Eltern in der Adoleszenz - Darmstädter Kinderkliniken · Wurzeln und… Die Adoleszenz...

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Fortbildung Kinderklinik Darmstadt am 9.11.2013

Eltern in der Adoleszenz Norbert Kohl

Wurzeln und…

Die Adoleszenz konfrontiert die Eltern mit ihrer eigenen unverarbeiteten Geschichte, lässt diese wiederaufleben. Die alten Konflikte, vor allem der Separation, infiltrieren dann die aktuelle Situation, die Eltern werden z.T. wieder selbst zu Töchtern und Söhnen, können sich verwickeln und untergehen oder Ihrer selbst bewusst werden ……...

…. Flügel …. sie können die eigenen Kinder von der Last der Vergangenheit befreien und Ihnen Raum für Ablösung und Entwicklung geben. In der Adoleszenz haben die Eltern sozusagen eine besondere Chance, geläutert in ein neues, eigenes Leben aufzubrechen.

Glas halbvoll

Die Adoleszenz ist manchmal auch wie ein Kampf, Kampf zweier Generationen gegeneinander, wer ist der Stärkere, es geht z.T. um Rache und Neid, es ist ein Kampf um sich selbst, wer geht und bricht auf, wer bleibt zurück, wer fühlt sich schuldig, wer ist frei und wer kann frei lassen ………. Die Adoleszenz ist aber in 1. Linie keine Krise, sondern vor allem eine spannende und wundervolle Lebensphase.

Familien heute

n  De-Institutionalisierungsthese Bedeutungsverlust, Abnahme Normverbindlichkeit, quantitativer Rückgang der Familie

n  Individualisierungsthese Individualisierung u. Pluralität der Familienformen

Merkmale von Familien

n  Reproduktion n  Sozialisation (Erziehung) n  Kooperation, Solidarität („Wir“) n  Rollendefinition n  Generationendifferenzierung

Typologie von Familien

n  Ehen (Erst- und Zweit-Ehen) n  Nicht-ehel. Lebensgemeinschaften n  Mutterfamilien n  Vaterfamilien n  Homosexuelle Paare

n  Jeweils mit leiblichen, Adoptiv-/Pflege-Kindern

Innere Typologie

n Thema Migration n Thema Scheidung/Tod n Patchwork mit Stief- und Halbgeschwistern n Wechsel d. Fam.-Formen über d. Zeit

Mythen ….. n  Familien gab es schon immer n  früher mehr Kinder und frühere Heirat n  vorindustrielle Grossfamilie

n  Ende der traditionellen Kleinfamilie ______________________________

n  Die Familie selbst ist wie ein „mythisches Gebilde, das seine Mitglieder durch Wiederholungsstrukturen festhält“ und sich selbst eigene Mythen schafft.

und Tatsachen

n  Anzahl Eheschliessungen um 50% in letzten 50 Jahren gesunken

n  Anzahl Scheidungen gestiegen, aber insbes. bei kinderlosen/kinderarmen und älteren Paaren

n  75% der Kinder leben mit verheirateten Eltern, davon ca. 10-20% in Patchwork-Familien

n  75 – 90 % der Jugendlichen stehen positiv zur Familie, zu ihren Eltern und zu deren Erziehung

Mythos Moderne Helicopter parents

boomerang kids

Veränderungen 1

n  Verlängerung des Lebensalters n  Reduktion der Kinderzahl n  Verkürzung der Kindheit (N. Postman)

à  zeitl. Umstrukturierg. des individ. LL à  grössere nachelterliche Phase à  Elternzeit: transitor. Phase (1/4 LZ)

Veränderungen 2

n  Reduktion der Kinderzahl à  Höhere Kindzentrierung der Eltern à  Abnahme horizontaler Verwandtschaft à  Zunahme vertikaler Verwandtschaft

n  Zunahme der mütterl. Erwerbstätigkeit n  Entdifferenzierung Vater- u. Mutter-Rolle n  Bildungsaufgaben, Umgang mit Medien

