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Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen - download.e-bookshelf.de · Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen...

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Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen Herbert F. Bender Fünfte, vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage unter Berücksichtigung von REACH und GHS
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  • Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen

    Herbert F. Bender

    Fünfte, vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

    unter Berücksichtigung von REACH und GHS

    File Attachment9783527696079.jpg

  • Herbert F. Bender

    Sicherer Umgangmit Gefahrstoffen

  • Herbert F. Bender

    Sicherer Umgangmit Gefahrstoffen

    unter Berücksichtigung von REACH und GHS

    5., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

  • Autor

    Prof. Dr.Herbert F. BenderWeimarer Str. 967459 Böhl-Iggelheim

    5. Auflage 2018

    Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältigerarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren,Herausgeber und Verlag in keinem Fall,einschließlich des vorliegenden Werkes, für dieRichtigkeit von Angaben, Hinweisen undRatschlägen sowie für eventuelle Druckfehlerirgendeine Haftung.

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    Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzungin andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teildieses Buches darf ohne schriftliche Genehmi-gung des Verlages in irgendeiner Form – durchPhotokopie, Mikroverfilmung oder irgendeinanderes Verfahren – reproduziert oder in einevon Maschinen, insbesondere von Datenver-arbeitungsmaschinen, verwendbare Spracheübertragen oder übersetzt werden. DieWieder-gabe vonWarenbezeichnungen, Handelsnamenoder sonstigen Kennzeichen in diesem Buchberechtigt nicht zu der Annahme, dass diesevon jedermann frei benutzt werden dürfen.Vielmehr kann es sich auch dann um einge-tragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlichgeschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nichteigens als solche markiert sind.

    Print ISBN 978-3-527-34009-5ePDF ISBN 978-3-527-69607-9ePub ISBN 978-3-527-69606-2Mobi ISBN 978-3-527-69605-5oBook ISBN 978-3-527-81285-1

    Umschlaggestaltung Formgeber, Mannheim,DeutschlandSatz le-tex publishing services GmbH, Leipzig,Deutschland

    Gedruckt auf säurefreiem Papier.

  • V

    Geleitwort

    Mit der Aufnahme der Schüler und Studenten in den Regelungsbereich der Ge-fahrstoffverordnung von 1986 und der dadurch vorgenommenen Ausweitungdes Geltungsbereiches dieser wichtigsten Arbeitsschutzvorschrift beim Umgangmit Chemikalien auf den Schul- und Hochschulbereich setzte sich auch bei denFachhochschulen und Hochschulen die Kenntnis durch, dass es wünschenswertund notwendig ist, die Studierenden nicht nur in den naturwissenschaftlichenGrundlagenfächern, sondern auch auf anderen Gebieten auszubilden. Paralleldazu nahm die Diskussion in der Öffentlichkeit über Nutzen und Risiken der Na-turwissenschaften, insbesondere der Atomindustrie, der chemischen Industrieund der Gentechnik immer weiter zu und zwang die Naturwissenschaftler undIngenieure, ihre fachlichen Positionen auch gegenüber Laien in überzeugenderWeise darzulegen. Während die ältere Generation derartiger Diskussion leiderimmer noch überwiegend ablehnend gegenübersteht, ist bei den jüngeren dieErkenntnis gereift, dass Vertrauen auf die Technik allein in der Diskussion nichthilft, wenn es darum geht, von Störmeldungen erschrecktenMitbürgern die Risi-ken der Chemie im Vergleich zu Risiken des alltäglichen Lebens in verständlicherWeise klar zu machen.Inzwischen haben auch die Hochschulen erkannt, dass ihre Einbeziehung in

    die Gefahrstoffverordnung durch das Bundesarbeitsministerium keine Gefähr-dung der Freiheit, Forschung und Lehre darstellt, sondern dazu beitragen soll-te, insbesondere die Studenten der Chemie über die fachliche Ausbildung hinausauch in wichtigen Randbereichen, wie z. B. der Toxikologie oder den Rechtswis-senschaften, aus- und fortzubilden. Spätestens dann, wenn der Diplomchemikerdas Forschungslabor verlässt und als Betriebsleiter gezwungen ist, sich wenigermit chemischenMolekülen als vielmehrmit Fragen derWirtschaftlichkeit des Be-triebes, des Arbeitsrechts und des Umweltrechts zu befassen, wird er verstehen,wie wichtig gerade für seine betriebliche Praxis es war, dass die entsprechendenGrundlagen bereits in seiner Ausbildung gelegt wurden.Auch der Naturwissenschaftler und Ingenieur kann sich der Wechselwirkung

    der Naturwissenschaften mit dem Recht nicht entziehen. Er muss in der Lagesein, mit den Rechtsabteilungen in größeren Betrieben undmit den Umwelt- undArbeitsschutzbehörden seine fachlichen Probleme zu erörtern und zu versuchen,einvernehmlich schwierige Sachverhalte in rechtlich einwandfreier Weise zu lö-

  • VI Geleitwort

    sen. An vielen Universitäten werden bereits Vorlesungen in Toxikologie und Ge-fahrstoffrecht angeboten. Während Lehrbücher der allgemeinen Toxikologie, dietraditionell für Studenten derMedizin und Pharmazie geschrieben wurden, zahl-reich auf dem Büchermarkt vorhanden sind, fehlt es an Einführungen speziell fürChemiker und andere Naturwissenschaftler, die ihr Fachwissen um toxikologi-sche und juristische Hintergrundinformationen ergänzen möchten. Das vorlie-gende Buch soll diese Lücke schließen helfen und ein Leitfaden für die Studentenbilden, die eine Sachkenntnisprüfung nach der Chemikalien-Verbotsverordnungablegen möchten. Die Einführung in die toxikologischenGrundlagen erfolgt des-halb an Hand der im Chemikaliengesetz beschriebenen Stoffeigenschaften undder daraus abzuleitenden Schutzmaßnahmen, sodass von dieser Seite ein leich-ter Zugang in die Arbeitsschutzvorschriften der Gefahrstoffverordnung möglichist. Diese werden im zweiten Teil des Buches für die Zwecke der Sachkenntnis-prüfung hinreichend ausführlich beschrieben. Als maßgeblicherMitverfasser derGefahrstoffverordnung hoffe ich, dass möglichst viele Studenten über ihr engeresFachstudium hinaus ein großes Interesse auch an Fragen der Toxikologie und derRechtswissenschaft finden und dazu beitragen, in sachbezogenen Diskussionendie von der Chemie ausgehenden Risiken, aber auch ihren Nutzen, in überzeu-gender Weise darzustellen.

