Erziehungswissenschaft: Fragen,Thesen, Erkenntnisse 2006 Prof. Dr. Klaus Feldmann.

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Erziehungswissenschaft:Fragen,Thesen,

Erkenntnisse2006

Prof. Dr. Klaus Feldmann

InhaltGrundbegriffe

Geschichte der Erziehung

Erziehung funktionalistisch

Notengebung

Kultur der Schule

Chancengleichheit

Curriculum

Wissen

Kompetenzen

Professionalisierung

Päd. Mythen

Unterricht und Lernsystem

Innovation

Wissenschaftstheorie

Begriffe sind nicht wahr oder falsch, sondern brauchbar oder unbrauchbar.

Beispiel: Kritischer Rationalismus Theorien sollen explizit, logisch widerspruchsfrei, empirisch überprüfbar und präzise sein.

TheoriebausteineBeispiele (Hypothesen)

Folgt auf ein Verhalten eine positive Verstärkung, wird die künftige Auftrittswahrscheinlichkeit dieses Verhaltens erhöht.

Unterschichtkinder „verlieren“ mehr (schulisches) Wissen in den Ferien als Mittelschichtkinder.

TheoriebausteineEin Beispiel einer anderen Fraktion

Es gilt, „in einer pädagogischen Handlungstheorie System und Subjekt nicht autopoietisch emergieren zu lassen, sondern mittels Selbstreflexivität zu gestalten“ (Raithel/ Dollinger/ Hörmann 2005, Einführung Pädagogik, 44)

Hermeneutik und Kritische Pädagogik

Ein Text sollte so verstanden werden, wie er vom Verfasser gemeint war.

Ein Text wird in der Regel so verstanden, wie er dem Leser und seiner Bezugsgruppe den meisten (subjektiven) Nutzen bringt.

Das Verstehen eines Textes wird in Machtfeldern festgelegt (framing).

Ein Text ist ein Element sozio-kultureller Systeme und Prozesse.

Praktische Hermeneutik

Einen Text interpretieren Sie am besten so, wie es der bewertende (Hochschul)Lehrer für richtig hält.

Sollten Sie einmal wirklich „frei“ sein, dann achten Sie nicht darauf, ob und wie Sie einen Text verstehen (sollten), sondern darauf, ob Ihnen das Lesen Spass oder Lust bereitet.

Sozialisation und ErziehungSozialisation

• Werte und Normen verinnerlichen

• Zentrale Rollen lernen (Geschlechts-, Alters-, Berufsrollen etc)

Erziehung

• Geplante Einstellungs- u. Verhaltens-änderung

• Eigene Erziehungs-institutionen: Schule, Hochschule

Erziehung - historisch

Vier Basiskonflikte haben die europäischen Erziehungssysteme geprägt:

Protestantismus – Katholizismus Staat – Kirche Konflikte zwischen Ständen bzw.

Klassen Kampf der Nationalstaaten

•Protestantismus förderte die Bildung: Bibel lesen

•Staatsträger wollten ausgebildete staatstreue bzw. national gesinnte Bürger und Soldaten

•Einfluss der Kirchen in staatlichen Schulen wurde zurückgedrängt

•Errichtung von schicht- bzw. gruppenspezifischen Schulen

Sozialgeschichte der Erziehung

•Kasernierung

•Altershomogene Jahrgangsklassen

•Mehrgliedrige Schulsysteme (frühe Selektion)

•Zentralistisches Curriculum

•Zertifikatsüberschätzung

•Raum-Zeit-Planwirtschaft

•Kindergarten und Vorschule sind unwichtig!

Überbleibsel der historischen Kämpfe

Alter, bis zu dem Kinder in einheitlicher Schulform unterrichtet werden:

Kleines Fenster zum derzeitigen Kampfstand in einer Teildisziplin

Alter EU Land10 Österreich, Deutschland11 Malta

12Belgien, Niederlande, Luxemburg,

Irland1314 Italien, Litauen, Ungarn, Zypern

15Estland, Frankreich, Griechenland,

Portugal, Slowakei, Slowenien, Tschechien

16Dänemark, Finnland,

Großbritannien, Lettland, Schweden, Spanien

Genauere Betrachtungen zeigen noch weitere Erfolge herrschender Gruppen in Deutschland und Österreich, z.B.

In den Niederlanden erhalten (unterprivilegierte) Kinder ab dem 4. Lebensjahr eine gleichheitsfördernde und qualitativ gute Bildung, in D* und A erst ab dem 6. Lebensjahr.

