Post on 05-Apr-2015
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2. Menschen verändern sich während ihres Lebens
Entwicklung als Veränderung im Lebenslauf
Psychologische Grundlagen von
Erziehung, Bildung und Unterricht
2. Entwicklungspsychologie:
Inhaltliche Schwerpunkte
2.1 Gegenstand und Aufgaben der EntwPsych
2.2 Methoden der EntwPsych
2.3 Ordnung von Entwicklungsprozessen und –aufgaben (Beschreibende Modelle)
2.4 Erklärende Modelle
2.5 Vertiefung: Die Entwicklungstheorie von Jean Piaget
Methodische Schwerpunkte
Beobachtung und Befragung als grundlegende Methoden der Psychologie
Entwicklung: Was ist altersangemessen?
Belehren und Unterrichten als Fördern von
Entwicklungsprozessen muss den Entwicklungsstand
der Lernenden berücksichtigen.
Denkanstoß
Prozentuale Verteilung von Erinnerungen an Ereignisse vor dem 8ten Lebensjahr
Was ist das früheste Kindheitserlebnis, an das Sie sich erinnern?
Was für ein Ereignis war es?
Wie alt waren Sie damals?
Entwicklung: Veränderung und Konstanz
Identitätserleben und Erinnerung:
• frühkindliche Amnesie
• Subjektive Konstruktion
• was erlebte ich selbst, was erfuhr ich von anderen?
Personkonstanz:
• bin ich die/der selbe wie vor Jahren geblieben?
• werde ich die/der selbe bleiben?
• längerfristige, nachhaltige Veränderungen, die
– auf das Lebensalter bezogen werden können
– Abzugrenzen von Veränderungen wie• Lernen u. Vergessen, periodische Aktivierungsänderungen
(Wachen-Schlafen)
• Kontinuität (Erfahrungszusammenhang)
– Art der Veränderung • schnell-langsam, glatt-abrupt etc.
• Wachstum, Stabilität, Stagnation, Verluste
2.1.1 Gegenstand der Entwicklungspsychologie
Reader, S. 11
Zeitliche Gliederung des Lebenslaufs
Pränatale Zeit Konzeption bis Geburt
Frühe Kindheit 0;0 bis 6;0
Neugeborenes 0;0 bis 0;2
Säugling 0;2 bis 0;6
Krabbelkind 0;6 bis 1;0
Kleinstkind 1;0 bis 3;0
Kleinkind 3;0 bis 6;0
Mittlere Kindheit 6;0 bis 12;0
Jugendalter 12;0 bis 18;0
Frühes Erwachsenenalter 18;0 bis 35;0
Mittleres Erwachsenenalter 35;0 bis 60;0
Späteres Erwachsenenalter 60;0 und älter
2.1.1 Gegenstand der Entwicklungspsychologie
2.1.2 Aufgaben der Entwicklungspsychologie
1) Was verändert sich? (Entw.bereiche)
Wie verändert es sich? (Modelle der Veränderung)
2) Warum verändert es sich? Was sind die Kräfte,die Veränderungen bewirken? (Erklärungsmodelle)
3) Wie ist Entwicklung gezielt beeinflussbar?Wie können erwünschte Entwicklungen unterstützt und wie unerwünschte verhindert werden?
Wie wird der Erfolg von Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen überprüft?
Beobachten und Beschreiben
Erklären und Vorhersagen
Fördern und Evaluieren
Lernen setzt oft bestimmten Entwicklungsstand voraus
-> kognitiv, -> motivational, -> physisch
Bsp.: Reinlichkeitserziehung
2.1.3 Entwicklung als Voraussetzung & Ergebnis pädagogischer Prozesse
Probleme der Schulreifefeststellung• Lernvoraussetzungen „aus dem Kind heraus“
• Lernvoraussetzungen durch die Förderung im Kindergarten
2.1.3 Entwicklung als Voraussetzung & Ergebnis pädagogischer Prozesse
Entwicklungspsychologische Fragen im pädagogischen Kontext 1
• Lässt sich die geistige Entwicklung durch bestimmte Lernformen stimulieren?
• Auswirkungen von Erziehungsstilen auf die Selbstständigkeit des Kindes?
• Können Persönlichkeitsmerkmale erzieherisch „gebildet“ werden (z.B. Verantwortungsbereitschaft)?
Potenzielle Einflüsse von Unterricht und Erziehung auf die Entwicklung
2.1.3 Entwicklung als Voraussetzung & Ergebnis pädagogischer Prozesse
Entwicklungspsychologische Fragen im pädagogischen Kontext 2
• Ab welchem Alter sind Kinder in der Lage, im Klassenverband Lesen und Rechnen zu lernen?