Veränderungen 3

n  Wandel des Erziehungsstils (von autoritär zu mehr demokratisch-partnerschaftl. Bedeutung von Selbständigkeit/Automie-Förderung) n  Emotionalisierung der Eltern-Kind-Beziehung n  Entstandardisierung von Lebensphasen n  Entsynchronisierung adoleszenter Phasen (frühe soziokultur. vs. späte ökonom. Selbständigkeit)

Gesellschaft

n  Kinderarmut in BRD (ca. 8% der Kinder) n  Migrationshintergrund (ca. 20% der Kinder) n  Alleinerziehende (20-25% der Kinder) n  Familien mit Kindern (8 Millionen) n  Pflegebedürftige (2 Millonen)

n  Neue Medien: Internet, Spiele (fast 100% Handy, PC) n  Geld – Alkohol/Drogen - Konsum (18,9 Milliard. Euro) n  Konkurrenzdruck (Bildung) durch Globalisierung

Gewalt

n  in den Familien

20% der Kinder/Jugendlichen in BRD erleben häusliche Gewalt 18% der Jugendlichen in den USA üben Gewalt gegen Eltern aus

n  in den Medien (TV, Spiele, Internet) n  In der Schule (mobbing)

Adoleszenz heute

n  Verlängerung der Adoleszenz n  Verlängerung der Ausbildungsphase n  Späteres Auszugsalter n  Längere ökonomische Unterstützung n  Starke Freizeit-/Konsumorientierung n  Veränderung der Kommunikation n  Hohe Zufriedenheit mit Familie

Kulturtransfer

n  Enkulturation - Dekulturation

n  Postfigurative - kofigurative - praefigurative Kulturen

n  Kultur-Transfer: vertikal – diagonal – horizontal

n  Transfergefälle – Generationenlernen: Veränderung von Kindheit zu Jugend

Adoleszenz

n  zentrales Thema: Identität n  Veränderung der elterlichen Bindung hinsichtlich:

Qualität – Funktion - Frequenz (Stichwort: von der phys. zur psych. Berührung) n  Bedeutung von Kommunikation und Kompromiss n  Aufgabe der Familie/Eltern: Ausbalancieren von innerer Kohäsion und Adaptilität n  Akzeptanz von „points of no return“

Aufgaben der Jugendlichen in der Adoleszenz 1

n  Ablösung von den Eltern n  Verhältnis zu Körper und Sexualität n  Eigenes Selbstwertgefühl n  Aufbau eigener Werte n  Beziehungen zu Gleichaltrigen (peer) n  Aufbau e. Zukunftsperspektive (Beruf) n  Aufbau von Paarbeziehung

Aufgaben der Jugendlichen in der Adoleszenz 2

Aufbau/Erwerb von n Sozialer Kompetenz n Ökonomischer Unabhängigkeit n Konfliktlösungs-Strategien n Toleranz und Empathie n Umgang mit Alkohol und Medien n Sozialer und ökologischer Verantwortung

Aufgaben der Eltern 1

n  Loslassen und Halt geben n  Vertrauen u. Grenzen statt Erziehung n  Ökonomische Unterstützung n  Unterstützung in der Ausbildung n  Grenzen bezügl. Alkohol, Medien, Geld n  Akzeptanz des Anders-Seins der Kinder (das Fremde

im Vertrauten) n  Innere Auseinandersetzung mit eigener Unsicherheit,

Ambivalenz und der häufig result. defensiven Position

Aufgaben der Eltern 2

n  Vorbereitung auf „empty nest“ n  Bilanz (Leben, Eltern- und Partnerschaft) n  Neues Verhältnis zum eig. Körper/Alter n  Umgang mit Krankheit/Tod n  Entwicklung neuer Zukunftsperspektive n  Neubestimmung der Paarbeziehung n  Akzeptanz der Begrenztheit der Möglichkeiten n  Evtl. Sorge um/für eigene Eltern

Anforderungen und Schwierigkeiten

n  Umgang mit Schuldgefühlen bezgl. Erziehung n  Aushalten narzisstischer Kränkungen n  Umgang mit enttäuschten Erwartungen

n  Gemeinsamkeit mit dem Partner, Gesprächs- Auseinandersetzgungs- und Konfliktlösungsfähigkeit n  Versöhnung mit dem eigenen Lebenslauf

