schriftlichen Bericht von Hrn. Dr. Kappler
von heute ergab die Untersuchung eine einwandfreie Desinfektion der
untersuchten Flächen (....). Aus unserer Sicht kann die Station 4027 wieder
eröffnet werden.“
Die Sanierung war umfangreicher als vorher gedacht und dauerte deshalb auch
länger. In der Zwischenzeit war der Versorgungsauftrag für Risikoschwangere
aus Bremen nicht zu erfüllt. Zum Glück haben die einweisenden Gynäkologen
rechtzeitig Wege gefunden, so dass wir über die Weihnachtsferien keine
schwierigen Verlegungsfälle hatten.
4. Erneuter Ausbruch des Klebsiellenvorkommens
Am 23. Februar 2012 informierte mich die kommissarische Leiterin der
Gesundheitsabteilung darüber, dass erneut zwei Kinder auf der Station 4027
besiedelt seien. Bereits am Nachmittag gab es ein Gespräch auf der Station, an
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der auch das Gesundheitsamt und die externen Fachleute des Deutschen
Beratungszentrums für Hygiene (BZH) teilgenommen haben, die sich zufällig
zwecks Vorbereitung von Schulungen in Bremen aufhielten. Mit notwendigen
Maßnahmen wie der Kohortierung der Kinder und Umgebungsuntersuchungen
wurde sofort begonnen. Am Abend gab es dann das erste Krisengespräch unter
Teilnahme von Dr. Hansen bei mir. Ein weiteres Krisengespräch bei mir folgte am
nächsten Tag. Hieran nahmen neben dem Gesundheitsamt auch Dr. Weißgerber
und Dr. Schulz-Stübner vom BZH teil. Der Befund eines dritten
besiedelten/infizierten Kindes lag inzwischen (24.02.2012) auch vor. Es wurde ein
Aufnahmestopp entschieden und die gesundheitspolitischen Sprecher von mir
umgehend informiert, die alle einen Aufnahmestopp unterstützten. Ein Team des
bereits am Morgen benachrichtigten RKI traf gegen 17.00 Uhr ein. Insgesamt
waren fünf Kinder betroffen, von denen zwei am 28. Februar verstorben sind. Es
kann nach Sichtung der gerichtsmedizinischen Gutachten durch Prof. Exner
davon ausgegangen werden, dass diese beiden Kinder an ihren schweren
Grunderkrankungen und nicht infolge der Keiminfektion verstorben sind. Der Keim
war allerdings genidentisch –SHV – 63, das heißt, er war auch nach der
Sanierung weiter auf der Station vorhanden.
5. Erneute Schließung der Station 4027
In Abstimmung mit dem Stadtamt wurde die Anordnung eines Aufnahmestopps
und eines Personalscreenings vorbereitet, welches das Stadtamt als formal
zuständige Behörde noch am 24.02.2012 erlassen hat. Eine Ergänzung erfolgte
am 01.03.2012.
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6. Freistellung von Herrn Hansen am 29.02.2012
Ich habe Dr. Hansen am 29.02.2012 erklärt, dass er nach seinem
Anstellungsvertrag ab sofort von seinen dienstlichen Verpflichtungen freigestellt
werde. Ich habe ihm das in einem persönlichen Gespräch mit meinem
schleichenden Vertrauensverlust, der sich u. a. auf sein Krisenmanagement und
die ungenügende Aufklärung des Hygieneskandals im Hygieneinstitut bezieht,
begründet
7. Eltern-Kind-Zentrum mit Level-1 am Klinikum Bremen-Mitte und
Übergangskonzept am Klinikum Links der Weser und Klinikum Bremen-
Nord nach der Schließung 4027
Die qualitative Verbesserung der Versorgung von Frühgeborenen durch
Bündelung von Kompetenz und Erhöhung der praktischen Erfahrung bedingt
durch höhere Fallzahlen wurde von den Sachverständigen, die Sie im Rahmen
Ihres Untersuchungsauftrags angehört haben bestätigt und meines Wissens
ausschließlich positiv bewertet.
Die Diskussion um die Zentralisierung auf Level-I-Niveau lebte durch den Ende
Februar aufgrund des erneuten Auftretens der ESBL-Klebsiellen notwendig
gewordenen Aufnahmestopp sowohl für die Neonatologie und auch für die
Geburtshilfe am KBM und dem damit einhergehenden Versorgungsengpass
wieder auf. Um die Versorgung aufrecht zu erhalten wurde von der
Geschäftsführung der GeNo zunächst ein neonatologisches Übergangskonzept
entworfen, welches dem Ausschuss bereits vorgelegt wurde. Aufgrund der
Beschlusslage und der fortgeschrittenen Planungen zum TEN, für den bereits
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Aufträge vergeben wurden, hatte die Geschäftsführung der GeNo schnell eine
sachgerechte und dem Wohl der Patienten dienende Entscheidung zu treffen.
Das Übergangskonzept, wie es am 21. März 2012 mit den Ärzten der
Geschäftsführung und den gesundheitspolitischen Sprechern besprochen worden
ist, ist inzwischen zügig umgesetzt worden.
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse sind sich die
Fachgesellschaften und Experten einig, dass eine Zentralisierung die Qualität der
Versorgung erheblich verbessert. Die Erfahrungen der skandinavischen Länder
und unseres Nachbarlandes Niederlande bestätigen dies.
Die Zusammenarbeit in der Geburtshilfe und bei Risikoschwangerschaften wird im
Netzwerk Geburtshilfe in einer Arbeitsgruppe mit den freigemeinnützigen.
Krankenhäusern bearbeitet. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal
klarstellen, dass es „lazarettähnliche Zustände“ in den Bremer Krankenhäusern zu
keinem Zeitpunkt gegeben hat. Wer so etwas behauptet, redet völlig
unverantwortlich! Alle Krankenhausleitungen weisen dies zurück. Denn, die ohne
jeden Zweifel vorhandenen Überkapazitäten in der normalen Geburtshilfe haben
die Umverteilung ohne Probleme möglich gemacht und die Auslastung verbessert.
Die Level-1-Versorgung reicht zur Sicherstellung des Versorgungsauftrages aus
und liegt bei 24 Intensiv - Betten (incl. Kinderkardiologie) für Frühgeborene
unter 1500 g im Klinikum Links der Weser (zuzüglich 13 Betten für Intermediate
Care) und 15 Betten(incl. 6 Intermediate Care) für Frühgeborene unter 1500 g im
Klinikum Bremen-Nord. Die Wiedereröffnung der Geburtshilfe im Klinikum Bremen-
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Mitte wird in absehbarer Zeit noch nicht erfolgen, weil eine entsprechende
Versorgung der Frühgeborenen gegenwärtig im Hause nicht möglich ist.