• Altersgemischte oder –homogene Kindergartengruppen: Wo werden Kinder mehr gefördert?
• Wie verändern sich Lerninteressen und die Lernmotivation im Lebenslauf?
• „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – Wissenschaftliche Evidenzen für „Großmutters Weisheiten“?
Bedeutung der Entwicklung für pädagogische Maßnahmen
• Wie kommt man zu Aussagen über Veränderungen?
• Beispiele ???
2.2 Methoden der Entwicklungspsychologie
– Tagebücher einer Mutter– regelmäßige Beobachtungen
• zeitlicher Abstand? Häufigkeit?
• Art der Registrierung?
• Querschnittuntersuchungen
- Verschiedene Gruppen zu einem Zeitpunkt
• Längsschnittuntersuchungen
- Eine Gruppe zu verschiedenen Zeitpunkten
2.2.1 Untersuchungspläne
Reader, S. 12
• Querschnittuntersuchungen– zu einem Zeitpunkt– verschiedene Menschen– unterschiedlichen Alters
2.2.1 Untersuchungspläne
Beispiel:
Intensität freundschaftlicher Kontakte in den Jahrgängen einer Schule
• Querschnittuntersuchungen
– Vorteile:• einfach durchzuführen• schnelle Information über Alterstrends
– Nachteile:• Alterstrend wird über die Mittelwerte unterschiedlicher
Geburtsjahrgänge (Kohorten) geschätzt– unterschiedliche historische Entwicklungsbedingungen – Vergleichbarkeit der Kohorten?
2.2.1 Untersuchungspläne
• Längsschnittuntersuchung
– Beispiel:• Entwicklung der Intelligenz eines Geburtsjahrganges
2.2.1 Untersuchungspläne
• Längsschnittuntersuchung
– Vorteile:• unverzerrtere Schätzung des Alterstrends
(Alterseffekte)
2.2.1 Untersuchungspläne
– Nachteile:• hoher Aufwand, teuer
• Testwiederholungseffekte
• selektiver Ausfall von Personen
Abb. 2.1: Schematische Darstellung von Quer- und Längsschnittstudien (Quelle: Reader)
Kohorten – Sequenz - UntersuchungsplanEntwicklung nach Schaie (1965): V = f( A, K, T)
A = Alter; K = Kohorte; T = Testzeit
2.2.1 Untersuchungspläne
Achten Sie auf das Sprachverhalten der Mutter.
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
Beobachtung (Übung)
Es werden einige kleinere Sequenzen einer Mutter-Säuglings-Interaktion präsentiert.
Notieren Sie bitte stichwortartig, was Siebeobachten.
• Problembereiche:
– Unvollständigkeit (Informationsmenge)
– Selektivität (interessengeleitete Beachtung unterschiedlicher Informationen)
– Vermengung von Beschreibung, Interpretation und Bewertung
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
Reader, S. 13
• Gelegenheitsbeobachtung vs. systematische Beobachtung
• Selbstbeobachtung vs. Fremdbeobachtung
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
Arten der Beobachtung:
• Absichtlichkeit, hypothesengeleitet
• geplante Selektivität
• Aufzeichnung und Auswertung
• Qualitätssicherung
– Gütekriterien• Objektivität, Zuverlässigkeit (Reliabilität)
Systematische Beobachtung
Beobachtung als Forschungsmethode
• Beispiel: Die kooperativen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern mehrerer Klassen sollen erfasst werden:
– Validität (Welches Verhalten gilt als Indikator kooperativer Fähigkeiten?)
– Objektivität (vergleichbare Beob.bedingungen, klare Kriterien)
– Reliabilität (lassen sich die Befunde auch bei wiederholten Untersuchungen wieder finden?)
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
Systematische Beobachtung
Reader, S. 54
• Systematische Fremdbeobachtung
• Tagebuchmethode
• Systematische Retrospektion
• Interview (geleitete Selbstbeobachtung)
• Fragebogen (standardisierte geleitete Selbstbeobachtung)
Beobachtungsmethoden in der Entwicklungspsychologie
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
Was wird beobachtet?
• Sichtbare Verhaltensweisen
• Hypothetische Konstrukte
Schlussfolgerung von beobachtetem Verhalten auf zugrundeliegende Merkmale
Beispiel:
Fixierung eines Gegenstands durch den Säugling als Indikator für Aufmerksamkeit
2.2.2 Beobachtung als Forschungsmethode
Beobachtung bei Säuglingen:
• Unterscheiden Säuglinge Objekte aus unterschiedlichen Kategorien?
