+ All Categories
Home > Documents > 13. Dezember 2015 Ostschweiz am Sonnt ag Reflexe Parmelin...

13. Dezember 2015 Ostschweiz am Sonnt ag Reflexe Parmelin...

Date post: 21-Aug-2020
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
1
Publikation: osso Pagina: 15 Ist-Farben: cmyk0 Ressort: so-me Erscheinungstag: 13. 12. 2015 MPS-Planfarben: cmyk Parmelin wird nie Ostschweizer Tritt Karin Keller-Sutter nochmals an, wäre ihr Weg in den Bundesrat wohl frei. D ie Bundesratswahlen waren für die Befürworter der Konkor- danz ein freudiges Ereignis. Mit der doppelten Einbindung der wählerstärksten Partei, so die Hoffnung nicht nur bei der SVP, lassen sich einige Blockaden in der Schweizer Politik wie- der lösen. Aus Ostschweizer Sicht hinterlässt der 9. Dezember jedoch auch einen fahlen Nachgeschmack. Eine Bündnerin wurde durch einen Politiker aus der Romandie er- setzt, die nun gleich drei Vertreter im Bundes- rat stellt. Mit dem Abgang von Widmer- Schlumpf und der Wahl Parmelins ist die wei- tere Ostschweiz nicht mehr im Bundesrat ver- treten. Dieser Absenz kommt fast schon histo- rischer Charakter zu: Seit der Gründung des Bundesstaates 1848 regierte immer ein Ver- treter aus den Kantonen Thurgau, St.Gallen, Graubünden, Glarus oder den beiden Appen- zell in Bern mit – ausser in den zehn Jahren zwischen 1960 und 1970. Diese Ostschweizer Dauerpräsenz ist kein Zufall, sondern durch die Verfassung gewollt. Diese schreibt nämlich noch immer vor, dass die Landesteile und die Sprachregionen angemessen im Bundesrat repräsentiert sein sollen. Nicht umsonst durf- ten bis 1999 nie zwei Vertreter des gleichen Kantons – wie heute die Berner Simonetta Sommaruga und Johan Schneider-Ammann – im Bundesrat politisieren. Ist dieses Pochen auf eine mehr oder weni- ger proportionale Vertretung der Regionen noch aktuell? Mit gutem Grund lässt sich an- führen, dass die Gräben in der Schweiz bei Abstimmungen beispielsweise zunehmend zwischen Stadt und Land und nicht mehr zwi- schen den (Sprach-)Regionen verlaufen. Zu- dem gehört es zum Anspruch guter Bundes- räte, stets das Wohl des ganzen Landes vor Augen zu haben. Der Herkunft der Amtsträger kommt aber noch immer mehr als nur eine psychologisch-symbolische Wirkung zu: Wenn der Bundesrat beispielsweise Gelder für Bil- dungsinstitutionen verteilt, den Bau neuer Schienen und Strassen beschliesst oder Wirt- schaftsförderungspolitik betreibt, können regionale Befindlichkeiten eine entscheidende Rolle spielen. Dass Guy Parmelin nach der Wahl sagte, er fühle sich verpflichtet, auch Ostschweizer Anliegen zu berücksichtigen, sind wohl nicht mehr als nette Worte. Parme- lin bleibt im Herzen ein Waadtländer Wein- bauer, der von der Ostschweiz nicht viel mehr kennt als die Olma und nicht genau weiss, welche Probleme diese Region beschäftigen. Die Forderung, die viele Ostschweizer Poli- tiker nach der Bundesratswahl stellten, bei der nächsten Vakanz wieder berücksichtigt zu werden, ist deshalb legitim. Es liegt nun jedoch an der Ostschweiz selber, diesen An- spruch glaubwürdig zu untermauern, bei- spielsweise mit einem geeinten Auftreten. Es mutet etwas scheinheilig an, wenn aus der St.Galler SP vor dem 9. Dezember der Ruf nach einer Ostschweizer Vertretung ertönte, wenn man bedenkt, dass 2010 nicht nur St.Galler SVP-Nationalräte Keller-Sutter aus parteitaktischen Überlegungen ihre Stimme verweigerten, sondern sie auch von links kaum Unterstützung erhielt. Und letztlich nützt es nichts, über die Ostschweizer Unter- vertretung zu jammern, wenn die aussichts- reichsten Politiker nicht ins Rennen steigen. Namen gäbe es dabei einige: Dem Ausser- rhoder Senkrechtstarter Andrea Caroni, der seiner politischen Karriere mit dem Wechsel vom National- in den Ständerat zusätzlichen Schub verlieh, wird