Die Dauerlösung für die Versorgung der Frühgeborenen auf Level I und II, vor
allem mit speziellen operativen Bedarfen werden wir in aller Sorgfalt für das
standortübergreifende Eltern-Kind-Zentrum beraten. Es bleibt jedoch dabei, dass
wir in Zukunft die Frühgeborenen mit unter 1500 g auf das Klinikum Bremen-Mitte
konzentrieren. Wir werden mit allen Ärzten beraten, ob es Sinn macht,
Frühgeborene mit unter 1500 g mit Herzanomalien auf Dauer im Klinikum Links der
Weser zu versorgen. Es ist in nächster Zeit Aufgabe der Geschäftsführung der
GeNo hier eine Lösung zu finden, die fachlich nach G-BA-Richtlinie vertretbar ist
und möglichst hohe Akzeptanz hat. Ich habe großes Vertrauen in die
Geschäftsführung, die das bereits für das Übergangskonzept sehr gut gelöst hat.
8. Auftauchen des Keims auf der Station (3911) 4028
Beim Routinescreening eines Kindes, das zu einer Bruch-Operation vom KLdW
ins KBM verlegt wurde, wurde das Kind positiv auf Klebsiellen getestet. Der
Befund lag dem KBM am Samstag, den12.05.2012 vor. Ich wurde hierüber am
Montag vom Gesundheitsamt informiert. Eine Probe des Kindes wurde sofort in
ein Bremer Labor gesandt, um festzustellen, um welchen Stamm es sich
handelte. Parallel wurde das Nationale Referenzzentrum in Bochum informiert.
Am 16.05. kam die erste Einschätzung aus dem Bremer Labor, dass es sich bei
dem Klebsiella pneumoniae-Stamm wahrscheinlich um den Ausbruchsstamm
SHV-63 handelte. Es war allerdings noch eine weitere sehr spezielle
Untersuchung im Medizinischen Labor notwendig (repPCR mit anderen
Restriktionsenzymen) um den vorliegenden Befund noch abzusichern. Am
Freitag, den 18.05.2012 wurde die Gesundheitsabteilung vom Gesundheitsamt
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darüber informiert, dass es sich mit 95%iger Sicherheit um den Ausbruchstamm
handele. Diese Information ging zusammen mit der Information, dass ich das
Nationale Referenzzentrum (NRZ) für gramnegative Krankenhauserreger in
Bochum um "höchste Priorität" bei der Typisierung gebeten habe, noch am
selben Tag an die Senatskanzlei mit der Bitte um Weiterleitung an den
Ausschuss.
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IV. Rahmenbedingungen: Sanierungskurs und Zentren-Konzept
Wie Sie von verschiedensten Seiten bereits gehört haben, ist der Sanierungskurs
seit 2008 eine notwendige Voraussetzung für den Erhalt der Kliniken in
Kommunaler Trägerschaft. Er ist Bestandteil der Rahmenbedingungen, in denen
der Keimausbruch stattgefunden hat. Ob die durch ihn entstandenen besonderen
Bedingungen ursächlich etwas mit dem Keimausbruch zu tun haben, ist aus meiner
Sicht zu bezweifeln. Es steht ihnen natürlich frei, das anders zu beurteilen.
Das Hauptziel der Sanierungsstrategie war es, die Erlös- und Kostenstrukturen bis
2015 an bundesdeutsche Standards anzupassen und dabei die sehr hohe
Personalkostenquote der GeNo von 2008: 74,3 % auf das Bundesniveau (2008:
62,3 %) zurückzuführen.
Der Abbau von 860 VK bis 2015 und das Neubauprojekt am Klinikum Bremen-Mitte
waren zentrale Bausteine.
Hintergrund ist die zunehmende Schere zwischen der Kostenentwicklung
(Personalkosten, Sachkosten) und der Erlösentwicklung.
Denn entsprechend der hohen Personalkostenquote ist der Landesbasisfallwert
(Grundlohnsummenrate) 2011 der dritthöchste aller Bundesländer, was unsere
Kassen auf das Heftigste kritisieren. Sie wissen, der Landesbasisfallwert ist der
Basispreis, der zusammen mit den bundesweit vom InEK (Institut für das
Entgeltsystem im Krankenhaus) pro Jahr kalkulierten Fallpauschalen die realen
Kosten der Krankenkassen für die Krankenhausbehandlungen in einem
Bundesland bestimmt.
24
Rückwirkend ist festzustellen, dass sich Bremen trotz langfristiger Ankündigung
der Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf das DRG-System (German-
Diagnosis Related Groups-System) nicht rechtzeitig und damit über einen längeren
Zeitraum auf einen Sanierungskurs eingestellt hat.
Der viel zu spät einsetzende Sanierungskurs, der 2008 begann, brauchte dann den
schnellen Erfolg und deshalb wurden Stellen dort abgebaut, wo die Fluktuation am
höchsten war, beim Pflegepersonal und bei den Ärzten, nicht aber in der
Verwaltung des Klinikverbundes. Der Abbau im patientenfernen Bereich fiel
deutlich schwerer, hinzu kam, dass die Zentralisierung des Personals nicht
nachhaltig durch IT-Technik unterstützt war und so radikal vollzogen wurde, dass
auf der Ebene der Krankenhausleitungen ausgerechnet das Personal fehlte, das für
eine zügige Abrechnung zu sorgen hatte.
Nach meiner Beobachtung des Sanierungskurses im ersten halben Jahr meiner
Ressortverantwortung habe ich Anfang 2012 eine Staatsrätegruppe gebeten, eine
Zwischenbilanz zu fertigen, um den notwendigen Nachsteuerungsbedarf, den wir
mit der neuen Geschäftsführung inzwischen identifiziert hatten, dem Senat
darzulegen.
Das Ergebnis ist heute dem Senat vorgelegt und beschlossen worden.
Dieses erste Halbjahr zeigte auch, dass der schnelle Personalabbau stagniert, weil
die Überhänge abgeschöpft sind. Damit haben wir nun eine mühsamere zweite
Strecke des Sanierungskurses vor uns.
25
Das Medizinische Zukunftskonzept der GeNo mit dem Kernstück der
Zentrenbildung ist nach vielen Jahren politischer und fachlicher Diskussion als ein
zentraler Baustein der Sanierungsstrategie der GeNo von der damaligen
Geschäftsführung der GeNo (Senatsvorlage Gesamtfinanzierungskonzept vom
25.11.2008) erarbeitet und umgesetzt worden. In diesem Rahmen wurden
standortübergreifende und standortbezogene Zentren gebildet. Zu den
standortübergreifenden Kompetenzzentren gehört auch das Eltern- und Kind
Zentrum, inklusive der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Geburtshilfe, in
dem Kinder und Jugendliche an allen vier Standorten behandelt werden. Am
Standort Bremen-Mitte wurde nach heftigen Diskussionen in der Planungsphase
das Perinatalzentrum Level I aufgebaut und im Jahr 2010 umgesetzt.
