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Bioinspirierte Synthese keramischer Materialien
Bio-inspired synthesis of ceramic materials
Bill, Joachim; Aldinger, Fritz
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Standort Stuttgart, Stuttgart
Korrespondierender Autor/in
E-Mail: aldinger@mf.mpg.de
Zusammenfassung
Die Prozesse der Biomineralisation führten im Laufe der Evolution zu multifunktionellen Biomineralien, die
prinzipiell anorganisch/organische Verbundmaterialien mit einem z. T. äußerst komplexen Aufbau darstellen.
Dabei erfolgt die Bildung der anorganischen Anteile in wässriger Lösung bei Umgebungsbedingungen und wird
durch biopolymere Template gesteuert. Die Nachahmung der dabei ablaufenden material- und
strukturbildenden Prozesse und deren Übertragung auf technisch relevante Materialien ist Gegenstand der
bioinspirierten Materialsynthese. Inzwischen wurden auf diese Weise erfolgreich dünne Schichten und
Schichtverbundwerkstoffe aus Keramiken und Polymeren synthetisiert. Zudem konnten Strukturen generiert
werden, die Vorbildern in der belebten Natur morphologisch ähnlich sind.
Summary
The evolution-optimized processes of biomineralization lead to the formation of multifunctional biominerals,
that can be considered to be inorganic/organic composite materials with a complex structure. The formation of
these solids occurs in aqueous solution at ambient conditions and involves biopolymeric templates that control
the mineralization of the inorganic components. Bio-inspired material synthesis aims to imitate such principles
by technical means. In the meantime thin films as well as multilayer composites made of ceramics and
polymers were prepared successfully. Moreover, morphologies, that are similar to structures found within living
nature, have been created.
Für die Erzeugung keramischer Materialien haben sich u. a. pulvertechnologische Prozesse, die
Festphasenthermolyse präkeramischer Polymere, Sol-Gel-Prozesse mit anschließender Calcinierung sowie
CVD-Prozesse etabliert. Solche Verfahren sind mit nicht unerheblichem verfahrenstechnischen Aufwand sowie
erhöhten Prozesstemperaturen (Brennen, Sintern) verbunden. Neben hohen Kosten ergeben sich hierdurch
häufig technische Einschränkungen, die beispielsweise beim Aufbringen von keramischen Schutzschichten auf
temperaturempfindliche Werkstoffe (z. B. Kunststoffe) oder bei der Integration von Materialien mit
verschiedenem thermischem Ausdehnungskoeffizienten und damit unterschiedlichem Schrumpfungsverhalten
zu Tage treten. Demzufolge ist auch die Bildung komplexer, multifunktioneller Strukturen erschwert oder gar
unmöglich.
Daher ist die Suche nach möglichst einfachen Verfahren der Materialsynthese derzeit von großem Interesse.
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Für die Bildung von komplex strukturierten Materialien bei Umgebungsbedingungen liefert die belebte Natur
eindrucksvolle Beispiele. So führen die Prozesse der Biomineralisation zu hochkomplexen und
multifunktionellen Materialien, welche sich mittels den o. g. Herstellungswegen nicht erhalten lassen. Einige
Beispiele sind in Abbildung 1 gezeigt.
Beispiele für Biomineralien.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Neben Knochen, Zähnen und Vogeleiern sind es vor allem Muschelschalen und Schneckengehäuse, die auf
evolutionsoptimierten leistungsfähigen Werkstoffkonzepten basieren. Faszinierend hierbei ist auch, dass die –
letztlich genetisch determinierte – Phasenbildung gezielt zur Generierung von amorphen, poly- oder
einkristallinen Materialien führt. Dementsprechend kann die Natur ein Vorbild für die Technik werden, um
neuartige Materialien und komplexe Bauteilformen unter vergleichsweise einfachen Bedingungen herzustellen.