Notiz zum Kampfstand

* In D im Durchschnitt ab 6 ½ Jahren.

Diese „Traditionen“ haben (un)erwünschte Wirkungen, d.h. sie wirken bei der sozialen, psychischen und körperlichen Schädigung zehntausender Kinder, Jugendlicher und Erwachsener mit!

Reihen Sie folgende Ziele nach ethischer, gesellschaftlicher und pädagogischer Relevanz:

1. Bei der nächsten PISA-Untersuchung mehrere Rangplätze nach oben kommen.

2. Die Leitfiguren des konservativen Bürgertums befriedigen.

3. Schädigungen von zehntausenden Kindern vermeiden.

Notiz zu Werten und Zielen

Erziehung - funktionalistisch

Funktionen der Schule Selektion Qualifikation Integration/ Legitimation

Fehlformen der Selektion

• Segregation nach der 4. Klasse

• Frühzeitige Notengebung (vor der 8. Klasse)

• Sitzenbleiben

• Degradierung (vom Gymnasium nach unten)

• Überweisung zur Sonderschule*

* Die Einordnung als Fehlform gilt für die Mehrzahl der Fälle.

Notengebung

Funktionen der Noten

• Leistungsmessung (Selektion)

• Belohnung/Bestrafung (Qualifikation)

• Positionszuweisung (Integration/ Legitimation

Notengebung

Da Schulnoten unverträgliche Funktionen haben, sind systematische Fehler und Systemschädigungen vorprogrammiert.

Notengebung

Mögliche Normierung durch Bezug auf:

• Gruppe, Schulklasse

• Standard: „Expertokratie“

• Individuum (Konstrukt „Schüler“)

• Lehrerinteressen

Was wird bewertet?Kontextspezifische Leistungsfähigkeit

Noten

Mangelhaft gemessene punktuelle Leistung (Fachwissen)

Schulleistung im FachSchulische Relevanz

Gesell-schaftlicheRelevanz

• Noten schädigen die Leistungsfähigkeit der (leistungsschwachen) Schüler

• Noten erschweren die Integration von Schülern

• Noten sind ein mangelhaftes Instrument für Selektion

1.Noten dienen zur Herstellung konformer, opportunistischer, flexibel einsetzbarer und politisch angepasster Arbeitskräfte.

2.Noten dienen zur Erhaltung und Legitimation der sozialen Ungleichheit.

Warum also Notengebung?

Bürokratische Struktur

NotengebungJahrgangs-

klassen

Selektion nach 4. Klasse

Funktionen nationaler Standards

• Die Macht des Staates und der großen Parteien erhöhen.

• Die Teilhabechancen der Schüler an der Gestaltung des Bildungsprozesses verringern.

• Die (politische) Legitimationsfunktion von konformistischer Schulwissenschaft stärken.

An die Spitze* ohne Noten und ohne (zentralistische)

Standards?• Selbsttests im Internet• Diagnosespezialisten• Schüler zu Schulexperten ausbilden• Portfolios, Produkte, Dienstleistungen• Neue Lernsysteme• Weitere Vorschläge: Feldmann 2005

*An welche Spitze? Wirtschaftswachstum, Zufriedenheit, Nachhaltigkeit, Demokratisierung, soziale Gleichheit etc.

Vermittlungsversuch

• Zwischen „Zwangsstandards mit deutscher Gründlichkeit“ und „keine Standards“ gibt es viele Zwischenformen und vor allem intelligente Entwicklungssysteme.

• Das gleiche gilt für die Notengebung.

System

• Familie, Schule, Politik und Ökonomie sind Teile eines Systems.

• Daten, Ereignisse oder Untersuchungsergebnisse sollten systembezogen interpretiert werden.

PolitikStaat

ErziehungSchule

Ökonomie

Familie

Steuern

EinkommenHalbfertigprodukte

Fertigprodukte

Steuern

Bildungs- ausgaben

Kultur der Schule

•Mittelschichtinstitution (Verhalten, Sprache, Personal, Inhalte etc)

•Grundschulklima (Primarstufe) von Frauen geformt

•Zusammensetzung der Schulklasse nach soz. Schicht, Geschlecht, ethnischen, religiösen und anderen Kriterien (z.B. 60 % Migrantenkinder)

Halbtagsschule

Dominanz der Fachlehrer

Mittelschicht-orientierung

Kognitivistische Orientierung

Lebensferne

Kognitivistische Orientierung verstärkt die strukturelle Benachteiligung von Unterschicht- und MigrantenkindernGottschall 2003

Wie kann man die kognitivistische Orientierung einer Schule erkennen?