• Wie kann man „vorsprachliche“ Denkprozesse erforschen?
Das Habituationsparadigma
• Wichtige Begriffe
– Längsschnittuntersuchungen
– Querschnittsuntersuchungen
– Selbst- und Fremdbeobachtung
– Systematische Beobachtung
– Hypothesen
– Umgang mit der Fehleranfälligkeit von Beobachtungen
2. Entwicklung als Veränderung im Lebenslauf
2.3 Beschreibende Modelle der Entwicklung
Die Ordnung von Entwicklungsprozessen und -aufgaben
• Zeitachse– Entwicklung nach Lebensabschnitten
• Entwicklung der Funktions- und Inhaltsbereiche– Motorik, Wahrnehmung, Sprache etc.
2.3.1 Entwicklungsbereiche
• Körper
• Motorik
• Sensorik
• Sensumotorik
• Kognitive Entwicklung
• Sprachliche Entwicklung
• Sozial-emotionale Entwicklung
• Motivationale Entwicklung
• Moralische Entwicklung
• Spezif. Entwicklungsbereiche
Welche Entwicklungs-bereiche können unterschieden werden?
2.3.1 Entwicklungsbereiche: Beispiele
• Kognitive Entwicklung
– Gedächtnis
– Denken
– Sprache• Lautäußerungen
• Verständnis und Verwendung von Worten
• Grammatik
• Soziale Entwicklung
– Entwicklung von Bindungen an andere
– Verstehen von Gefühlen, Gedanken, Absichten anderer
• „theory of mind“: Entwicklung einer „naiven“ psychologischen Theorie
Die Maxi-Geschichte
2.3.1 Theory of mind
[Puppe Maxi ist in der Küche und wartet auf seine Mutter.]
„Mama kehrt vom Einkaufen zurück. Sie hat Schokolade für einen Kuchen gekauft. Maxi möchte ihr helfen, die Sachen wegzuräumen. Er fragt sie: ‚Wo soll ich die Schokolade hin tun?‘ ‚In den blauen Schrank‘, sagt seine Mutter.
‚Warte, ich hebe Dich hoch, du bist noch zu klein.‘
Seine Mutter hebt ihn hoch und Maxi legt die Schokolade in den blauen Schrank.
Wimmer & Perner, 1983
Maxi kann sich genau daran erinnern, wo er die Schokolade hingelegt hat, so dass er später wieder kommen kann, um sich welche zu holen. Er liebt Schokolade. Dann geht er zum Spielplatz.
[Puppe Maxi verlässt die Szene.]
Mama bereitet den Kuchen vor und nimmt die Schokolade aus dem blauen Schrank. Sie gibt etwas davon in den Teig und dann legt sie die Schokolade nicht in den blauen sondern in den grünen Schrank zurück. Jetzt fällt ihr ein, dass sie vergessen hat, Eier zu kaufen. Deswegen geht sie zu ihrem Nachbar.
2.3.1 Theory of mind
Da kommt Maxi vom Spielplatz zurück. Er ist hungrig und möchte etwas Schokolade. Er weiß noch genau wo er die Schokolade hingelegt hat.“
[Belief-question] „Wo wird Maxi nach der Schokolade suchen?“
„O.k., da wird er suchen, aber er ist zu klein. Da kommt Großvater und Maxi sagt: ‚Lieber Opa, bitte hilf mir, an die Schokolade zu kommen.‘ Großvater fragt: ‚In welchem Schrank ist sie?‘
Bevor Maxi die Chance hat, an die Schokolade zu gelangen, kommt sein großer Bruder in die Küche. Er sucht auch nach ihr. Er fragt Maxi wo sie ist. Mist, denkt Maxi, jetzt will mein großer Bruder die ganze Schokolade essen. Ich werde ihm etwas komplett Falsches sagen, dass er sie nicht finden kann.
2.3.1 Theory of mind
„Wo, sagt Maxi, ist die Schokolade?“
Der Schrank, auf den gezeigt wurde, wird geöffnet.
[wurde nur gefragt, wenn der Schrank leer war] „Wo ist die Schokolade wirklich?“
„Weißt du noch wo Maxi die Schokolade am Anfang hingelegt hat?“
2.3.1 Theory of mind
Altersgruppe Anzahl korrekter Antworten
4-56-78-9
41111
2.3.1 Entwicklungsbereiche
z.B. Perspektivenübernahme
Können Dreijährige andere täuschen?
