Internet Klausurenkurs Aufgabe ZR 121 überarbeitet von Richter am Amtsgericht von Saldern
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ZR 121
Die Aufgabe hat 14 Seiten.
Auszug aus den Akten des Landgerichts Frankfurt (Oder):
Zahner & Kollegen Rechtsanwälte
Rechtsanwälte Zahner & Kollegen, Postfach 111203, 16269 Wriezen
An das
Landgericht Frankfurt (Oder)
Müllroser Chaussee 55
15236 Frankfurt (Oder) Wighard Zahner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Familienrecht und Verkehrsrecht
Isabell Linse Rechtsanwältin
Eingegangen: 30.01.2020
Dr. Hubert Nositz Rechtsanwalt
Posener Landstraße 25
16269 Wriezen
Telefon (033456) 97640
Telefax (033456) 97641
(Sprechzeiten nur nach Vereinbarung)
Unser Zeichen: 385/19 Za/Kl
Datum: 30.01.2020
vorab per Fax: 0335-3660
K L A G E
der Frau Karin Grundel, Hauptverbandsstraße 20, 16245 Bralitz,
Klägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Zahner & Kollegen
Posener Landstraße 25, 16269 Wriezen -
g e g e n
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1. den Herrn Marcus Schrull, Inhaber der Firma Schrull´s Reisen, Friedhofgasse 4,
16218 Eberswalde,
Beklagten zu 1,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dalmeier, Am Kleistpark 7,
15230 Frankfurt (Oder) -
2. den Herrn Torsten Hart, Fritz-Wein-Straße 16, 16327 Eberswalde,
Beklagten zu 2,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dalmeier, Am Kleistpark 7,
15230 Frankfurt (Oder) -
3. die Frau Madlen Sablotzki, Kanalgasse 11, 16223 Wrozen,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wacker, Bähr & Partner, Berliner Straße
378, 16351 Bernau -
Beklagte zu 3,
w e g e n: Forderung.
Der Gesamtstreitwert beträgt 6.000,00 €.
Namens und in Vollmacht der Klägerin erheben wir Klage und werden beantragen:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemesse-
nes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der
Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere soweit sie nach
der letzten mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Unfall vom 3.4.2019 vor dem
Haupteingang der Landesklinik in Eberswalde, zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht
auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Bei etwaiger Säumnis der Beklagten wird ein Antrag nach § 331 Abs. 3 ZPO gestellt.
B e g r ü n d u n g
Die 65-jährige Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner aus einem Unfall in An-
spruch, der sich am 3.4.2019 ereignete. Sie wurde durch den Beklagten zu 2) als Fahrer des
Taxiunternehmens des Beklagten zu 1), den sie mit dem Transport ihrer Person beauftragt
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hatte, befördert. Die Beklagte zu 3) wurde ebenfalls zusammen mit weiteren Patienten in dem
Großraumtaxi befördert. Der Transport ging zum Haupteingang der Landesklinik Eberswalde,
wo sich die Klägerin in tagesklinischer Behandlung befand. Die Klägerin war zwar bereits
mindestens 20 Mal vom Unternehmen des Beklagten zu 1) nach vorangegangener telefoni-
scher Anforderung von ihrer Wohnung, in der sie allein den Alltag bewerkstelligt, zur Lan-
desklinik befördert worden. Den Beklagten zu 1) und 2) war aber bekannt, dass die Insassen
Patienten mit Nervenleiden waren, die zur ärztlichen Behandlung nach Eberswalde befördert
wurden.
Der Beklagte zu 2) blieb nach der Ankunft vor dem Haupteingang der Landesklinik auf sei-
nem Fahrersitz sitzen. Als die Klägerin aussteigen wollte (Beifahrerseite vorn), hielt sie sich
mit ihrer rechten Hand an der B-Säule des Autos, also zwischen der Beifahrertür und der hin-
teren Beifahrerschiebetür fest. Nahezu zeitgleich stieg aus dem hinteren Teil des Kleinbusses
die Beklagte zu 3) aus und schob die Schiebetür, obwohl sie sehen konnte, dass die Klägerin
ihre Hand noch im Schiebetürbereich hielt, zu. Dabei ist die Kuppe des rechten Daumens der
Klägerin abgetrennt worden. Die Klägerin fiel um und lag dann blutüberströmt vor der Auto-
tür auf dem Boden.
