13. Dezember 2015 Ostschweiz am Sonnt ag Reflexe Parmelin...

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Publikation: osso Pagina: 15 Ist-Farben: cmyk0Ressort: so-me Erscheinungstag: 13. 12. 2015 MPS-Planfarben: cmyk

Parmelin wird nie OstschweizerTritt Karin Keller-Sutternochmals an, wäre ihrWeg in den Bundesratwohl frei.

Die Bundesratswahlen waren fürdie Befürworter der Konkor-danz ein freudiges Ereignis. Mitder doppelten Einbindung derwählerstärksten Partei, so die

Hoffnung nicht nur bei der SVP, lassen sicheinige Blockaden in der Schweizer Politik wie-der lösen. Aus Ostschweizer Sicht hinterlässtder 9. Dezember jedoch auch einen fahlenNachgeschmack. Eine Bündnerin wurdedurch einen Politiker aus der Romandie er-setzt, die nun gleich drei Vertreter im Bundes-rat stellt. Mit dem Abgang von Widmer-Schlumpf und der Wahl Parmelins ist die wei-tere Ostschweiz nicht mehr im Bundesrat ver-treten. Dieser Absenz kommt fast schon histo-rischer Charakter zu: Seit der Gründung desBundesstaates 1848 regierte immer ein Ver-treter aus den Kantonen Thurgau, St. Gallen,Graubünden, Glarus oder den beiden Appen-zell in Bern mit – ausser in den zehn Jahrenzwischen 1960 und 1970. Diese OstschweizerDauerpräsenz ist kein Zufall, sondern durchdie Verfassung gewollt. Diese schreibt nämlichnoch immer vor, dass die Landesteile und dieSprachregionen angemessen im Bundesratrepräsentiert sein sollen. Nicht umsonst durf-ten bis 1999 nie zwei Vertreter des gleichenKantons – wie heute die Berner SimonettaSommaruga und Johan Schneider-Ammann –im Bundesrat politisieren.

Ist dieses Pochen auf eine mehr oder weni-ger proportionale Vertretung der Regionennoch aktuell? Mit gutem Grund lässt sich an-

führen, dass die Gräben in der Schweiz beiAbstimmungen beispielsweise zunehmendzwischen Stadt und Land und nicht mehr zwi-schen den (Sprach-)Regionen verlaufen. Zu-dem gehört es zum Anspruch guter Bundes-räte, stets das Wohl des ganzen Landes vorAugen zu haben. Der Herkunft der Amtsträgerkommt aber noch immer mehr als nur einepsychologisch-symbolische Wirkung zu: Wennder Bundesrat beispielsweise Gelder für Bil-dungsinstitutionen verteilt, den Bau neuerSchienen und Strassen beschliesst oder Wirt-schaftsförderungspolitik betreibt, könnenregionale Befindlichkeiten eine entscheidendeRolle spielen. Dass Guy Parmelin nach derWahl sagte, er fühle sich verpflichtet, auchOstschweizer Anliegen zu berücksichtigen,sind wohl nicht mehr als nette Worte. Parme-lin bleibt im Herzen ein Waadtländer Wein-bauer, der von der Ostschweiz nicht viel mehrkennt als die Olma und nicht genau weiss,welche Probleme diese Region beschäftigen.

Die Forderung, die viele Ostschweizer Poli-tiker nach der Bundesratswahl stellten, beider nächsten Vakanz wieder berücksichtigt zuwerden, ist deshalb legitim. Es liegt nunjedoch an der Ostschweiz selber, diesen An-spruch glaubwürdig zu untermauern, bei-spielsweise mit einem geeinten Auftreten. Esmutet etwas scheinheilig an, wenn aus derSt. Galler SP vor dem 9. Dezember der Rufnach einer Ostschweizer Vertretung ertönte,wenn man bedenkt, dass 2010 nicht nurSt. Galler SVP-Nationalräte Keller-Sutter aus

parteitaktischen Überlegungen ihre Stimmeverweigerten, sondern sie auch von linkskaum Unterstützung erhielt. Und letztlichnützt es nichts, über die Ostschweizer Unter-vertretung zu jammern, wenn die aussichts-reichsten Politiker nicht ins Rennen steigen.