Hala, S., Chandler, M. & Fritz, A.S. (1991). Fledgling theories of mind: Deception as a marker of three-year-old‘s understanding of false belief. Child Development, 62, 83-97.
„Toni“ versteckt einen Schatz in einer Truhe, hinterlässt dabei Fußspuren. Kinder werden aufgefordert, das Finden des Schatzes schwer zu machen.
Mögliche Täuschungsstrategien: Legen falscher Spuren oder Wegwischen existierender Spuren. (Machen 3-jährige das schon?)
a) Praktisch alle 3-, 31/2- und 4-jährigen nutzen wenigstens eine der beiden Täuschungsstrategien
b) 70% der 3-jährigen verweisen auf die Truhe, zu der die (falschen) Spuren führen
Frage an die Kinder: Wohin schaut jemand, der hinzu kommt und den Schatz sucht?
• Kinder entwickeln schon früh (3-4 Jahre) Kompetenzen, die Gedankenwelt anderer in Betracht zu ziehen
• Perspektivenkoordination gelingt hingegen erst deutlich später
• Zu beachten: Die Vielfalt möglicher Operationalisierungen des Konstrukts „Perspektivenübernahme“
Fazit: Perspektivenübernahme
2.3.2 Lebensabschnitte: Stufen, Phasen oder Stadien
• Stufen
– abrupte, qualitative Veränderung in sehr kurzer Zeit
– wenig Änderungen davor und danach• Kleinkind -> Schulkind; 2-Wort-Sätze -> Mehr-Wort-Sätze
• Phasen
– periodische Veränderungen
– Entwicklung als Abfolge von „Krisen“ und deren Bewältigung• z.B. erstes und zweites Trotzalter; Wechsel von Aktivität und Ruhe
• Stadien
– eher kontinuierliche, nicht-abrupte Veränderungen
– Entwicklungsabschnitte klar unterscheidbar• Entwicklung von Rechenfertigkeiten
2.3.2 Lebensabschnitte
Lebenstreppe als Sinnbild des Lebenslaufes
2.3.3 Entwicklungsaufgaben
• In jedem Lebensabschnitt gibt es besondere Herausforderungen
• Diese machen besondere Bewältigungsanstrengungen nötig
• Beispiele (vgl. Reader S. 17)
2.3.3 Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsaufgaben nach Havighurst, 1980
(Auszüge aus Oerter, 1998, S. 124):
Entwicklungsperiode Entwicklungsaufgaben
Frühe Kindheit (0-2 Jahre) 1. Anhänglichkeit
2. Objektpermanzen
3. Sensumotorische Intelligenz und schlichte Kausalität
4. Motorische Funktionen
Kindheit (2-4 Jahre) 1. Selbstkontrolle (v.a. motorisch)
2. Sprachentwicklung
3. Phantasie und Spiel
4. Verfeinerung der motorischen Funktionen
2.3.4 Universelle Grundprinzipien der Entwicklung
• Anpassung und Adaptation
Vorstellungen und Handlungsmuster den Erfordernissen der Realität anpassen
• Kognitive Ordnung und Organisation
Erkennen und Herstellen von Ordnung in der Umwelt
• Differenzierung und Integration
Motorik, Gefühle, Kognitionen
2.4.1 Anlage oder Umwelt
• Welche Faktoren wirken auf die Entwicklung und Ausbildung individueller Unterschiede ein?– Anlage (Erbgut, genetische Merkmale)– Umwelt (physikalische, soziale Umgebung)
• In welchem Ausmaß werden individuelle Unterschiede durch Erbanlagen bestimmt?
Warum ist kein Mensch wie der andere?
2.4.1 Anlage oder Umwelt
1) Stammbaumanalysen und Verwandtschaftsähnlichkeit
a) Dokumentation physischer, psychischer Erkrankungen
b) besondere Begabungen über eine weitverzweigte Verwandtschaft.