das Amt – mit ein paar Jahren mehr Erfahrung – ebenso zugetraut wie den Bündner Ständeräten Stefan Engler (CVP) oder Martin Schmid (FDP). Ausgezeichnete Chancen hätte aber nach wie vor Karin Keller- Sutter. Die Wilerin scheiterte 2010 nur knapp an Johann Schneider-Ammann. Ihr damals grösstes Manko, die fehlende Vernetzung in Bern, hat sie mit ihrer ersten Legislatur als Ständerätin bereits wettgemacht. Zudem hat sie ihren politischen Horizont deutlich erwei- tert: Klebte ihr als St.Galler Regierungsrätin das Image einer auf Sicherheits- und Auslän- derfragen fixierten Politikerin an, dehnte sie nun mit verschiedenen Verwaltungsratsman- daten in der Wirtschaft und ihrem Einsitz in der Gesundheits- oder Aussenpolitischen Kommission ihren Einfluss auf verschiedenste Politfelder aus. Auch wenn es wahrscheinlich Überwin- dung braucht, ein zweitesmal zu einer Bun- desratswahl anzutreten, muss man weder eine Ostschweizer Brille tragen noch ein FDP-Wäh- ler sein, um festzustellen: Einen besseren Rucksack kann man für das anspruchsvollste politische Amt des Landes kaum mitbringen. Bei einer allfälligen Doppelvakanz in zwei Jahren (mögliche Rücktritte von Schneider- Ammann und Doris Leuthard) könnte zudem auch die Frauenfrage wieder eine Rolle spie- len, da mit Sommaruga nur eine Bundesrätin im Amt verbliebe. Da bei der CVP vorab männliche Kandidaten in der Pole Position stehen dürften, wäre der Weg für die Ost- schweizer FDP-Politikerin wohl frei. Lieber kein Glas als vielleicht eines zu viel B echern und fahren verträgt sich nicht. Was in der Theorie vielen ein- leuchtet, ist in der Praxis komplizier- ter. Gerade in der Zeit, in der das alte Jahr aus- und das neue anklingt. Die Kor- ken knallen fast überall. Weihnachtsap´ eros, Firmen- und Familienfeste. Ein paar Bierchen, ein oder zwei Gläschen Weisswein – nur so zum Anstossen. Wer danach das Auto stehen- lässt, handelt vernünftig. Auch wenn mit ein, zwei Gläsern Wein oder Bier selten die gesetz- lich erlaubte Grenze von 0,5 Promille über- schritten wird. Falsch ist ohnehin, diesen Grenzwert ausreizen zu wollen. Wenn es nur darum ginge, dass jemand seinen Ausweis für ein paar Monate abgeben muss, wäre das Pro- blem überschaubar: Die Person schadet nur sich selber. Doch Alkohol schränkt – auch schon in geringen Mengen – die Fahrfähigkeit ein. Die Aufmerksamkeit lässt nach, die Reak- tionszeit verkürzt sich. Das kann im Strassen- verkehr verheerende Folgen haben. Man ge- fährdet andere, Mitfahrer, Velofahrer, Fuss- gänger und auch Autofahrer. Das mag viel- fach – und zum Glück – glimpflich verlaufen, aber wenn es dann einmal dumm geht, wird es zur Last für das ganze Leben. Diesem Umstand mit schärferen Vorschrif- ten zu begegnen, ist der falsche Ansatz. Eine totales Alkoholverbot würde das Problem nicht lösen. Nur weil es der Buchstabe des Gesetzes so vorsieht, hält sich nicht automatisch jeder daran. Schnell fahren ist ja ebenfalls verboten, und es wird tagtäglich dagegen verstossen. Mit der 0,5-Promille-Grenze ist die Schweiz auf der richtigen Spur. Ein gesundes Mittel- mass zwischen Härte und Freiheit. Die Zahl schwerer Verkehrsunfälle unter Alkoholein- fluss ging seit deren Einführung 2005 nachhal- tig zurück. Eine weitere Senkung brächte wohl nicht mehr denselben Erfolg. Wein, Bier und Schnaps sind gesellschaft- lich akzeptiert. Ein Feierabendbier ist ein – wenn auch ein aussterbendes – Kulturgut. Eine freiheitlich-liberale Gesellschaft setzt in erster Linie auf die Eigenverantwortung. Wer es bei einem Glas Wein zum Essen belassen kann, dem soll dies gegönnt sein. Wer aber ein zweites und drittes trinkt, lässt das Auto ste- hen und fährt mit dem Bus oder dem Taxi nach Hause. Auch ein nächtlicher Spaziergang nach einem herzhaften Ap´ ero schadet nie- mandem. Dass