Namen gäbe es dabei einige: Dem Ausser-rhoder Senkrechtstarter Andrea Caroni, derseiner politischen Karriere mit dem Wechselvom National- in den Ständerat zusätzlichenSchub verlieh, wird das Amt – mit ein paar

Jahren mehr Erfahrung – ebenso zugetraut wieden Bündner Ständeräten Stefan Engler (CVP)oder Martin Schmid (FDP). AusgezeichneteChancen hätte aber nach wie vor Karin Keller-Sutter. Die Wilerin scheiterte 2010 nur knappan Johann Schneider-Ammann. Ihr damalsgrösstes Manko, die fehlende Vernetzung inBern, hat sie mit ihrer ersten Legislatur alsStänderätin bereits wettgemacht. Zudem hatsie ihren politischen Horizont deutlich erwei-tert: Klebte ihr als St. Galler Regierungsrätindas Image einer auf Sicherheits- und Auslän-derfragen fixierten Politikerin an, dehnte sienun mit verschiedenen Verwaltungsratsman-daten in der Wirtschaft und ihrem Einsitz inder Gesundheits- oder AussenpolitischenKommission ihren Einfluss auf verschiedenstePolitfelder aus.

Auch wenn es wahrscheinlich Überwin-dung braucht, ein zweitesmal zu einer Bun-desratswahl anzutreten, muss man weder eineOstschweizer Brille tragen noch ein FDP-Wäh-ler sein, um festzustellen: Einen besserenRucksack kann man für das anspruchsvollstepolitische Amt des Landes kaum mitbringen.Bei einer allfälligen Doppelvakanz in zweiJahren (mögliche Rücktritte von Schneider-Ammann und Doris Leuthard) könnte zudemauch die Frauenfrage wieder eine Rolle spie-len, da mit Sommaruga nur eine Bundesrätinim Amt verbliebe. Da bei der CVP vorabmännliche Kandidaten in der Pole Positionstehen dürften, wäre der Weg für die Ost-schweizer FDP-Politikerin wohl frei.

Lieber kein Glasals vielleichteines zu viel

Bechern und fahren verträgt sichnicht. Was in der Theorie vielen ein-leuchtet, ist in der Praxis komplizier-ter. Gerade in der Zeit, in der das

alte Jahr aus- und das neue anklingt. Die Kor-ken knallen fast überall. Weihnachtsaperos,Firmen- und Familienfeste. Ein paar Bierchen,ein oder zwei Gläschen Weisswein – nur sozum Anstossen. Wer danach das Auto stehen-lässt, handelt vernünftig. Auch wenn mit ein,zwei Gläsern Wein oder Bier selten die gesetz-lich erlaubte Grenze von 0,5 Promille über-schritten wird. Falsch ist ohnehin, diesenGrenzwert ausreizen zu wollen. Wenn es nurdarum ginge, dass jemand seinen Ausweis fürein paar Monate abgeben muss, wäre das Pro-blem überschaubar: Die Person schadet nursich selber. Doch Alkohol schränkt – auchschon in geringen Mengen – die Fahrfähigkeitein. Die Aufmerksamkeit lässt nach, die Reak-tionszeit verkürzt sich. Das kann im Strassen-verkehr verheerende Folgen haben. Man ge-fährdet andere, Mitfahrer, Velofahrer, Fuss-gänger und auch Autofahrer. Das mag viel-fach – und zum Glück – glimpflich verlaufen,aber wenn es dann einmal dumm geht, wirdes zur Last für das ganze Leben.

Diesem Umstand mit schärferen Vorschrif-ten zu begegnen, ist der falsche Ansatz. Einetotales Alkoholverbot würde das Problem nichtlösen. Nur weil es der Buchstabe des Gesetzesso vorsieht, hält sich nicht automatisch jederdaran. Schnell fahren ist ja ebenfalls verboten,und es wird tagtäglich dagegen verstossen.Mit der 0,5-Promille-Grenze ist die Schweizauf der richtigen Spur. Ein gesundes Mittel-mass zwischen Härte und Freiheit. Die Zahlschwerer Verkehrsunfälle unter Alkoholein-fluss ging seit deren Einführung 2005 nachhal-tig zurück. Eine weitere Senkung brächte wohlnicht mehr denselben Erfolg.