    Ministerium für Arbeit und Soziales Dr. Helmut Klein

  • VII

    Inhaltsverzeichnis

    Geleitwort V

    Vorwort zur 5. Auflage XIII

    Vorwort zur 1. Auflage XV

    Abkürzungsverzeichnis XVII

    1 Wissenschaftliche Grundlagen 11.1 Grundlagen der Toxikologie 11.1.1 Aufnahmewege 21.1.2 Metabolismus 61.1.3 Akute Wirkung 81.1.4 Wirkung bei wiederholter Applikation 101.1.5 Sensibilisierende (allergisierende) Wirkung 121.1.6 EntwicklungsschädigendeWirkung 151.1.7 FruchtbarkeitsschädigendeWirkung 171.1.8 Krebserzeugende Wirkung 181.1.9 Erbgutverändernde bzw. keimzellmutagene Wirkung 271.2 Aerosole 291.3 Physikalisch-chemische Grundlagen 341.3.1 Begriffsdefinitionen, sicherheitstechnische Kenndaten 351.4 Fragen zu Kapitel 1 40

    Literatur 41

    2 Gefahrstoffklassen, Einstufung und Kennzeichnung 432.1 Einführung in die Einstufungssysteme 432.2 Gefahrenklasse: Physikalische Gefahren 432.2.1 Gefahrenklasse: „Explosive Stoffe/Gemische und Erzeugnisse

    mit Explosivstoffen“ 432.2.2 Gefahrenklasse „Entzündbare Gase“ 462.2.3 Gefahrenklasse „Aerosole“ 472.2.4 Gefahrenklasse „Oxidierende Gase“ 48

  • VIII Inhaltsverzeichnis

    2.2.5 Gefahrenklasse „Gase unter Druck“ 492.2.6 Gefahrenklasse „Entzündbare Flüssigkeiten“ 492.2.7 Gefahrenklasse „Entzündbare Feststoffe“ 512.2.8 Gefahrenklasse „Selbstzersetzliche Stoffe und Gemische“

    und „Organische Peroxide“ 532.2.9 Gefahrenklasse „Pyrophore Flüssigkeiten“ und Gefahrenklasse

    „Pyrophore Feststoffe“ 562.2.10 Gefahrenklasse „Selbsterhitzungsfähige Stoffe und Gemische“ 572.2.11 Gefahrenklasse „Stoffe und Gemische, die in Berührung mit Wasser

    entzündbare Gase entwickeln“ 582.2.12 Gefahrenklasse „Oxidierende Flüssigkeiten“ und Gefahrenklasse

    „Oxidierende Feststoffe“ 592.2.13 Gefahrenklasse „Metallkorrosiv“ 602.2.14 Ergänzende Gefahrenmerkmale 612.3 Gefährliche Eigenschaften: Gesundheitsgefahren 622.3.1 Gefahrklasse „Akute Toxizität“ 622.3.2 Gefahrklasse „Ätz-, Reizwirkung auf die Haut“ 662.3.3 Gefahrklasse „Schwere Augenschädigung/Augenreizung“ 682.3.4 Gefahrklasse „Sensibilisierung der Atemwege oder der Haut“ 692.3.5 Gefahrenklasse „Keimzellmutagenität“ 702.3.6 Gefahrenklasse „Karzinogenität“ 722.3.7 Gefahrenklasse „Reproduktionstoxizität“ 752.3.8 Gefahrenklasse „Spezifische Zielorgan-Toxizität bei einmaliger

    Exposition“ 792.3.9 Gefahrenklasse „Spezifische Zielorgan-Toxizität bei wiederholter

    Exposition“ 812.3.10 Gefahrenklasse „Aspirationsgefahr“ 822.3.11 Ergänzende Gefahrenmerkmale 832.4 Gefährliche Eigenschaften: Umweltgefahren 842.4.1 Gefahrenklassen „Gewässergefährdend“ 842.4.2 Gefahrenklassen „Die Ozonschicht schädigend“ 882.5 Einstufung von Stoffen 882.5.1 Allgemeine Grundsätze 882.5.2 Einstufung nach Anhang VI der CLP-Verordnung 892.5.3 Einstufung nach dem Einstufungs-

    und Kennzeichnungsverzeichnis 902.5.4 Einstufung nach dem Definitionsprinzip 922.6 Einstufung von Gemischen 932.6.1 Allgemeine Einstufungsregeln 932.6.2 Einstufung nicht additiver Eigenschaften 952.6.3 Einstufung additiver Eigenschaften 952.7 Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Gemische 992.7.1 Allgemeine Kennzeichnungsvorschriften 992.7.2 Spezielle Kennzeichnungsvorschriften 1012.8 Fragen zu Kapitel 2 102

    Literatur 105

  • IXInhaltsverzeichnis

    3 Grenzwerte 1073.1 Arbeitsplatzgrenzwerte 1093.2 Akzeptanz-, Toleranzkonzentration 1113.3 MAK-Werte 1143.4 Luftgrenzwerte der EU 1173.5 DNEL-/DMEL-Werte 1193.6 Grenzwerte im biologischen Material 1203.6.1 Der biologische Grenzwert 1203.6.2 Biologischer Arbeitsplatztoleranzwert 1213.6.3 Stoffspezifische Äquivalenzwerte im biologischemMaterial

    für krebserzeugende Stoffe 1233.7 Fragen zu Kapitel 3 124

    Literatur 126

    4 Das Chemikaliengesetz und Arbeitsschutzregelungen 1274.1 Einführung in das nationale und europäische Rechtssystem 1274.2 Das Chemikaliengesetz 1304.2.1 Aufbau des Chemikaliengesetzes 1304.2.2 Anwendungsbereich 1314.2.3 Durchführung der EU-REACH-Verordnung 1314.2.4 Durchführung der EU-Biozidverordnung 1324.2.5 Mitteilungspflichten bei Gemischen 1364.2.6 Ermächtigungsgrundlagen 1374.2.7 Verordnungen des Chemikaliengesetzes 1374.3 Die Gefahrstoffverordnung 1374.3.1 Zielsetzung, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen 1384.3.2 Vorschriften beim Inverkehrbringen 1414.3.3 Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung 1424.3.4 Grundpflichten 1454.3.5 Allgemeine Schutzmaßnahmen nach § 8 1474.3.6 Zusätzliche Schutzmaßnahmen nach § 9 1494.3.7 Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden,

    keimzellmutagenen und reproduktionstoxischenGefahrstoffen 1504.3.8 Besondere Schutzmaßnahmen bei physikalisch-chemischer