nicht fährt, wer trinkt, muss zur Selbstverständlichkeit werden – und zwar nicht nur für Neulenker, die von Gesetzes wegen auf 0,1 Promille begrenzt sind. Wer mit der Freiheit nicht umgehen kann, soll zur Nacherziehung die Härte des Gesetzes spüren. Sebastian Keller sebastian.kellerostschweiz-am-sonntag.ch Gastkommentar – Christoph Hürny über das noch fehlende Sterbehospiz in der Ostschweiz Es braucht ein Hospiz P alliative Care, die Behandlung und Betreuung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen, hat im Kanton St.Gallen einen hohen Stel- lenwert. Vor mehr als 20 Jahren wurde am Kantonsspital eine der ersten Palliativstatio- nen in der Schweiz eröffnet. Als weiterer wich- tiger Schritt ist der palliative Brückendienst geschaffen worden. Für die Betreuung von Sterbenden zu Hause stehen, wenn nötig, den betreuenden Hausärzten und der Spitex rund um die Uhr Palliative-Care-Spezialisten unter- stützend zur Verfügung. Zusätzlich können Freiwillige des Hospizdienstes St.Gallen ein- gesetzt werden. Auch in Spitälern und geriatri- schen Pflegeinstitutionen hat Ausbildung und Praxis von Palliative Care an Wichtigkeit ge- wonnen. Grundsätzlich ist die palliative Grundversorgung im Kanton gewährleistet. Während der Arbeit im Brückendienst ist aber eine Versorgungslücke festgestellt worden. Bei Sterbenden, vor allem auch jüngeren Men- schen mit kleinen Kindern, mit komplexen pflegerischen und medizinischen Problemen oder schwieriger psychosozialer Situation, können Angehörige und Betreuer zu Hause trotz der genannten Hilfestellungen überfor- dert sein. Wo kann der Patient betreut wer- den? Das Spital kann den Patienten für längere Zeit nicht aufnehmen. Bei grossem Betreu- ungsaufwand über 24 Stunden sind die Pflege- institutionen auch nicht geeignet .Jüngere Menschen möchten ihre letzte Zeit wenn möglich nicht im Heim verbringen. Es braucht eine Langzeitinstitution mit Akutbetrieb, es braucht ein Hospiz. Der Bedarf in St.Gallen und den angrenzenden Gebieten liegt bei zehn bis zwölf Betten mit einer Aufenthalts- dauer von zwei bis drei Monaten und etwa 60 Patienten pro Jahr. Im Hospiz soll die Atmosphäre so sein wie zu Hause und gleich- zeitig eine intensive pflegerische, ärztliche und nach Bedarf spirituelle, psychologische und soziale Betreuung mit Einbezug der Ange- hörigen über 24 Stunden möglich sein. In den vergangenen fünf Jahren haben Pflegefach- leute der St.Galler Palliative Care ein ausge- reiftes Projekt zur Realisierung eines Hospizes erarbeitet. Die Gründung des Vereins «Freunde stationäres Hospiz St.Gallen» hat eine Basis für Öffentlichkeitsarbeit und Spen- den geschaffen. In der Herbstsession hat der Kantonsrat die Regierung beauftragt Palliative Care inklusive Hospiz im Gesundheitsgesetz zu verankern. Die Finanzierung des Hospizes ist noch nicht geregelt. Die Beteiligung von Kanton, Gemeinden und Krankenkassen muss ausgehandelt werden. Die Öffentliche Hand und die Kassen werden nicht die gesamten Kosten übernehmen können. Ein wesentlicher Teil wird durch Spenden zu berappen sein. Vergangenes Jahr wurde uns die Villa Jacob in St.Gallen als Ort für das Hospiz für zehn Jahre mietfrei zur Verfügung gestellt. Der Ausbau der Villa wird etwa 1,25 Millionen Franken kosten. Wir planen, das Hospiz 2017 zu eröffnen. Jürg Ackermann juerg.ackermanntagblatt.ch Christoph Hürny ist Präsident des Vereins «Freunde stationäres Hospiz St. Gallen» und alt Chefarzt Geriatrische Klinik St. Gallen. Toms Welt: Die SVP hat jetzt eine zweite Stimme im Bundesrat 13. Dezember 2015 Ostschweiz am Sonntag Reflexe 15
Transcript
Page 1: 13. Dezember 2015 Ostschweiz am Sonnt ag Reflexe Parmelin ...hospizstgallen.ch/_frm-content/uploads/2015/12/... · rh oder S enkr echtstar ter Andr ea C ar oni, der seiner politischen

