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Workshop im Rahmen des Don Bosco Tages
Dorothea Ehr, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Limburg, 12.02.2014
ANGST UND ÄNGSTLICHKEIT-EIN UNTERSCHÄTZTES PROBLEM IM PÄDAGOGISCHEN ALLTAG?!
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Gliederung
1 BEGRIFFLICHKEITEN2 VERSTÄNDNIS VON ANGST IM PÄDAGOGISCHEN KONTEXT 3 VERBREITUNG4 ERKLÄRUNGSANSÄTZE FÜR ANGST UND ÄNGSTLICHKEIT5 FÜR DIE ANGST?! 6 PÄDAGOGISCHE MÖGLICHKEITEN
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„Angst heißt nicht Angst. Angst hat viele Namen!“
(Kurt Tucholsky)
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…und im pädagogischen Alltag?!
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1 Begrifflichkeiten
Vertreter = Definition
„hochgradig unangenehm erlebter Erregungsanstieg angesichts der Wahrnehmung bestimmter Gefahrenmomente“ (Krohne 1976, S. 8)
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„Angst ist eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefahrensituation
bzw. auf die Erwartung einer Gefahren- oder Bedrohungssituation“.
Hackfort & Schwenkmezger (1985, S. 19)
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Angstmerkmale (vgl. Essau 2003)
•Kognitive Merkmale: Subjektive Bewertungen, auf die eigene Person bezogene Gedanken
•Emotionale Merkmale: Unangenehm erlebte Erregung
•Körperliche Merkmale: Erhöhter Puls, Schwitzen, Mimik, Gestik, Magen-Darm-Beschwerden, Schärfung der Wahrnehmung, Bereitstellung von Ressourcen und Energie
•Behaviorale Merkmale: Fluchtverhalten, Vermeidungsverhalten aller Art (!)
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Abgrenzungen?!
Angst vs Furcht
Panik
Stress
Ängstlichkeit
Angststörung
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Angst vs Furcht
„Angst sei die unbestimmte, gegenstandslose, anonyme, unmotivierte Emotion, Furcht die bestimmte, auf einen bedrohlichen Gegenstand oder eine gefährliche Situation gerichtete, benennbare, entsprechend motivierte Gefühlslage, eben Furcht ‚vor etwas‘“ (von
Bayer & von Bayer-Katte 1971,23)
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Panik
„Panik ist eine plötzliche, überwältigende Periode intensiver Furcht oder Unbehagens, das mit körperlichen und kognitiven Symptomen
einer Kampf/Flucht-Reaktion einhergeht“. (Essau 2003, 18)
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Stress• Gemäß Lazarus und Folkman (1986, 63):
• „…Stress ist ein Produkt einer Individuum-Umwelt-Interaktion und ist damit eine Beziehung mit der Umwelt, die vom Individuum im Hinblick auf sein Wohlergehen als bedeutsam bewertet wird, aber zugleich Anforderungen an das Individuum stellt, die dessen Bewältigungsmöglichkeiten beanspruchen oder überfordern“.
• Unterscheidung gemäß Selye (1974) Eustress („guter“, sprich leistungsförderlicher bzw. als angenehm empfundener Stress = Kickerlebnis) Stress und Disstress („schlechter“, heißt leistungshemmender und psychisch destabilisierender Stress)
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Ängstlichkeit• Bereits in der Antike: Unterscheidung zwischen angor = Würgen,
Beklemmung, Angst (Angst als momentaner, vorübergehender Zustand) und anxietas = Ängstlichkeit (als situationenübergreifendes Persönlichkeitsmerkmal)
• Gemäß Cattel und Scheier (1961) “anxiety state“ (Zustandsangst) und “anxiety trait“ (Persönlichkeitsmerkmal)
• Lazarus-Mainka und Siebeneick (2000, 13):
• „Während der Begriff ‚Angst haben‘ einen aktuellen Zustand beschreibt, kann Ängstlichkeit als Persönlichkeitseigenschaft definiert werden, die einen Individuum zugewiesen wird, das in vielen Situationen mit Angst reagiert“.