Die natürlichen Bildungsprozesse von Biomineralien sind bis zum jetzigen Zeitpunkt noch immer nicht
vollständig verstanden. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand lässt sich die Bildung von Biomineralien prinzipiell
in vier Stufen einteilen, die die supramolekulare Organisation von Biomolekülen (Aufbau einer reaktiven
Umgebung), die molekulare Grenzflächenerkennung (kontrollierte Bildung anorganischer Keime), die vektorielle
Regulierung (Wachstum und Terminierung der Keime) und schließlich den zellularen Aufbau (Bildung
hierarchischer Strukturen) beinhalten.
Biomolekulare Grenzflächen spielen demnach bei der Mineralisation eine entscheidende Rolle. Dabei wirken
funktionelle Gruppen an der Oberfläche dieser organischen Template gleichsam wie Schablonen für die Bildung
anorganischer Phasen.
Die evolutionäre Optimierung der Biomineralisation führte zu einer Auswahl ganz bestimmter Biomoleküle,
welche zur Steuerung der Mineralisation anorganischer Phasen besonders geeignet sind. In Bezug auf die
Ausbildung der anorganischen Phasen bewirkte die Evolution ebenfalls die Selektion einer relativ geringen
Anzahl von Elementen, wie Ca, Mg, Fe, Si, Ba oder Sr, die in der belebten Natur bevorzugt als Oxide,
Carbonate, Phosphate, Oxalate, Sulfate oder Sulfide vorliegen. Leider hat die belebte Natur für viele der
technisch relevanten Elemente bzw. Verbindungen, wie z. B. die Oxide der Übergangsmetalle Zirkonium, Titan
oder Zink sowie weitere keramische Werkstoffe, keine probaten Konzepte entwickelt. Bekanntermaßen
eröffnet jedoch gerade die Werkstoffklasse der keramischen Materialien aufgrund ihrer herausragenden
mechanischen, elektrischen und optischen Gebrauchseigenschaften eine Vielzahl von
Anwendungsmöglichkeiten. Die Suche nach neuen Wegen der Erzeugung solcher Materialien unter
Berücksichtigung der o. g. Prinzipien erscheint daher reizvoll. An dieser Stelle setzen nun bioinspirierte
Verfahren der Materialsynthese an, welche die Steuerung von Bildungsprozessen anorganischer Phasen durch
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organische Template verfolgen. Eine Forschergruppe befasst sich inzwischen seit rund zehn Jahren mit diesem
Thema und stellt damit einen Vorreiter für die biologisch orientierte Forschung am Max-Planck-Institut für
Metallforschung dar. Erste Versuche erfolgten in einer Zusammenarbeit mit Mark De Guire aus der Gruppe
unseres Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglieds Arthur Heuer (Cleveland) und betrafen die
Oberflächenmodifikation von Substraten mit organischen Molekülen, die geeignet sind, eine Abscheidung von
Oxidschichten aus wässrigen Medien auszulösen. Inzwischen haben wir drei Symposien auf Schloss Ringberg
in den Jahren 1996, 2002 und 2004 organisiert, an denen die weltweit führenden Wissenschaftler
teilgenommen haben. Bei den laufenden Arbeiten geht es weniger darum, in der Natur vorkommende
Biomineralien als solche im Labor zu synthetisieren. Vielmehr wird die Übertragung von biologischen Prinzipien
auf die Generierung von neuen komplex-strukturierten und multifunktionellen keramischen Materialien verfolgt.
Das prinzipielle Verfahrensschema ist in Abbildung 2 gezeigt.
Schema der bioinspirierten Generierung keramischerMaterialien.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Dabei wird zunächst die Oberfläche eines Substrats mit einem organischen Templat modifiziert. Die
anschließende Abscheidung des keramischen Materials erfolgt dann in einer wässrigen Salzlösung. Als
Template bieten sich sehr unterschiedliche Moleküle und Konzepte an. Zu Beginn waren es organische
Monoschichten, später kamen synthetische Polymere hinzu und heute sind hierfür insbesondere Biomoleküle
(Abb. 3) von besonderem Interesse, da mit diesen ein reichhaltiger Baukasten zur gezielten Variation der
Templatstruktur zur Verfügung steht.