Publikation: osso Pagina: 15 Ist-Farben: cmyk0Ressort: so-me Erscheinungstag: 13. 12. 2015 MPS-Planfarben: cmyk

Parmelin wird nie OstschweizerTritt Karin Keller-Sutternochmals an, wäre ihrWeg in den Bundesratwohl frei.

Die Bundesratswahlen waren fürdie Befürworter der Konkor-danz ein freudiges Ereignis. Mitder doppelten Einbindung derwählerstärksten Partei, so die

Hoffnung nicht nur bei der SVP, lassen sicheinige Blockaden in der Schweizer Politik wie-der lösen. Aus Ostschweizer Sicht hinterlässtder 9. Dezember jedoch auch einen fahlenNachgeschmack. Eine Bündnerin wurdedurch einen Politiker aus der Romandie er-setzt, die nun gleich drei Vertreter im Bundes-rat stellt. Mit dem Abgang von Widmer-Schlumpf und der Wahl Parmelins ist die wei-tere Ostschweiz nicht mehr im Bundesrat ver-treten. Dieser Absenz kommt fast schon histo-rischer Charakter zu: Seit der Gründung desBundesstaates 1848 regierte immer ein Ver-treter aus den Kantonen Thurgau, St. Gallen,Graubünden, Glarus oder den beiden Appen-zell in Bern mit – ausser in den zehn Jahrenzwischen 1960 und 1970. Diese OstschweizerDauerpräsenz ist kein Zufall, sondern durchdie Verfassung gewollt. Diese schreibt nämlichnoch immer vor, dass die Landesteile und dieSprachregionen angemessen im Bundesratrepräsentiert sein sollen. Nicht umsonst durf-ten bis 1999 nie zwei Vertreter des gleichenKantons – wie heute die Berner SimonettaSommaruga und Johan Schneider-Ammann –im Bundesrat politisieren.

