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Diagnostik der Herzinsuffizienz
Dr. med. Marc Buser
PD Dr. med. Micha Maeder
Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen, Schweiz
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Fall – Junger Patient, Jg 1986
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• Anstrengungsdyspnoe beim schnellen Bergaufgehen seit 2 Monaten
• Keine Ruhe-Beschwerden
• Seit 1 Woche leicht geschwollene Unterschenkel, v.a. abends
• Im letzten halben Jahr 3malig Anabolika eingenommen (Substanz und
Dosis nicht bekannt)
Ist der Patient herzinsuffizient?
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Definition Herzinsuffizienz
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Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom mit folgenden Bestandteilen:
1. Typische Symptome der Herzinsuffizienz
2. +/- typische Zeichen der Herzinsuffizienz (Stauungszeichen)
3. Objektive Evidenz einer strukturellen oder funktionellen Abnormität des
Herzens, welche zu einem vermindertem Output und/oder zu erhöhten
Füllungsdrücken führt
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Epidemiologie der Herzinsuffizienz
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• 1-2% der Population
• >70 Jahre, Prävalenz >10%
• Prävalenz steigend wegen• Zunehmendem Alter
• Besserem Überleben nach Herzinfarkt
• Besserer medikamentöser Therapie der Herzinsuffizienz
• Implantierbaren Defibrillatoren (ICD)
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Abklärung Herzinsuffizienz
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Adaptiert von EurHeart J (2016) 37, 2129-2200
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Diagnose Herzinsuffizienz – Anamnese & Symptome
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Typische Symptome
• (Anstrengungs-)dyspnoe, Orthopnoe, paroxysmal nächtliche Dyspnoe
• Reduzierte Leistungsfähigkeit
• Müdigkeit
• Ödeme
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Diagnose Herzinsuffizienz – Anamnese & Symptome
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Anamnese/Symptom Wertigkeit
Frühere Episode von
Herzinsuffizienz (HI)
Wahrscheinlichkeit für HI 11x höher
Früherer Herzinfarkt Wahrscheinlichkeit HI 2.7x höher
N Engl J Med (2002) 347, 161-167
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Diagnose Herzinsuffizienz – Zeichen der HI
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Spezifische Zeichen
• Erhöhter zentral venöser Druck (gestaute Jugularvenen)
• Positiver hepatojugulärer Reflux
• Dritter Herzton
• Lateralisierter Herzspitzenstoss
Weniger spezifische Zeichen
• Gewichtszunahme (>2kg/Woche)
• Kardiales Strömungsgeräusch
• Periphere Ödeme
• Pulmonale Rasselgeräusche
• Tachykardie, Tachypnoe
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Diagnose Herzinsuffizienz – Anamnese & Symptome
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Zeichen Wertigkeit
3. Herzton Wahrscheinlichkeit für HI 11x höher
Gestaute Jugularvenen Wahrscheinlichkeit HI 1.9x höher
Rasselgeräuschen Wahrscheinlichkeit HI 2.2x höher
N Engl J Med (2002) 347, 161-167
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Anamnese aktuell
• Vorstellung wegen
Anstrengungsdyspnoe NYHA II
• Keine Orthopnoe, keine PND, keine
Ödeme
• Schnellere Ermüdung beim Sport seit
einigen Monaten
• Kein Husten
Familienanamnese
• Keine kardialen Probleme in Familie
bekannt
Status
• 29j, 178cm, 84kg
• BD 112/78mmHg, 119/min,
rhythmisch
• Keine Ödeme, Reiner 1.+2. HT,
keine Geräusche
• Minimale RG basal bds
• Negativer HJR
Medikation
• Keine
Fall – Junger Patient, Jg 1986
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Fall – Junger Patient, Jg 1986
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Diagnose Herzinsuffizienz - EKG
Ausschluss einer systolischen Dysfunktion mit einem normalen EKG
- Sensitivität 94%
- Spezifität 61%
- Pos. Voraussagewert 35%
- Neg. Voraussagewert 98%
Was heisst das?