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Biomoleküle (Proteine und deren Aminosäure- undPeptidbausteine, Lipide, DNS und Zucker).© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Für die nachfolgende Abscheidung keramischer Materialien auf so funktionalisierten Substraten stehen
prinzipiell zwei Wege zur Verfügung. Einerseits über eine heterogene Keimbildung, d. h., der Schichtaufbau
erfolgt schrittweise, quasi Ion für Ion. Ein orientiertes Schichtwachstum ist ein Indiz für diesen Mechanismus,
was in Abbildung 2 angedeutet ist. Andererseits über eine Kondensation der Metallionen zu kolloidalen
Teilchen in der Lösung. Im Anschluss an diese homogene Keimbildung werden typischerweise polykristalline
Schichten durch die Wechselwirkung der kolloidalen Partikel und der organischen Oberfläche gebildet.
Die Mineralisationsprozesse hängen in jedem Fall auf komplexe Weise von einer Vielzahl von Parametern ab.
Zum detaillierten Verständnis dieser Prozesse sind dementsprechend kombinatorische Ansätze erforderlich,
um Screening sowie anschließende Selektion erfolgreicher Systeme zu ermöglichen und somit gleichsam eine
„künstliche“ Evolution neuer Materialien zu betreiben. Zunächst spielt die Art der eingesetzten Template eine
bedeutende Rolle. So haben sich organische, lipidähnliche Monolagen („Self-Assembled Monolayers“, SAMs)
sowie organische Schichten aus Polyelektrolyten zur Erzeugung von keramischen Materialien auf der Basis von
Zirkonium-, Titan- und Zinkoxid als geeignet erwiesen. In Bezug auf die eingesetzten Lösungen bieten
beispielsweise der pH-Wert, die Elektrolytkonzentration, die Temperatur sowie die Flussrate der
Reaktionslösung Möglichkeiten, die Struktur und -eigenschaften der Abscheidungsprodukte zu kontrollieren.
Eine weitere Variationsmöglichkeit ist die Zugabe von löslichen Additiven (z. B. Komplexbildner oder organische
Polymere), um die Mineralisation direkt in der Lösung zu steuern. Hierfür wurden in neuerer Zeit auch
Aminosäuren und Peptide eingesetzt, wobei überraschenderweise Möglichkeiten zur Ausbildung gezielter
Morphologien der Mineralisationsprodukte gefunden wurden.
Template aus lipidähnlichen Molekülen und Polyelektrolyten
Die als Template verwendeten Monoschichten aus lipidähnlichen Molekülen stellen hochgeordnete Systeme
von dicht gepackten langkettigen Kohlenwasserstoffmolekülen dar, welche an einem Ende mit einer
funktionellen Gruppe kovalent an das Substrat gebunden sind und am anderen Ende eine weitere funktionelle
Gruppe aufweisen, die in die umgebende Lösung hineinragt. In Abbildung 4 ist beispielhaft eine mit Sulfonat-
Gruppen terminierte Monoschicht (Self-assembled Monolayer, SAM) gezeigt, die kovalent mittels einer
Zwischenschicht aus amorphem Siliciumdioxid an ein Siliciumsubstrat gebunden ist.
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Lipidähnliche organische Monoschicht auf einemSiliciumsubstrat, welche die Abscheidung einer ZrO2-Schicht
aus Salzlösungen bewirkt (links). Als Abscheidungsmediumdiente eine wässrige Zirkoniumsulfat-Lösung bei einerTemperatur von 70 °C.Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme undzugehörige Elektronenbeugung der entstandenen Schicht(rechts).© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Dieses Templat eignet sich zur Erzeugung von dichten, d. h. porenfreien Schichten aus Zirkoniumdioxid (ZrO2)
gleichmäßiger Dicke. Dieser keramische Werkstoff stellt beispielsweise aufgrund seiner
Sauerstoffionenleitfähigkeit ein vielversprechendes Basismaterial für die Herstellung von Brennstoffzellen dar.