Ist dieses Pochen auf eine mehr oder weni-ger proportionale Vertretung der Regionennoch aktuell? Mit gutem Grund lässt sich an-

führen, dass die Gräben in der Schweiz beiAbstimmungen beispielsweise zunehmendzwischen Stadt und Land und nicht mehr zwi-schen den (Sprach-)Regionen verlaufen. Zu-dem gehört es zum Anspruch guter Bundes-räte, stets das Wohl des ganzen Landes vorAugen zu haben. Der Herkunft der Amtsträgerkommt aber noch immer mehr als nur einepsychologisch-symbolische Wirkung zu: Wennder Bundesrat beispielsweise Gelder für Bil-dungsinstitutionen verteilt, den Bau neuerSchienen und Strassen beschliesst oder Wirt-schaftsförderungspolitik betreibt, könnenregionale Befindlichkeiten eine entscheidendeRolle spielen. Dass Guy Parmelin nach derWahl sagte, er fühle sich verpflichtet, auchOstschweizer Anliegen zu berücksichtigen,sind wohl nicht mehr als nette Worte. Parme-lin bleibt im Herzen ein Waadtländer Wein-bauer, der von der Ostschweiz nicht viel mehrkennt als die Olma und nicht genau weiss,welche Probleme diese Region beschäftigen.

Die Forderung, die viele Ostschweizer Poli-tiker nach der Bundesratswahl stellten, beider nächsten Vakanz wieder berücksichtigt zuwerden, ist deshalb legitim. Es liegt nunjedoch an der Ostschweiz selber, diesen An-spruch glaubwürdig zu untermauern, bei-spielsweise mit einem geeinten Auftreten. Esmutet etwas scheinheilig an, wenn aus derSt. Galler SP vor dem 9. Dezember der Rufnach einer Ostschweizer Vertretung ertönte,wenn man bedenkt, dass 2010 nicht nurSt. Galler SVP-Nationalräte Keller-Sutter aus

parteitaktischen Überlegungen ihre Stimmeverweigerten, sondern sie auch von linkskaum Unterstützung erhielt. Und letztlichnützt es nichts, über die Ostschweizer Unter-vertretung zu jammern, wenn die aussichts-reichsten Politiker nicht ins Rennen steigen.

Namen gäbe es dabei einige: Dem Ausser-rhoder Senkrechtstarter Andrea Caroni, derseiner politischen Karriere mit dem Wechselvom National- in den Ständerat zusätzlichenSchub verlieh, wird das Amt – mit ein paar

Jahren mehr Erfahrung – ebenso zugetraut wieden Bündner Ständeräten Stefan Engler (CVP)oder Martin Schmid (FDP). AusgezeichneteChancen hätte aber nach wie vor Karin Keller-Sutter. Die Wilerin scheiterte 2010 nur knappan Johann Schneider-Ammann. Ihr damalsgrösstes Manko, die fehlende Vernetzung inBern, hat sie mit ihrer ersten Legislatur alsStänderätin bereits wettgemacht. Zudem hatsie ihren politischen Horizont deutlich erwei-tert: Klebte ihr als St. Galler Regierungsrätindas Image einer auf Sicherheits- und Auslän-derfragen fixierten Politikerin an, dehnte sienun mit verschiedenen Verwaltungsratsman-daten in der Wirtschaft und ihrem Einsitz inder Gesundheits- oder AussenpolitischenKommission ihren Einfluss auf verschiedenstePolitfelder aus.