    Einwirkung 1514.3.9 Betriebsstörungen, Unfälle und Notfälle 1524.3.10 Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten 1524.3.11 Zusammenarbeit verschiedener Firmen 1564.3.12 Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen 1574.4 Die Anhänge der Gefahrstoffverordnung 1574.4.1 Anhang I: Besondere Vorschriften für bestimmte Gefahrstoffe

    und Tätigkeiten 1584.4.2 Anhang II: Besondere Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen

    für bestimmte Stoffe, Gemische und Erzeugnisse 162

  • X Inhaltsverzeichnis

    4.4.3 Anhang III: Spezielle Anforderungen an Tätigkeiten mit organischenPeroxiden 163

    4.5 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern 1644.5.1 Anwendungsbereich 1644.5.2 Aufbau und Schutzmaßnahmen 1674.5.3 Zusammenlagerungskonzept 1694.6 Mutterschutzverordnung und Jugendarbeitsschutzgesetz 1724.7 EG-Agenzienrichtlinie 1734.8 EG-Krebsrichtlinie 1744.9 Fragen zu Kapitel 4 176

    Literatur 180

    5 REACH 1835.1 Anwendungsbereich 1855.2 Begriffsbestimmungen 1865.3 Die Registrierung 1875.3.1 Allgemeine Registrieranforderungen 1885.3.2 Mengenabhängige Registrieranforderungen 1905.3.3 Stoffsicherheitsbericht 1915.3.4 Forschung und Entwicklung 1935.3.5 Zwischenprodukte 1955.4 Das Zulassungsverfahren 1965.5 Informationen in der Lieferkette 2035.6 Das Sicherheitsdatenblatt 2045.7 Das erweiterte Sicherheitsdatenblatt 2085.8 Verbote beim Inverkehrbringen 2105.9 Fragen zu Kapitel 5 210

    Literatur 212

    6 Abgabeverbote und Beschränkungen 2136.1 Verbote und Beschränkungen nach Anhang XVII

    der REACH-Verordnung 2136.2 Chemikalien-Verbotsverordnung 2226.2.1 Verbote und Beschränkungen beim Inverkehrbringen 2236.2.2 Vorschriften bei der Abgabe bestimmter Stoffe/Gemische 2256.2.3 Abgabe an den privaten Endverbraucher 2276.2.4 Abgabe an berufsmäßige Verwender 2296.2.5 Sachkunde 2316.2.6 Straftaten, Ordnungswidrigkeiten 2326.3 Fragen zu Kapitel 6 233

    Literatur 239

    7 Weitere Stoffgesetze 2417.1 Das Pflanzenschutzgesetz 2427.1.1 Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln 245

  • XIInhaltsverzeichnis

    7.1.2 Sachkundeerfordernis 2477.1.3 Abgabe von Pflanzenschutzmitteln 2487.2 Das Wasserhaushaltsgesetz 2497.3 Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 2507.4 Das Gefahrgutgesetz 2527.5 Stoffkunde 2547.6 Erste Hilfe 2577.7 Fragen zu Kapitel 7 258

    Literatur 261

    Antworten zu den Aufgaben 263

    Stichwortverzeichnis 265

  • XIII

    Vorwort zur 5. Auflage

    Seit der letzten Auflage hat sich nicht nur das Stoffrecht stürmisch weiterent-wickelt, darüber hinaus haben wichtige toxikologische Erkenntnisse der letztenJahrzehnte Eingang in die Rechtssetzung gefunden. Insbesondere die Regelun-gen zu krebserzeugenden Stoffenwurdenmit derDifferenzierung in genotoxischeund nicht genotoxische Wirkung und dem Expositions-Risiko-Konzept weiter-entwickelt. Die vollkommene Integration in die Gefahrstoffverordnung soll zwarerst mit der nächsten Novelle erfolgen, in der TRGS 910 wurde das Konzept je-doch bereits aufgenommen. Zusätzlich wurden die gesetzlichen Vorschriften zurDokumentation bei Tätigkeiten mit möglicher Gefährdung gegenüber krebser-zeugenden und keimzellmutagenen Stoffen erläutert, mit gleichzeitigem Hinweisauf die benutzerfreundliche Hilfestellung durch die „Zentrale Expositionsdaten-bank“ (ZED) bei der DGUV.Nach Neufassung der Chemikalien-Verbotsverordnung mit Anpassung an die

    CLP-Verordnung ist nach langer Verzögerung zum Jahresanfang endlich wiedereine vollziehbare Rechtsgrundlage beim Inverkehrbringen von Stoffen mit spe-ziellen Eigenschaften geschaffen worden. Auch wenn die Kriterien für die An-erkennung der notwendigen Auffrischungslehrgänge für die Sachkunde zurzeitnoch nicht vorliegen, sollen diese in 2018 veröffentlicht und anwendbar sein. Dadie Verbote und Beschränkungen beim Inverkehrbringen nunmehr, mit Ausnah-me der im Anhang der Chemikalien-Verbotsverordnung aufgeführten nationalenAusnahmen, ausschließlich in Anhang XVII der REACH-Verordnung aufgeführtsind, wurden diese vollständig aufgenommen und übersichtlich beschrieben.Der aktuelle Fragenkatalog zur Sachkundeprüfung enthält zahlreiche Fragen zu

    Bioziden, infolgedessen wurden auch hierzu die grundlegenden Prinzipien kurzbeschrieben.Die Regelungen zum Explosionsschutzwurden ebenfalls neu aufgenommen, da

    diese Vorschriften von der Betriebssicherheitsverordnung in die Gefahrstoffver-ordnung überführt wurden.Desgleichen wurde die Störfallverordnung durch Umsetzung der Seveso-III–