Beweis: 1. Parteivernehmung der Klägerin
2. Mitinsassin Rita Riese, wohnhaft Keldstraße 2, 16238 Eberswalde
3. Unfallanzeige vom 3.4.2019, Anlage K1 (*)
In der Klinik wurde die Klägerin sodann stationär versorgt. Sie erlitt folgende Schäden:
Der rechte Daumen konnte nicht wieder angenäht werden. Er musste operativ an der Finger-
kuppe abgestumpft werden, wobei es zu einem vollständigen Verlust des Nagelbettes kam.
Beweis: Durchgangsarztbericht vom 4.4.2019, Anlage K2 (*)
Die Klägerin hat nach wie vor im Bereich des Daumenstumpfes Schmerzen. Der Stumpf ist
berührungsempfindlich. Bereits beim Anheben eines kleinen Gegenstandes oder von Papier
verspürt sie ein unangenehmes Gefühl im Bereich des Daumenstumpfes. Bei Belastung
kommt es zu Schmerzen im Bereich der Fingerstrecksehnen. Zudem leidet sie trotz mehrmo-
natiger psychiatrischer Therapie unter anhaltenden vorfallbedingten Depressionen und massi-
ven Angst- und Panikattacken.
Beweis: 1. Ärztlicher Zwischenbericht vom 9.1.2020, Anlage K3 (*)
2. Sachverständigengutachten
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Der genaue Betrag des Schmerzensgeldes wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, wobei
hier von einem Betrag nicht unter 5.000,00 Euro ausgegangen werden soll.
Der Klägerin drohen infolge der Verletzung zudem weitere Schäden. Insbesondere ist ange-
sichts der fortdauernden Therapie noch nicht abzusehen, wie sich die psychische Lage der
Klägerin entwickeln wird und welche Kosten und Beeinträchtigungen hierfür anfallen.
Beweis: Ärztlicher Zwischenbericht vom 9.1.2020, Anlage K3 (*)
Daher ist auch der Feststellungsantrag begründet. Diese Schäden schätzt die Klägerin auf
mindestens weitere 1.000 Euro, eher auf mehr.
Das Zuschieben der Autotür ohne Rücksicht auf die Halt suchende Klägerin kam für diese
völlig überraschend. Der Beklagte zu 2) hätte die Klägerin und die Beklagte zu 3) beim Aus-
steigen beaufsichtigen müssen. Der Beklagte zu 1) hatte sicherzustellen, dass die Klägerin auf
dem Transport nicht zu Schaden kommt und hat demnach für das entsprechende Verschulden
seines Mitarbeiters einzustehen. Die Beklagten sind daher der Klägerin sowohl nach delikti-
schen als auch vertraglichen Grundsätzen geamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadenser-
satz und Schmerzensgeld verpflichtet.
Die Beklagte zu 3) ist für ihr Verhalten verantwortlich, insbesondere ist sie deliktsfähig.
Vorprozessual haben die Beklagten durch die im Rubrum genannten Rechtsanwälte jeweils
eine Zahlung abgelehnt, so dass nunmehr Klage geboten ist.
Gerichtskosten wurden nach einem Gebührenstreitwert von 6.000 € zur Einzahlung gebracht.
Drei einfache und beglaubigte Abschriften anbei. Zahner Rechtsanwalt
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Hinweis: Der Rechtsstreit wird beim Landgericht Frankfurt (Oder) unter dem Az.: 11 O 74/20 geführt. Der zuständige Einzelrichter ordnete mit Verfügung vom 10.02.2020 das schriftliche Vorverfahren an und setzte den Beklagten unter ord-nungsgemäßer Belehrung eine Frist zur Verteidigungsanzeige von zwei Wochen und zur Klageerwiderung von zwei weiteren Wochen. Verfügung und Klageschrift wurden den Beklagten zu 1), 2) und 3) jeweils am 13.02.2020 zugestellt. -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
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Rechtsanwaltskanzlei Wacker, Bähr & Partner
Rechtsanwälte Wacker, Bähr & Partner, Berliner Str. 378, 16351 Bernau
Eingegangen: 28.02.2020
An das
Landgericht Frankfurt (Oder)
Müllroser Chaussee 55
15236 Frankfurt (Oder)
Bernau, den 28.2.2020
Az: 80/2019
Bä/k
In dem Rechtsstreit Grundel .I. Schrull u. a.
AZ.: 11 O 74/20
zeige ich zunächst an, dass ich die Beklagte zu 3) und deren Betreuer Gunter Gratzke vertrete.
Die Beklagte möchte sich gegen die Klage verteidigen. In der mündlichen Verhandlung werde
ich betragen,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Begründung:
Zutreffend ist zunächst, dass sich die Klägerin und die Beklagte zu 3) im Rahmen einer ambu-
lanten Behandlung in der psychiatrischen Klinik und Tagesklinik in der Psychiatrie und Psy-
chotherapie des Martin-Gropius-Krankenhauses in Eberswalde befanden. Beide, die Klägerin
und die Beklagte zu 3), sind dort Patienten.