Auch das Eltern-Kind-Zentrum (ELKI) muss nun mit Blick auf die Zukunft neu
aufgestellt werden. Es war angelegt als 3-Standort-Zentrum, wobei die Level-I-
Versorgung für Frühgeborene unter 1250 g ab 1. November 2011 am Klinikum
Bremen-Mitte konzentriert werden sollte, und zwar kombiniert mit einer
hochspezialisierten Kinderchirurgie. Das Klinikum Links der Weser sollte die Level-
2-Versorgung übernehmen, kombiniert mit der Kinderherzchirurgie und das
Klinikum Bremen-Nord sollte sich auf die normale Geburtshilfe ohne
Spezialversorgung konzentrieren. Fachlich war dieses Konzept durch die G-BA-
Richtlinie (Gemeinsamer Bundesausschuss) gestützt, es wurde aber an den
Standorten der zweiten Linie nicht akzeptiert. Die Umsetzung führte deshalb zu
Blockaden.
26
Sie wissen, wir haben uns die vollständige Schließung der Neonatologischen
Station nur leisten können, weil wir die beiden Standorte Klinikum Links der Weser
und Klinikum Bremen-Nord relativ zügig reaktivieren konnten. Die Sicherung des
Versorgungsauftrages für Risikoschwangere musste so schnell wie möglich
sichergestellt werden. Damit es nicht zu schwierigen Verlegungsentscheidungen
kommt, wobei um uns herum mit Lüneburg, Oldenburg und Rotenburg immerhin
drei Level-I-Standorte zur Verfügung stehen. 51 % der Risikoschwangeren
kommen aus dem Umland nach Bremen. Diese Frauen wollen wir nicht an andere
Kliniken verweisen müssen, sondern ihnen ein hochwertiges Angebot machen.
Im Zentrum dieser Überlegungen musste demnach stehen, wie die Versorgung –
auch in einem Krisenfall, wie wir ihn jetzt haben – aufrecht erhalten werden kann.
Durch bauliche Maßnahmen können die Voraussetzungen dafür geschaffen
werden, die erheblichen Vorteile einer Zentralisierung weiterhin zu nutzen, um den
kleinsten Patienten die bestmöglichen Überlebenschancen zu bieten.
Andererseits gilt es jetzt wieder Vertrauen bei den Patienten zu schaffen. Vor
diesem Hintergrund hat die GeNo sich entschlossen den Bau des Eltern-Kind-
Zentrums am KBM nicht grundsätzlich in Frage zu stellen, wohl aber die Planungen
aus hygienischer Sicht nochmals zu prüfen und optimieren zu lassen. Mit einer
Fertigstellung des Eltern-Kind-Zentrums wird im Jahr 2015 gerechnet. Aufgrund der
zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch unklaren Situation in Bezug auf die
Keimquelle wurde das Übergangskonzept mit einer Versorgung der Level I
Frühgeborenen am Klinikum Links der Weser und der Versorgung der Level II
Frühgeborenen am Klinikum Bremen Nord entwickelt.
27
In Frage gestellt wurde aber aufgrund der seit Juli 2011 gewonnenen Erkenntnisse
die für das Zentren-Konzept gewählte Führungsstruktur (vgl. Senatsvorlage
8/2009), welche die Dezentralisierung und Verlagerung von Managementaufgaben
auf die Zentrumsebene durch eigenständige Leitungen vorsieht. Diese
Organisationsstruktur macht nur Sinn, wenn man für die Kliniken eine
Einheitsgesellschaft entwickeln will. In der politisch jedoch gewollten
Holdingstruktur mit vier eigenständigen Kliniken ist eine Führungsstruktur mit
zusätzlich eigenständigen Zentrumsleitungen nicht sinnvoll.
28
V. Mögliche Ursachen für die Klebsiellen-Infektion
Die Bürgerschaft hat die „Erforschung der möglichen Ursachen für die Klebsiellen-
Infektion“ an die erste Stelle des Untersuchungsauftrages gesetzt. Auch mein
Interesse ist es, die Ursache, soll heißen die Keimquelle, zu finden. Ich will Ihnen
einen Überblick geben, was wir dazu bereits getan haben und was der Stand der
Erkenntnis ist.
Sie kennen alle die „Empfehlung zur Prävention nosokomialer Infektionen bei
neonatologischen Intensivpflegepatienten mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g“
der KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim
Robert Koch-Institut). Wenn Sie diese Empfehlung von 2007 gelesen haben, dann
wissen Sie, unser Keimvorfall und Ausbruchsgeschehen ist kein Einzelereignis. In
einer ergänzenden Empfehlung von 2011 führt die KRINKO dazu aus:
„Patienten in neonatologischen Intensivpflegestationen sind nach wenigen Tagen
Aufenthalt mit einer stationsspezifischen endemischen Flora besiedelt. Ein
Hauptreservoir dieser Keime ist die Besiedlung der Langzeitpatienten, die
Übertragung erfolgt überwiegend über die Hände des Personals. Die Vorbehandlung
mit bestimmten Antibiotika erhöht auch außerhalb klinischer Ausbruchssituationen
die Wahrscheinlichkeit einer Besiedlung mit resistenten endemischen Erregern.“
In dieser KRINKO-Empfehlung werden dazu einige Zahlen genannt: 1,2 % aller
Neugeborenen haben ein Geburtsgewicht unter 1500 g und 61 % aller nosokomialen
Infektionen in Neonatologischen Stationen sind in dieser Gruppe zu finden.
29
Jede invasive Intervention (Katheder, Magensonde, Beatmung mit Tubus etc.) ist mit
einem zusätzlichen Infektionsrisiko verbunden, vor allem durch Handkontakt.
Pro Schicht sind das für ein Frühgeborenes im Mittel 80 Kontakte.
Extrem unreife Frühgeborene sind mindestens 100 Tage in stationärer Behandlung.
Dabei hat sich die intensivmedizinische Behandlung inzwischen von der
Lebenserhaltung durch invasive Technik zu einer möglichst vollständigen
Vermeidung von langfristigen Behinderungen verschoben. Dennoch wissen wir, dass
trotz dieser medizinischen Fortschritte mäßige bis schwere neuromotorische
Behinderungen mit kognitiven Defiziten für das Alltagsleben zurückbleiben können.
