Post on 06-Apr-2015
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Das Konzept des Neoliberalismus
Norbert Bernholt / Holger Voss
Teil 2
Arbeitskreis Wirtschaften für eine gerechtere Welt
St. Petri Göttingen – Weende
Do 20.1.2011
Es gibt einen neuen Gott
Das Konzept des Neoliberalismus
Sein Name ist:
Das Konzept des Neoliberalismus
Der Markt
Die Heiligen dieses Gottes sind:
Das Konzept des Neoliberalismus
PrivatisierungDeregulierung
FlexibilisierungLiberalisierung
FreihandelFlexibilisierung
Sein Versprechen:
Das Konzept des Neoliberalismus
Freiheit
Die Rolle der ”Think Tanks”
Die religiöse Überhöhung
Friedrich August von Hayek (1899-1992)
The Road to Serfdom (1944)Der Weg zur Knechtschaft
Die Verfassung der Freiheit (1971)
Die religiöse Überhöhung
Unterwerfung unter die unpersönlichen Kräfte des Marktes macht die Entwicklung von Kultur erst möglich.
Die Weigerung sich diesem unterzuordnen ist in die Irre gehender Rationalismus.
Ein Versuch, diese anonymen Kräfte zu beherrschen führt in den Totalitarismus.
Wir müssen uns also unterordnen, wenn wir die Freiheit wollen!
Die religiöse Überhöhung
Kritik (nach Ton Veerkamp)
Das Wesen des Liberalismus ist bekennender Irrationalismus.
Begriffe wie Ehrfurcht oder Demut unterstreichen dies.
göttliche Instanz: die unpersönlichen Kräfte des freien Marktes
Während die Liberalen die religiösen Dogmen entsorgt haben, bleibt der religiöse Unterwerfungscharakter erhalten
Die religiöse Überhöhung
Kritik (nach Ton Veerkamp)
Der Neoliberalismus beansprucht die alleinige Wahrheit.
Alternativen werden verteufelt und mit allen Mitteln bekämpft.
These
Die Menschen befinden sich in einem nie endenden evolutionären Prozess, dessen Ende offen istdessen Entwicklung nicht bewusst steuerbar ist
Neoliberalismus
Kulturelle Evolution 1
Neoliberalismus
Der Prozess der Anpassung an die unbekannte äußere Welt kann nur in Form eines permanentes Wettbewerbs erfolgen (= Bestehen oder Untergehen) .
Hayek bezeichnet dies als „kulturelle Evolution“(in Anlehnung an die biologische Evolution/Sozialdarwinismus)
Kulturelle Evolution 2
Individuelle Einsichten und Zustimmungen sind für diesen Prozess ohne Bedeutung
„ Vernunft existiert nicht im Singular, als etwas, das einer einzelnen Person gegeben oder verfügbar ist, …
sondern sie muss als interpersoneller Prozess vorgestellt werden, in dem jedermanns Beitrag von
anderen überprüft wird.“Hayek, Individualismus S.127
Neoliberalismus
Folgerungen I : Bescheidenheit
Wenn das Wissen der Menschen begrenzt ist, muss der Mensch sich in entsprechender Bescheidenheit üben, d.h.:
Neoliberalismus
Die Schaffung einer bestimmten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist in diesem Sinne „der Irrtum des konstruktuistischen Rationalismus“ (Vanberg, derzeitiger Leiter des Walter Eucken Instituts)
Lösung:Der Markt
Neoliberalismus
Der Markt kann das vielfach vorhandene beschränkte Wissen und die Fähigkeiten der Menschen zusammenführen zum Nutzen aller.
Markt ( den Wettbewerb) = ein Such- und Experimentierprozess , Markt = Zusammenführung der einzelnen Wissensfragemente
„ spontane Ordnung“ (Hayek: Katallaxie)
Lösung:Der Markt
Neoliberalismus
spontane Ordnung: ein geeignetes System für komplex entwickelte Gesellschaften
Ergebnis bleibt offen
konstruierte Ordnung: ein geeignetes System für einfachen Gesellschaften
Wichtige spezielle Axiome der Theorie (Menschenbild)
- Das Wissen der einzelnen Menschen ist unabänderbar begrenzt.
- Der entscheidende Antrieb zum Handeln ist der Eigennutz.