Dies sollte unstreitig sein.
Auch die Beklagte zu 3) hatte sich, wie die Klägerin, wegen eines Nervenleidens, und darüber
hinaus wegen verschiedener psychiatrischer Defizite - etwa einer paranoiden Schizophrenie -,
in ambulante Behandlung in die Landesklinik begeben. Sie steht zudem wegen dieser Schizo-
phrenie unter Betreuung. Herr Gunter Gratzke, Kanalgasse 15, 16223 Wrozen, wurde mit
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Beschluss des zuständigen Amtsgerichts Eberswalde vom 13.01.2017 zum Betreuer bestellt.
Die Klage ist gegen die eklagte zu 3) daher bereits unzulässig.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aber auch in der Sache nicht zu. Die
Beklagte zu 3) konnte nicht erkennen, dass die Klägerin noch nicht vollständig ausgestiegen
war. Auch ist sie aus den bereits genannten Gründen nicht deliktsfähig. Die Klägerin mag sich
bei den anderen Beklagten schadlos halten. Hierzu im Einzelnen:
Der Beklagte zu 2) wurde von dem Beklagten zu 1) angewiesen, die Fahrt durchzuführen. Er
hat unter anderem die Klägerin und die Beklagte zu 3) an ihren im Rubrum angegebenen
Wohnsitzen abgeholt und ist mit ihnen zur Landesklinik gefahren. Dort hat er den zum Trans-
port genutzten VW-Bus am Eingang der Landesklinik abgestellt, den Motor ausgestellt und
sodann sind die Beklagte zu 3) und die Klägerin ausgestiegen. Zutreffend ist wohl auch, dass
die Beklagte zu 3), die hinten saß, nach dem Verlassen des Busses die Schiebetür zugescho-
ben hat. Die Klägerin saß vorn auf der Beifahrerseite und war ebenfalls ausgestiegen. In der
Folge wurde der Daumen der Klägerin, da sich ihre Hand in der Tür befand (wie von Kläger-
seite dargestellt) abgetrennt.
Die Beklagte zu 3) selbst hat jedoch nicht gesehen, dass die Klägerin ihre Hand in den
Schließbereich der Tür legte. Umgekehrt hätte die Klägerin erkennen können, dass die Be-
klagte zu 3) gerade dabei war, die Tür des Taxis zu verschließen.
Beweis: Mitinsassin Rita Riese, bereits von der Klägerin benannt
Sofort nach dem Unfall half die Beklagte zu 3) der Klägerin wieder auf die Beine, tröstete sie
und gab ihr auch etwas zu trinken.
Nach alldem ist die Klage gegenüber der Beklagten zu 3) abweisungsreif.
Einfache und beglaubigte Abschriften anbei.
Joseph Bähr
Bähr, Rechtsanwalt
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Rechtsanwälte Dalmeier
____________________________________________________________________________ Am Kleistpark 7
15230 Frankfurt (Oder) Telefon: 0335/597811 Telefax: 0335/597860
28.02.2020
MD/21.031/19
An das Landgericht Frankfurt (Oder) Müllroser Chaussee 55 15236 Frankfurt (Oder)
Eingegangen: 28.02.2020
11 O 74/20 In Sachen Karin Grundel gegen Torsten Hart u. a.
dürfen wir für die Beklagten zu 1) und 2) anzeigen, dass wir diese unter Versicherung anwaltlicher
Vollmacht in diesem Rechtsstreit vertreten und den Antrag ankündigen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung dieses Antrages sollen folgende Punkte angesprochen werden:
Die Beklagten zu 1) und 2) müssen bereits ihre Haftung dem Grunde nach bestreiten. Die Ab-
trennung der Kuppe des rechten Daumens der Klägerin und ihre Beschwerden als Unfallfolge
dürften im Ergebnis zwar zwischen den Parteien unstreitig sein.
Die Klägerin leitet die mit der Klageschrift geltend gemachten Ansprüche aber aus einem Vorfall
her, den sie dahingehend wiedergibt, dass sie gerade das Taxi des Beklagten zu 1) verlassen hätte
und sich nur noch irgendwie am Taxi festgehalten habe, als die Beklagte zu 3) die hintere Schie-
betür zugeschoben hatte. Dies wird ausdrücklich bestritten.