Mir schilderte ein Neonatologe in Bremen-Nord, dass man heute zum Beispiel
weniger schnell beatmet, also sofort invasiv eingreift, sondern sich die Zeit lässt, zu
beobachten, ob das Frühgeborene nicht doch selbst anfängt zu atmen.
In der ursprünglichen KRINKO-Empfehlung von 2007 werden auch Aussagen zur
personellen Besetzung bzw. zu Konsequenzen personeller Unterbesetzung und der
Qualifikation des Personals gemacht und auf die Empfehlung der Gesellschaft für
Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin hingewiesen. In der es zu den
Strukturmerkmalen der Neonatologie in einem Perinatalzentrum u.a heißt.:
„Die ärztliche und pflegerische Versorgung muss durch einen 24-Stunden-
Schichtdienst mit permanenter Arztpräsenz im Intensivbereich sichergestellt sein. Im
Intensivtherapiebereich soll ein Pflegeschlüssel von 3:1 (Pflegekräfte pro Bett), im
Überwachungsbereich von 2:1 vorgehalten, wobei ein möglichst hoher Anteil an
Pflegekräften mit abgeschlossener Zusatzweiterbildung in pädiatrischer
Intensivpflege anzustreben ist.“
30
Für ein Ausbruchsmanagement werden von der KRINKO folgende Maßnahmen
empfohlen:
eine intensive mikrobiologische Abklärung
eine sofortige Isolierung und
eine Kohortierung aller Krankheits- und Verdachtsfälle gefordert werden.
Wir können also feststellen, dass die Schließung der Station von der KRINKO als
Handlungsoption gar nicht genannt wird, weil dieses Mittel anderen Krankenhäusern
gar nicht zur Verfügung steht.
Wenn Sie mit Blick auf die Ursachensuche schließlich unseren Bremer Fall in das
Gesamtgeschehen der nosokomialen Infektionen einordnen, dann kann nach
Untersuchungen von Frau Prof. Gastmeier in nur in der Hälfte aller ausgewerteten
nosokomialen Infektionsausbrüche in Neonatologischen Intensiv-Pflegestationen
eine wahrscheinliche Infektionsquelle identifiziert werden.
„In 51,4 % aller von Gastmeier et al. ausgewerteten nosokomialen
Infektionsausbrüche auf neonatologischen Intensivpflegestationen wurde eine
wahrscheinliche Infektionsquelle identifiziert.“ (Zitat Epid. Bulletin)
Nach allem, was wir bisher wissen, gehören wir wahrscheinlich zu den 48,6 % von
Ausbrüchen, bei denen die Quelle nicht bzw. nicht eindeutig gefunden werden kann.
31
VI. Was liegt bisher an Erkenntnissen vor?
1. Zwischenbericht des Robert Koch-Instituts
Der am 1. Dezember 2011 vom Präsidenten des Robert-Koch-Instituts Herrn
Prof. Dr. Burger übermittelte Zwischenbericht kommt zu dem Ergebnis, dass die
Herkunft des Ausbruchsstammes nicht ermittelt werden kann, ebenso wenig ein
eindeutiger Übertragungsweg. Am ehesten wird eine Person-zu-Person-
Übertragung in Erwägung gezogen. Eine Punktquelle wird als unwahrscheinlich
bezeichnet. Es werden Empfehlungen ausgesprochen, die zwischenzeitlich
umgesetzt wurden – u. a. zur Intensivierung der Surveillance, zu
Schulungsmaßnahmen im Sinne einer Optimierung der Händehygiene sowie die
Etablierung eines Frühwarnsystems.
2. Bericht des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH)
Der am 12. Dezember übermittelten Bericht „Zusammenfassender Bericht:
Visitation Klinikum-Bremen-Mitte“ des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene
basiert auf Begehungen am 23. und 24. November 2011 durch die Herren PD Dr.
Schulz-Stübner und Dr. Weißgerber.
Das Expertenteam des Freiburger Instituts hat eine Analyse der Hygieneprozesse
vorgenommen. Der zuvor vom RKI abgegebene Zwischenbericht wurde dabei
ebenfalls berücksichtigt. Der Bericht enthält Anmerkungen und Empfehlungen zu
übergeordneten Themenbereichen wie z.B. Infektionserfassung,
Antibiotikaverbrauch, Personalstrukturen in der Hygiene, Reinigung und
Reinigungspersonal, Lagerhaltung/Logistik, Medizinprodukten, Umgang mit
Medikamenten, Screeninguntersuchungen und Personalscreening. Der Bericht
kommt u.a. zu dem Schluss, dass im Hinblick auf das in letzter Zeit in die Kritik
32
geratene Reinigungspersonal im Bereich der neonatologischen Intensivstation die
Personalkontinuität gewährleistet ist. Darüber hinaus wird die vor Ort beobachtete
Reinigungsleistung sowie das eingesetzte Equipment als hygienisch einwandfrei
bezeichnet. Ausgesprochene Empfehlungen bzw. Maßnahmen zu
krankenhaushygienisch relevanten Aspekten, die sich aus der Vorortbegehung
ergeben haben, wurden laut Klinikum-Mitte zwischenzeitlich umgesetzt.
3. Leidel-Bericht zur Arbeit der Gesundheitsbehörde
Zur Überprüfung der krankenhaushygienischen Aufsicht wurde durch uns ein
externer Spezialist beauftragt. Der Arzt für Mikrobiologie und
Infektionsepidemiologie und ehemalige Leiter des Kölner Gesundheitsamtes,
Herr Dr. Jan Leidel, hat nach Gesprächen mit beiden Gesundheitsämtern und
der Auswertung relevanter Akten seinen „Bericht über die Prüfung der
krankenhaushygienischen Aufsicht durch die bremischen Gesundheitsämter
vom 21. März 2012“ vorgelegt und in der Sitzung der staatlichen Deputation für
Gesundheit am 8.5.2012 erläutert. Der Bericht kommt insgesamt zu dem
Schluss, dass beide Gesundheitsämter die infektionshygienische Überwachung
ordnungsgemäß wahrnehmen, aber er gibt auch einige Hinweise auf
Verbesserungspotentiale: An mehreren Stellen wird auf die knappen bzw. zu
knapp bemessenen Personalressourcen in den Gesundheitsämtern
hingewiesen. Diese Personalausstattung ist bereits überprüft und
entsprechende Personalbedarfe sind ermittelt worden. Sie können wegen der
durch die Haushaltsbeschlüsse auferlegten PEP-Quoten nur durch
Umschichtung im Gesundheitsamt unter Wegfall anderer Aufgaben erbracht
werden.