•Vernachlässigung der politischen, sozialen, ästhetischen und lebensrelevanten Bereiche

•Keine kostenlose warme Mahlzeit

•Keine wohnliche Atmosphäre

•Keine freundschaftlichen Berührungen von Schülern durch Lehrer

•Viele verdrossene Gesichter

Chancengleichheit und Benachteiligung

•Benachteiligung nach soz. Schicht, kulturellem Milieu, Sprachfähigkeiten, psycho-sozialer Abweichung, ethnischer Zuschreibung etc.

•Gruppenhomogenisierung, Containerprinzip, Altersjahrgänge

•Selektionsformen: wann? wie? durch wen?

•Schulformen, Durchlässigkeit

•Schulausstattung

Kapital nach Bourdieu

1. ökonomisches (Einkommen, Vermögen),

2. soziales (Beziehungen zu einflussreichen Personen und Gruppen),

3. kulturelles (z.B. Fertigkeiten, Wissen, akademische Titel) und

4. symbolisches Kapital (Anerkennung, Prestige, guter Ruf).

Kulturelles Kapital (Bourdieu)

1. inkorporiertes (körpergebundene Fähigkeiten)

2. objektiviertes (Bilder, Bücher etc.)

3. institutionalisiertes (Abschlüsse, Zertifikate etc.)

Ist die Schule partikularistisch und undemokratisch, da sie Gruppen, die mit hoch bewertetem kulturellen Kapital ausgestattet sind, begünstigt?

Schulerfolg ist abhängig von:

•Intelligenz (Kombination von genetischem Potenzial und Umwelteinflüssen!)

•sozialer Schicht (Bildung, Beruf, Einkommen der Eltern)

•kulturellem Kontext (Religion, Lebenswelt etc.)

•Kenntnissen der Landessprache

•sozialen Kompetenzen

•regionalen Faktoren (Benachteilung stadtferner Gebiete)

•schulischen Bedingungen (Schulklima, Qualität der Lehrer, Ausstattung etc.)

Bildung der Eltern Beruf der Eltern

Sozialisations-bedingungen

Kulturelles Kapital des Kindes Berufserfolg

des Kindes

Schulerfolg des Kindes

Pfadmodell Lesekompetenz (Pisa)

Schulform

Geschlecht

Soz. Schicht

Muttersprache

Lesekompetenz

Kultur. Kapital

Abweichung

Freude amLesen

Baumert et al. 2001, 501

Schulische Normen

Leistung: individuell, keine Gruppenleistung, Leistungsziele und Leistungskontext fremdbestimmt

Unabhängigkeit und Individualisierung: Kooperation (zwischen einzelnen und Gruppen) unerwünscht; Konkurrenz zwischen einzelnen autoritär geregelt, zwischen Gruppen meist unerwünscht

Universalismus: wissenschaftliche und demokratische Normierung der Schule – idealtypisch, tatsächlich häufig Partikularismus (z.B. bei der Leistungsbewertung)

Erwünschter Wandel schulischer Normierung

      Leistung sollte mehr selbstbestimmt (Kompetenzbereiche, Raum, Zeit, Partner etc.) sein.

      Individualisieren: Diagnose, Beratung, flexibles Angebots- und Punktesystem.

      Vergemeinschaftung und Vernetzung: offene Gruppenbildung.

      Dezentralisierung (mehr Entscheidungsfreiheit von Lernenden, Schulen, Hochschulen)

Curriculum (Bernstein)

• Typ des Sammelns (starre Fächerstruktur; kaum Inter- oder Transdisziplinarität)

• Integrationstyp (interdisziplinär, Projekt- bzw. Interessenorientierung, flexibel, Aktualisierung)

Curriculum

Schlüsselbegriffe:

Traditioneller Fächerkanon, zentralistische Bürokratie, Mittelschichtorientierung, Kognitivismus, Schulautonomie, Schulbuchdominanz, Schulunlust, Lebensweltferne.

Curriculum – Theorie 1

Trad. Fächerkanon und Mittelschichtorientierung hängen zusammen.

Das Schulbuch als dominantes Lehrmittel wird durch die trad. Fächerstruktur und die zentralistische Bürokratie erhalten.

