Post on 15-Aug-2019
transcript
Einführung in das Management im Gesundheitswesen MScPH-Basismodul „Politische und ökonomische Grundlagen
des deutschen Gesundheitssystems“ (Einführung in das Management im Gesundheitswesen)
Thema 1: Politische Grundlagen
Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH FFPH FG Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
(WHO Collaborating Centre for Health Systems Research and Management) &
European Observatory on Health Systems and Policies
16. Oktober 2017 1
Gliederung
16. Oktober 2017 2
Datum Inhalt der Lehrveranstaltung Dozent/in
16.10.2017 Politische Grundlagen Busse
23.10.2017 Ökonomische Grundlagen Busse
30.10.2017 Das deutsche Gesundheitssystem Busse
06.11.2017 Gesetzliche Grundlagen Busse
13.11.2017 Krankenversicherung Busse
21.11.2017 Finanzierung Busse
27.11.2017 Ambulanter Sektor Busse
04.12.2017 Stationärer Sektor Geissler
11.12.2017 vorauss. Exkursion Bundestag Fuchs/ Spranger/ Winkelmann
18.12.2017 Pflege und Langzeitversorgung Busse
08.01.2018 Integrierte Versorgung Busse
15.01.2018 Arzneimittelsektor Busse
22.01.2018 E-Health Stephani
29.01.2018 Gesundheitswirtschaft Busse
05.02.2018 Zusammenfassung Busse
21.02.2018 Klausur Fuchs/ Spranger/ Winkelmann
• Unser Fachgebiet, unsere Forschung, unsere Lehre
• Deutschland als Bundesstaat, Rechtsstaat und Sozialstaat
• Deutschland als Bundesstaat: der Föderalismus
• Staatliche Akteure im Gesundheitswesen
• Grundlagen der Europäische Union: Institutionen, Gesetzgebung, Gesundheitspolitik, Aufgabenteilung
Formalia zur Veranstaltung in der anschließenden Übung!
16. Oktober 2017 3
Agenda
Fachgebiet: Management im Gesundheitswesen
www.mig.tu-berlin.de
16. Oktober 2017 4
Das Fachgebiet
• Professur • Juniorprofessur
„ambulante Versorgungsforschung“ (z.Zt. unbesetzt)
• Ca. 20 wiss. Mitarbeiter aus vielen Disziplinen (PH, Medizin, Ökonomie, Wirt-schaftsingenieurwesen …)
• Internationale Ausrichtung in Forschung/ Projekten
• Teil des European Observatory on Health Systems and Policies
16. Oktober 2017 6
Das European Observatory on Health Systems and Policies
Hauptaufgabe: Unterstützung und Förderung
evidenzbasierter Gesundheitspolitik
16. Oktober 2017 11
Deutschland als Rechtsstaat
Rechtsstaatprinzip u.a. Achtung der Grundrechte, Gleichbehandlung durch Gesetz, Gewaltenteilung Die drei unabhängigen Gewalten I Gesetzgeber (Legislative) - Bundestag (direkt gewählt) - Bundesrat (Vertreter der Länder) II Regierung (Exekutive) - Kanzler (vom Bundestag gewählt) - Minister (vom Kanzler zur Ernennung vorgeschlagen)
III Rechtsprechung (Judikative) - Bundesverfassungsgericht
16. Oktober 2017 12
I Der Bundestag • Volk übt Staatsgewalt nicht direkt aus, überträgt sie auf gewählte Parlamente • Besteht aus min. 598 MdB, Wahl i.d.R. alle 4 Jahre • 299 MdB werden direkt gewählt
-> dafür stellen sich in jedem Wahlkreis Direktkandidaten zur Wahl (Erststimme) • Zweitstimme entscheidet über Sitzverteilung der Parteien im Bundestag
(mit mind. 3 Direktmandaten oder 5%)
Hauptfunktionen: • Bundeskanzler wählen, Regierung kontrollieren • Gesetze verabschieden (in drei von vier Fällen von Bundesregierung vorgeschlagen) • Zusammen mit Bundesrat Richter des Bundesverfassungsgerichts wählen • Alle 5 Jahre zusammen mit gleicher Zahl an Delegierten, die von Landesparlamen-
ten bestimmt werden, den Bundespräsidenten wählen (Bundesversammlung)
Gesundheit Bundestag hat vor allem Einfluss auf Bundesgesetze, die einheitliche Lebensverhältnisse gewährleisten, z.B. Grundsatzfragen der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) Leistungsumfang der Sozialversicherung, die Gesundheitsversorgung finanzieren:
gesetzl. Rentenversicherung (SGB VI) und Unfallversicherung (SGB VII)
16. Oktober 2017 13
• Zweite Kammer des Parlaments (neben Bundestag, aber nicht als „Oberhaus“)
• Landesregierungen mit 3-6 Stimmen repräsentieren 16 Länder, insg. 68 • berät und verabschiedet Gesetze, die zumeist zuvor durch den Bundestag
gegangen sind (nur rund 10% der Gesetze stammen aus dem Bundesrat) • nach Föderalismusreform sind rund 40% der Gesetze durch Bundesrat
zustimmungspflichtig (insb. wenn Länderfinanzen/ -verwaltung betroffen) • bei Nichteinigung über diese können Kompromisse vom 32-köpfigen
Vermittlungsausschuss (je 16 Mitglieder aus Bundestag und Bundesrat) formuliert werden
• bei (anderen, sog.) „Einspruchsgesetzen“ kann Bundestag Ablehnung des Bundesrates überstimmen
Arbeitsweise • 16 Fachausschüsse, in die jedes Land ein Mitglied entsendet (zuständige
Fachminister bzw. Ministerialbeamte) • Haltung der einzelnen Landesregierungen ist vorher festgelegt, Beschlüsse
werden durch Ausschüsse vorbereitet -> Entscheidungen werden nur noch mündlich dargelegt und begründet
II Der Bundesrat
16. Oktober 2017 14
III Bundesregierung • Kabinett besteht aus Bundeskanzler und (bisher 14) Bundesministern • Kanzler legt Anzahl der Minister und ihre Verantwortungsbereiche fest • Kanzler wählt Minister aus und schlägt sie zur Ernennung/Entlassung vor • Kanzler legt Richtlinien der Regierungspolitik fest, innerhalb derer Bundesminister
ihre Ministerien eigenverantwortlich leiten IV Bundespräsident i.d.R. alle 5 Jahre von Bundesversammlung gewählt; Hauptaufgaben:
• Gesetze unterzeichnen • Formal Bundeskanzler und die Bundesminister ernennen • Repräsentative Funktionen
V Bundesverfassungsgericht (Karlsruhe) • Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerden, Streitigkeiten Bund/Länder,
Parteiverbot, Wahlprüfung • anderen Verfassungsorganen gegenüber selbstständig, unabhängig und
gleichgeordnet • Wahl der 16 Richter durch Bundestag und Bundesrat
Andere Verfassungsorgane
16. Oktober 2017 15
Aufgaben & Einnahmen Bund/Länder/Kommunen
Ca. 300 Landkreise & 100 kreisfreie Städte
Ca. 11.000 Gemeinden
16. Oktober 2017 17
Gesetzgebungskompetenz Bund/Länder
Gesetzgebungskompetenz prinzipiell bei Bundesländern (Kapitel VII Grundgesetz)
Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes, 17 Gebiete u.a.: • Auswärtigen Angelegenheiten • Verteidigung • Währung • Luftfahrt • Einige Elemente der Besteuerung
Konkurrierende Gesetzgebung Länder können nur Bereiche regeln, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat
16. Oktober 2017 18
Gesundheitsrelevante Bereiche in konkurrierender Gesetzgebung: • Sozialversicherung • Wirtschaftliche Sicherung von Krankenhäusern & Regelung der
Krankenhausvergütung: Bund darf nur Gesetze erlassen, die bundeseinheitliche Regelung erfordern (zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse)
• Hochschulzugang/-abschlüsse, Approbationsordnung/Curricula von Ärzten u. anderer medizinischer Berufsgruppen
• Strahlenschutz, Maßnahmen gegen die öffentliche Sicherheit gefährdende Krankheiten
• Arzneimittel
Gesetzgebungskompetenz Bund/Länder
16. Oktober 2017 20
Ziel: Menschen in Notlagen helfen und diese Notlagen aktiv vorbeugen. Durch Sozialversicherungen sichert der Sozialstaat seine Bürger gegen existenzgefährdende Risiken ab. • Sozialstaatsprinzip hat sich geschichtlich insbesondere aus
Sozialgesetzgebung des Kaiserreiches unter Reichskanzler Otto von Bismarck entwickelt
• große Teile der Bevölkerung unterliegen Versicherungspflicht, die auf Solidaritätsprinzip basiert (unabhängig von der Inanspruchnahme zahlen alle Versicherten ein)