33
4. Bericht Prof. Exner
Der mir von der GeNo übermittelten Bericht von Herrn Prof. Dr. Exner zur
Untersuchung des Desinfektionsmittel-Dosiergerätes DG 3 aus dem
Waschmaschinenraum der Station 4027 des Klinikum Bremen-Mitte gGmbH
zeigt eine potentielle Keimquelle in einem Desinfektionsdosiergerät auf. Der im
Schlauchsystem in einem ‚Biofilm’ erbrachte Nachweis einer DNA von Klebsiella
pneumoniae wird von ihm als ein erster möglicher Hinweis auf die Ursache des
Geschehens interpretiert. Der Nachweis, ob es sich tatsächlich um den
identischen Ausbruchskeim handelt, konnte allerdings durch Kulturen oder eine
DNA-Anreicherung nicht erbracht werden. Es handelt sich um eine bedeutende
Spur, aber nicht um die sichere Beantwortung der Ausgangsfrage.
Ein Bericht der an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegangen
ist, liegt mir seit gestern vor.
5. „Reinigungsgutachten“ - Gutachten Ludwig Weber
Das „Gutachten zur Auditierung des Reinigungsdienstes“ der Gesundheit Nord
Dienstleistungen GmbH im Klinikum Bremen Mitte Frauenklinik wurde zur
Evaluation des Hygienekonzeptes am 13.02.2012 durch Herrn Ludwig Weber
vom Deutschen Beratungszentrum für Hygiene erstellt. Bei der Auditierung
handelt es sich um eine aus Beobachtungen und Begleitungen hergeleitete
Arbeitsgrundlage für die Schulung von Reinigungskräften. Sie zeigt exemplarisch
einen an Einzelheiten orientierten Verbesserungsbedarf auf. Aus der Auditierung
selbst ist nicht ersichtlich, in welchen Räumlichkeiten die Beobachtungen
stattfanden. Die Gesundheit Nord hatte das Freiburger Beratungszentrum im
Rahmen der Aufarbeitung des Keimausbruchs in der Neonatologie beauftragt,
34
Schulungen der Reinigungskräfte, des Pflegepersonals sowie des ärztlichen
Personals durchzuführen. Als Vorbereitung auf diese Schulungen war ein
Mitarbeiter des Freiburger Institutes nach Bremen gekommen, um sich bei einer
Begehung vor Ort ein Bild davon zu machen, wie die Reinigungskräfte arbeiten.
Dieser Mitarbeiter fasste das Ergebnis seiner Aktenanalyse und seiner
Gespräche mit Reinigungskräften auf dem Flur in dem o.g. Bericht zusammen.
Der Bericht war im Februar an die Geschäftsführung der GeNo-Tochterfirma
Gesundheit Nord Dienstleistungen gegangen, die mit der Reinigung der
Krankenhäuser beauftragt ist. Als Reaktion auf diese Kritik hatten bereits ab März
Schulungen und Unterweisungen der Reinigungskräfte im Klinikum Bremen-Mitte
stattgefunden. Dabei war unter anderem der Umgang mit infektiösen Räumen
geschult worden. Die in dem Bericht beschriebenen Reinigungsverfahren galten
bisher im gesamten Klinikum Bremen-Mitte.
Ob eine Keimverschleppung durch die Handschuhe tatsächlich eingetreten ist,
muss stark bezweifelt werden. So haben die fast 1.000 Proben, die im
Zusammenhang mit dem Keimausbruch in den Räumen des Klinikums Bremen-
Mitte genommen wurden – sowohl durch das Klinikum selbst als auch durch das
Gesundheitsamt – keinerlei Befunde von ESBL-Klebsiellen auf Türklinken,
Tastern und in den Sanitärräumen ergeben.
6. Bericht des Desinfektors der Firma Muriex
Der Bericht des Desinfektors Konrad Sextro weist eine Reihe von
Eigenartigkeiten und Ungereimtheiten auf. Andererseits ist jedoch davon
auszugehen, dass die Mängel im Hygienemanagement des Klinikums Bremen-
Mitte erneut deutlich werden. Als noch beunruhigender empfinde ich aber die
Tatsache, dass der freigestellte Geschäftsführer der Geno-Nord einer
35
auswärtigen Desinfektionsfirma einen Beratungsauftrag erteilt hat, dieser aber
nicht hinreichend spezifiziert und schon gar nicht in die Verantwortungsstrukturen
des Klinikums Bremen-Mitte eingebunden wurde. Es kann nicht sein, dass ein
Berater über Monate hinweg in dieser Klinik tätig ist und seine Arbeit von der
Geschäftsführung des Klinikums nicht wahrgenommen und entsprechend genutzt
wird. Herr Sextro wurde offenbar erst um einen Bericht gebeten, als im Zuge der
Abrechnung die Frage aufgeworfen wurde, für welche Leistungen denn eine
Rechnung vorgelegt worden war. Hier wird die Geno-Nord noch
Schussfolgerungen zu ziehen haben.
7. Screenings, Umgebungsproben, Begehungen und Fortbildungen
a). Screenings: Im Rahmen des Personal- und Besucherscreenings für den
Februarzeitraum wurden 323 Kontaktpersonen (u.a. Ärzte, Pflegepersonal,
Reinigungskräfte, Eltern, technisches Personal, Fremdfirmen, freie
Mitarbeiter/innen, ein Bobathkurs, Mitglieder des PUA) untersucht. In
Zusammenhang mit dem Wiederauftreten des Ausbruchskeims im Mai wurden 73
Kontaktpersonen untersucht. In keinem Fall konnte ein ESBL-Klebsiella
pneumoniae-Stamm nachgewiesen werden.
b) Umgebungsproben: Im März 2012 wurden insgesamt 313 Abstrichproben
genommen, davon auf der Neonatologischen Station (4027) 285 sowie auf der
Geburtshilflichen Station (Reanimationsraum und Not-Sectioraum) 28. An einer
einzigen Stelle, in einer geöffneten Handschuhbox im Patientenzimmer 440
konnte der Ausbruchskeim nachgewiesen werden. Die Beprobung in einer vorher
verschlossenen Box aus der gleichen Produktions-Charge ergab übrigens einen
negativen Befund.
36
c) Begehungen: 2011 und 2012 wurde die Station 4027 insgesamt achtmal
begangen, davon viermal zwischen November 2011 und Januar 2012
(Umbauphase). Zusätzlich gab es vier Gesprächstermine auf der Station. Die
Station 4028 wurde in beiden Jahren insgesamt zweimal und die Station 3911
dreimal begangen.
Als Fazit ergibt sich:
1. Die Experten stehen vor einem Rätsel, was das neuerliche Auftreten von
Keim –SHV-63 angeht.