Curriculum – Theorie 2

Der Fächerkanon und die Mittelschichtorientierung stützen den Kognitivismus und die Lebensweltferne, wodurch die Schulunlust vor allem bei Kindern unterer Schichten verstärkt wird.

Trad. Fächer-kanon

Lebenswelt-ferne

Kognitivismus

Schulunlust

Schul-buch

Mittel-schicht-orientier.

Curriculare Positionen

Prinzipien Funktionen Machtträger

Enzyklopä-dismus

Allgemein-wissen

National-staatliche Integration

Staatliche Bürokratie, Bezugswiss.

Humanis-mus

Kulturkon-servierung

Selektion, Distinktion

Bildungs-bürgertum

Berufs-bezogenheit

Wirtschafts-wachstum

Qualifikation (Ökonomie)

Privat-wirtschaft

Person-orientierung

Optimale Entwicklung der Person

Individuali-sierung

Reformer, Progressive

• Das (un)heimliche Curriculum

Autoritätshörigkeit, Kritikvermeidung, Gehorsam fremdbestimmte Leistungsnormen akzeptieren Hilflosigkeit, Isolation Klassen- und Geschlechtsschicksal akzeptieren

Curriculare und Qualifikationsprobleme

•Lebensferne der Schulbildung (schicht- und habitusabhängig)

•Berufsferne der Schul- und Hochschulbildung

•Wertverlust von Schul- und Hochschulabschlüssen (Inflation)

•Entwertung des Wissens (Halbwertzeit)

Wissen und Partizipation

Vergleich der EU-Staaten

Arbeitsbedingungen in der EUStarke Partizipation

Schwache Partizipation

Starke Wissens-basierung

Dänemark Finnland Niederlande Schweden

Schwache Wissens-basierung

Griechenland Portugal

European Survey on Working Conditions, 2000; Heidenreich 2002

Wissens- basierung

Partizipationgering

stark

stark

DK

SNL

GB

P

SF

D

GR

Arbeitsbedingungen in der EU

AF

Wissens- basierung

Hierarchisch bürokratische Regulierunggering

stark

stark

DK

SNL

GB

P

SF

D

GR

Arbeitsbedingungen in der EU

AF

Wissens- basierung

Mathematikkenntnisse (PISA 2000)geringhoch

stark

DK

S

GB

P

SF

D

GR

Wissensbasierung und mathematische Fähigkeiten

A F

Wissen

(alte Form)

Wissen/ Kompetenz

(neue Form)Eimer- und Trichterprinzip

Kontext- und Systemabhängig

Passives, träges Wissen

Aktives, angewandtes Wissen

Punktuelle Prüfung Prozessevaluation

Fachorientierung Person- und Systemorientierung

Distinktion, Segmentierung

Vernetzung

Basiskompetenzen

• Aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben

• Anschlussfähigkeit für weiteres fachspezifisches Lernen

• Mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung

• Stützung lebenslangen Lernens

Kompetenzen

• Leistungsdispositionen

• Kenntnisse, Fertigkeiten

• Strategien, Routinen

• bereichs-, situations-, kontextbezogen

• schulfachspezifisch

• Hierarchische Kompetenzmodelle (PISA)

• Bildungsstandards

Kompetenzen: Typologie

• Sach-, bzw. Fachkompetenz

• Methodenkompetenz (Denk-, Lern-, Lehr- und Forschungsmethoden)

• Sozialkompetenz (Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktfähigkeit)

• Selbstkompetenz (Selbstdiagnose, Motivation, Selbstwert)

Kompetenzförderung

Durchschnittliche Leistungen der derzeitigen Schulen:

Vermittlung von Fachkompetenz: mäßig bis gut

Vermittlung von Methoden- und Sozialkompetenz: schlecht

Vermittlung von Selbstkompetenz: sehr schlecht

Verborgene Kompetenzen

• außerhalb des Rahmens (Fächer etc.)

• der Person (teilweise) nicht bewusst

• nur in spezifischen Situationen und Kontexten erfahrbar und „messbar“

• unterbewertet (offizielle Kompetenzen werden überbewertet)

• neue Messinstrumente (Tests etc.) erforderlich

Förderung verborgener Kompetenzen

Durchschnittliche Leistungen der derzeitigen Schulen:

Verborgene Kompetenzen werden nicht erfasst, nicht gefördert, verschüttet, abgewertet und dürfen nicht in Konkurrenz zu den offiziellen Kompetenzen treten.