    Richtlinie kürzlich an die CLP-Verordnung angepasst. Aufgrund der umfassen-deren neuen Anwendungskriterien wurden die Grundprinzipien erläutert.Auf europäischer Ebene wurde die CLP-Verordnung 1272/2008 intensiv wei-

    terentwickelt. Nach Ablauf der Übergangsfristen der früheren Stoff- und Zube-

  • XIV Vorwort zur 5. Auflage

    reitungsrichtlinien konnten die Beschreibung der alten Einstufungs- und Kenn-zeichnungsvorschriften entfallen. Diese wurden an die aktuelle CLP-Verordnungangepasst und entsprechend fort geschrieben.Da die letzte Registrierfrist der REACH-Verordnung fast abgelaufen ist, wurde

    der Schwerpunkt auf das Zulassungsverfahren, die Kandidatenliste und die unter-schiedlichen Programme zur Evaluierung der Stoffdaten gelegt. Ergänzend wur-den die nach der REACH-Verordnung abzuleitenden DNEL-Werte im Kapitel 3(Grenzwerte) ausführlicher beschrieben. Aufgrund der großen Bedeutung der Si-cherheitsdatenblätter für die betriebliche Praxis wurden die Anforderungen andie Erstellung umfassender dargestellt.Abschließend wurden die weiteren Stoffgesetze deutlich gestrafft und an die

    Notwendigkeit der Sachkundeprüfung nach Chemikalien-Verbotsverordnungbesser angepasst, auch wenn nach wie vor im amtlichen Fragenkatalog zum Teilobskure Fragen zu in der Praxis irrelevanten Verordnungen enthalten sind.

    Böhl-Iggelheim, im September 2017 Herbert F. Bender

  • XV

    Vorwort zur 1. Auflage

    Dieses Buch befasst sich mit den Risiken, die von Chemikalien auf Mensch undUmwelt ausgehen können. Durch eine ausführliche Diskussion auf naturwissen-schaftlicher Basis sollen die tatsächlichen Risiken beimUmgang mit Chemikalienfür den Leser besser beurteilbar werden. Aus der Kenntnis der Eigenschaften vonGefahrstoffen soll der Leser in die Lage versetzt werden, die von ihnen ausgehen-den Gefährdungen sachgerecht zu bewerten und die angemessenen Schutzmaß-nahmen und Verhaltensregeln auszuwählen.Während die mit Chemikalien verbundenen Risiken in der öffentlichen Dis-

    kussion sehr häufig überbewertet werden, neigen viele Menschen zu einer Unter-bewertung der sehr viel größeren Gefahren des alltäglichen Lebens, als Beispielseien nur das Rauchen und der Straßenverkehr erwähnt. In diesem Sinne soll dasvorliegende Buch einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um die Gefah-ren der Chemie leisten, auch im Hinblick auf die häufig emotionalisierte öffentli-che Meinung. Das Grundkonzept dieses Buches ist im Laufe einer Vorlesung fürStudierende der Naturwissenschaften an der Universität Heidelberg entstanden.Der Inhalt des Kompendiums erfüllt die Anforderungen, die an die Sachkenntnisfür die Abgabe von vielen Chemikalien gemäß Chemikalien-Verbotsverordnunggestellt werden. Es richtet sich somit insbesondere an alle Studierenden, die imLaufe ihres Studienganges diese Sachkenntnis erwerben müssen.Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die ausführliche Diskussion der wich-

    tigsten Stoffeigenschaften auf toxikologischer Grundlage und die zugeordnetenGefährlichkeitsmerkmale gelegt. Nur durch Kenntnis der Stoffeigenschaften las-sen sich die tatsächlichen Risiken beim Umgang und bei der Anwendung korrektabschätzen, deshalb wird dieses einleitende Kapitel allen weiteren Ausführungenvorangestellt.Davon ausgehendwerden die unterschiedlichenArbeitsplatzgrenz-werte verständlich abgeleitet und ihre Bedeutung für den Arbeitsschutz heraus-gestellt. Die wesentlichsten Regelungen des Chemikaliengesetzes als übergeord-netem Gesetz werden kurz vorgestellt, insbesondere werden die grundlegendenAnforderungen bei der Anmeldung neuer Stoffe ausgeführt.Die Interpretation derGefahrstoffverordnung steht imMittelpunkt des sich an-

    schließenden Gefahrstoffrechtes. Eingeleitet wird dieses Kapitel mit der aus derEinstufung der Stoffe resultierenden Kennzeichnung. Die sich daraus ergeben-den Schutzmaßnahmen werden in Grundzügen vorgestellt. Die Kenntnisse der

  • XVI Vorwort zur 1. Auflage

    Schutzmaßnahmen sind zur Durchführung der Belehrungspflicht bei der Abga-be von Stoffen nach Chemikalien-Verbotsverordnung unabdingbar. Eine ausführ-liche Diskussion dieses zentralen Bestandteils der Gefahrstoffverordnung bleibteinem späteren Buch vorbehalten, hier können nur die wesentlichen Schutzmaß-nahmen Berücksichtigung finden, die in erster Linie für Laboratorien von Bedeu-tung sind.Die bei der Abgabe von Chemikalien zu berücksichtigenden Vorschriften nach

    der Chemikalien-Verbotsverordnung werden vorgestellt. Der Leser wird in dieLage versetzt, als Verantwortlicher die korrekte Abgabe von Chemikalien selbstdurchzuführen.Wegen der Bedeutung von brennbaren Flüssigkeiten in unserer Industriegesell-

    schaft sollen deren Eigenschaften und die daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmenebenfalls diskutiert werden.Jedem Kapitel wurde eine Auswahl von Fragen nachgestellt, die dem Leser die

    Wissenskontrolle der behandelten Themen erlaubt. Musterlösungen finden sichim Anhang am Ende des Buches.Während die Fragen zu den Kapiteln 2 bis 7 allerelevant für die Sachkenntnisprüfung nach §5 Chemikalien-Verbotsverordnungsind, wurden die Fragen zu Kapitel 8 der Vollständigkeit wegen mit aufgeführt.Insbesondere auch aus demWissen heraus, dass durch brennbare Gase, Flüssig-keiten und Stäube die meisten gewerblichen und industriellen Unfälle verursachtwerden.Zum vereinfachten Auffinden wurden alle chemischen Namen im Text kursiv

    gedruckt.Ganz besonders möchte sich der Autor bei Herrn Dr. med. Dr. rer. nat. Jäckh,

    BASF-AG, für die wertvollen Diskussionen und Anregungen zum Thema Toxi-kologie bedanken, ebenso bei Herrn Dr. Helmut Schnierle, Hoechst-AG, für diezahlreichen Hinweise zur Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen. Das ein-leitende Kapitel zur Rechtssystematik ist unter Mithilfe von Herrn Rechtsasses-sor A. Theuer, BASF-AG, entstanden. Herrn Dr. Helmut Klein, Bundesarbeitsmi-nisterium, gebührt besonderer Dank für die vielen konstruktiven und kritischenAnregungen und Anmerkungen und die zahlreichen Hinweise zu allen Kapitelndieses Buches.Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Frau für die vielen Korrekturen, Dis-

    kussionen und das entgegengebrachte Verständnis bedanken.