- Bei normalem EKG chron. Herzinsuffizienz unwahrscheinlich
- Abnormes EKG bedeutet nicht, dass der Pat. eine chronische
Herzinsuffizienz hat: Indikation für Echokardiographie gegeben
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EKG – Diagnostik HI und Ursachenabklärung
St.n. Vorderwandinfarkt
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EKG – Diagnostik HI und Ursachenabklärung
Vorhofflimmern
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Fall – Junger Patient, Jg 1986
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Diagnose Herzinsuffizienz – Röntgen Thorax
• Basisdiagnostik: Beurteilung der Herzgrösse, einer Lungenstauung und von
Pleuraergüssen
• Differentialdiagnose: Dyspnoe mit primär pulmonaler Ursache
• Fehlen einer Kardiomegalie: Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer HI auf
etwa 1/3 reduziert
• Vorliegen einer Kardiomegalie: kein Beweis für HI, Wahrscheinlichkeit aber
um einen Faktor von 3,3 erhöht
• Pulmonalvenöse Kongestion: HI sehr wahrscheinlich (Faktor 12,0)
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Abklärung Herzinsuffizienz
Adaptiert von EurHeart J
(2016) 37, 2129-2200
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Abklärung Herzinsuffizienz - BNP
Adaptiert von Nat Rev Cardiol. 2015;12(2):73-5.
Natriuretisches Peptid-System
pro-BNP
NT-pro-BNP
Sacubitril Valsartan
Angiotensin II
Neprilysin
Inaktive
Fragmente
Inaktive
Fragmente
Entresto
BNP
Vasodilatation
$ Blutdruck
$ Sympathischer Tonus
$ Aldosteron-Spiegel
$ Fibrose
$ Hypertrophie
Natriurese
Diurese
BNP/NT-proBNP Ausschüttung
• Bei steigender LV-
Wandspannung
• Bei steigender RV-
Wandspannung
• Bei erhöhtem
Sympatikotonus
• Bei kardialer Ischämie
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Abklärung Herzinsuffizienz - BNP
Nicht-kardiale Ursachen für erhöhtes BNP
Hohes Alter
CVI
Subarrachnoidal-Blutung
Niereninsuffizienz
Leberinsuffizienz (Zirrhose mit Aszites)
COPD
Schwere Infekte
Schwere Verbrennungen
Thyreotoxikose
Diabetische Ketose
Medikation mit Sacubitril/Valsartan
Ursachen falsch tiefes BNP
Adipositas
Perakutes Lungenödem
HI «vor» dem linken Ventrikel (Mitralstenose)
Fehlende Dehnbarkeit des Herzens
(Perikardkonstriktion)
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BNP Sensitivität und Spezifität
N Engl J Med (2002) 347, 161-167
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Fall – Junger Patient, Jg 1986 - Labor
• BNP 520ng/l
• Kalium 3.9mmol/l
• Kreatinin113umol/l (GFR 76ml/min/1.73m2)
• Troponin 28ng/l (<30)
• Glc 4.5mmol/l
• Cholesterin 4.7mmol/l, LDL 3.9mmol/l
• Hb 179g/l, Lc 11.6G/l
Somit bei deutlich erhöhtem BNP
Herzinsuffizienz sehr wahrscheinlich
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Abklärung Herzinsuffizienz
Adaptiert von EurHeart J
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Abklärung Herzinsuffizienz - Echo
• HFrEF: HI mit
eingeschränkter
Pumpfunktion
• HFpEF: HI mit erhaltener
Pumpfunktion
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Abklärung Herzinsuffizienz - Echo
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Normalbeispiel
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Echokardiographie HFrEF
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Echokardiographie HFpEF
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Fall – Junger Patient, Jg 1986 - Echo
Diagnose:
• Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Pumpfunktion
• Ursache?
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Abklärung Ursache der Herzinsuffizienz
Mögliche Ursachen einer Herzinsuffizienz
• Koronare Herzkrankheit
• Arterielle Hypertonie
• Klappenvitien (Aortenstenose, Mitralinsuffizienz)
• Kardiomyopathien (idiopathische, sekundär toxische, bei
Allgemeinerkrankungen)
• Myokarditis
• Arrhythmien (z.B. Vorhofflimmern)
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Beispiel KHK
Bei unserem Patienten diffuse Hypokinesie
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Beispiel Mitralinsuffizienz
Bei unserem Patienten KEINE Klappenvitien!