Auch wird er aufgrund seiner herausragenden thermomechanischen Beständigkeit in Form von
Wärmedämmschichten eingesetzt. Bei der bioinspirierten Abscheidung dieses Materials werden zunächst
kolloidale Partikel in der wässrigen Metallsalz-Lösung gebildet. Gemäß dem pH-Wert der eingesetzten Lösung
und dem isoelektrischen Punkt von Zirkoniumdioxid liegen hierbei positiv geladene Teilchen vor. Außerdem
führt der stark acide Charakter der Sulfonat-Gruppen zu einer deprotonierten negativ geladenen
Substratoberfläche und somit zu anziehenden elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen der organisch
modifizierten Substratoberfläche und den kolloidalen Teilchen, was die Schichtbildung induziert. Außerdem
tragen van der Waals-Kräfte zum Andocken weiterer Teilchen aus der kolloidalen Lösung und damit zum
Schichtwachstum bei. Wie aus der transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahme hervorgeht, entsteht
schließlich eine polykristalline Schicht, die bemerkenswerterweise aus Nanokristallen mit einer Größe im Bereich
von 5 bis 10 nm besteht. Neben dem für das einkristalline Siliciumsubstrat typischen Muster zeigt die
zugehörige Elektronenbeugung die Beugungsringe für die tetragonale Modifikation des Zirkoniumdioxids. In
diesem Zusammenhang ist interessant, dass die monokline Modifikation bei den gewählten Bedingungen
thermodynamisch stabil ist. Hierin zeigt sich ein weiteres wesentliches Merkmal der bioinspirierten
Niedertemperaturverfahren, nämlich die Erzeugung metastabiler Phasen.
Wie aus Abbildung 4 hervorgeht, eignet sich das Verfahren vorzüglich für die Herstellung extrem dünner
Schichten. Die Erzeugung dickerer Schichten ist aufgrund der Abnahme der Metallsalz-Konzentration in der
Lösung mit zunehmender Abscheidungszeit zunächst limitiert. Jedoch lässt sich die Schichtdicke durch eine
kontinuierliche Erneuerung der Reaktionslösung deutlich erhöhen. Mit diesem Verfahren lassen sich
Alterungserscheinungen in der Lösung und eine damit verbundene Agglomeratbildung unterdrücken, wodurch
die Entstehung von Inhomogenitäten bei der Schichtbildung vermieden wird. Die Variation der Schichtdicke
wird in Abbildung 5 anhand verschiedenfarbig interferierender Titandioxid-Schichten dokumentiert, welche sich
beispielsweise für die Erzeugung von selbstreinigenden Oberflächen oder kratzfesten Beschichtungen
anbieten.