    Böhl-Iggelheim, im Februar 1995 Herbert F. Bender

  • XVII

    Abkürzungsverzeichnis

    AAV Europäisches AbfallverzeichnisAC Erzeugniskategorie (Definition in der REACH-Verordnung)ACSH Beratenden Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und

    Gesundheitsschutz (Ausschuss der Generaldirektion Arbeitund Beschäftigung der EU-Kommission)

    ADR accord européen relatif au transport international des mar-chandises dangereuses par route

    AGS Ausschuss für GefahrstoffeAGW Arbeitsplatzgrenzwert (verbindliche nationale Luftgrenzwer-

    te, TRGS 900)ASI Abbruch, Sanierung, InstandhaltungATE acute toxicity estimate, Schätzwert der akuten Toxizität (Fest-

    legung in CLP-Verordnung)AwsV Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefähr-

    denden Stoffen (Bundesverordnung, hat die VwVws abgelöst)BAM Bundesanstalt für MaterialprüfungBAT Biologischer Arbeitsstoff-Toleranzwert (gesundheitsbasierter

    Grenzwert im Körper, Festlegung durch MAK-Kommission)BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und ArbeitsmedizinBfC Bundesstelle für Chemikalien (nach ChemG nationale Bun-

    desstelle bei der BAuA)BfR Bundesinstitut für RisikobewertungBG RCI Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische IndustrieBGR Berufsgenossenschaftliche RegelnBGI Berufsgenossenschaftliche InformationenBGW biologischeGrenzwert (verbindliche nationale Grenzwerte im

    biologischen Material, TRGS 903)BImSchG Bundes-ImmissionsschutzgesetzBM biological monitoringBOELV binding occupational exposure limit values (Bindende Grenz-

    werte am Arbeitsplatz der EU gemäß Anhang III EG-RL2004/37/EG)

  • XVIII Abkürzungsverzeichnis

    BVL Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher-heit

    ChemG ChemikaliengesetzChemVOCFarbV ChemikalienrechtlicheVerordnung zurBegrenzungderEmis-

    sionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) durchBeschränkung des Inverkehrbringens lösemittelhaltiger Far-ben und Lacke, Lösemittelhaltige Farben- und Lack- Verord-nung

    CMR cancerogen mutagen reprotoxic (keimzellmutagen, karzino-genen, reproduktionstoxisch)

    CLH classification labelling harmonized (harmonisierte Einstufunggemäß CLP-Verordnung)

    CoRAP community action rolling planCSA chemical safety assessment (Stoffsicherheitsbewertung)CSR chemical safety report (Stoffsicherheitsbericht)CT ComputertomografieDBB Di-μ-di-n-butylstanniohydroxyboran, Dibutylzinnhydrogen-

    boratDBBT MonomethyldibromdiphenylmethanDCM DichlormethanDDT DichlordiphenyltrichlorethanDEGBE 2-(2-Butoxyethoxy)ethanolDEGME 2-(2-Methoxyethoxy)ethanolDGUV Deutsche Gesetzliche UnfallversicherungDMEL derived minimum exposure level (in den Leitlinien der

    REACH-Verordnung festgelegter Maßstab für die Luftkon-zentration krebserzeugender Stoffe)

    DMF DimethylformamidDNEL derived no effect level (nach REACH-Verordnung abzuleiten-

    der Luftgrenzwert)DNS DesoxyribonukleinsäureECHA Europäische ChemikalienagenturED endocrine disruptor (hormonell wirkende Stoffe)EINECS Europäisches Altstoffinventar (Europäisches Verzeichnis der

    auf demMarkt vorhandenen chemischen Stoffe)EKA Expositionsäquivalente für krebserzeugende Arbeitsstoffe

    (Grenzwert im Körper für krebserzeugende Stoffe, Festlegungdurch MAK-Kommission)

    EPA Environmental Protection Agency (Umweltbehörde der USA)ERC Umweltfreisetzungskategorie (Deskriptor für Expositionssze-

    narien, festgelegt in Leitlinien der REACH-Verordnung)ETU EthylenthioharnstoffEU Europäische UnionFp FlammpunktGBS granuläre biobeständige Stäube

  • XIXAbkürzungsverzeichnis

    GefStoffV Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffver-ordnung)

    GGBefG Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter, Gefahrgut-beförderungsgesetz

    GGVSEB Gefahrgutverordnung Straße, mit Eisenbahnen und Binnen-schifffahrt

    GHS globally harmonized system (global harmonisiertes System)GLP Gute LaborpraxisIOELV indicative occupational exposure limit values (empfohlene

    Luftgrenzwerte für den Arbeitsplatz der EU)KGW KörpergewichtKMF künstliche MineralfasernKMU klein- und mittelständige UnternehmenKrW-/AbfallG Kreislaufwirtschafts- und AbfallgesetzLCS Lebenszyklusstadium (Deskriptor für Expositionsszenarien,

    festgelegt in Leitlinien der REACH-Verordnung)LD50 mittlere letale DosisLGK Lagerklassen (Festlegung in TRGS 510)LLNA local lymph node assay, lokaler LymphknotentestLOAEL lowest observable adverse effect levelMAK Maximale Arbeitsplatz-Konzentration (gesundheitsbasierter

    Luftgrenzwert der MAK-Kommission)MDI MethylendiphenyldiisocyanatMIK Maximale Immissions-KonzentrationMMMF man-made mineral fibres (künstliche Mineralfasern, KMF)MTD maximal tolerierbare DosisMuSchArbV Verordnung zum Schutz der Mütter am ArbeitsplatzMZE MindestzündenergieNOAEL no adverse effect level (im Tierversuch ermittelte Dosis ohne