• Zudem und nicht gleichzusetzen: „Ängstlichkeit als Selbstkonzept“
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Angststörung• Pschyrembel (2010, 100):
• „(engl.) anxiety disorder; veraltet Angstneurose; psych. Störung mit im Vordergrund stehenden Symptomen der Angst, häufig zusammen mit Vermeidungsverhalten (v.a. bei Phobie und Zwangsstörung) und körperlichen Symptomen einschließlich ihrer katastrophisierenden Fehlinterpretation (vor allem bei der Panikstörung).
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Merkmale Angststörung
Umfang
IntensitätDauer
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2 Verständnis von Angst im pädagogischen Kontext
• Angst als absolut natürliche und „normale“ Erscheinung
• Cattel: „fight-or-flight-reaction“
• Leistungssteigerung durch ein gewisses Maß an Angst („Nervosität“, „Anspannung“) „Yerkes-Dodson-Gesetz“!
• Hohe Verwechslungsgefahr z.B. Angst und hohe Konzentration oder Wut und Panik
• Lebenswichtige Funktion
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3 Verbreitung• Etwa 10-15 % eines Jahrgangs sind nach aktuellen Studien von
Ängsten betroffen, die über ein entwicklungstypische Ausprägungen hinausgehen (Ihle & Esser 2002)
• Deutlich öfter betroffen sind Mädchen (fast dreimal so häufig!)-Gründe sind zu diskutieren:
• Tatsächlich mehr Angst oder vielmehr „rollenkonformes“ Verhalten entsprechend der Erwartung „Mädchen dürfen/sollen Angst haben“?
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Entwicklungstypische Ängste• Abbildung 1: Ängste und Angststörungen von Kindern und Jugendlichen
im Entwicklungsverlauf (in Anlehnung an Schneider 2004, S. 10)
Alter Psychologische bzw. soziale Kompetenz
Quelle entwicklungsphasen-typischer Ängste
Beginnende Angststörung
0-5 Monate Sensorische Fähigkeiten dominieren
Intensive sensorische Reize, Verlust von ZuwendungLaute Geräusche
6-12 Monate Sensomotorische SchemataUrsache und WirkungObjektkonstanz
Fremde MenschenTrennung
2-4 Jahre Präoperationales DenkenFähigkeit zu imaginieren, aber unfähig Fantasie und Realität zu trennen
FantasiegestaltenPotenzielle EinbrecherDunkelheit
TrennungsangstSpezifische Phobie vor Dunkelheit, Monstern usw.
5-7 Jahre Konkret-operationales Denken
Fähigkeit konkret-logisch zu denken
Naturkatastrophen (Feuer, Überschwemmungen)
VerletzungenTiereMedienbasierte Ängste
Spezifische Phobie vor Tieren, Blut, medizinischen Eingriffen
8-11 Jahre Selbstwert basiert auf akademischen und sportlichen Leistungen
Schlechte schulische und sportliche Leistungen
Prüfungsangst
12-18 Jahre Formal-operationales Denken, Fähigkeit, Gefahr zu antizipierenSelbstwert durch Alterskameraden bestimmt
Ablehnung durch Gleichaltrige Soziale PhobieAgoraphobiePanikstörung
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Erklärungsansätze und mögliche Ursachen für Angst• Risikofaktoren auf Seite der Person
• Weibliches Geschlecht
• Erniedrigte Reiz-Reaktionsschwelle (Manassis & Bradley 1999)
• Risikofaktoren auf Seite der Umwelt
• Instabile Familienverhältnisse
• Autoritärer Erziehungsstil, permissiver Erziehungsstil
• Wirtschaftlich – sozial benachteiligte Lage
• Gesellschaftlicher Blick auf Ängste als zu beseitigende Schwäche Leistungsgesellschaft
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Angst als gelernte Reaktion: Die Zwei-Faktoren-Theorie nach Mowrer (1969)• UCS (Schule) UCR (neutrale R.)
• CS (Demütigung) CR (Angst)
• CS (Schule) CR (Angst)
• Zunächst klassische Konditionierung heißt Reiz-Reaktionskopplung (z.B. Schulgebäude wird kombiniert mit der Emotion Angst)
• Dann operante Konditionierung im Sinne einer negativen Verstärkung, was durch eine Belohnung zur Erhöhung eines unerwünschten Verhaltens führt! (Abbruch des Weges zur Schule führt zu einer Verminderung der unangenehmen Erregung/Angst und führt so zu einer Stabilisierung des Verhaltens)
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Modell der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman(vgl. 1999)
Negatives Ereignis
Gefühlte Macht-
losigkeit
Negatives Ereignis
Tat-sächliche Kontroll-
möglichkeit
Passivität
Passivität
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Theorie der Angstverarbeitung nach Lazarus (1966)• Bewertung von Situationen als zentraler Faktor, ob Angst
empfunden wird!