Beweis: Mitinsassin Frau Monika Hölter
wohnhaft Olderloherstraße 12, 16238 Eberswalde
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Auch ist dem Beklagten zu 2) kein Vorwurf zu machen. Die Klägerin stieg sofort nach dem An-
halten des Taxis aus. Überdies ist ein Taxifahrer grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Fahrgäste
zu verkehrsgerechtem Verhalten beim Aussteigen anzuhalten. Ein Taxifahrer kann vielmehr da-
rauf vertrauen, dass seine Fahrgäste sich verkehrsgerecht verhalten und alle Sorgfaltsanforderun-
gen, die üblicherweise im Zusammenhang mit der Benutzung eines Automobils zu erfüllen sind,
auch tatsächlich erfüllen. Insofern hatte der Beklagte zu 2) keine Verpflichtung, die über den un-
streitig geschuldeten Transport der Klägerin in die Krankenanstalt deutlich hinausging. Die Klä-
gerin wirkte auf den Beklagten zu 2) auch nicht hilfsbedürftig oder abwesend. Vielmehr war sie,
wie jeden Tag sonst auch, gut gelaunt und aufmerksam. Allein das Krankheitsbild der Klägerin
vermag keine erhöhte Sorgfalt zu begründen. Zudem bestreitet sie, wie die Klägerin selbst aus-
führt, ihren Lebensalltag in eigener Verantwortung.
Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 1) hätte als Vertragspartner sicherzustellen, dass
die Klägerin auf dem Transport nicht zu Schaden kommt und für das entsprechende Verschul-
den des Beklagten zu 2) einstehen müsse, ist demnach unzutreffend.
Abschließend erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass der Beweisantritt der Klägerin hinsicht-
lich ihrer Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO nicht zulässig sein dürfte.
Einfache und beglaubigte Abschriften anbei.
Dalmeier
Dalmeier, Rechtsanwalt
Mit Verfügung vom 09.03.2020 bestimmte der zuständige Einzelrichter einen Termin zur Güteverhandlung sowie einen sich ggf. anschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 11.05.20209, 14.00 Uhr und lud die Zeu-ginnen Rita Riese und Monika Hölter prozessleitend.
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Zahner & Kollegen Rechtsanwälte
Rechtsanwälte Zahner & Kollegen, Postfach 111203, 16269 Wriezen
An das
Landgericht Frankfurt (Oder)
Müllroser Chaussee 55
15236 Frankfurt (Oder) Wighard Zahner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Familienrecht und Verkehrsrecht
Isabell Linse Rechtsanwältin
Eingegangen: 13.04.2020
Dr. Hubert Nositz Rechtsanwalt
Posener Landstraße 25
16269 Wriezen
Telefon (033456) 97640
vorab per Fax: 0335-3660
Telefax (033456) 97641
(Sprechzeiten nur nach Vereinbarung)
Az.: 11 O 74/20
Unser Zeichen: 385/19 Za/Kl
Datum: 13.04.2020
In dem Rechtsstreit
Grundel . / . Schrull u. a.
bitte ich das Rubrum bzgl. der Beklagten zu 3) aus der Klageschrift dahingehend zu ändern,
dass diese durch Herrn Gunter Gratzke, Kanalgasse 15, 16223 Wrozen, ordnungsgemäß
vertreten wird.
B e g r ü n d u n g:
Die Klägerin konnte sich mittlerweile davon überzeugen, dass die Angaben zur Betreuung der
Beklagten zutreffen. Dies ändert jedoch nichts an ihrer Deliktsfähigkeit. Im Übrigen führen
auch die Ausführungen der Beklagten zu 1) und 2) zu keinem anderen Ergebnis. Es wird be-
stritten, dass die Klägerin erkennen konnte, dass die Beklagte zu 3) schon dabei gewesen sei,
die Tür des Taxis zuzumachen. Über den Unfallhergang mag Beweis erhoben werden.
Einfache und beglaubigte Abschriften anbei.
Zahner Rechtsanwalt
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Öffentliche Sitzung des Landgerichts
Frankfurt (Oder), den 11.05.2020
11 O 74/20
Gegenwärtig: Richter am Landgericht Müller als Einzelrichter Justizang. Lange als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In Sachen
Karin Grundel ./. Marcus Schrull u. a.
erscheinen bei Aufruf:
1. die Klägerin in Person und für sie Rechtsanwalt Zahner
2. Rechtsanwalt Dalmeier für die Beklagten zu 1) und 2)
3. Rechtsanwalt Bähr für die Beklagte zu 3) und Herrn Gratzke
4. die vorbereitend geladenen Zeuginnen Rita Riese und Monika Hölter
Die Zeuginnen Rita Riese und Monika Hölter werden über die Strafbarkeit einer
Falschaussage belehrt und zur Wahrheit ermahnt. Sie verlassen zunächst den Sit-
zungssaal.