    Gesundheitsbeeinträchtigung)OEG obere ExplosionsgrenzeOEL occupational exposure level (Oberbegriff für Arbeitsplatz-

    grenzwerte)OSOR one substance, one registrationPAK polykondensierte aromatische KohlenwasserstoffePBB polybromierte BiphenylePBT persistent und bioakkumulierbar toxischPC Produktkategorie (Deskriptor für Expositionsszenarien, fest-

    gelegt in Leitlinien der REACH-Verordnung)PCB polychlorierte BiphenylePCT polychlorierte TerphenylePflSG PflanzenschutzgesetzPNEC predicted no effect concentration (Konzentration ohne ge-

    sundheitliche Beeinträchtigung für aquatische Lebewesen)ppm parts per million

  • XX Abkürzungsverzeichnis

    ProC Verfahrenskategorie (Deskriptor für Expositionsszenarien,festgelegt in Leitlinien der REACH-Verordnung)

    PPORD product and process oriented research and development (For-schung und Entwicklung nach REACH-Verordnung)

    PSA persönliche SchutzausrüstungPSIS pre-submission information session (optionale Beratung im

    Rahmen des Zulassungsverfahrens nach REACH-VerordnungPVC PolyvinylchloridRAC Risk Assessment Committee, Ausschuss für Risikobewertung

    der ECHARID Internationale EisenbahnvorschriftenRMM risk management measures (Arbeitsschutzmaßnahmen)RMOA risk management option analysisQSAR qualified structure-activity relationshipSCOEL Scientific Committee for Occupational Exposure LimitsSEAC Ausschuss für sozioökonomische Analyse der ECHASIEF Substance Information Exchange ForumSTEL short time exposure values (Kurzzeitwert von Arbeitsplatz-

    konzentrationen)STOT specific target organ toxicity (spezifische Zielorgan-Toxizität)SU Verwendungssektor (Deskriptor für Expositionsszenarien,

    festgelegt in Leitlinien der REACH-Verordnung)SVHC substances of very high concern (besonders besorgniserregen-

    de Stoffe nach REACH-Verordnung, veröffentlicht in der Kan-didatenliste)

    TCDD 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxinTDI Toluol-2,6-diisoyanatTF technische FunktionTGD technical guidance documents (nicht bindende Leitlinien der

    EU)TLV threshold limit values (US Luftgrenzwerte)TNT TrinitrotoluolTRA tiered risk approachTRBA technische Regeln biologischer ArbeitsstoffeTRbF technische Regeln für brennbare Flüssigkeiten (aufgehobene

    technisch Regeln, ersetzt durch TRBS)TRBS technische Regeln für BetriebssicherheitTRGS technische Regeln für GefahrstoffeUBA UmweltbundesamtUEG untere ExplosionsgrenzeÜF ÜberschreitungsfaktorVEK Verwendungs- und Expositionskategorien (Begriff der

    REACH-Verordnung)vPvB sehr persistent und sehr bioakkumulierbarVSK verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (siehe TRGS 420)

  • XXIAbkürzungsverzeichnis

    WHG WasserhaushaltsgesetzWHO World Health Organization, WeltgesundheitsorganisationWPC Working Party Chemicals (zuständiger Unterausschuss des

    ACSH der EU)ÜF ÜberschreitungsfaktorZED Zentrale Expositionsdatenbank

  • 1

    1Wissenschaftliche Grundlagen

    1.1Grundlagen der Toxikologie

    Im Abschn. 1.1 können nur die zum Verständnis der wichtigsten Stoffeigen-schaften benötigten toxikologischen Prinzipien dargestellt werden. Für ein in-tensiveres Studium wird auf die zahlreichen Lehrbücher verwiesen, z. B. auf diegrundlegendenAusführungen von Eisenbrand undMetzler [1], Dekant undVam-vakas [2], Birgersson et al. [3], Klaassen [4] oder Strubelt [5]. Nicht dargestelltwerden im Rahmen dieses Handbuches die Abbaureaktionen der unterschied-lichen Chemikalien; diese können der einschlägigen Fachliteratur entnommenwerden.Zum Verständnis der Wirkung von Chemikalien auf den Organismus sind to-

    xikologische Grundkenntnisse vonnöten. Die Toxikologie ist die Lehre von denGiften, der Begriff leitet sich vom griechischenWort „toxon“=Gift ab. Neben derklassischen Lehre von der Wirkung von Giften (der Toxikodynamik) beschäftigtsich die moderne Toxikologie auchmit der Stoffumwandlung durch denOrganis-mus (der Toxikokinetik) und den unterschiedlichenWirkmechanismen. Zur Fest-legung der geeigneten Schutzmaßnahmen ist die Kenntnis des toxikologischenProfils notwendig.Eine lokale Wirkung liegt vor, wenn sich die Wirkung der Stoffe auf den Ein-

    wirkungsort beschränkt. Verätzungen oder Reizungen sind typische Beispiele vonlokalen Stoffwirkungen. Neben der Haut als primär betroffenes Körperorgan sindlokale Effekte am Atemtrakt, am Auge oder imMagen-Darm-Trakt bekannt. Bei-spielhafte Vertreter lokal wirkender Stoffe sind bei

    ∙ dermaler Wirkung: Säuren, Laugen,∙ inhalativer Wirkung: Säurechloride, Isocyanate.

    Die meisten Chemikalien werden jedoch über das Blutsystem im ganzen Kör-per verteilt. Von diesen systemischwirkenden Stoffen können grundsätzlich alleOrgane erreicht werden. Typischerweise wirken Stoffe an spezifischen Organen,den sogenannten Zielorganen. Abbildung 1.1 zeigt die Zielorgane bekannter Che-mikalien.

    Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, 5. Auflage. Herbert F. Bender.©2018WILEY-VCHVerlagGmbH&Co.KGaA.Published2018byWILEY-VCHVerlagGmbH&Co.KGaA.