2) Zwillingsuntersuchungena) Eineiige Zwillinge: Adoptionsstudien nach der Geburt getrennter EZ
Einfluss unterschiedlicher Umwelten auf die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen
b) Kinder eineiiger Zwillingspaare
50% gemeinsames Erbgut, aber Aufwachsen in verschiedenen Familien
3) Adoptionena) keine genetischen Gemeinsamkeiten der Adoptivkinder mit A.eltern und
–geschwistern
b) Übereinstimmungen mit der Adoptivfamilie -> Umweltwirkungen
Übereinstimmungen mit den leiblichen Eltern -> genetische Einflüsse
2.4.1 Anlage oder Umwelt
Verwandtschaftsgrad genetische Ähnlichkeit
Eltern-Kind 50%
Geschwister unterschiedlichen Alters 50%
Zweieiige Zwillinge 50 %
Eineiige Zwillinge 100 %
Adoptiveltern-Kind 0 %
Adoptivgeschwister 0 %
• Spielzeug, elektronische Medien -> Spielverhalten• Erziehungs-, Unterrichtsstil -> Selbständigkeit,
Kreativität• häusliche Lernumwelt -> intellektuelle Leistungen• Kritische Lebensereignisse (Mutterverlust,
Arbeitsplatzverlust, Heirat, Geburt eines Kindes) -> Lebensführung, Einstellungen
Beispiele für Einflüsse der Lernumwelt
2.4.2 Entwicklungskräfte, Ressourcen und Risikofaktoren
Bach
2.4.1 Anlage oder Umwelt?
Der Heritabilitätskoeffizient:Maß für den Anteil der genetisch bedingten Varianz an der gesamten MerkmalsvarianzKann Werte zwischen 0 und 1 annehmen: - Wert von 0 bedeutet: Varianz des Merkmals
kann nicht auf die genetisch bedingten Unterschiede zurück geführt werden
- Wert von 1 bedeutet: die gesamte Merkmalsvarianz ist ausschließlich mit den genetisch bedingten Populationsunterschieden zu erklären.
2.4.1 Anlage oder Umwelt?
1. Persönlichkeit („Big Five“):
1. Extraversion .54
2. Verträglichkeit .42
3. Gewissenhaftigkeit .49
4. Neurotizismus .48
5. Offenheit .57
2. Intelligenz
1. im Alter von 5 .22
2. im Alter von 12 .85
3. im Alter von 50 .85
3. Psychische Krankheiten
1. Schizophrenie .80
2. Alkoholismus .50
3. Panikstörung .30
4. Einstellungen
Konservatismus
1. < 20 Jahren .00
2. > 20 Jahren .45 - .65
Heritabilitätskoeffizienten:
2.4.1 Anlage oder Umwelt
• Menschliche Erbgut: ca. 50 000 Gene; davon ca. 50% an Gehirnfunktionen beteiligt– „die“ Erbanlage gibt es nicht
• Große Vielfalt möglicher Umwelteinflüsse– „die“ Umwelt gibt es nicht– Wirksamkeit der Umwelt über Lernen
• Lernumwelt
Umweltbedingungen – ökologische Perspektive
Kern-Prinzip der Entwicklungspsychologie
Veränderung durch Entwicklung
Einflüsse der Umwelt
Biologisches Wachstum
Entwicklungsmäßige Veränderungen sind das Resultat der Interaktion von „nature“ (Biologie) und „nurture“ (Erfahrung). Umwelteinflüsse können die Hirnentwicklung beeinflussen und genetische Faktoren (z.B. umgängliches Temperament) die Umwelt (z.B. Interaktionshäufigkeit).
2.4.2 Entwicklungskräfte, Ressourcen und Risikofaktoren
Verhalten = f (Person, Umwelt)
- biologische Ausstattung- psychische Funktionen- Fähigkeiten, Fertigkeiten- gemachte Erfahrungen- (...)
- physikalische Umgebung- Ernährung- Anregungsgehalt- soziale Umgebung- (...)
2.4.2 Entwicklungskräfte, Ressourcen und Risikofaktoren
• Reifung• Betonung der biologischen Faktoren (Anlagen)
• Lernen• Betonung der Umweltbedingungen
• Selbstgestaltung und Selbststeuerung• Betonung der Interaktion von Anlage und Umwelt in
der Auswahl von Erfahrungen und Strukturierung der Erfahrungen durch die erfahrende Person
Reader, S. 20
2.4.2 Entwicklungskräfte, Ressourcen und Risikofaktoren
exogenistischendogenistisch
konstruktivistisch interaktionistisch
Umwelt
Person
passiv
passiv
aktiv
aktiv
Entwicklungspsychologische Grundpositionen zum Verhältnis Person–Umwelt
2.4.2 Entwicklungskräfte, Ressourcen und Risikofaktoren
Entwicklungsaufgaben: Innere und äußere Ressourcen und Risikofaktoren (Beispiele)
Innere Ressourcen:
- Ich-Stärke
- kognitive, soziale Kompetenzen
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Äußere Ressourcen:
- Förderliche Lernumwelt
- Soziale-emotionale Unterstützung
- Soziales Netzwerk
- Wertorientierungen
Persönliche Risikofaktoren:
- Geburtskomplikationen
- Unruhiges Temperament
- Impulsivität
Äußere Risikofaktoren:
- Psych. Störungen u. Konflikte der Eltern
- Störungen der Eltern-Kind-Beziehung
- Inkonsequentes Erziehungsverhalten
- Gewalt u. Misshandlung in der Fam.