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Beispiel komplexes angeborenes Vitium
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Ursachenabklärung - Labor
Labor zum Ausschluss potentiell therapierbarer Ursachen und wichtige
Laborparameter für die folgende HI-Therapie
• BNP/NT-proBNP
• Elektrolyte und Kreatinin
• Leberwerte
• Hämoglobin
• Kardiale Risikofaktoren: Lipidstatus, HbA1c
• Ferritin und Transferrinsättigung
• Schilddrüsenparameter
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Ursachenabklärung – kardiales MRI
Kardiales MRI
• kardiale Anatomie, LV/RV-Funktion
• Wichtig zur aetiologischen Klärung der LV-
Dysfunktion (ischaemisch vs. nicht
ischaemisch)
• Viabilität im Hinblick auf Revaskularisierung
• (Risikostratifizierung bezüglich sudden cardiac
death)
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Kardiales MRI
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Kardiales MRI – Cine Loop
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Kardiales MRI – late Gadolinium enhancement
KHK mit St.n. Infarkt Myokarditis
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Kardiales MRI late Gadolinium enhancement
Eur Heart J 2005;26:1461–74.
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Kardiales MRI late Gadolinium enhancement
Eur Heart J 2012;33:640–8. J Am Coll Cardiol 2012;60:408–20.
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Kardiales MRI – Neue Techniken
J Cardiovasc Magn Reson 2016;18:89
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Fall – Junger Patient, Jg 1986 - MRI
• Dilatierter linker Ventrikel
• LVEF 22%
• Keine Narben
• Somit a.e. dilatative Kardiomyopathie
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Ursachenabklärung – Koronarangiographie
Indikation zur Koronarangiographie:
• Akute Herzinsuffizienz, welche auf eine initiale Behandlung nicht anspricht
• Sollte erwogen werden bei
• Patienten mit Angina pectoris oder anderem Hinweis auf myokardiale
Ischämie
• Schwerer linksventrikulärer Dysfunktion
Zeitpunkt möglichst optimal wählen
• Patient muss flach liegen können
• CAVE häufig Niereninsuffizienz
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Beispiel Koronare Herzkrankheit
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• Bei jungem Patienten ohne cv Risikofaktoren, Koronar-CT zum
Ausschluss einer KHK möglich
Fall – Junger Patient, Jg 1986 – Ausschluss KHK
RIVARCX ACD
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Weitere Abklärungsmöglichkeiten
• Rechtsherzkatheter: Hämodynamik
• Endomyokardbiopsie: aetiologisch unklare Herzinsuffizienz ( gelegenlich
Immunsuppression)
• Langzeit-EKG: Frequenzkontrolle von Vorhofflimmern ( Medikamente),
Kammertachykardien (ICD)
• Lungenfunktion: Differentialdiagnose der Dyspnoe
• Spiroergometrie: Differentialdiagnose der Dyspnoe, Risikostratifizierung bei
Herzinsuffizienz ( Transplantation)
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Fall – Junger Patient, Jg 1986
Diagnose:
1. A.e. idiopathische dilatative Kardiomyopathie
• Klinik: Dyspnoe NYHA II
• TTE: LVEF 28%, keine Klappenvitien
• MRI: LVEF 22% bei dilatiertem linken Ventrikel,
volle Viabilität
• Koronar-CT: Ausschluss KHK
Beginn einer Herzinsuffizienz-Therapie mit ACE-Hemmer, Betablocker,
Aldosteron-Antagonist
Verlaufskontrolle LVEF und Klinik nach 2-3 Monaten und Evaluation
weiterer Therapieoptionen wie ICD
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Zusammenfassung
• Die Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom mit unterschiedlichen
Ursachen, nicht eine bestimmte Herzkrankheit
• Die häufigsten Ursachen sind koronare Herzkrankheit , arterielle
Hypertonie und „idiopathisch“
• Die ausschliesslich klinische Diagnose ist nicht ausreichend als Basis für
eine adäquate Therapie
• Ein völlig normales EKG spricht stark gegen die Diagnose einer
Herzinsuffizienz
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Zusammenfassung
• Die Bestimmung des BNP kann hilfreich sein: ein sehr tiefes BNP macht
eine Herzinsuffizienz als Ursache einer akuten Dyspnoe unwahrscheinlich
• Die Echokardiografie ist initial für die Sicherung der Diagnose und des
Mechanismus der Herzinsuffizienz von zentraler Bedeutung und kann im
Verlauf bei signifikanter Veränderung der Klinik hilfreich sein
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