Professionalisierung ein hochwertiger Wirkungsbereich,

wissenschaftliche Ausbildung,

starke Standesorganisation,

 Monopolbereich des Handelns,

 erfolgreiche Abwehrkämpfe gegenüber konkurrierenden Berufsgruppen,

 Autonomie in Entscheidungen.

Professionalisierung im Erziehungsbereich

• Was bedeutet: „Professionalisierung von Lehrern“?

• Was bedeutet: „Professionalisierung von Schülern“?

• Was bedeutet: „Professionalisierung von Eltern“?

Professionalisierung von Lehrern

• Spezialisierung nicht nur nach Schulfächern und schon gar nicht nach Schulformen

• Teamarbeit

• Hochwertige Fortbildung

• Ganztagsbetrieb der Schule

• Interprofessionalisierung

• Forschung und Innovation

Professionalisierung von Lehrern

• Als Ingenieur bekommt man Schwierigkeiten, wenn man keine soliden mathematischen Kenntnisse hat.

• Und als Lehrer? Wenn man über keine soliden erziehungswissenschaftlichen Kenntnisse verfügt?

Professionalisierung von Schülern

• Schüler als Tutoren

• Schüler unterrichten Schüler

• Schüler als Projektleiter

• Schüler als Abgeordnete und Botschafter

• Schüler als Forscher

• Selbstevaluation, Selbstdiagnose

Professionalisierung von Eltern

• erfolgt nach wie vor hptsl. informell und über Medien,

• wurde vom Bildungssystem stark vernachlässigt,

• diese Vernachlässigung wirkt sich ungleichheitsfördernd und gesellschaftsschädigend aus.

Lehrerrolle

Schlüsselworte:

Schulstruktur (Hauptschule etc), Teamarbeit, Fachunterricht, Jahrgangsklassen, Arbeitsplatzausstattung, Professionalisierung, Ganztagsschule.

Lehrerrolle - Theorie

Die traditionelle Schulstruktur (Kindergarten, Hauptschule etc) „bedingt“ bzw. „rechtfertigt“ eine nicht integrierte Lehrerbildung.

Teamarbeit findet in Schulen zu selten statt, da der Fachunterricht, die Jahrgangsklasse, die Halbtagsschule und der fehlende bzw. mangelhafte Arbeitsplatz sie erschweren.

Schul-struktur

Team-arbeit

Nicht integr.Lehrerausb.

FachunterrichtJahrgangsklasse

Professionalisierungsmängel

Ganztags-schule

FehlenderArbeits-

platz

_

__

__

_

Schulverweigerung

Wagner et al. 2004, Schulverweigerung, KZfSS 56,3.

Schulverweigerung

Schlüsselworte:

Selbst- und Fremdkontrolle, Integration, Schulorganisation, soziale Schicht, Erziehungsstil, peer group, Stigmatisierung, abweichendes Verhalten.

Schulverweigerung - Theorie

Abweichendes bzw. konformes Verhalten von Kindern und Jugendlichen wird gesteuert durch

1. Kontrolle der Familie, der Schule und der peers

2. Ziel-Mittel-Diskrepanzen

3. Desintegration der sozialen Umwelt

4. Formen der Organisation von Einrichtungen für Kinder

Schulverweigerung - Theorie

Theorien

1. Kontrolltheorie (z.B. Erziehungsstil, Überwachung)

2. Anomietheorie (z.B. Status, Stigma, illegale Mittel)

3. Subkulturtheorie (z.B. kriminelle Subkultur)

4. Organisationstheorie (z.B. selektions- und mittelschichtorientiertes Bildungssystem)

Gewalt in der Familie

Kriminelle Subkultur

Laissez-faire- Erziehungsstil

Schul-verweigerung

Schulische Misserfolge

Kontroll- und Subkulturtheorie

Unterschicht-familie

Schul-verweigerung

Wohn-umgebung

Sprach-mängel

Schul-struktur

MangelhafterErziehungs-

stilSchul-ferne

Vorschul-struktur

Schulverweigerung - Teufelskreis

Außerschulische„Erfolge“

SchlechteNoten

Schul-verweigerung

AbweichendesVerhalten

Pädagogische Mythen

Mythen

• Annahmen, die zwar empirisch widerlegt bzw. nicht geprüft sind, jedoch von Personen oder Gruppen trotzdem für wahr und hochwertig gehalten werden.