Wein, Bier und Schnaps sind gesellschaft-lich akzeptiert. Ein Feierabendbier ist ein –wenn auch ein aussterbendes – Kulturgut.Eine freiheitlich-liberale Gesellschaft setzt inerster Linie auf die Eigenverantwortung. Weres bei einem Glas Wein zum Essen belassenkann, dem soll dies gegönnt sein. Wer aber einzweites und drittes trinkt, lässt das Auto ste-hen und fährt mit dem Bus oder dem Taxinach Hause. Auch ein nächtlicher Spaziergangnach einem herzhaften Apero schadet nie-mandem. Dass nicht fährt, wer trinkt, musszur Selbstverständlichkeit werden – und zwarnicht nur für Neulenker, die von Gesetzeswegen auf 0,1 Promille begrenzt sind. Wer mitder Freiheit nicht umgehen kann, soll zurNacherziehung die Härte des Gesetzes spüren.

Sebastian Kellersebastian.keller!ostschweiz-am-sonntag.ch

Gastkommentar – Christoph Hürny über das noch fehlende Sterbehospiz in der Ostschweiz

Es braucht ein Hospiz

Palliative Care, die Behandlung undBetreuung von unheilbar krankenund sterbenden Menschen, hat imKanton St. Gallen einen hohen Stel-

lenwert. Vor mehr als 20 Jahren wurde amKantonsspital eine der ersten Palliativstatio-nen in der Schweiz eröffnet. Als weiterer wich-tiger Schritt ist der palliative Brückendienstgeschaffen worden. Für die Betreuung vonSterbenden zu Hause stehen, wenn nötig, denbetreuenden Hausärzten und der Spitex rundum die Uhr Palliative-Care-Spezialisten unter-stützend zur Verfügung. Zusätzlich könnenFreiwillige des Hospizdienstes St. Gallen ein-gesetzt werden. Auch in Spitälern und geriatri-schen Pflegeinstitutionen hat Ausbildung undPraxis von Palliative Care an Wichtigkeit ge-wonnen. Grundsätzlich ist die palliativeGrundversorgung im Kanton gewährleistet.Während der Arbeit im Brückendienst ist abereine Versorgungslücke festgestellt worden. BeiSterbenden, vor allem auch jüngeren Men-schen mit kleinen Kindern, mit komplexenpflegerischen und medizinischen Problemenoder schwieriger psychosozialer Situation,

können Angehörige und Betreuer zu Hausetrotz der genannten Hilfestellungen überfor-dert sein. Wo kann der Patient betreut wer-den? Das Spital kann den Patienten für längereZeit nicht aufnehmen. Bei grossem Betreu-ungsaufwand über 24 Stunden sind die Pflege-institutionen auch nicht geeignet .JüngereMenschen möchten ihre letzte Zeit wennmöglich nicht im Heim verbringen. Es brauchteine Langzeitinstitution mit Akutbetrieb, esbraucht ein Hospiz. Der Bedarf in St. Gallenund den angrenzenden Gebieten liegt beizehn bis zwölf Betten mit einer Aufenthalts-dauer von zwei bis drei Monaten und etwa60 Patienten pro Jahr. Im Hospiz soll dieAtmosphäre so sein wie zu Hause und gleich-

zeitig eine intensive pflegerische, ärztlicheund nach Bedarf spirituelle, psychologischeund soziale Betreuung mit Einbezug der Ange-hörigen über 24 Stunden möglich sein. In denvergangenen fünf Jahren haben Pflegefach-leute der St. Galler Palliative Care ein ausge-reiftes Projekt zur Realisierung eines Hospizeserarbeitet. Die Gründung des Vereins«Freunde stationäres Hospiz St. Gallen» hateine Basis für Öffentlichkeitsarbeit und Spen-den geschaffen. In der Herbstsession hat derKantonsrat die Regierung beauftragt PalliativeCare inklusive Hospiz im Gesundheitsgesetzzu verankern. Die Finanzierung des Hospizesist noch nicht geregelt. Die Beteiligung vonKanton, Gemeinden und Krankenkassen mussausgehandelt werden. Die Öffentliche Handund die Kassen werden nicht die gesamtenKosten übernehmen können. Ein wesentlicherTeil wird durch Spenden zu berappen sein.Vergangenes Jahr wurde uns die Villa Jacob inSt. Gallen als Ort für das Hospiz für zehn Jahremietfrei zur Verfügung gestellt. Der Ausbau derVilla wird etwa 1,25 Millionen Franken kosten.Wir planen, das Hospiz 2017 zu eröffnen.

Jürg Ackermannjuerg.ackermann!tagblatt.ch

Christoph Hürnyist Präsident des Vereins«Freunde stationäres HospizSt.Gallen» und alt ChefarztGeriatrische Klinik St.Gallen.

Toms Welt: Die SVP hat jetzt eine zweite Stimme im Bundesrat

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