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Titandioxid-Schichten auf Siliciumsubstraten. Dieverschiedenen Interferenzfarben gehen auf unterschiedlicheSchichtdicken zurück, die im Bereich von 180 bis 350 nmliegen. Die Abscheidung erfolgte aus einer wässrigen Lösungeines Titan-Peroxokomplexes bei 60 °C.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Im Gegensatz zu der Abscheidung von Zirkoniumdioxid sind hierfür aufgrund der ausgeprägten
Präzipitationsneigung des Titandioxids aus Salzlösungen stark saure Medien notwendig. Beispielsweise
erfordert die Schichtabscheidung aus Titantetrachlorid-Lösungen eine sehr hohe Salzsäurekonzentration von 6
mol/l, was die Anwendbarkeit des Verfahrens in Bezug auf die Substratwahl zunächst stark einschränkt. Die
Zugabe von Komplexbildnern ermöglicht jedoch moderatere Bedingungen. So lassen sich die in Abbildung 5
gezeigten TiO2-Schichten aus Lösungen erhalten, die einen Peroxokomplex des Titans enthalten. In diesem
Fall sind bereits Säurekonzentrationen im Bereich zwischen 0,1 und 0,2 mol/l zur Bildung homogener Filme
hinreichend. Diese Möglichkeit zur Kontrolle des für die Abscheidung erforderlichen pH-Wertes durch solche
Komplexbildner ermöglicht auch die Codeposition von Oxiden verschiedener Elemente, welche in der Regel bei
unterschiedlichen, für das jeweilige Oxid spezifischen Säurekonzentration erfolgt. So konnten Schichten aus
den Oxiden des Titans und Vanadiums (TiO2/V2O5) abgeschieden werden, welche beispielsweise für
katalytische Anwendungen interessant sind, etwa zum Abbau von schädlichen Stickoxiden in Abgasen.
Durch die Wahl geeigneter Versuchsbedingungen ermöglicht dieses Niedertemperaturverfahren gemäß den
dargelegten Befunden auch die Beschichtung von thermisch oder chemisch labilen Materialien, z. B. zum Schutz
von Kunststoffen vor ultravioletter Strahlung. So konnten unlängst erfolgreich Titandioxid-Schichten auf den
Kunststoff Polyethylenterephthalat abgeschieden werden. Neben massiven Polymersubstraten können zur
Abscheidung auch dünne Schichten aus Polymeren eingesetzt werden. Über diesen Weg lassen sich
organisch/anorganische Vielschichtsysteme erhalten, indem Schichten aus den organischen Polymeren bzw.
den anorganischen Komponenten sukzessive abgeschieden werden (Abb. 6).
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Bioinspirierte Materialien: Oben: Mehrschichtsystem aus TiO2
und Polyelektrolyten (PE). Die organischen Polyelektrolyt-Schichten wurden nach weitgehend automatisierten Prozessendurch abwechselndes Aufbringen von Polykationen und -anionen erzeugt. Als Polyanion diente Polystyrolsulfonat(PSS), als Polykation Polyethylenimin (PEI) sowiePolyallylaminhydrochlorid (PAH). Die Polyelektrolyt-Schichtenweisen eine Zusammensetzung (PEI/PSS)1(PAH/PSS)5 und
eine Dicke von etwa 10 nm auf. Unten: Perlmuttstruktur einerMuschel (Auster).© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Als Vorbild für solche mehrlagigen Schichtsysteme dient der Aufbau der Perlmutt-Struktur einer Austernschale.
Diese konstituiert sich aus Calciumcarbonat-Platten, zwischen denen organische, proteinbasierte Moleküle
eingelagert sind. Bemerkenswerterweise besitzen diese Architekturen gegenüber dem rein anorganischen
Mineral eine erhöhte mechanische Festigkeit und Zähigkeit. Dementsprechend werden derzeit die aus
Titandioxid und organischen Polymeren bestehenden bioinspirierten Materialien im Hinblick auf deren
mechanische Eigenschaften, etwa zur Erzeugung kratzfester Beschichtungen, getestet.
Attraktiv erscheint auch die Abscheidung von zinkoxidbasierten Materialien, welche sich beispielsweise als
Leuchtstoffe für den Bau von Displays oder als Elektrodenmaterial für Solarzellen anbieten. Die Abscheidung
von miniaturisierten Komponenten aus ZnO mittels wässriger Salzlösungen ist jedoch aufgrund der Tendenz
zum Wachstum von stängelförmigen, mikrometergroßen Zinkoxid-Kristallen in der Lösung problematisch (Abb.
7, links).