• Ähnliche Begriffe: Vorurteile, Schutzbehauptungen, Selbstverständlichkeit, Dogmen, Ideologien, „Erfahrungen“.

Einschulung

• Kinder müssen vor der Einschulung getestet werden. Wenn sie nicht schulreif sind, sollen sie zurückgestellt werden. Dies ist im Interesse der Schulkarriere der Kinder.

• FALSCH: Zurückgestellte Kinder sind eher benachteiligt. Außerdem führt die Homogenisierung zur Verschlechterung der Lernumgebungen und der Lehrerleistungen.

Gesamtschule und Gymnasium

• Gesamtschulen* führen zu einer Leistungsminderung bei den sehr guten Schülern und damit sind sie für Elitenbildung nicht geeignet.

• FALSCH: Nach PISA haben Finnland, Schweden und Kanada anteilsmäßig mehr Eliteschüler als Deutschland oder Österreich.

* Begriffsklärung: Feldmann 2005, 193 ff.

Sitzenbleiben

• Wenn das Sitzenbleiben abgeschafft wird, dann wird die Gesamtleistung der Klassen gedrückt und die Sitzenbleiber können ihre Leistungen nicht verbessern.

• FALSCH: Internationale Untersuchungen belegen, dass Sitzenbleiben in den meisten Fällen unerwünschte pädagogische und ökonomische Ergebnisse erbringt.

Anteil der Wiederholer an allen 15-Jährigen (in %)

Frankreich 42

Deutschland 23

OECD- Mittelwert 15

Österreich 14

Großbritannien 4

Dänemark 4

Japan, Norwegen 0

Quelle: OECD 2004

Notengebung

• Man muss schon frühzeitig Noten geben, spätestens in der 3. Klasse, damit die Schüler sich daran gewöhnen und auch eine vergleichbare Messung stattfindet.

• FALSCH: Eine Notengebung ab der 9. Klasse ist früh genug. Die (frühe) Notengebung verhindert eine gute Selbsteinschätzung der Schüler und eine lernförderliche Schülereinschätzung durch die Lehrer.

Klassengröße

• Je kleiner die Klassen, um so besser der Unterricht und um so besser die Leistungsergebnisse.

• FALSCH (kein linearer Zusammenhang): Entscheidender als die Klassengröße* sind die Schul- und Unterrichtsorganisation, die frühzeitige und nachhaltige Förderung, die Gestaltung von Lernumgebungen etc.

* Ca. zwischen 18 und 35 Schüler pro Klasse

Unterrichtsstunden

• Je mehr Unterrichtsstunden die Schüler haben, um so besser sind die Schulleistungen.

• FALSCH: Kein signifikanter Zusammenhang (Spannbreite: 800 bis 1200 Schulstunden jährlich).

Was ist guter Unterricht?

Guter Unterricht 1

• Individualisierung: Selbststeuerung der Schüler fördern

• Basiskompetenzen aufbauen

• Weglassen von curricularem Müll (Flexibilisierung, Individualisierung)

• Anknüpfen an Vorwissen

• Motivation der Schüler ist entscheidend!

Guter Unterricht 2

• Teamarbeit• Interprofessionalisierung (Vor- und

Hochschule, Berufsbildung, Sozialarbeit etc.)

• Altersheterogene Gruppen• Schüler als Tutoren• Stunden(tafel)zwang abschaffen• Eltern im Unterricht einbeziehen

Guter Unterricht 3

• Schule den ganzen Tag geöffnet

• Flexible Arbeitszeit der Lehrer

• Arbeitsplatz für jeden Lehrer

• Arbeitsplatz für jeden Schüler

• Aufgabenstellung bewegungs-, gruppen- und projektorientiert und nachhaltig

• Problemlösungsorientierung

Unnötige Lehrerarbeit

• Schriftliche Arbeiten der Schüler korrigieren

• Notengebung

• Frontalunterricht, Vorlesung

• Fragend-entwickelnder Unterricht

• Auf 45 Minuten bezogene Unterrichtsvorbereitung

Weitere Lernhindernisse

• Schulbücher

• Innenarchitektonische Gestaltung

• Erlässe und Vorschriften

• Deprofessionalisierung und Fehlsozialisation der Lehrer

Innovation

Subjekt

Normen Arbeits- teilungGemeinschaft

Werkzeuge

Output

Engeström 1999

Subjekt

Normen Arbeits- teilungGemeinschaft

Werkzeuge

Output

Engeström 1999

Schüler

Schul- ordnung

Schul- fächer?Schulklasse?

