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Beschränkte Ausschreibungen, Freihändige Vergabe
und regionaler Bezug?
Kommunale Vergabe – aber richtig
HWK Frankfurt-Rhein-Main und
Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V.
Frankfurt, den 11. Oktober 2012
B r i g i t t a T r u t z e l , G e s c h ä f t s f ü h r e r i n
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Brief aus dem Jahre 1737 von Vauban (Marschall und Oberster Festungsbaumeister Ludwig XIV) an Louvois
(Generalintendant des Bauwesens, Kriegsminister und Schöpfer der Vergabeordnung unter Ludwig XIV)
Es gibt einige Restarbeiten der letzten Jahre, die nicht fertig sind und die nicht fertig werden, und das alles
Durchlaucht, wegen der Verwirrung, die die häufigen Rabatte verursachen, die es bei Ihren Bauvorhaben gibt,
denn es ist sicher, dass das Zurücknehmen von Vergaben, Wortbrüche und Neuausschreibungen nur dazu
dienen, schlechte Unternehmer anzuziehen, die nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht, Schurken und
Nichtskönner, und somit all jene verscheucht werden, die das Zeug haben, ein Unternehmen zu führen. Ich sage
darüber hinaus, dass Sie die Vorhaben beträchtlich verzögern und verteuern, was um so schlimmer ist, als die
so sehr gesuchten Rabatte und Billigpreise nur scheinbar sind, zumal ein Unternehmer, der verliert, wie ein
Ertrinkender nach allem greift, was sich bietet. Er wird alles einem Unternehmer mögliche tun, als da ist, die
Händler, von denen er das Material nimmt, nicht zu bezahlen, seine Arbeiter schlecht zu entlohnen, zu
übertölpeln wen er nur kann, nur die Schlechtesten zu haben, weil sie billiger sind als die anderen, nur das
schlechteste Material zu verwenden, zu streiten über alles und ewig um Erbarmen zu schreien gegen diesen und
jenen.
Das dürfte genügen, Durchlaucht, Ihnen die Unvollkommenheit solchen Gebahrens aufzuzeigen. Trennen Sie
sich davon und im Namen Gottes stellen Sie den guten Glauben wieder her, zahlen Sie den Preis des Werkes
und verweigern Sie einem Unternehmer, der seine Aufgabe erfüllte, nicht den ehrlichen Lohn, das wird immer
den besten Handel geben, den Sie finden können.
Vauban
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Wer ist die Auftragsberatungsstelle Hessen?
Die Auftragsberatungsstelle Hessen e. V. ist eine Gemeinschaftseinrichtung hessischer
Kammern: 10 Industrie- und Handelskammern, 3 Handwerkskammern, Ingenieurkammer und
Architekten- und Stadtplanerkammer und dem Hessischen Wirtschaftsministerium
Aufgaben der Auftragsberatungsstelle Hessen
Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) 2007
seit Nov. 2007 Pflichtbekanntmachungsorgan für alle hessischen Beschaffungsstellen
elektronische Vergabeplattform eHAD 2009
Hessisches Präqualifikationsregisters (HPQR) 2008 – VOB-VOL-VOF
Zertifizierung auftragsunabhängiger Eignungskriterien und Ausbau der Datenbank
PQ-VOL 2009
bundesweites Präqualifikationsregister für Dienst- und Lieferleistungen
Beratung der in Hessen ansässigen Firmen und öffentlichen Auftraggeber
Benennung fachkundiger, leistungsfähiger und zuverlässiger Unternehmen
Bereithaltung der wichtigsten Erlasse, Bestimmungen und Informationen
zum öffentlichen Auftragswesen unter www.had.de
Seminare unter www.absthessen.de
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ABSt Hessen e.V.