- Die Freiheit des Individuums ist nicht antastbar.
- Es gilt das unantastbare Recht auf privates Eigentum
- Jeder Mensch trägt für das Gelingen seines Lebens die alleinige Verantwortung
- Soziale Fähigkeiten und Bedürfnisse werden in dem evolutionären Prozess kaum berücksichtigt
Neoliberalismus
Neoliberalismus
Wirtschaftliches Handeln hat in dieser Theorie nichts mit zwischenmenschlichen Kontakten zu tun, sondern nur mit Vorgängen auf anonymen Märkten
Menschen stehen auf diesem Markt nicht mit Menschen sondern mit Waren und Gütern in Beziehung
Alles Soziale
Wirtschaft
Wirtschaft
Die Rolle des Staates:
Der Staat bringt selbst bei besten Absichten nur ein Versagen des Marktes hervor, da er ja gerade zielgerichtet in den Markt eingreift.
Neoliberalismus
Minimalstaat: in Frage der Daseinsfürsorge , der sozialen Sicherheit, etc.
starker Staat: Durchsetzung und Sicherung der marktwirtschaftlichen Ordnung (= der zentrale Mechanismus zur Schaffung eines evolutionären Prozesses)
Ethische Aspekte: z.B: Soziale Gerechtigkeit
Gerechtigkeit bedeutet die Herstellung einer Verfahrensgerechtigkeit (Spielregeln des Marktes)
soziale Gerechtigkeit: Forderung ist innerhalb dieses Systems absurd, da sie
ja das Ergebnis vorgibt, das sich letztendlich als Ergebnis der spontanen Ordnung ergibt.
.
Neoliberalismus
Ethische Aspekte: z.B: Soziale Gerechtigkeit
Löhne sind Preise
Anreize , was Menschen tun sollen. kein Instrument der Einkommensverteilung
Neoliberalismus
Ethische Aspekte: z.B: Soziale Gerechtigkeit
„ Was ist soziale Gerechtigkeit? … Gerechtigkeit ist sehr wichtig, aber sie besteht aus Verhaltensregeln für den einzelnen.Man kann sich gerecht oder ungerecht verhalten. Aber
Dinge wie die Verteilung der Einkommen können durch keine Verhaltensregel für das Individuum gelenkt werden. Es ist genauso unsinnig, jemanden für die Einkommensverteilung verantwortlich zu machen wie jemanden für den
Gesundheitszustand der Leute oder für ihre Dummheit oder den Mangel an Schönheit verantwortlich zu machen.. Wir verdanken unseren Reichtum einem Preissystem, das den
Menschen sagt, was sie tun sollen. Und diese Preise sind die Quellen der Einkommen. Preise aber, die den Menschen sagen, was sie tun sollen, können nicht mit irgendwelchen
Verdiensten zusammenhängen. Sie müssen unterschiedlich sein. Wir haben entdeckt, dass die beste Methode zur Erledigung unserer Angelegenheiten die Teilnahme an einem Spiel ist, das teilweise aus glück, teilwiese aus Geschicklichkeit besteht.. Wenn wir aber
das speil akzeptiert haben, weil es effizient ist, könne wir hinterher nicht sagen, seine Ergebnisse seien ungerecht. Solange niemand betrügt, gibt es in diesem spiel nichts
ungerechtes. Auch dann nicht, wenn man in diesem Spiel verliert. (Hayek , Interview 1969 )
Neoliberalismus
Ethische Aspekte: (Zusammenfassung)
Das Verfolgen positiver kollektiver Ziele (z.B. Vollbeschäftigung, soziale Gerechtigkeit) gilt als gegen den Zivilisationsprozess gerichteter Konstruktivismus.
Neoliberalismus
Der Mensch ist gezwungen sich der spontanen Ordnung für die Dauer seines Lebens anzupassen.
Ethische Aspekte: (Zusammenfassung)
Der Kapitalismus muss sich nicht an seinen Versprechungen messen lassen, sondern gilt als etwas nicht-Perfektes – aber für
den Menschen zur Zeit real Machbare.
Neoliberalismus
Das Ziel der allgemeinen Wohlfahrt hat seine Berechtigung verloren.
Die Leistungsfähigkeit des Marktes lässt sich nicht länger empirisch überprüfen.