Stängelförmige Zinkoxid-Kristalle, die während derMineralisation in wässrigen Zinksalzlösungen gebildet werden(links). Zinkoxid-Schicht, abgeschieden auf einSiliciumsubstrat, das zuvor mit einer Sulfonat-terminiertenSAM modifiziert wurde (rechts). Die Schichtbildung wurde durchden Zusatz von den in Abbildung 8 gezeigten wasserlöslichenPolymeren kontrolliert.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
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Durch die Zugabe von löslichen Polymeren zur Reaktionslösung kann das anisotrope Teilchenwachstum
unterbunden werden. Dabei lagern sich die Polymermoleküle an die zunächst gebildeten Nanopartikel aus
Zinkoxid an und verhindern so deren weiteres Wachstum (Abb. 8).
Schematische Darstellung der Bildung von ZnO-Schichtendurch die Mineralisation aus wässriger Lösung.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Durch die elektrostatische Wechselwirkung der gebildeten ZnO/Polymer-Hybride mit der Substratoberfläche
wird die Schichtbildung induziert. Dabei lassen sich durch die Einstellung der Partikelladung und der Polarität
der Substratoberfläche gezielt dünne Schichten abscheiden. So liegen in Gegenwart des Polymers PMAA-g-PEO
negativ geladene Hybridpartikel vor, wozu die Dissoziation der funktionellen –COOH-Gruppen unter der
Bildung von Carboxylat-Gruppen (-COO-) beiträgt. Demgemäß erfolgt die Schichtbildung in diesem Fall
bevorzugt auf Substraten, deren Oberfläche durch SAMs mit neutralen bis positiv geladenen funktionellen
Kopfgruppen modifiziert ist. Negative Gruppen wie Sulfonat-Einheiten führen nicht zur Bildung homogener
Schichten. Dagegen wird bei der Zugabe des Polymers PVP insbesondere auf Sulfonat-terminierten SAMs eine
Abscheidung beobachtet.
Diese Verhältnisse lassen sich auch zur lateralen Strukturierung von Zinkoxid-Schichten verwenden. Eine
solche Struktur ist in Abbildung 9 (links) gezeigt. Diese Struktur weist lumineszierende Eigenschaften auf
(Abb. 9, rechts).
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Links: Lateral strukturierte ZnO-Schicht. Die Abscheidungerfolgte aus einer Zinksalzlösung in der Gegenwart desPolymers PVP auf eine mit Sulfonat-Gruppen terminierte SAM.Auf den Bereichen des Siliciumsubstrates ohne SAM erfolgtkeine Schichtbildung. Rechts: ZugehörigesLumineszenzspektrum.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Mineralisation in der Gegenwart von Aminosäuren und Peptiden
Zur Kontrolle von Mineralisationsvorgängen in Metallsalzlösungen lassen sich auch Aminosäuren und Peptide
einsetzen. Die Wechselwirkung von Zinkionen mit Biomolekülen ist in der belebten Natur weit verbreitet. So
liegt im sog. Zinkfinger, einem DNS-bindenden Protein, eine Wechselwirkung zwischen Zinkionen und den
Aminosäurebausteinen Histidin und Cystein vor. Diese Wechselwirkung lässt sich ausnutzen, um in
bioinspirierter Weise dünne Schichten auf der Basis von Zinkoxid herzustellen, wobei durch diese
Wechselwirkung die gleiche Wirkung erzielt werden kann wie mit den o. g. synthetisch erzeugten
Makromolekülen. Wie aus Abbildung 10 hervorgeht, lassen sich in der Gegenwart von Histidin (His) oder des
Dipeptids, welches sich aus den Aminosäurebausteinen Glycin (Gly) und Histidin aufbaut, homogene Schichten
erhalten, wobei die in Abbildung 7 (links) gezeigten stängelförmigen Kristalle nicht auftreten.