• Versicherungsbeiträge richten sich nach Einkommen des Versicherten, Leistungen werden durch solidarischen Ausgleich verteilt und die Risiken abgesichert („Äquivalenzprinzip“ bei Arbeitslosen- und Rentenversicherung; in Krankenversicherung nur bei Krankengeld)
Sozialstaatsprinzip
16. Oktober 2017 22
Leistungsspektrum
http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/72496/gkv-soziale-sicherung?p=all
16. Oktober 2017 23
SGB I: Allgemeiner Teil (1976)
SGB II: Grundsicherung für Arbeitsuchende (2004)
SGB III: Arbeitsförderung (1998)
SGB IV: Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (1977)
SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung (1989)
SGB VI: Gesetzliche Rentenversicherung (1992)
SGB VII: Gesetzliche Unfallversicherung (1997)
SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe (1991)
SGB IX: Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (2001)
SGB X: Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten (1980)
SGB XI: Soziale Pflegeversicherung (1995)
SGB XII: Sozialhilfe (2004)
SGB XIII: Wohngeld (derzeit WoGG)
SGB XIV: Kindergeld, Erziehungsgeld (BKGG bzw. EStG und BErzGG)
Das Sozialgesetzbuch (SGB) und seine Teile
16. Oktober 2017 27
Bundesebene
Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
• Erarbeitung von Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften
• Rechts- (nicht: Fach-)aufsicht über Bundesverbände und Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung in Kranken- und Pflegeversicherung (G-BA, GKV-Spitzenverband, KBV, KZBV all diese Institutionen werden später im Detail erläutert)
• Arbeitsschwerpunkt: Reform der Kranken- und Pflegeversicherung, Förderung der Primärprävention und der Patientenrechte
• stellt Drogen- sowie Patienten/Pflegebeauftragte
• Beratung durch Sachverständigenrat
16. Oktober 2017 28
Nachgeordnete Behörden des BMG
• Robert Koch-Institut (RKI) (Krankheitsüberwachung und -prävention)
• Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
• Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
• Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
• Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
16. Oktober 2017 29
Bundesversicherungsamt • Rechtsaufsicht über die „bundesunmittelbaren“ (d.h. für mehr als
3 Länder zuständigen) Krankenkassen/ Sozialversicherungsträger • Verwaltung des Gesundheitsfonds/ Risikostrukturausgleichs (RSA) • Zuständig für Zulassung von Disease Management Programmen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht • Aufsicht über privatwirtschaftliche Versicherungen, d.h. auch über
Unternehmen der privaten Krankenversicherung
Andere Bundesinstitutionen
16. Oktober 2017 30
Für Gesundheit zuständige Ministerien
• Zumeist innerhalb von Sozialministerien, aber auch in Kombination mit Umwelt; nur Bayern verfügt seit 2013 über eigenständiges Ministerium für Gesundheit und Pflege
• Regulierungskompetenz: stationäre Krankenversorgung: Krankenhausplanung, Investitionsfinanzierung
Zulassung, Aufsicht, Regulierung, Finanzierung von Ausbildungen in Gesundheitsberufen
Aufsicht über die landesunmittelbaren Institutionen und Akteure: Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung (KV & KZV), Landesverbände der Krankenkassen und landesunmittelbare Krankenkassen (nicht mehr als 3 Länder, von denen eines Aufsicht führt; z.B. AOK Nordost Brandenburg), Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Ärzte-/ Zahnärzte-/ Apotheker-/ Psychotherapeutenkammern
Genehmigung von Versorgungsverträgen, z.B. zwischen KVen und Krankenkassen
Länderebene
16. Oktober 2017 31
Zentrale Aufgabe ist die Organisation des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD): Vorsorge, gemeindenahe (sozial)psychiatrische Versorgung,