Situation/Reiz
Bewertung 1
Gefahr?
neinja
Bewertung 2Bewältigung?
ja
nein
ANG S T
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Theorie der Angsthemmung nach Epstein (1972)
Gefahr
Angemessene Erfahrung
Realistische Erwartung
Ungenügende Erwartung
Ungenügende Erfahrungen
und deren Bewältigung
Angst-hemmung
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Heckhausen (vgl. 2010): Beeinflussung der individuellen Motivation durch Attribution
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Angst als Ausdruck unbewältigter psychischer Spannungszustände (Freud 1997)• Erste Angsttheorie: Angst Neurose
• Zweite Angsttheorie: Angst als Symptom für dahinter stehende unzureichende Verdrängungsmechanismen!
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5 Für die Angst?!
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6 Pädagogische Möglichkeiten: Gruppenarbeit
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"Falsche Helden haben keine Angst, weil sie keine Phantasie haben. Sie sind dumm und haben keine Nerven. Echte Helden haben Angst
und überwinden sie.“
(Erich Kästner aus Als ich ein kleiner Junge war (1975, 76)
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Literaturangaben• Cattel, R. B. & Scheier, I. H. (1961): The meaning and measurment of
neuroticism and anxiety. New York: Ronald.
• Crick, & Dodge, ():
• Epstein, S. (1972): The nature of anxiety with emphasis upon its relationsshipto expectancy. In: Spielberger, C. D.: Anxiety: current trends in theory an reserach. Bd. 2, New York: Academic Press, S. 291-337.
• Essau, C. A. (2003): Angst bei Kindern und Jugendlichen. München: Ernst Reinhardt.
• Freud, S. (1997): Hemmung, Symptom und Angst. Dritte unveränd. Aufl.,Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag.
• Heckhausen, H. & Heckhausen, J. (2010): Motivation und Handeln. Berlin: Springer.
• Ihle, W. & Esser, G. (2002): Epidemiologie psychischer Störungen im Kindes-und Jugendalter: Prävalenz, Verlauf, Komorbidität und Geschlechtsunterschiede. Psychologische Rundschau, 53, S. 159-169.
• Kästner, E. (1975): Als ich ein kleiner Junge war…Berlin: dtv-Verlag.
• Mowrer, O. H. (1969): Learning theory and behavior. Chichester, NY: John Wiley.
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Literaturangaben• Bayer, W. v. & Bayer-Katte, W. v. (1971): Angst. Frankfurt a. M.:
Suhrkamp.
• Hackfort, D. & Schwenkmezger, P. (1985): Angst und Angstkontrolle im Sport. Sportrelevante Ansätze und Ergebnisse theoretischer und empirischer Angstforschung. Köln: BPS-Verlag.
• Krohne, (1976): Theorien zur Angst. Stuttgart: Kohlhammer.
• Lazarus, R. S. (1966): Psychological stress and the coping process. New York: McGraw-Hill.
• Lazarus, R. S. & Folkman, S. (1986): Cognitive theories of stress andthe issue of circularity. In: Appley, M. & Trumbull, R.: Dynamics ofstress. Physiological, psycholgical, and social perspectives. New York: Plenum, S. 63-80.
• Lazarus-Mainka, G. & Siebeneick, S. (2000): Angst und Ängstlichkeit. Göttingen: Hogrefe.
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Literaturangaben• Pschyrembel, W. (2010): Pschyrembel klinisches Wörterbuch. 262
Aufl., Berlin/ NY: De Gruyter, S. 99f.
• Schneider, S. (2004): Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen. Grundlagen und Behandlung. Berlin: Springer.
• Seligman, M. E. P. (1999): Erlernte Hilflosigkeit. Dritte Aufl., Weinheim, Basel: Beltz.
• Selye, H. (1974): Streß, Bewältigung und Lebensgewinn. München: Piper.
• Stein, R. (2012): Förderung bei Ängstlichkeit und Angststörungen. Stuttgart: Kohlhammer.