( Er ist ja „ nur“ ein Instrument für den evolutorischen Prozess
Exkurs: Ökonomischer Imperialismus
ein gewollter Folge des neoliberalen Verständnisses.
Neoliberalismus
Das Ordnungsprinzip der spontanen Ordnung (kulturelle Evolution) wird von der Ökonomie auf alle gesellschaftlichen
Bereich übertragen.
Konsequenzen/Kritik
Neoliberalismus = ein Projekt zur Auflösung der politisch organisierten Gesellschaft (mit entsprechenden Zielvorgaben)
Im Zentrum steht statt dessen immer wieder der Markt (= gottähnliche Züge)
Neoliberalismus
Gewalt wird nicht von Personen (einer Regierung, einem Diktator) ausgeübt, sondern in Form sogenannter Sachzwänge über den Markt
(anonym) (strukturelle Gewalt)
Dahinterliegende Partikularinteressen der Mächtigen können hiermit elegant verdeckt bzw. legitimiert werden.
Individualismus – Freiheit
wahrer Individualismus:
- Erkenntnis der Begrenztheit- gehorcht den Regeln des Marktes (spontane Ordnung)
falscher Individualismus:
- überschätzt die Bedeutung der Vernunft (Hybris)- verfolgt eigene Ziele
- hängt an den Idealen der fr. Revolution
Neoliberalismus
FreiheitDie Einschätzung von Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind (z.B.: ALG II)
„ Solange die Handlung, die seine Schwierigkeit erzeugt hat, nicht bezweckte, ihn zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen zu zwingen, solange die Handlung, die ihn schädigt, nicht ist, ihn in den Dienst eines anderen zu stellen, ist ihre Wirkung auf seine Freiheit keine andere als die einer Naturkatastrophe – eines Feuers oder einer Überschwemmung, die sein Heim zerstören, oder eines Unfalls, der seine Gesundheit schädigt.“ (Hayek, Die Verfassung der Freiheit S.166)
Neoliberalismus
Die religiöse Überhöhung
Friedrich August von Hayek (1899-1992)
The Road to Serfdom (1944)Der Weg zur Knechtschaft
Die Verfassung der Freiheit (1971)
Die religiöse Überhöhung
Unterwerfung unter die unpersönlichen Kräfte des Marktes macht die Entwicklung von Kultur erst möglich.
Die Weigerung sich diesem unterzuordnen ist in die Irre gehender Rationalismus.
Ein Versuch, diese anonymen Kräfte zu beherrschen führt in den Totalitarismus.
Wir müssen uns also unterordnen, wenn wir die Freiheit wollen!
Die religiöse Überhöhung
Kritik (nach Ton Veerkamp) Das Wesen des Liberalismus ist bekennender
Irrationalismus. Begriffe wie Ehrfurcht oder Demut
unterstreichen dies. göttliche Instanz: die unpersönlichen Kräfte
des freien Marktes Während die Liberalen die religiösen Dogmen
entsorgt haben, bleibt der religiöse Unterwerfungscharakter erhalten
Die religiöse Überhöhung
Kritik (nach Ton Veerkamp) Der Neoliberalismus beansprucht die alleinige
Wahrheit. Alternativen werden verteufelt und mit allen
Mitteln bekämpft.
Neoliberalismus und DemokratieWelche Rolle spielt die Demokratie, wenn die
Herrschaft allein den unpersönlichen Kräften des freien Marktes zusteht, (und somit nicht dem Volk) ?
Neoliberalismus und DemokratieÜberlegung:
Der freie Markt allein soll die Freiheit des (besitzenden) Individuums garantieren.
„Sachzwänge“ des Systems gelten nicht als Freiheitseinschränkung
Die Unterwerfung unter die „unpersönlichen Kräfte des Marktes“ führt zu dieser Freiheit.
Neoliberalismus und DemokratieThesen:
Die neoliberale Gesellschaftsordnung benötigt keine Demokratie (im Sinne von „Volksherrschaft“, dessen Souverän das Volk ist) !
Eine Regierung oder ein Parlament, das sich nicht dem freien Markt unterwirft, stellt eher ein Problem dar!