  • 2 1 WissenschaftlicheGrundlagen

    Methanol, Acrolein

    Blei, Drogen, Nicotin, EthanolGehirn

    Augen

    Herz

    Leber

    Blut

    Nieren

    Sexualorgane

    Blutgefäße

    Nerven

    Benzol, Blei, aromatische Amine

    Phenol, Diphtherietoxin, Flusssäure

    Quecksilberverbindungen, Chromate,Toluol, Ethylenglycol, Mykotoxine

    Ethanol, Hormone

    Nicotin

    Thallium, Blei, Alkaloide, Curare, Tabun, Sarin,

    Arsen, Ethanol, Tetrachlorkohlenstoff

    Abb. 1.1 Zielorgane beispielhafter Stoffe.

    Zur Beschreibung der Giftigkeit verschiedener Stoffewird häufig die akute To-xizität benutzt. Eine akute Wirkung liegt bei einmaliger Einwirkung von Stoffenvor. In der Regel stellt sich die toxikologischeWirkung kurzfristig nachExpositioninnerhalb weniger Minuten bis einigen Stunden ein. In sehr seltenen Fällen kanndie Stoffwirkung durch Spätschäden erst nachWochen oder Monaten erkennbarsein.

    1.1.1Aufnahmewege

    Unter Arbeitsplatzbedingungen werden Stoffe üblicherweise entweder inhalativoder dermal aufgenommen, in seltenen Fällen kommt auch dem oralen Aufnah-meweg eine relevante Rolle zu. Abbildung 1.2 zeigt schematisch die verschiede-nen Aufnahmewege sowie die wichtigsten Organe, die primär betroffen sind:

    ∙ oral: Aufnahme über den Mund direkt in den Magen,∙ dermal: Aufnahme von Stoffen über die Haut und∙ inhalativ: Aufnahme von Stoffen über die Atemorgane.

    1.1.1.1 Orale AufnahmeInAbhängigkeit vomAufnahmewegkönnen sich dieWirkungen vonStoffendeut-lich unterscheiden. Durch das saureMilieu insbesondere imMagentrakt (pH = 1bis 5) können bei oraler Aufnahme hydrolyseempfindliche Stoffe gespalten wer-

  • 31.1 Grundlagen der Toxikologie

    Speiseröhre

    Luftröhre

    Lunge

    Leber

    Magen

    Milz

    Niere

    Herz

    Gallenblase

    Einatmen

    Verschlucken

    Haut-resorption

    Abb. 1.2 Aufnahmewege für Stoffe in den Körper.

    den. Chemische Umwandlungen sowohl zu giftigeren Stoffen (Giftung) als auchzu ungiftigeren Stoffen (Entgiftung) sind möglich.Während imMagen bevorzugtsaure Verbindungen absorbiert werden, findet im Darmtrakt vor allem die Auf-nahme von basischen und lipophilen Stoffen statt. Chemikalien, dieweder imMa-gen noch im Darm resorbiert werden, scheidet der Körper direkt wieder aus. Da-durch kann ein möglicherweise vorhandenes toxisches Potenzial nicht wirksamwerden, wie beispielsweise bei Cadmiumsulfid oder Bariumsulfat.Ein bekanntes Beispiel ist das oral nicht bioverfügbare metallische Quecksil-

    ber. Da es im Magen-Darm-Trakt unlöslich ist, wird es fast vollständig in Formkleiner Tröpfchen wieder ausgeschieden. Quecksilberdampf wird im Gegensatzhierzu sehr gut über die Lunge aufgenommen und wirkt stark toxisch. Sowohlorganische als auch eine Vielzahl von anorganischen Quecksilberverbindungen(z. B. Methylquecksilberchlorid) sind im Magen-Darm-Trakt ausreichend löslichund wirken entsprechend auch bei oraler Aufnahme sehr toxisch.

    1.1.1.2 Dermale AufnahmeEine wesentliche Aufgabe derHaut besteht im Schutz des Körpers gegen Einwir-kung von außen. Diese Schutzfunktion ist gegenüber ionischen, wasserlöslichenStoffen oder Makromolekülen sehr effektiv. Fettlösliche (lipophile) Stoffe werdendemgegenüber meist gut über die Haut aufgenommen und resorbiert.In Abhängigkeit der chemischen Struktur ist die dermale Aufnahme von Che-

    mikalien sehr unterschiedlich.Während lipophile Stoffe mit einemMolekularge-wicht unter 200Dalton im Allgemeinen gut über die Haut aufgenommen wer-den, sind größere Moleküle, wie z. B. Polymere, nicht mehr hautgängig. Pola-

  • 4 1 WissenschaftlicheGrundlagen

    re Moleküle mit lipophilen und hydrophilen Gruppen werden äußerst effektivresorbiert.Bei Verwendung organischer Lösemittel muss deren gute Aufnahme über die

    Haut durch die Wahl geeigneter Schutzmaßnahmen unbedingt Rechnung getra-gen werden. Die entfettendeWirkung der Lösemittel verstärkt durch Schädigungdes Schutzmantels ihre dermale Aufnahme. Stoffemit sowohl hautresorptiver alsauch ätzender Wirkung werden äußerst schnell und wirkungsvoll über die Hautaufgenommen. Tödliche Unfälle durch Phenol oder Flusssäure sind hierfür be-kannte Beispiele: Die ätzendeWirkung zerstört den Schutzmantel derHaut, infol-gedessen können innerhalb kurzer Zeitspanne große Stoffmengen aufgenommenwerden.Die Bedeutung des dermalen Aufnahmeweges für Intoxikationen (Vergiftun-

    gen) wird in der Praxis häufig stark unterschätzt. Organische Lösemittel könnengelöste Stoffe, die selbst nicht hautgängig sind, im Sinne eines „Carrier-Effektes“durch die Haut transportieren. In der Medizin (Dermatologie) wird diese Tatsa-che ausgenutzt, um schlecht resorbierbare pharmakologischeWirkstoffe in tiefereHautschichten zu transportieren.Die Effektivität der dermalenAufnahme soll am folgendenBeispiel näher erläu-

    tert werden: Vom sehr gut hautresorptiven Dimethylformamid (DMF), wird 1 g,ca. 20 Tropfen, innerhalb weniger Minuten vollständig über die intakte Haut auf-genommen. Beim versehentlichen Verschütten können auch im Labormaßstabsehr viel größere Mengen aufgenommen werden. Um die gleiche Menge DMFüber die Atemwege aufzunehmen, muss bei der maximal am Arbeitsplatz zuläs-sigen Konzentration (bei täglich achtstündiger Exposition, AGW = 15mg∕m3,5 ppm, siehe Abschn. 3.1) mehrere Tage gearbeitet werden, um die gleiche Stoff-menge aufzunehmen. Aufgrund der schnellen Metabolisierung von DMF (Halb-wertszeit wenige Stunden) beträgt diese im Körper zu einem beliebigem Zeit-punkt nur einen Bruchteil der Konzentration im Vergleich zur dermalen Aufnah-me.