- niedriger sozialer Status
2.4.3 Grundannahmen der Entwicklungspsychologie
• Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess
• E. vollzieht sich in der Interaktion von Anlage, Person- und Umweltfaktoren
• E. basiert auch auf Selbststeuerung und bewusstem, zielorientiertem Handeln
• Entwicklung ist abhängig von inneren und äußeren Ressourcen und Risikofaktoren
• Verschiedene Merkmale haben unterschiedliche Entwicklungsverläufe
• E. weist interindividuell unterschiedliche Entwicklungsverläufe auf
• Es gibt Spielräume und Grenzen für die Entwicklungsförderung
• Zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung gibt es Gewinne und Verluste
• Verluste können ausgeglichen werden
• Entwicklung vollzieht sich in der Interaktion mit kulturellen Kontexten, unterliegt historischem Wandel
Reader, S. 21
2.5 Das Entwicklungsmodell von Piaget
die Frage nach der Genese geistiger Fähigkeiten
Jean Piaget (1896-1980) war ursprünglich Zoologemit ausgeprägten philosophischen Interessen.
Interesse galt der genetischen Epistemologie [Erkenntnistheorie]
Ausgangspunkt für ihn ist:
- die menschliche Erkenntnisfähigkeit wird im Laufe der individuellen Entwicklung (Ontogenese) aufgebaut.
- die menschliche Erkenntnisfähigkeit steht in Zusammenhang mit der stammesgeschichtlichen Entwicklung (Phylogenese) kognitiver Funktionen.
2.5 Das Entwicklungsmodell von Piaget
die Frage nach der Genese geistiger Fähigkeiten
Genetische Epistemologie (Erkenntnistheorie): - die Intelligenz als Abkürzung für alle kognitiven Funktionen (Erkenntnisfähigkeiten) ist die psychische Weiterentwicklung biologischer Anpassungsmechanismen
- Konstruktivismus:- Annahme, dass das menschliche Wissen, die Erkenntnis- und die Handlungsfähigkeit durch die Auseinandersetzung einer Person mit ihrer Umwelt aktiv konstruiert wird
- Kognitivismus: Betonung der aktiven Erkenntnisfähigkeiten
2.5.1 Piaget: Grundbegriffe und Grundannahmen
• Schema
– geordnetes Handlungs- und Denkmuster• Operationen und Handlungsweisen, die in stets ähnlicher
Organisation auftreten und in wichtigen abstrakten Merkmalen übereinstimmen
• Beispiele: Greifschema, Saugschema, Vortragsschema, Restaurant-Schema, Einkaufsschema, logische Schlüsse
• Schema und Entwicklung– sensu-motorische Schemata (z.B. Greifen, Auge-Handkoordination,
Bewegungs-Effekt-Erwartungen, allg. Operationen) werden im Laufe der ersten Lebensjahre verinnerlicht
– Basis höherer kognitiver Schemata• Primat des Handelns
– Denken = abstraktes „inneres“ Handeln (Denkoperationen)
2.5.1 Piaget: Grundbegriffe und Grundannahmen
• Struktur
– Beziehungsgefüge der Handlungs- und Denkmöglichkeiten untereinander
– Vielfalt des Handelns und Denkens lässt sich auf relativ wenige
• Schemata und Operationen zurückführen
2.5.1 Piaget: Invariante Funktionen
Adaptation
Assimilation Akkomodation
Organisation
Invariante Funktionen– Allgemeine biologische Prozesse
• die sich nicht ändern• aber zur Veränderung von Schemata u.
