Bedingungsloses Grundeinkommen Geschichte und Modelle im Vergleich Thomas Löding, 25.11.2009.

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Bedingungsloses Grundeinkommen

Geschichte und Modelle im Vergleich

Thomas Löding, 25.11.2009

Übersicht

I. Was ist ein Grundeinkommen?

II. Wie kann es finanziert werden?

III. Gegenargumente („Wer nicht arbeitet…“)

IV. Egalitäre und neoliberale Vordenker

V. Aktuelle Modelle im Vergleich

VI. Fazit und Diskussion

Was ist ein Grundeinkommen?

• Viele Modelle, viele Bezeichnungen –

und viele Unterschiede

Welche Kriterien erfüllt ein BGE?

• Vier Kriterien des pluralistischen „Netzwerk Grundeinkommen“:

1) Es ist existenzsichernd

2) Es besteht ein individueller Rechtsanspruch

3) Es besteht keine Bedürftigkeitsprüfung

4) Es besteht kein Zwang zur Arbeit

1) Es ist existenzsichernd

• Es soll so hoch sein, dass es gesellschaftliche Teilhabe garantiert.

• Eine Möglichkeit sind Auszahlungshöhen oberhalb der Armutsgrenze („Teilhabe beginnt, wo Armut endet“)

• Armutsgefährdungsgrenze: 781,- € netto (vorher: 856,- € netto)

• Pfändungsfreigrenze: 990,- € netto EU-Definition: 60% des Median-Netto-Äquivalenzeinkommens nach OECD-Skala)

Alg-II liegt darunter (durchschnittlich 595,- €, Lohnabstand!), pfändungsfreies Existenzminimum liegt mit 989,99 € darüber

2) Individueller Rechtsanspruch

• Es soll unabhängig von Unterhaltsverpflichtungen von Ehegatten, Eltern und erwachsenen Kindern gezahlt werden

• Damit erteilt es jedem „Ernährer-Modell“, in welchem die Familie vom i.d.R. männlichen Arbeitnehmer abhängig ist, eine Absage

3) Keine Bedürftigkeitsprüfung

• Egal ob Millionärin oder Gebäudereiniger erhält jedeR das BGE

• Dadurch entfällt der derzeit enorm hohe Verwaltungsaufwand

• Es soll also VOR der Auszahlung keine Bedürftigkeit geprüft werden, gleichwohl wird Vermögenden der Betrag im NACHHINEIN durch Steuern wieder abgezogen

4) Kein Zwang zur Arbeit.

• Nicht konkret definiert, mögliche Ausdifferenzierung wäre:

a) Faktischer, ökonomischer Zwang (BGE unterhalb der Armutsgrenze)

b) Juristischer, gesetzlich festgeschriebener Zwang zur Arbeit (z.B. Alg II: vollständige Streichung des Arbeitslosengeldes bei mehrmaliger Ablehnung „zumutbarer“ Jobangebote)

II. Finanzierung (Auswahl)

• (Mehr) Steuern auf z.B.:- Einkommen und Kapitalerträge- Erbschaften und Schenkungen- Börsenumsatz, Finanztransaktionen- Energie- und Ressourcenverbrauch, LKW-Maut- Konsum- und/oder Luxusgüter- Zusätzliche „Reichensteuer“

• Mehrkonsum einkommensschwacher Haushalte

• Einsparung durch Bürokratieabbau

III. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (1)

• Apostel Paulus (Neues Testament)

• August Bebel 1878 (Die Frau und der Sozialismus)

• Franz Müntefering im Juni 2006 (Begründung für die vollständige Streichung des Arbeitslosengeldes bei mehrmaliger Ablehnung „zumutbarer“ Jobangebote)

III. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (2)

• „Armutsfallen-Theorem“: Sozialstaaten schaffen sich ihr Armutsproblem selbst, da die Menschen massenhaft in Abhängigkeit von Sozialleistungen (Welfare Dependancy) geraten.