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Zulässige Steuerungsinstrumente
zur Auftragsvergabe an die heimische Wirtschaft
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I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
Anwendbarkeit der Beschränkten Ausschreibung und Freihändigen Vergabe
Flexibilität bei Verfahrensarten
Abweichungen von der VOB/A durch Freigrenzen
Barkauf
II. Interessenbekundungsverfahren (IB)
III. Angebotswertung nach dem Prinzip des wirtschaftlichsten Angebots
Wertungsstufen
Zuschlagskriterien wie Reaktionsgeschwindigkeit
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I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
nationale Verfahren nach VOB/A
unterhalb der Schwellenwerte
Öffentliche Ausschreibung
Beschränkte Ausschreibung mit oder
ohne TW
Freihändige Vergabe
mit oder ohne TW
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Arten der Vergabe:
TW: Teilnahmewettbewerb
In Hessen: Interessenbekundung
mit anschließender
Beschränkter Ausschreibung
Freihändiger Vergabe
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Bewerbung: TW oder IB
Freihändige Vergabe/Verhandlungsverfahren:
Ermessen des Auftraggebers
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Bieterauswahl
Aufforderung zur Angebotsabgabe
Bieterfragen/
Angebotsabgabe
Nichtöffentliche Angebotsöffnung
Angebotswertung • Form – Eignung – Preise -Zuschlagskriterien
Zuschlagserteilung
Verhandlung mit Änderung der Leistung
ohne Verhandlung ohne Änderung der
Leistung/Preis
Angebots-
frist
I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben? I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
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Durchbrechung durch Auftragswerte in der VOB/A/1 2009
und Durchbrechung durch „große Freigrenzen“ in Landesregelungen
wie Hessischen Vergabeerlass [2.1.1.]
In jedem Bundesland gibt es abweichende Freigrenzen (geregelt in
Landesgesetzen oder Landeserlassen)
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I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben? I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
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VOB/A unterhalb der Schwellenwerte:
Freihändige Vergabe bspw.
Nur ein Unternehmer kommt in Betracht
Dringlichkeit
Leistungen bis 10.000 € netto Auftragswert
Beschränkte Ausschreibung bei Leistungen bis:
Kein annehmbares Ergebnis einer Öffentlichen Ausschreibung
Unzweckmäßigkeit der Öffentlichen Ausschreibung
50.000 € für Ausbaugewerke (ohne Energie- und Gebäudetechnik),
Landschaftsbau, Straßenausstattung
150.000 € Tief-, Verkehrswege-, Ingenieurbau
100.000 € alle übrigen Gewerke
I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben? I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
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Vergabeart
VOB
je Fachlos
Direkt- / Barkauf bis 7.500 EUR/Auftrag
ohne förmliche Vergleichsangebote
aber Preiseinzugsverfahren - Wirtschaftlichkeit – Sparsamkeit zu beachten -
Freihändige Vergabe Empfehlung
bis 100.000 € *
Beschränkte Ausschreibung Empfehlung
bis 1.000.000 €*
Öffentliche Ausschreibung bis 5 Mio. € *
= Schwellenwert für
EU- Verfahren 9
Befristet bis
31.12.2012
*(netto)
Hessischer Vergabeerlass 2012
Es gelten weiterhin die „Große Freigrenzen“
I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben? I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
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DVA: Fachlos (Gewerk)
„2.1. Welche Leistungen zu einem Fachlos gehören, bestimmt sich nach
den gewerberechtlichen Vorschriften und der allgemein oder regional üblichen
Abgrenzung. In einem Fachlos werden jene Bauarbeiten zusammengefasst,
die von einem baugewerblichen bzw. einem maschinen- oder
elektrotechnischen Zweig ausgeführt werden, unabhängig davon, in welchen
Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) des Teils C der VOB diese
Arbeiten behandelt werden. Fachlose können regional verschieden sein.