    Dermale Aufnahme: in MinutenInhalative Aufnahme: in Tagen

    Geschwindigkeit und Menge der über die Haut aufgenommenen Stoffe hängtselbstverständlich wesentlich von den Stoffeigenschaften ab; Lipohilie, Moleku-largröße und Dipoleigenschaften spielen eine wesentliche Rolle, um nur einige zunennen. Viele Stoffewerden nicht nur durch die Haut resorbiert, sondern könnensie direkt schädigen. Die Wirkungen ätzender und reizender Stoffe auf die Hautwird im Abschn. 2.3.2 näher beschrieben.Wird durch den Stoffkontakt eine unmittelbare, lokale Schädigung der Haut

    ausgelöst, liegt keine systemische, sondern irritative oder ätzende Wirkung vor.

  • 51.1 Grundlagen der Toxikologie

    1.1.1.3 Inhalative AufnahmeSehr gut wasserlösliche Stoffe, z. B. Ammoniak oder Chlorwasserstoff , werdenbeim Einatmen im Allgemeinen im oberen Bereich des Atemtraktes von derSchleimhaut absorbiert und erreichen infolgedessen üblicherweise nicht die Al-veolen. Da sich im oberen Atemtrakt viele Rezeptoren befinden, werden Reizre-aktionen wie Husten und Niesen ausgelöst. Weitere bekannte Beispiele sind

    ∙ Ammoniak,∙ Chlor- und Fluorwasserstoff ,∙ Schwefeldioxid

    sowie die Dämpfe und Stäube vieler

    ∙ Säuren und∙ Basen.

    Weniger gut wasserlösliche Verbindungen können problemlos bis in die Bron-chien vordringen (siehe Abb. 1.14). Da der untere Atemtrakt mit einer dünneSchleimschicht mit wenigen Rezeptoren ausgestattet ist, ist die Reizwirkung we-niger deutlich ausgeprägt. Da das Bronchial- undAlveolargewebe nur eine extremdünneMembran darstellt, kann eine Diffusion in das umliegende Gewebe eintre-ten. Bekannte industriell bedeutsame Chemikalien mit analoger Wirkung sind:

    ∙ Isocyanate,∙ Chlor,∙ Brom,∙ Iod,∙ Ozon und∙ Phosphorchloride.

    Lipophile Verbindungen können über die Bronchien bis zu den Lungenbläs-chen (Alveolen) vordringen (siehe Abb. 1.14). In den Alveolen findet der Gas-austausch zwischen Blut (Kohlendioxid) und Atemluft (Sauerstoff ) statt. Die Al-veolen liegen am Ende der Lungenäste und sind traubenförmig angeordnet. Ih-re Oberflächen sind mit Blutkapillaren überzogen. Zwischen Blutgefäß und Gas-raum befindet sich lediglich eine ein tausendstel Millimeter dicke Membran, dievon nur zwei Zellschichten gebildet wird. Eine Diffusion von Fremdstoffen ausder Atemluft in die Blutbahn ist daher leicht möglich. Die gesamte Oberflächeder Millionen von Alveolen eines Erwachsenen beträgt ca. 100m2.Dringen ätzende Stoffe bis in die Alveolen vor, sind lebensgefährliche Ver-

    ätzungen des Lungengewebes möglich. Stoffe mit ätzender und zytotoxischer(zellschädigender) Wirkung bewirken eine signifikante Wirkungsverstärkung.Dringt bedingt durch eine lokale Verätzung Flüssigkeit in die Alveolen ein, kannes zur Ausbildung eines Lungenödems kommen, das den lebensnotwendigenSauerstoffaustausch stark beeinträchtigt. Die Ausbildung des Lungenödems er-folgt häufig mit einer Zeitverzögerung von einigen Stunden bis zu einem Tag,daher wird dies als latente Wirkung bezeichnet. Während die Latenzzeit meist

  • 6 1 WissenschaftlicheGrundlagen

    Metabolismus von Stoffen

    inhalativ oral dermal

    Lunge

    MagenDarm

    Blut Haut

    innere Organe

    NiereLeber

    Ausatmen Stuhl Urin Schweiß

    Aufn

    ahm

    eM

    etab

    olism

    usAu

    ssch

    eidu

    ng

    Abb. 1.3 Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen.

    beschwerdefrei verläuft, können sich mit der Ausbildung des Lungenödems le-bensgefährliche Zustände einstellen. Nur durch frühzeitiges ärztliches Eingreifenist eine erfolgreiche Behandlung möglich. Durch Pilze oder verdorbenes Fleischausgelöste Lebensmittelvergiftungen besitzen eine latente Wirkung, ebenso wiefolgende Chemikalien:

    ∙ Phosgen,∙ Ozon,∙ Stickstoffdioxid sowie∙ Methylisocyanat und viele Diisocyanate.

    1.1.2Metabolismus

    In Abhängigkeit des Aufnahmeweges durchlaufen Stoffe verschiedene Umwand-lungsprozesse zwischen Aufnahme und Ausscheidung. Die Verweildauer im Or-ganismus beträgt in Abhängigkeit der Löslichkeit, des Dampfdrucks, der Polari-tät, Lipophilie, der chemischen Struktur, die alle die Toxikokinetik und Toxiko-dynamik beeinflussen, einige Minuten (z. B. Cyanide) bis hin zu mehreren Jahren(z. B. Schwermetalle, hochhalogenierte Verbindungen). Neben den vorgenanntenEinflussfaktoren beeinflussen sowohl die aufgenommeneMenge als auch die phy-sikalische FormdieMetabolisierung.Diewichtigsten anAbbau undUmwandlungvon Stoffen beteiligten Organe sind Leber, Galle, Niere und Magen. Die Vertei-lung im Körper in Abhängigkeit vom Aufnahmeweg kann Abb. 1.3 entnommenwerden.


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