Gesundheitsberatung, Gesundheitsförderung und gesundheitliche Untersuchung von Schulkindern
Prävention und Überwachung übertragbarer Krankheiten
Aufsicht über Betriebe, die Lebensmittel verarbeiten oder Arzneimittel produzieren
Aufsicht über Krankenhäuser und Gesundheitsämter in ihrem Zuständigkeitsbereich
• Mehrheit der Länder haben ÖGD an die Kommunen übertragen
Länderebene
16. Oktober 2017 33
• Geburtsstunde Mai 1950
• 510 Mio. Einwohner
• 28 Mitgliedsstaaten
• 24 Amtssprachen • größter gemeinsamer
Binnenmarkt der Welt (gemessen am BIP)
• Standorte in Brüssel, Luxemburg und Straßburg bilden die politisch-administrative Zentren der EU
Daten & Fakten
16. Oktober 2017 34
Prinzip der Supranationalität • 28 Mitgliedsstaaten geben nationale Souveränität an gemeinschaftliche
Organe ab und üben sie auf europäischer Ebene gemeinsam aus
• EU-Organe dürfen nur in vertraglich definierten Bereichen tätig werden
• EU kennt zwei Arten an Gesetzen: „Verordnungen“ (regulations) gelten direkt, während „Richtlinien“ (directives) die Ziele definieren, von den Staaten aber dann in nationales Recht umgesetzt werden müssen
Subsidiaritätsprinzip • Mitgliedstaaten behalten Zuständigkeiten, die sie selbst am wirksamsten
wahrnehmen können, es sei denn, die Ziele können von ihnen nicht verwirklicht werden
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/European_union_future_enlargements_map_en.png
16. Oktober 2017 36
Europäische Institutionen (II) Europäisches Parlament • Abgeordnete alle fünf Jahre direkt gewählt • EU-Gesetzgebung & EU-Haushalt (mit dem Rat) • Kontrolle der anderen Institutionen, entlässt
ggf. Europäische Kommission durch Misstrauensvotum Europäische Kommission • „Hüterin der Verträge“, Exekutivorgan • pro Land ein(e) Kommissar(in) • Ausarbeitung EU-Haushaltsentwurfs und Verwaltung EU-Fonds • Hat als einziges Organ der EU Initiativrecht • Kontrolle über Einhaltung getroffener Regeln durch
Mitgliedstaaten & Unternehmen
Rat der Europäischen Union • je ein Minister der 28 Mitgliedstaaten • Entscheidungs- und Gesetzgebungsorgan • Jedes EU-Land übernimmt wechselweise den Ratsvorsitz für sechs Monate Europäischer Rat • Bestimmung der allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU
16. Oktober 2017 37
Europäische Gesetzgebung
Europäischer Rat
Rat der Europäischen
Union
Vorschlag Nimmt Stellung
Vertrauens- und Miss-trauens-votum/
Kontrolle
Vorschlag
Entscheidung
Haushalts-kompetenz
Mitentscheidung Konsultation
Europäische Kommission
EU Parlament
16. Oktober 2017 38
AUE Vertrag (Lissabon) 2009
Gesundheitswesen
Aufgabenteilung EU/Nationalstaaten: Gesundheit
16. Oktober 2017 41
Direkte Ergebnisse:
Qualität, Zufrieden-
heit Strukturen
Patienten
Prozesse
Gesundheit
der
Bevölkerung
Gesund- heits-
“Outcome“
Andere Politikbereiche
Ernährung/ Landwirtschaft
Umwelt
Gesundheitssystem Finanzielle Ressourcen
EU-Gesundheitspolitik
X
16. Oktober 2017 42
o Artikel 168 bezieht sich nur auf Public Health-Maßnahmen o EU-Eingriffe in Gesundheitssysteme erfolgen aber sehr
wohl durch u.a. • Wettbewerbsrecht • Gesundheitsschutz bei der Arbeit • Binnenmarktrecht mit 4 Freiheiten für Personen, Waren,
Dienstleistungen und Kapital Fragen der Patientenmobilität in Europa (Richtlinie
2011/24/EU) Fragen der Freizügigkeit von Leistungserbringern im
Gesundheitswesen
16. Oktober 2017 43
Zuständige Generaldirektion der Kommission: DG SANTÉ
• Vorbeugung, v.a. durch Förderung gesündere Lebensweise • Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu Gesundheit • Erhalt der Gesundheit bis ins hohe Alter • Förderung dynamischer Gesundheitssysteme u. neuer Technologien