Kommunikation

Lebensphasen

n  Geburt à 18 Monate à Kiga n  Schule à Latenz à Pubertätsbeginn n  Adoleszenzphase à Ende Ausbildung n  Beruf à Karriere n  Partnerschaft, Familie, Kinder n  Adoleszenz der Kinder n  Neues Leben? (Beruf, soz. Engagement,

Kreativität, Sport, Kultur, Reisen, Enkel)

Kreislauf

n  Von der Partnerschaft/Ehe zur Elternbeziehung und wieder zurück

n  Gelingen des zweiten ist abhängig von der Bewältigung des ersten, und die ist abhängig von der frühen Bindungsqualität.

Adoleszenz für Eltern n  wichtige Lebensphase für die Eltern, ist

Spiegelphase zur Adoleszenz der Kinder n  „Zweite Pubertät“ n  Chance für eig. Weiterentwicklung n  Zeit der Rückgabe - Kinder an Eltern - Zeit

der Nachforderung der Kinder u. Möglichkeit der Nachreifung für Eltern und Kinder

n  ggfs. Psychotherapie für Eltern

Eltern kranker Kinder

n  Sorge bindet, erschwert Loslassen n  Fordert Auseinandersetzung mit Hilflosigkeit

und Wut n  Erfordert Trauerarbeit n  Plötzliche vs. ausgedehnte Ablösung

Eltern als Risikofaktor

n  Unerwünschter kultureller Transfer Transfer von Gewalt und Missbrauch n  Eltern als schlechte Vorbilder hinsichtl. Sucht

und Gesundheitsverhalten n  Eltern - Medium im Mehrgenerationenprozess

n  Kranke Eltern mit Verlust der Elternfunktion

Das Trauma lebt … und setzt sich fort

Beispiele n Die Ängste der Mütter, die durch ihren Vater missbraucht wurden

n Komplexe Traumata: Erfahrung von Tod und Gewalt im Heimatland – traumatisierende Flucht - wieder Gewalterfahrung im Exil in BRD, diesmal durch die Familie zu Hause – Fluch der Ehre

n Entwicklungstraumatisierung

Familien …..

……….. geheimnisse

zwei Beispiele

Adoleszenz

n  Als Katalysator positiver oder negativer Entwicklung

n  Als Brennglas früherer Konflikte n  Als Scheidepunkt zw. Eltern u. Kindern n  Als Übergang in ein neues Leben

Am Ende:

n  Einfluss der Kinder/Jugendlichen auf die Eltern in allen Phasen, bes. in der Adoleszenz

(retroaktive Sozialisation)

n  Mitschwingen der Eltern in jeder Lebensphase n  Passung – optimaler gegenseitiger Transfer n  Frage: Elterncoaching oder Therapie

Take home ?

Eltern bleiben ein wenig Eltern und junge Erwachsene manchmal noch etwas Kinder

Literatur

n  J. Ecarius: Handbuch Familie n  R. Nave-Herz: Familie heute n  Abel/Honig u.a.: Lebensphasen n  U. Zartler: Pubertät u. ihre Bedeutung für

Eltern und Kinder (ÖIF) n  Dtsch. Ärzteblatt 24/2013, Adoleszenz n  Shell Jugendstudie 2010 n  Div. Zeitschriften- u. Internet-Artikel

Literatur zur Adoleszenz

n  P. Blos: Adoleszenz n  S. Hauser: Übergangsraum n  V. King: Adoleszenz, Migration u.a. n  A. Streek-F.: Adoleszenz, Bindung… n  A. Flammer: Entw.psychol. Adoleszenz n  P. Bründl: Adoleszenz

Ratgeber für Eltern

Sind kritisch zu sehen. Gut sollen sein: n J. Braun: Jungen i.d. Pubertät n C. Nitsch: Pubertät ? Kein Grund zur Panik n J. Rogge: Pubertät - Loslassen u. Halt geben n J. Juul: Pubertät

Quelle: Christiane Papastefanou www.familienhandbuch.de