Auch wenn es wahrscheinlich Überwin-dung braucht, ein zweitesmal zu einer Bun-desratswahl anzutreten, muss man weder eineOstschweizer Brille tragen noch ein FDP-Wäh-ler sein, um festzustellen: Einen besserenRucksack kann man für das anspruchsvollstepolitische Amt des Landes kaum mitbringen.Bei einer allfälligen Doppelvakanz in zweiJahren (mögliche Rücktritte von Schneider-Ammann und Doris Leuthard) könnte zudemauch die Frauenfrage wieder eine Rolle spie-len, da mit Sommaruga nur eine Bundesrätinim Amt verbliebe. Da bei der CVP vorabmännliche Kandidaten in der Pole Positionstehen dürften, wäre der Weg für die Ost-schweizer FDP-Politikerin wohl frei.

Lieber kein Glasals vielleichteines zu viel

Bechern und fahren verträgt sichnicht. Was in der Theorie vielen ein-leuchtet, ist in der Praxis komplizier-ter. Gerade in der Zeit, in der das

alte Jahr aus- und das neue anklingt. Die Kor-ken knallen fast überall. Weihnachtsaperos,Firmen- und Familienfeste. Ein paar Bierchen,ein oder zwei Gläschen Weisswein – nur sozum Anstossen. Wer danach das Auto stehen-lässt, handelt vernünftig. Auch wenn mit ein,zwei Gläsern Wein oder Bier selten die gesetz-lich erlaubte Grenze von 0,5 Promille über-schritten wird. Falsch ist ohnehin, diesenGrenzwert ausreizen zu wollen. Wenn es nurdarum ginge, dass jemand seinen Ausweis fürein paar Monate abgeben muss, wäre das Pro-blem überschaubar: Die Person schadet nursich selber. Doch Alkohol schränkt – auchschon in geringen Mengen – die Fahrfähigkeitein. Die Aufmerksamkeit lässt nach, die Reak-tionszeit verkürzt sich. Das kann im Strassen-verkehr verheerende Folgen haben. Man ge-fährdet andere, Mitfahrer, Velofahrer, Fuss-gänger und auch Autofahrer. Das mag viel-fach – und zum Glück – glimpflich verlaufen,aber wenn es dann einmal dumm geht, wirdes zur Last für das ganze Leben.

Diesem Umstand mit schärferen Vorschrif-ten zu begegnen, ist der falsche Ansatz. Einetotales Alkoholverbot würde das Problem nichtlösen. Nur weil es der Buchstabe des Gesetzesso vorsieht, hält sich nicht automatisch jederdaran. Schnell fahren ist ja ebenfalls verboten,und es wird tagtäglich dagegen verstossen.Mit der 0,5-Promille-Grenze ist die Schweizauf der richtigen Spur. Ein gesundes Mittel-mass zwischen Härte und Freiheit. Die Zahlschwerer Verkehrsunfälle unter Alkoholein-fluss ging seit deren Einführung 2005 nachhal-tig zurück. Eine weitere Senkung brächte wohlnicht mehr denselben Erfolg.

Wein, Bier und Schnaps sind gesellschaft-lich akzeptiert. Ein Feierabendbier ist ein –wenn auch ein aussterbendes – Kulturgut.Eine freiheitlich-liberale Gesellschaft setzt inerster Linie auf die Eigenverantwortung. Weres bei einem Glas Wein zum Essen belassenkann, dem soll dies gegönnt sein. Wer aber einzweites und drittes trinkt, lässt das Auto ste-hen und fährt mit dem Bus oder dem Taxinach Hause. Auch ein nächtlicher Spaziergangnach einem herzhaften Apero schadet nie-mandem. Dass nicht fährt, wer trinkt, musszur Selbstverständlichkeit werden – und zwarnicht nur für Neulenker, die von Gesetzeswegen auf 0,1 Promille begrenzt sind. Wer mitder Freiheit nicht umgehen kann, soll zurNacherziehung die Härte des Gesetzes spüren.