2. Es gab unzweifelhaft Mängel im Hygienemanagement. Es bleibt zum
gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings offen, welche Auswirkungen sie gehabt
haben. Zudem gibt es widersprüchliche Befunde. Auf der einen Seite wird
von Fachleuten heftige Kritik geübt. Auf der anderen Seite kommt der
ursprüngliche Bericht des Freiburger Beratungszentrums für Hygiene zum
Schluss, dass im Bereich der neonatologischen Intensivstation die vor Ort
beobachtete Reinigungsleistung sowie das eingesetzte Equipment auf den
Putzwagen hygienisch einwandfrei waren. Auch die umfangreichen unter
behördlicher Überwachung durchgeführten Umgebungsuntersuchungen
nach Schließung der neonatologischen und geburtshilflichen Station
stehen im Widerspruch zu der Hypothese, mangelnde Hygiene sei die
Ursache des erneuten Keimausbruches gewesen.
Übrigens hätte ich mir gewünscht, dass bei Vorstellung eines kritischen
Gutachtens, das sie als E-Mail-Anhang im Rechner von Herrn Hansen
37
gefunden haben, die anderen, Ihnen bereits vorliegenden Ergebnisse dazu
in Relation gesetzt werden. Wenn Widersprüche erkennbar sind, dürfen sie
nicht vom Tisch gewischt werden.
3. Eine Fülle weitere Ursachenhypothesen sind inzwischen von den Experten
durchgeprüft worden. Zum Teil wurden sie als nicht haltbar verworfen, zum
anderen Teil in wesentlichen Teilen entkräftet. Als Beispiel nenne ich die
Untersuchung des Keims auf Resistenz gegen Desinfektionsmittel. Das
Medizinaluntersuchungsamt und Institut für Hygiene des
Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel teilt mit Prüfbericht und
gutachterlicher Stellungnahme vom 30.03.2012 durch Frau Dr.
Christiansen mit, dass kein Anhalt für eine erhöhte Widerstandsfähigkeit
der untersuchten Klebsiellen-Stämme gegenüber dem eingesetzten
Desinfektionsmittel besteht. Damit hat das Kieler Institut auch diese
Hypothese widerlegt. Jedoch haben wir die ergänzende Erkenntnis, dass
Keime in Biofilmen unter bestimmten Bedingungen eine wesentlich höhere
Resistenz gegen Desinfektionsmittel besitzen als bisher angenommen.
Ein weiteres Beispiel verweise ich darauf, dass Prof. Exner zunächst als
mögliche Ursache das Wasser- und Abwassersystem im Visier hatte. Auch
diese Hypothese konnte nicht bekräftigt werden.
Ich denke, die weitere Aufklärungsarbeit gehört in den Klinikverbund. Deshalb habe
ich die Geschäftsführerin der Gesundheit Nord, Frau Dernedde, bei Aufnahme ihrer
Tätigkeit im März gebeten, Herrn Prof. Exner zur Entlastung der Aufklärungsarbeit
durch die Krankenhaus-Leitung einen Auftrag zu erteilen.
38
Die Verantwortung für das Ausbruchsgeschehen liegt auf der Grundlage des
Infektionsschutzgesetzes aber auch in Zukunft bei der Krankenhausleitung. Wir
werden die Krankenhausleitung im Klinikum Bremen-Mitte personell verstärken.
Gemeinsam mit dem ab 1. Juni eingestellten Krankenhaushygieniker und Facharzt
für Hygiene und Umweltmedizin, Herrn Martin Eikenberg, hat sie die künftige
Verpflichtung, die aufgedeckten Mängel im Hygienemanagement sowie in den
Arbeitsprozessen zu beseitigen. Darüber hinaus muss die GENO den gesamten
Reinigungsdienst überprüfen und neu organisieren.
39
VIII. Konsequenzen und Weiterentwicklung der Krankenhaushygiene im Land
Bremen sowie der Meldevorschriften
Die Weiterentwicklung der Krankenhaushygiene wird insbesondere durch das
Landesaktionsprogramm ‚Krankenhaushygiene’ und die darin enthaltene
Landeshygieneverordnung vorangebracht werden.
Das Landesaktionsprogramm ‚ Krankenhaushygiene’ wurde unmittelbar nach
Bekanntwerden der Hygienevorfälle im KBM auf der Sitzung der staatlichen
Deputation für Gesundheit am 6.12.2011 vorgestellt. Es umfasst die folgenden
Punkte und Handlungsfelder, die entweder bereits umgesetzt sind oder an deren
Umsetzung zur Zeit gearbeitet wird.
1. Erweiterung des MRSA-Netzwerkes
Bei der weltweit stetigen Zunahme von Resistenzen gegen Antibiotika war bisher
besonders der Kampf gegen MRSA-Erreger im Fokus, für die es nur noch wenige
Möglichkeiten der Antibiotikatherapie gibt. Deshalb hat Bremen schon 2008 als eines
der ersten Länder mit dem Aufbau eines MRSA-Netzwerks begonnen, das helfen
soll, durch die Vernetzung mit dem ambulanten Sektor und den Einweisern, auch aus
Niedersachsen, Träger von Antibiotika-resistenten Keimen möglichst frühzeitig
aufzuspüren und Infektionsketten so bereits vor einer Klinikaufnahme vorzubeugen
bzw. zu unterbinden. Dieses Netzwerk wird nun räumlich erweitert. Darüber hinaus
wird das MRSA-Netzwerk – begleitet durch eine spezielle Arbeitsgruppe des Runden
Tischs MRSA, die sich erstmals im Mai getroffen hat – auf die Erfassung anderer
Erreger ausgeweitet. Insbesondere das Fortschreiten der gramnegativen Erreger
steht jetzt im Mittelpunkt, da wir gegen sie nur noch wenige Reserveantibiotika
haben. Die in Leipzig aufgetauchten Klebsiellen sind vollständig gegen alle 4
40
vorhandenen Antibiotikagruppen resistent, während der Bremer Erreger (SHV –63)
gegen die Carbapenemgruppe nicht resistent ist.
2. Beteiligung der Krankenkassen an den Behandlungskosten für
nosokomiale Infektionen im ambulanten Bereich
Nosokomiale Infektionen sind eine Herausforderung für den gesamten
Gesundheitsbereich. Leider sind in der Vergangenheit die hierbei anfallenden
Kosten in der ambulanten Versorgung (im Gegensatz zur stationären Versorgung)
nicht im erforderlichen Umfang durch die Krankenversicherungen abgedeckt
worden. Eine Änderung hat sich zwar auf Bundesebene durch die zum 1. April 2012
eingeführte Vergütungsvereinbarung für die ärztliche Leistungsabbildung bei der
Diagnostik und ambulanten Behandlung von MRSA-besiedelten und MRSA-
infizierten Patientinnen bzw. Patienten sowie Risikopatientinnen bzw.