Schulbücher?

Prüfungen?

Schüler/ Lehrer

Demokratische Normierung

Lern-felderGruppen und

Netze

Neues Lernmaterial

Selbst-wirksamkeit

Alte Schule* Neue SchuleContainerprinzip, fester Stundenplan

Institutionelle Vernetzung

Faktenwissen Schulbuchwissen

Kompetenzen Mentale Modelle

Noten, Selektion, Überweisung

Diagnosen, Individualisierung

Bürokratische Gängelung

Selbstständigkeit Dezentralisierung

Keine oder schlechte Evaluation

Selbst- und Fremdevaluation* Noch vor-

herrschend!

Neue Schule

• Die alte Schule war (und ist!) ein bürokratisches Zentrum für eingeschränktes kognitives Lernen und für ein „wildes“ (un)heimliches Curriculum.

• Die neue Schule ist ein klientengesteuertes Lern- und Lebenszentrum, in dem nachhaltige und zukunftsorientierte „Produkte“ und „Prozesse“ vorbereitet, unterstützt und erstellt werden.

Innovation

• Dezentralisierung: Machtverlagerung von Ministerien und staatlichen Verwaltungen zu Schulen

• Selbstständiges Lernen und Selbstbewertung (Portfolio, Lernprogramme etc.)

• Evaluations-, Forschungs- und Beratungsagenturen (politisch unabhängig)

Innovation

• Lehrpläne, Rahmenrichtlinien und Prüfungsordnungen haben nur empfehlenden Charakter

• Auch Lehrpläne werden flexibilisiert und pluralisiert!

Innovation

• Lehrer unterrichten kaum, sondern entwerfen Lernumgebungen, beraten und forschen.

• Auch Schüler unterrichten, entwerfen Lernumgebungen, beraten und forschen.

Innovation

• Jeder Lehrer hat einen Arbeitsplatz in der Schule.

• Jeder Schüler hat einen Arbeitsplatz in der Schule (Tastatur, Bildschirm, Ruhe, Ablagemöglichkeiten etc.)

Innovation

• „Trägen Wissensballast“ entfernen*

• Schul- und Studienzeit verringern

• Studiengänge durch Bausteinsysteme ersetzen (modularisieren)

* betrifft sowohl den Lehrplan als auch die Art der Vermittlung

Innovation

• Abschaffung des Sitzenbleibens*

• Selbständigkeit von Lerngruppen und Schulen

• Mitwirkung von Eltern und anderen Personen in der Schule

* noch besser ist die Abschaffung des Jahrgangsklassensystems

Innovation

• Schülerprofessionalisierung (Tutorenprogramme etc.)

• Arbeitsteilung: Schulassistent, Sozialarbeiter, Krankenschwester etc.

• Baustein- oder Modullehrer zusätzlich zu Fachlehrer

• Interprofessionalisierung

Innovation

• Architektonische Veränderungen (flexible Gestaltung der Innenräume)

• Schule ist 365 Tage nutzbar

• Computerräume mit 24-Stunden-Betrieb

• Kreativräume mit 12-24 Stunden-Betrieb

Verlagerung der Ressourcen – und der pädagogischen Exzellenz

• vom Gymnasium zu Familienbildung, Kindergärten und Grund- bzw. Volksschulen!

• von der Subventionierung der Schweine- und Rinderzucht zur Subventionierung der Kinderaufzucht!

Bildungs- und Sozialpolitik

Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik sind wichtige Mittel, um Ressourcen gerecht zu verteilen (Gleichheit) und ökonomisches, soziales und kulturelles Wachstum (Freiheit) zu fördern!!

Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik sind zu wichtig, um sie Politikern zu überlassen!!

Eine zentrale Schlussthese

Programme für unterprivilegierte Familien mit Vorschulkindern haben höchste Priorität, da sie bessere Ergebnisse liefern als spätere Förderung in der Schule.

Diese Arbeit sollte in den schulischen und hochschulischen Curricula gleichrangig mit Hauptfächern verankert werden, z.B. Schüler als Tutoren und Programmgestalter.

Literaturhinweise und Erläuterungen in:

Feldmann, K. 2005. Erziehungswissenschaft im Aufbruch. Wiesbaden, VS Verlag.