Allgemein ist es z.B. üblich, Erd-, Maurer-, Beton- und Stahlbetonarbeiten zu-
sammen als ein Fachlos zu vergeben, obgleich sie verschiedenen ATV´en
angehören. Die Fachlosvergabe entspricht damit der Struktur der mit der
Erbringung von Bauleistungen befassten Unternehmen.“
http://www.bmvbs.de/-,1532.4158/Deutscher-Vergabe-und-Vertrags.htm
I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben? I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
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Freigrenzen in anderen Bundesländern, Stand März 2012
6 Bundesländer haben die gleiche Regelung wie Hessen
(Brandenburg, Hamburg, NRW, Rh.-Pf., Saarland, S-H.)
2 Bundesländer wie der Bund (= VOB/A)
( Berlin , Sachsen-A,)
3 Bundesländer haben bei der FV zw. 20.000 € und 75.000 €
3 Bundesländer haben bei BA wie VOB/A
2 Bundesländer bei BA weniger als VOB/A
BA = Beschränkte Ausschreibung
FV = Freihändige Vergabe
I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben? I. Freigrenzen
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Verortung des Interessenbekundungsverfahrens
Bauauftrag
Klassischer Auftraggeber Auftrag unterhalb
Schwellenwerte
Auftrag oberhalb
Schwellenwerte
1. Abschnitt VOB/A
Nationale Verfahren
2. Abschnitt VOB/A
Europaweite Verfahren
Interessenbekundung
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I. Freigrenzen nach dem Hessischen Vergabeerlass vom 29.12.2011
Freihändige
Vergabe
Beschränkte
Ausschreibung
II. Interessenbekundung (IB)
Öffentlicher Aufruf zur Teilnahme:
Interessenbekundung (IB)
in der HAD
VOB
Das Ermessen kommt einer
Pflicht gleich, sofern keine
gewichtigen Gründe gegen eine
Bekanntmachung sprechen.
Diese Gründe sind aktenkundig zu
machen
je Auftrag
Ab 250.000 € netto
Mittel der Europäischen Union
fließen ein: ist IB Pflicht
Wenn Fördermittel mehr als 25% der
Gesamtmaßnahme finanzieren und zumindest die
o.g. Beträge erreicht werden
Binnenmarktrelevanz: ist IB Pflicht
Nur bei Gebot dringendem
Handelns ist kein
Interessenbekundungs-
verfahren nötig
Ab 1 Mio. €
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I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben?
II. Interessenbekundung (IB)
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Abgrenzung IB vom Teilnahmewettbewerb: 1. Bewerbungsverfahren, der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorgeschaltet
Inhalt: -- Kurze Beschreibung des Auftragsgegenstandes und Bewerbungsfrist
– Bekanntgabe der Bewerbungsbedingungen
– Angabe der Anzahl der Bieter, die aufgefordert werden, ein Angebot abzugeben
2. aber Unterschiede zum Teilnahmewettbewerb
Grds. ausreichende Fristen, aber auch 48 Stunden bei Dringlichkeit möglich
Kein Rechtsanspruch des Bieters, die Gründe des Ausscheidens zu erfahren
3. Auswahl der Bieter:
Mischung von Bietern → Bieter müssen nicht zwingend aus dem Kreis der Bewerber
stammen
es können auch weitere, „bekannte“ Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, über
die Anzahlkann die Wahrscheinlichkeit gesteuert/erhöht werden, dass ein regionaler Bieter
den Zuschlag erhält
Auswahl der Bewerber kann (bedingt) nach sachlichen Erwägungen gesteuert werden
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I. Auf welcher Rechtsgrundlage werden öffentliche Aufträge vergeben?