Risikopatienten ergeben. Doch auch hier bleiben noch Lücken, da die
Kostenübernahme nur unter eingeschränkten Bedingungen geschieht. Insofern ist
es erfreulich, dass zwischen der AOK Bremen / Bremerhaven und dem Rote Kreuz
Krankenhaus Bremen ein einjähriges Pilotprojekt unter der Regie des MRSA-
Netzwerkkoordinators auf den Weg gebracht ist für die Kostenübernahme zur
Sanierung von bestimmten MRSA-Patientinnen bzw. -Patienten. Sobald dieses
Pilotprojekt erste Erfolge zeigt, sollen weitere Krankenkassen und Krankenhäuser
diesem Beispiel folgen.
3. Überprüfung der Meldewege
Es liegen mittlerweile ausführliche Berichte über die Mitteilungs- und Meldewege
vor. So sind die Mitteilungs- und Meldewege im Infektionsschutzgesetz, welches im
41
August 2011 in Kraft trat, dezidiert geregelt. Ebenso gehen der Bericht von
Staatsrat Prof. Stauch zum Ausbruch von ESBL bildenden Klebsiella Pneumoniae
und der Zwischenbericht des Robert-Koch-Instituts auf die Meldepflicht und deren
Einhaltung ausführlich ein. Die Empfehlungen dieser Berichte sowie die
Erkenntnisse aus dem Bremer Parlamentarischen Untersuchungsausschuss
„Krankenhauskeime“ werden in Bezug auf offene Fragen im Kontext der
Mitteilungs- und Meldewege ausgewertet. Die Neuregelung der Meldewege sowie
der Funktion des Landeskompetenzzentrums ist am 03.07. 2012 von der staatlichen
Deputation für Gesundheit beschlossen worden.
4. Verpflichtendes Hygieneaudit für alle Krankenhäuser
Zu einer krankenhaushygienischen Aufsicht gehört auch ein systematisches
Hygieneaudit. Es ist ein wichtiges Instrument des Qualitätsmanagements durch die
Gesundheitsämter und soll für sämtliche Krankenhäuser im Land Bremen
vorgenommen werden. Dem kostenpflichtigen Audit sollen sich die Krankenhäuser
alle zwei Jahre unterziehen; hinzu kommen zwischenzeitliche Nachkontrollen bei
Bedarf. Die Ergebnisse der Audits sollen in geeigneter Form veröffentlich werden.
5. Novelle der Krankenhaushygieneverordnung
Als Rechtsgrundlage für das Audit dient u.a. die ‚Verordnung über die Hygiene und
Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen’ vom 27.03.2012. Diese
HygieneVO ist in der Sitzung der staatlichen Deputation für Gesundheit am
13.3.2012 beraten worden und trat am 5.4.2012 in Kraft. Neben der dort
festgelegten infektionshygienischen Überwachung (Hygieneaudit) umfasst die
Novellierung der HygieneVO noch eine Reihe weiterer wichtiger Aspekte:
42
Träger medizinischer Einrichtungen sind verpflichtet, die für die
Einhaltung der Hygiene notwendigen baulichen, betrieblichen und
organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen
Die ärztlichen Leitungen müssen sicherstellen, dass Patientinnen und
Patienten, von denen ein Risiko für nosokomiale Infektionen ausgeht,
frühzeitig erkannt und Schutzmaßnahmen eingeleitet werden
Die Krankenhausleitungen müssen die Erfassung und Bewertung der in
ihren Häusern auftretenden nosokomialen Infektionen i.S. des § 23 (4)
des Infektionsschutzgesetzes sicherstellen, insbesondere Resistenzen
und Multiresistenzen
Daten zu nosokomialen Infektionen müssen unter Anleitung der
zuständigen Krankenhaushygienikerin oder des zuständigen
Krankenhaushygienikers so aufbereitet werden, dass Infektionsgefahren
deutlich werden, Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden können und
das Hygienemanagement angepasst werden kann
Erkenntnisse zu Antibiotikaresistenzen und zu Art und Umfang des
Antibiotikaverbrauchs müssen erfasst und bewertet und in Konsequenzen
für das Verordnungsmanagement einbezogen werden
Alle gewonnenen Daten müssen für die krankenhaushygienische
Überwachung durch das zuständige Gesundheitsamt vorgehalten und in
einem jährlichen Bericht an das zuständige Gesundheitsamt und von dort
an die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit weitergeleitet
werden
43
Alle medizinischen Einrichtungen müssen eine Hygienekommission
einrichten, die für das Hygienemanagement verantwortlich ist
Die Mitglieder der Hygienekommission verfügen über eine in ihrer
Professionalität definierte Qualifikation; die jeweiligen Aufgaben und
Zuständigkeiten werden in der Verordnung geregelt
Medizinische Einrichtungen mit mehr als 400 Betten müssen über einen
Krankenhaushygieniker mit einer Vollzeitstelle verfügen.
Krankenhaushygieniker müssen Fachärztinnen oder Fachärzte für
Hygiene und Umweltmedizin oder für Mikrobiologie, Virologie und
Infektionsepidemiologie sein bzw. approbierte Humanmedizinerin oder
approbierter Humanmediziner mit einer abgeschlossenen
Facharztweiterbildung und einer von einer Landesärztekammer
anerkannten Zusatzqualifikation auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene
Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen ist
ein Fortbildungsplan auf dem Gebiet der Krankenhaus- und
Infektionshygiene
Bei Verlegung, Überweisung oder Entlassung von Patientinnen und
Patienten müssen Informationen, die zur Verhütung und Bekämpfung von
nosokomialen Infektionen und von Krankheitserregern mit Resistenzen
erforderlich sind, an die aufnehmende Einrichtung oder an die
weiterbehandelnden niedergelassenen Ärzte weitergegeben werden.
44
IX. Frieden machen – Ein Appell
Am 23.Mai 2012 hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven die fristlose Kündigung
von Herrn Dr. Huppertz für unwirksam erklärt. Herr Dr. Huppertz war zum Zeitpunkt
des Keimausbruchs Chefarzt der Kinderklinik und zugleich seit dem 14.02.2007
Chefarzt der Neonatologie und weiterhin als stellvertretender ärztlicher
Geschäftsführer in der Geschäftsführung des Klinikums Bremen-Mitte verantwortlich
für die Hygiene des gesamten Klinikums.