Funktionen führen
2.5.1 Piaget: Invariante Funktionen
• Adaptation• aktive Anpassung an die Umwelt
– physisch– psychisch
• Intelligenz: höchste Form der geistigen Anpassung an die Umwelt
Adaptation
Assimilation Akkomodation
Organisation
• Assimilation• die Umwelt wird in die Handlungs- und
Denkstruktur des Individuums eingepasst
• das, was man kann und weiß, wird angewandt;
• die Welt wird an einen selbst angepasst
• Beispiel:– Kleinkind assimiliert, wenn es sein Greifschema
anwendet, um mit Daumen u. Zeigefinger einen Wasserstrahl zu ergreifen
2.5.1 Piaget: Invariante Funktionen
Adaptation
Assimilation Akkomodation
Organisation
• Akkommodation• die eigenen Handlungs- und Wissensstrukturen
werden an die Umwelt angepasst• das eigene Handeln und Denken wird verändert und
erweitert, wenn die Assimilation (Anwendung der kognitiven Strukturen) scheitert
• Anpassung der kognitiven Struktur an die Welt– Bsp.: Kleinkind, das einen Wasserstrahl nicht greifen
kann, akkommodiert, wenn es lernt, das Wasser mit der Handinnenfläche zu schöpfen und dadurch ein neues Schema, das „Schöpf-Schema“ entwickelt
2.5.1 Piaget: Invariante Funktionen
Adaptation
Assimilation Akkomodation
Organisation
• Organisation• Physische und psychische Prozesse werden in
Zusammenhänge höherer Ordnung gebracht– Koordination von Sehen und Greifen zum
zielgerichteten Greifen
– Schreiben (Koordination von Schriftzeichen zu Wörtern, Sätzen und Texten -> Schriftzeichenkenntnis, Schreibmotorik, Wissen über Grammatik und Wortbedeutung etc.
• Verwandte Begriffe:– Strukturierung, Integration, Koordination
2.5.1 Piaget: Invariante Funktionen
Adaptation
Assimilation Akkomodation
Organisation
2.5.1 Piaget: Grundbegriffe
• Äquilibration– Motor der Entwicklung: Kognitive Konflikte
• Assimilation und Akkommodation sind im Ungleichgewicht
– -> Misserfolg bei der Anwendung eines Schemas oder einer Struktur von Schemata
– Herstellung eines neuen Gleichgewichts zwischen Umweltstruktur und geistiger Struktur
Die 2jährige Gabriella versucht ein neues Tier („Elch“) in ein
vorhandenes Schema („Kuh“) zu integrieren. (Abbildung aus Myers, 2005)
2.5 Das Entwicklungsmodell von Piaget
1. Die 2jährige Gabriella hat das Schema „Kuh“ mit Hilfe ihres Bilderbuchs entwickelt
2. Als Gabriella später einen Elch sieht, nennt sie ihn „Kuh“.
2.5.1 Piaget: Grundbegriffe und Grundannahmen
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
• Sequenz – Theorie
• Jedes Stadium ist die notwendige Voraussetzung für die nächste
– Stadien können nicht übersprungen werden
– Rückschritte sind nicht denkbar in diesem Modell
• Piagets Einteilung in 4 Hauptstadien beruht auf
– Beobachtungen
– Experimenten– Interviews mit Kindern und Jugendlichen („Warum
bewegen sich Wolken?“)
• besonders beachtete er typische Fehler
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Sensumotorisches Stadium (Geburt bis ca. 2 Jahre)
Präoperatorisches Stadium (ca. 2 Jahre bis ca. 7 Jahre)
Konkret-operatorisches Stadium (ca. 7 bis ca. 11 Jahre)
Formal-operatorisches Stadium (ab ca. 11 Jahre)
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Sensumotorisches Stadium (Geburt bis ca. 2 Jahre)
- Koordination von Wahrnehmung und Bewegung
- Reflexe, Kreisreaktionen- Aktions-Effekt-Beziehungen
- Intelligenz aus Handlungen
- Objektpermanenz
- Basisverständnis von Kausalität (Ursache – Wirkung)
- verzögerte Nachahmung („innere Bilder“)
- „Als-ob – Handlungen“ (Symbolspiel)
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
The invisible displacement error
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Präoperatorisches Stadium (ca. 2 Jahre bis ca. 7 Jahre)
- Verinnerlichung von Handlungen zum Denken- Denken in Zeichen und Symbolen („innere Bilder“)- Denken an die Anschauung gebunden (zentriert)
-typische Denkfehler-Animismus („Der Regen mag die Sonne nicht“)-finalistische Erklärungen („Die Eisenbahn ist da, damit ich zur Oma fahren kann“)-artifizialistische Naturdeutung („Der Himmel hat den Regen gemacht“)-> fehlerhafte Assimilation
Egozentrismus
Zentrierung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Präoperatorisches Stadium (2. bis 7. Lebensjahr):Versuch zur Prüfung der Einsicht in die Invarianz der Menge(Abbildung 2.3 aus Ormrod, S. 27)
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Konkret-operatorisches Stadium (ca. 7 bis ca. 11 Jahre)- Denken löst sich zunehmend von der Anschauung (Invarianten)- Denken wird beweglicher, Beachtung mehrerer Merkmale- einfache logische Schlüsse und - Operationssysteme
-Klasseninklusion (hierarchische Teilmengen, z.B. Tiere, Haustiere [Hund, Katze, Vogel], Raubtiere [Löwe, Panther, Wolf])
-Seriation asymmetrischer Relationen (z.B. Anordnung nach Größe)
- Zweidimensionale Sortierungen
-Aspekte des Zahlbegriffs
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
präoperationales vs. konkret-operationales Stadium:Erkennen die Schüler der verschiedenen Entwicklungsstufen, dass die Gewichte gleich bleiben? (übersetzt aus Ormrod, 2006; S. 29)
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Unten sind 10 Holzperlen abgebildet. Acht Perlen sind braun und
zwei sind weiß. Sind mehr braune Perlen oder mehr Holzperlen
abgebildet? (übersetzt aus Ormrod, 2006; S. 24)
präoperationales vs. konkret-operationales Stadium:Wie werden Kinder der verschiedenen Entwicklungsstufen folgendes
Problem lösen?