II. Interessenbekundung (IB)
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Wertungsstufen:
1. Stufe: Formelle Prüfung: Vollständigkeit des Angebots
2. Stufe: Überprüfung der Eignung der Bieter (Eignungsnachweise):
3. Stufe: Sachliche Prüfung: rechnerische, technische Prüfung der Angebote
4. Stufe: Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots anhand von Zuschlagskriterien
III. Angebotswertung nach dem Prinzip des wirtschaftlichsten Angebots
Zuschlag
1. Unterhalb der Schwellenwerte:
Regel: Das nationale Vergaberecht sieht den Zuschlag nicht auf das
preisgünstigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot vor
Ausnahme: Bei marktgängigen Standardartikeln kann auf das preisgünstigste
Angebot der Zuschlag erteilt werden
In der Praxis ist diese Ausnahme aber die Regel
2. Oberhalb der Schwellenwerte
EU-RL lassen Vergabe nach Preis oder Wirtschaftlichkeit zu
Deutscher Gesetzgeber hat sich im GWB auch auf die Wirtschaftlichkeit
festgelegt
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III. Angebotswertung nach dem Prinzip des wirtschaftlichsten Angebots
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Die Wirtschaftlichkeit ist anhand der auftragsbezogenen Wertungskriterien zu bestimmen:
• Preis
• Qualität, Lebensdauer
• Innovation, Umweltaspekte
• Höhe etwaiger Reparaturkosten, Wartungskosten
• Energieverbrauch, Unterhaltungskosten. Lebenszykluskosten
• Ausführungsfristen
• Reaktionszeiten
• Ästhetik
• Zweckmäßigkeit
• Risiken, Herkunft, soziale Aspekte
III. Angebotswertung nach dem Prinzip des wirtschaftlichsten Angebots
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Die Wirtschaftlichkeit ist anhand der auftragsbezogenen Wertungskriterien zu bestimmen
Beispiel: Dacheindeckung einschließlich Reaktionszeit bei Reparaturleistungen:
Zuschlagskriterien sind Preis und Reaktionszeit zu jeweils 50 %
Für jedes Zuschlagskriterium gibt es Wertungspunkte 1-10
Niedrigste Preis bekommt 10 Punkte, prozentual weniger Punkte der nächst höhere
Preis
Reaktionszeit bei Reparaturleistungen: innerhalb von 24 Stunden erhält man 10 P.
für jeden weiteren Tag mehr: jeweils 2 Punkte Abzug
Zuschlag erhält der Bieter mit der höchsten Punktzahl
Vorliegende Angebote:
Fa. A hat einen Preis von 50.000 €, braucht aber 3 Tage Reaktionszeit für Reparaturen
Fa. B verlangt 75.000 € (50 % mehr), kann aber innerhalb von 2 Tagen Schäden beseitigen
Fa. C verlangt 60.000 € (20 % mehr), benötigt aber nur 24 Stunden
III. Angebotswertung nach dem Prinzip des wirtschaftlichsten Angebots
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Ergebnis:
Trotz des mittleren Preises kann das Angebot der Fa. C bezuschlagt werden, da die Vorteile
des schnellen Reparaturservice den Preisnachteil aufwiegen.
Der AG kann ggf. einen Beurteilungsspielraum bei der Punktebewertung haben (hier nicht), der
nicht der Kontrolle der Nachprüfung unterliegt
Grenzen des Ermessens bei: Willkür, sachfremden Erwägungen, Ungleichbehandlung,
Zugrundelegen eines falschen Sachverhalts, Nichteinhaltung allgemeiner Bewertungsmaßstäbe
Auswertung:
Fa. A hat einen Preis von 50.000 € = 10 Punkte, braucht aber 3 Tage Reaktionszeit für Reparaturen
= 6 Punkte. Insgesamt: 16 Punkte
Fa. B verlangt 75.000 € (50 % mehr) = 5 Punkte, kann aber innerhalb von 2 Tagen Schäden beseitigen
= 8 Punkte. Insgesamt: 13 Punkte
Fa. C verlangt 60.000 € (20 % mehr) = 8 Punkte, benötigt aber 24 Stunden = 10 Punkte.
Insgesamt: 18 Punkte
III. Angebotswertung nach dem Prinzip des wirtschaftlichsten Angebots
Durch Informationsvorsprung
zum Auftrag und zur wirtschaftlichen Beschaffung
Bierstadter Straße 9, 65189 Wiesbaden, Tel.: 0611 974588-0 - info@absthessen.de
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