• Darum: Möglichst niedrige Sozialhilfe = möglichst unbequeme „soziale Hängematte“ (je höher der „Lohnabstand“, desto höher die Wechselrate in die Erwerbstätigkeit)

III. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (2)

• Armutsfallen-Theorem hält empiririscher Überprüfung nicht stand

• Leistungsbeziehergruppe mit den höchsten Lohnabständen (Gruppe der Singles) nicht diejenige mit der höchsten Wechselrate

• Psychosoziale Prozesse (Enttäuschung, Berichterstattung) nicht erfasst

III. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (3)

• Empirische Befunde der Psychologie

• „Selbstcoaching“-Konzepte (Stärken ermitteln, Ziele in kleinen Schritten erreichen) ist für eine hohe Zahl erwachsener Arbeitsloser nachhaltig ein befriedigender, tätiger Alltag erreichbar

• Werden in unseren Schulsystemen / an den Bachelor-Unis meist nicht vermittelt

IV. Egalitäre und neoliberale Vordenker

• Juliette Rhys-Williams (1942)

„Sozialdividende“ als Alternative zum Beveridge-Plan

• Milton Friedman (1962)

„Negative Einkommensteuer“ („negativ“ für den Staat, positiv für den Bürger)

Rhys-Williams (rousseauistisch-egalitär)

- Ergänzung des staatlichen Sozialsystems

- Staatliche Verhinderung der Armut

- Mindestlöhne- Umverteilung von

reich zu arm

Friedman(klassisch-neoliberal)- Ersetzung des

staatlichen Sozialsystems

- Private Wohltätigkeit soll Armut

verhindern- Keine Mindestlöhne- Keine Umverteilung - Außerdem: Keine

Arbeitszeitverkürzung

V. Aktuelle Modelle im Vergleich

• „Solidarisches Bürgergeld“, CDU

• „Liberales Bürgergeld“, FDP

• „Grundeinkommen“, BAG Linkspartei

• „Existenzgeld“, Sozialhilfeinitativen

Attac und Götz Werner keine konkreten Zahlen / „Richtungsforderung“

Althaus, CDU

• Armut: 600,- (unter Armutsgrenze; Begründung wie Friedman: Arbeitsanreiz)

• Arbeitszeitverkürzung: nein

• Mindeslöhne: nein, da Kombilohn-Effekt

• Sozialsytem: Alg I streichen, aber Gesundheit steuerfinanziert (nicht-neoliberaler Aspekt)

FDP-Bürgergeld

• Armut: 662,- (unter Armutsgrenze; Begründung wie Friedman: Arbeitsanreiz)

• Arbeitszeitverkürzung: nein

• Mindeslöhne: nein, da Kombilohn-Effekt

• Sozialsytem: Krankenversicherung auf Minimum reduzieren

• Unterschied zu CDU: Arbeitspflicht bleibt bestehen!

BAG Die Linke

• Armut: 950,- (über Armutsgrenze)

• Arbeitszeitverkürzung: Ja

• Mindeslöhne: Ja 8,60 pro h

• Sozialsytem: Alg I unklar, evtl. freiwillig-nichtprivat oder Pflichtversicherung, insgesamt nicht neoliberal

„Existenzgeld“ (BAG-SHI)

• Armut: 950,- (690+260) über Armutsgrenze

• Arbeitszeitverkürzung: Ja

• Mindeslöhne: Ja

• Sozialsytem: 110,- Euro für garantierte Krankenversicherung, insgesamt nicht neoliberal

VI. Fazit

• CDU-Bürgergeld kein Grundeinkommen• FDP-Bürgergeld kein Grundeinkommen• Linke erfüllt Kriterien für Grundeinkommen• BAG-SHI erfüllt Kriterien für Grundeinkommen

Diskussion stärker über die Gründe für das Grundeinkommen als die technischen Details einzelner Modelle führen. Denn:

Die Debatte hat gerade erst begonnen!

Vielen Dank!