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Formal-operatorisches Stadium (ab ca. 11 Jahre)
- Denken geht über die gegebene Information hinaus-Erschließen
- Flexibles, reversibles Denken- Abstraktes, logisches Denken- Experimentieren (Hypothesentesten)
- Von welchen Bedingungen hängt die Geschwindigkeit eines Pendels ab?
- Variation der Bedingungen (z.B. Länge, Gewicht, Impuls)
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Konkret-operationales Denken Formal-operationales Denken
Unfähigkeit Variablen zu trennen und zu kontrollierenBeispiel: Beim Testen möglicher Faktoren, die die Bewegung eines Pendels beeinflussen, erhöht ein Schüler das Gewicht des Pendels und kürzt dabei gleichzeitig die Länge des Pendels.
Trennung und Kontrolle von VariablenBeim Versuch, Hypothesen zu bestätigen oder zu widerlegen, testen Schüler jede Variable für sich, während sie alle anderen Variablen konstant halten.
konkret-operationales vs. formal-operationales Stadium (übersetzt aus Ormrod, 2006; S. 29):
Fähigkeit des Hypothesentestens
2.5.2 Stadien der kognitiven Entwicklung
Sensumotorisches Stadium (Geburt bis ca. 2 Jahre)- Koordination von Wahrnehmung und Bewegung- Intelligenz aus Handlungen
Präoperatorisches Stadium (ca. 2 Jahre bis ca. 7 Jahre)- Verinnerlichung von Handlungen zum Denken- Denken in Zeichen und Symbolen („innere Bilder“)- Denken an die Anschauung gebunden (zentriert)
Konkret-operatorisches Stadium (ca. 7 bis ca. 11 Jahre)- Denken löst sich zunehmend von der Anschauung (Invarianten)- Denken wird beweglicher, Beachtung mehrerer Merkmale- einfache logische Schlüsse
Formal-operatorisches Stadium (ab ca. 11 Jahre)- Flexibles, reversibles Denken- Abstraktes, logisches Denken- Experimentieren (Hypothesentesten)
2.5.3 Kritik am Entwicklungsmodell von Piaget
Kritische Betrachtung:
• Kompetenzen verschiedener Altersgruppen: Kinder sind kompetenter, Jugendliche weniger kompetent als von Piaget angenommen.
•Bsp.1: schon 2 ½ Monate alte Kinder können Objektpermanenz zeigen. •Bsp. 2: formal-operationales Denken entwickelt sich schrittweise, über einen langen Zeitraum
• Einfluss von Vorwissen und Erfahrungen: •Die Fähigkeit, logische Schlussfolgerungen zu ziehen, hängt auch vom Vorwissen der Kinder ab. (Link: nächste Folie)
2.5.3 Kritik am Entwicklungsmodell von Piaget
Einfluss von Vorwissen und Erfahrungen:
• Wichtige Begriffe:
– Sichtbares Verhalten und hypothetische Konstrukte
– Entwicklungsbereiche
– Entwicklungsstufen
– Grundprinzipien von Entwicklung (Anpassung, Ordnung, Differenzierung und Integration)
– Erklärung von Entwicklung - Anlage oder Umwelt?
– Entwicklungsmodell von Piaget
2. Entwicklung als Veränderung im Lebenslauf