In seiner Entscheidung formuliert das Arbeitsgericht, es habe keinen so
schwerwiegenden Verursachungsbeitrag des Klägers in Zusammenhang mit dem
Keimausbruch auf der Frühgeborenenstation feststellen können, dass eine
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Chefarzt der Kinderklinik dem Arbeitgeber
nicht zuzumuten wäre.
Dabei hebt das Gericht in der Argumentation vor allem darauf ab, dass die
Arbeitgeberin Herrn Dr. Huppertz zunächst hätte abmahnen müssen oder zumindest
als gebotenes milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung auch von der
Leitung der Neonatologie hätte entbinden können bzw. in der Funktion des Leiters
der Kinderklinik hätte belassen können. Das KBM hatte jedoch aufgrund der durch
Dr. Hansen veranlassten Gesellschafteranweisung den Arbeitsvertrag insgesamt
fristlos gekündigt. Diese Vorgehensweise hat das Arbeitsgericht im Rahmen der
Interessenabwägung als unverhältnismäßig betrachtet.
45
Ich werde diese Entscheidung des Arbeitsgerichtes nicht weiter kommentieren.
Danach habe ich der Geschäftsführung geraten, dies nicht in weiteren Instanzen
überprüfen zu lassen.
Ich führe für diese Position keine rechtlichen Gründe ins Feld, sondern wiederum
Aspekte personaler Verantwortung. Wir haben seit dem Keimausbruch eine
schwerwiegende Krise am Klinikum Bremen-Mitte und ich hätte es mir gewünscht,
dass der verantwortliche Chefarzt und stellvertretende ärztliche Geschäftsführer, der
für Hygiene in der Krankenhaus-Leitung zuständig war, in dieser Situation nicht ins
Abseits gestellt wird. Es wäre richtig gewesen, wenn er sich täglich den Fragen nach
Abläufen, möglichen Fehlern und Handlungsoptionen hätte öffentlich stellen müssen.
Herr Dr. Huppertz war „das Gesicht“ der Pädiatrie und Neonatologie in Bremen.
Seine Aufgabe wäre es gewesen, der Öffentlichkeit gerade die so ganz besondere
und sehr beunruhigende medizinische Welt von Frühgeborenen-Stationen mit allen
ihren Unwägbarkeiten zu erklären. Herr Dr. Huppertz wäre in der Pflicht gewesen, als
zuständiger Chefarzt und für die Hygiene verantwortlicher Arzt für das gesamte
Klinikum die Situation, die Ursachen, die Zusammenhänge und die Folgen des
Keimvorfalls der Öffentlichkeit zu erläutern.
Dass ihm diese Aufgabe nicht auferlegt worden ist, sondern dass die Holding als
Gesellschafterin mit seiner Entlassung reagiert hat, ist im Krisenmanagement der
Kardinalfehler gleich am Anfang gewesen.
Dabei ist auch klar, Herr Dr. Huppertz trägt nach Infektionsschutzgesetz eindeutig
Mitverantwortung für das Hygienemanagement.
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Ich weise deshalb auf den Widerspruch hin, dass in der weiteren Öffentlichkeit, das
Hygienemanagement des Klinikums Bremen-Mitte heftig kritisiert wird, dass jedoch
dem für die Hygiene verantwortlichen Arzt in der Geschäftsführung des Klinikums
Bremen-Mitte, nämlich Herr Dr. Huppertz, unentwegt Lob und Anerkennung gezollt
wird.
Man kann hier jedoch nicht mit zweierlei Maß messen.
Wer mit der Weiterbeschäftigung von Herrn Dr. Huppertz seinen Frieden machen
kann, der akzeptiert, dass sein Verursachungsbeitrag am Keimausbruch so gering
ist, dass dieser einer Weiterbeschäftigung nicht im Wege steht, obwohl er die
neonatologische Station geleitet hat und für die Krankenhaushygiene insgesamt die
ärztliche Verantwortung trug.
Wer mit der Weiterbeschäftigung von Herrn Dr. Huppertz seinen Frieden macht, kann
bei anderen Personen, die in der Neonatologie beschäftigt waren, ob Oberärzte,
Ärzte, Pflegekräfte oder Reinigungspersonal nicht mit zweierlei Maß messen. Denn
die rechtliche wie auch die moralische Bewertung der handelnden Personen kann
sich nicht danach richten, ob jemand beliebt ist oder nicht, ob er viele oder keine
Verdienste an anderer Stelle hat.
Es ist ihnen hinreichend dargelegt worden, dass jedes Krankenhaus mit diesen
resistenten Keimen kämpft. Sonst hätten wir nicht mehr als 15.000 Tote pro Jahr zu
beklagen. Aber nicht jedes Krankenhaus kämpft wie das Klinikum Bremen-Mitte seit
8 Monaten im grellen Scheinwerferlicht und unter Generalverdacht.
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Das Klinikum Bremen-Mitte hat gegenwärtig kaum eine Chance, den Vertrauens- und
Ansehensverlust aufzuarbeiten. Ich kann Ihnen versichern, die Mitarbeiter sind
inzwischen verzweifelt, sie haben Angst um ihren Arbeitsplatz und es fließen Tränen.
Und schließlich ich will hier nicht verhehlen, dass die wirtschaftliche Situation des
Klinikums Bremen-Mitte mittlerweile bedrohlich ist.
Wir benötigen dringend konstruktive ärztliche Autoritäten, wie Herrn Prof. Exner, der
Fehler benennt, aber auch Fortschritte lobt. Wir benötigen Ärzte, die überzeugend
die schwierige und schwer ertragbare Wahrheit mit der nötigen medizinischen
Fachlichkeit erklären, dass wir Leben und Tod nicht im Griff haben, dass resistente
Keime gerade diese Frühgeborenen besonders gefährden, eben weil sie in vielen
Fällen sehr schnell und sehr massiv mit Antibiotika behandelt werden müssen.
Wer allerdings bei der Übermittlungspflicht nach § 12 (2) IfSG arbeitsrechtliche
Konsequenzen fordert, muss sich fragen lassen, warum der Chefarzt und die
Mitarbeiter im Gesundheitsamt Bremen mit zweierlei Maß gemessen werden.
Geben Sie dem ganzen Klinikum Bremen-Mitte einen Vertrauensvorschuss.
Versichern kann ich Ihnen dabei, dass die Geschäftsführungen nicht nachlassen
werden, die Keimquelle doch noch zu finden, aber vor allem ein professionelles
Hygienemanagement entwickeln werden.
.
Natürlich werde ich als Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikverbundes dafür sorgen,
dass das Thema Hygiene und Umgang mit Keimausbrüchen auf allen Ebenen auf
der Tagesordnung bleibt.