Sebastian Kellersebastian.keller!ostschweiz-am-sonntag.ch

Gastkommentar – Christoph Hürny über das noch fehlende Sterbehospiz in der Ostschweiz

Es braucht ein Hospiz

Palliative Care, die Behandlung undBetreuung von unheilbar krankenund sterbenden Menschen, hat imKanton St. Gallen einen hohen Stel-

lenwert. Vor mehr als 20 Jahren wurde amKantonsspital eine der ersten Palliativstatio-nen in der Schweiz eröffnet. Als weiterer wich-tiger Schritt ist der palliative Brückendienstgeschaffen worden. Für die Betreuung vonSterbenden zu Hause stehen, wenn nötig, denbetreuenden Hausärzten und der Spitex rundum die Uhr Palliative-Care-Spezialisten unter-stützend zur Verfügung. Zusätzlich könnenFreiwillige des Hospizdienstes St. Gallen ein-gesetzt werden. Auch in Spitälern und geriatri-schen Pflegeinstitutionen hat Ausbildung undPraxis von Palliative Care an Wichtigkeit ge-wonnen. Grundsätzlich ist die palliativeGrundversorgung im Kanton gewährleistet.Während der Arbeit im Brückendienst ist abereine Versorgungslücke festgestellt worden. BeiSterbenden, vor allem auch jüngeren Men-schen mit kleinen Kindern, mit komplexenpflegerischen und medizinischen Problemenoder schwieriger psychosozialer Situation,

können Angehörige und Betreuer zu Hausetrotz der genannten Hilfestellungen überfor-dert sein. Wo kann der Patient betreut wer-den? Das Spital kann den Patienten für längereZeit nicht aufnehmen. Bei grossem Betreu-ungsaufwand über 24 Stunden sind die Pflege-institutionen auch nicht geeignet .JüngereMenschen möchten ihre letzte Zeit wennmöglich nicht im Heim verbringen. Es brauchteine Langzeitinstitution mit Akutbetrieb, esbraucht ein Hospiz. Der Bedarf in St. Gallenund den angrenzenden Gebieten liegt beizehn bis zwölf Betten mit einer Aufenthalts-dauer von zwei bis drei Monaten und etwa60 Patienten pro Jahr. Im Hospiz soll dieAtmosphäre so sein wie zu Hause und gleich-

zeitig eine intensive pflegerische, ärztlicheund nach Bedarf spirituelle, psychologischeund soziale Betreuung mit Einbezug der Ange-hörigen über 24 Stunden möglich sein. In denvergangenen fünf Jahren haben Pflegefach-leute der St. Galler Palliative Care ein ausge-reiftes Projekt zur Realisierung eines Hospizeserarbeitet. Die Gründung des Vereins«Freunde stationäres Hospiz St. Gallen» hateine Basis für Öffentlichkeitsarbeit und Spen-den geschaffen. In der Herbstsession hat derKantonsrat die Regierung beauftragt PalliativeCare inklusive Hospiz im Gesundheitsgesetzzu verankern. Die Finanzierung des Hospizesist noch nicht geregelt. Die Beteiligung vonKanton, Gemeinden und Krankenkassen mussausgehandelt werden. Die Öffentliche Handund die Kassen werden nicht die gesamtenKosten übernehmen können. Ein wesentlicherTeil wird durch Spenden zu berappen sein.Vergangenes Jahr wurde uns die Villa Jacob inSt. Gallen als Ort für das Hospiz für zehn Jahremietfrei zur Verfügung gestellt. Der Ausbau derVilla wird etwa 1,25 Millionen Franken kosten.Wir planen, das Hospiz 2017 zu eröffnen.

Jürg Ackermannjuerg.ackermann!tagblatt.ch

Christoph Hürnyist Präsident des Vereins«Freunde stationäres HospizSt.Gallen» und alt ChefarztGeriatrische Klinik St.Gallen.

Toms Welt: Die SVP hat jetzt eine zweite Stimme im Bundesrat

13. Dezember 2015Ostschweiz am Sonntag Reflexe 15

Recommended