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Steuerung der Morphologie der Abscheidungsproduktewährend der Mineralisation in wässriger Zinksalzlösung durchdie Anwesenheit der Aminosäuren Citrullin (Cit), Histidin (His),Prolin (Pro) und Arginin (Arg) sowie von Dipeptiden, die ausden Aminosäurebausteinen Glycin und Glutamin (Gly-Gln),Glycin und Histidin (Gly-His) Glycin und Glutaminsäure (Gly-Glu) bzw. Tryptophan und Glycin (Trp-Gly) bestehen. DieAbscheidung erfolgte im Temperaturbereich zwischen 60 und70 °C auf ein Siliciumsubstrat, das mit demPolyelektrolytsystem (PEI/PSS)(PAH/PSS)7 modifiziert war.
© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Weitere Untersuchungen zeigen, dass sich die Morphogenese durch die Gegenwart von Aminosäuren und
Peptiden bei der Mineralisation beeinflussen lässt. Je nach Art der Biomoleküle entstehen außer Schichten
auch korn-, stängel- sowie schwammartige Morphologien. So führt die Mineralisation in Gegenwart der
Aminosäure Arginin (Arg) zu einem plattenförmigen Aufbau. Wird dagegen beispielsweise ein Peptid aus den
Aminosäurebausteinen Tryptophan und Glycin (Trp-Gly) eingesetzt, bilden sich schwammartige Strukturen.
Zu solchen Architekturen finden sich Analoga in der belebten Natur. Der plattenförmige Aufbau ist typisch für
die bereits in Abbildung 6 (unten) gezeigte Perlmuttstruktur. Die erhaltenen schwammartigen Morphologien,
die eine Mikro- und Nanostruktur in sich vereinigen (Abb. 11, links), finden sich auch auf der aus organischem
Material bestehenden Oberfläche von Blättern der Taro- oder Lotus-Pflanze (Abb. 11, rechts).
Links: Bioinspirierte Struktur, die durchMineralisationsprozesse bei 60 °C in zinksalzhaltiger Lösungin Gegenwart des Dipeptids Trp-Gly erhalten wurde. Rechts:Biomaterial mit morphologischen Analogien zu dem linksgezeigten Material: Oberflächenstruktur der Taropflanze(Colocasia esculenta).© Max-Planck-Institut für Metallforschung (links) / W.Barthlott, C. Neinhuis, Planta 202 (1997) 1 (rechts)
Diese Analogien können bei den bioinspirierten Materialien zu Eigenschaften führen, die denen der
Biomaterialien entsprechen. So zeigen die synthetisch erzeugten Schwammstrukturen ein stark Wasser
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abweisendes Verhalten (Abb. 12), welches auch für die Oberfläche der Taro- oder Lotus-Pflanze typisch ist
(„Lotus-Effekt“).
Bioinspirierte neue Materialien mit Wasser abweisenderOberfläche. Die Oberfläche wurde durch das Aufbringen der inAbbildung 11 (links) gezeigten Schwammstrukturen erzeugt.
Das Substrat weist eine Fläche von 1 x 1 cm2 auf.© Max-Planck-Institut für Metallforschung
Schlussbemerkung
Die aufgezeigten Beispiele verdeutlichen, dass die von Organismen in der belebten Natur bekannten Vorgänge
zur Bildung anorganischer Bestandteile auf die Herstellung technisch interessanter Materialien übertragen
werden können. Auch wenn die Rolle der biologischen Template bei der Biomineralisation im Einzelnen noch
relativ wenig bekannt ist, ist das Konzept der Steuerung der Abscheidung von Ionen und
Oberflächenladungen aufweisenden kolloidalen Teilchen aus wässrigen Lösungen mittels künstlicher
organischer Template und Biomoleküle inzwischen sehr erfolgreich. Aus technischer Sicht ist besonders
hervorzuheben, dass bei der Abscheidung keramische Schichten gebildet werden, die dicht, d. h. porenfrei
sind. Die Materialbildung erfolgt nahezu bei Umgebungsbedingungen bezüglich Temperatur bzw. Druck und
sogar in wässrigen Medien, was eine enorme Vereinfachung der Herstellung keramischer Bauteile darstellt.
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