Neoliberalismus und Demokratie Beispiele für reale Experimente:
- 70er Jahre: Chile. Putsch des Militärs unter General Augusto Pinochet (11. September 1973). Ermordung* des sozialistischen chilenischen Präsidenten Salvador Allende.
Politisch: Militärdiktatur. Errichtung von Konzentrationslagern, Folter, systematische Ermordung Oppositioneller, viele ”Verschwundene”.
Wirtschaftlich nach anfänglichem Zögern: Einführung des neoliberalen Systems mit Hilfe der Chigago Boys (Chicagoer Schule) und Beratung durch Milton Friedman
Neoliberalismus und Demokratie
Neoliberalismus und Demokratie reale Experimente:
- 80er Jahre, Großbritannien
Politisch: Parlamentarische Demokratie. Premierministerin Margaret Thatcher (1979-1990), Konzept des „popular capitalism“
Wirtschaftlich: Abbau des Sozialstaats, Privatisierung von Staatsbetrieben, Deregulierungf der Finanzmärkte, Ausgabe von Volksaktien (Beginn mit der British Petroleum 1979 – 1987, British Telecom 1982, British Airways 1. Mai 1984, Wasserwerke, nach Thatcher: British Rail 1994-97), Entmachtung der Gewerkschaften
→ Filmausschnitte
Neoliberalismus und Demokratie
weitere reale Experimente: 80er-Jahre: USA unter Ronald Reagan
(„Reaganomics“) Seither breitet sich neoliberale Politik über
den gesamten Erdball aus. In Deutschland 1998 bis 2005 große
Fortschritte in diese Richtung unter Gerhard Schröder (rot-grüne Koalition), heute unter Angela Merkel (schwarz-gelben Koalition) weiterer Verschärfung dieser Politik.
Der Begriff
Wirtschaftprogramm des Marktradikalismus:
Liberalisierung Deregulierung Privatisierung
Gesellschaftsprogramm:
Eigenverantwortung: Jedes Individuum sorgt für sich
Konkurrenz der Individuen – nicht Solidarität!
Thatcher: „There is no such thing as society“.
Neoliberalismus und Demokratie
Politisches Programm des NL: Kampf gegen den Kommunismus und
Sozialismus (Thatcher: ”Rolling back the frontiers of the state / of socialism”)
Vollständige Privatisierung des Gemeinbesitzes
Entmachtung und Abschaffung der Gewerkschaften
Neoliberalismus und Demokratie
Politisches Programm des NL: Freies Unternehmertum Machtausübung primär durch Besitzende
(=Leistungsträger der Gesellschaft!)(Immobilien, Grund und Boden, Produktionsmittel)
Entmachtung des Staates, Unterordnung der Parlamente
Neoliberalismus und Demokratie
Thesen: Die Demokratie wird als Legitimationsinstrument
geduldet, solange die Parlamente „vernünftige“ (!) Entscheidungen treffen. (Vernünftig = Unterordnung unter den freien Markt!)
Handeln die Parlamente „unvernünftig“, versucht es, über die Parlamente die Wirtschaft zu lenken oder auch nur soziale Gleichheit herzustellen, muss dies bekämpft werden – sei es durch rohe Gewalt. (Pinochet: "Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden") sei es durch Lobbyarbeit.
Neoliberalismus und Demokratie
Aktuell:
Auch die Tea-Party-Bewegung setzt auf Hayek.
The Road To Serfdom ist wieder in den Beststellerlisten (Amazon Rang 58)
Neoliberalismus und Demokratie
Neoliberalismus und Demokratie Thesen:
Der Neoliberalismus beschränkt damit die Handlungsspielräume des Einzelnen. Er bedeutet einen Verlust der Freiheit, nicht ihren Gewinn!
Der Markt durchdringt jeden Winkel unseres Lebens und beherrscht uns. Kein Bereich des Zusammenlebens ist vor dem Konkurrenzprinzip sicher, kein Quadratzentimeter der Welt, der nicht privatisiert und damit der Gewinnabschöpfung zugunsten einzelner zugeführt wird.
Neoliberalismus und Demokratie
Thesen:
...
Die angebliche Verhinderung des Totalitarismus durch die Unterordnung unter den freien Markt führt geradezu in die Entmündigung und Entdemokratisierung und in einen Markt-Totalitarismus!
– Ende -