In die Güteverhandlung wird eingetreten, Vergleichsgespräche werden geführt. Die
Parteivertreter erklären sodann übereinstimmend, dass eine gütliche Einigung nicht
zustande komme. In die streitige Verhandlung wird eingetreten, wobei die Betreu-
ungsakte des Amtsgerichts Eberswalde bzgl. der Beklagten zu 3) - XVII 325/16 - bei-
gezogen wird. Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte zu 3) wegen einer geistigen Er-
krankung aufgrund des Beschlusses vom 12.01.2017 in den Aufgabenkreisen „Ver-
mögenssorge“ sowie „Vertretung vor Behörden und Gerichten“ unter Betreuung steht
und Herr Gratzke als Betreuer bestellt wurde. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur
Stellungnahme. Der Klägervertreter weist auf seinen bereits gestellten Berichti-
gungsantrag hin.
Beschlossen und verkündet:
Es soll Beweis über den Unfallhergang erhoben werden durch die Vernehmung der
vorbereitend geladenen Zeuginnen Rita Riese und Monika Hölter.
Die Zeugin Rita Riese wird nunmehr in den Sitzungssaal gerufen. Sie wird mit dem
Beweisthema vertraut gemacht.
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Zur Person:
Rita Riese, 35 Jahre alt, arbeitssuchend, Keldstraße 2, 16238 Eberswalde, mit den
Parteien bin ich weder verwandt noch verschwägert.
Zur Sache:
Wir fuhren an jenem Tag mit dem Taxi ins Krankenhaus. Es handelt sich um ein
Großraumtaxi, das hinten eine Schiebetür hat. Vor der Klinik stellte der Fahrer das
Taxi ab und den Motor aus. Frau Grundel und Frau Sablotzki stiegen beide aus.
Frau Grundel saß vorne und Frau Sablotzki hinten.
Auf Frage des Klägervertreters:
Frau Grundel legte ihre Hand in den Schließbereich der Schiebetür an der B-Säule,
wenn Sie sagen, dass das so heißt. Dann schrie Frau Grundel auch schon und die
Fingerkuppe lag auf dem Boden. Ich blieb noch im Taxi sitzen, weil ich – wie immer
- in einen anderen Bereich der Klinik gefahren werden sollte. Daher konnte ich alles
gut sehen. Eingreifen konnte ich jedoch nicht, da alles sehr schnell ging.
Auf weitere Frage des Klägervertreters:
Ja, Frau Sablotzki konnte sehen, dass Frau Grundel ihre rechte Hand bei dem
Schließen der Beifahrertür nicht an den Türgriff der Beifahrertür, sondern um die B-
Säule legte. Sie hätte daher auch sehen müssen, dass der rechte Daumen zwi-
schen beide Türen geraten konnte. Sonst hat Frau Sablotzki die Frau Grundel auch
immer erst aussteigen lassen und dann die Tür zugeschoben. Es trifft zu, dass
Frau Grundel immer ihre Hand in den Schließbereich legt, weil sie sich dort festhält.
Sie ist ja auch sehr klein. Es bestand kein Grund dafür, dass es an dem Unfalltag
anders ablaufen könnte. Irgendwie war das ein kleines Ritual zwischen den beiden.
Auf Frage des Beklagtenvertreters zu 1) und 2):
Herr Hart konnte nicht sehen, was passierte. Er konnte das alles ja auch nicht ah-
nen. Frau Grundel stieg wie jeden Tag allein aus und war auch in der Lage dazu.
Sie sagte sogar wörtlich zum Taxifahrer: „Bleiben Sie sitzen, wir sind ja noch rüs-
tig!“ Dann ist sie, wie immer, zügig ausgestiegen. Dabei war sie auch nicht abge-
lenkt oder unsicher auf den Beinen.
Laut diktiert und genehmigt. Beeidigungsanträge werden nicht gestellt. Die Zeugin
bleibt unbeeidigt. Sie wird um 15.15 Uhr entlassen.
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Die Zeugin Monika Hölter wird nunmehr in den Sitzungssaal gerufen. Sie wird mit
dem Beweisthema vertraut gemacht.
Zur Person:
Monika Hölter, 40 Jahre alt, Hausfrau, Olderloherstraße 12, 16238 Eberswalde, mit
den Parteien bin ich weder verwandt noch verschwägert.
Zur Sache:
Das Taxi hielt an. Ich saß hinten. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Ich hörte
Frau Grundel nur schreien. Es ging uns allen sehr gut, so wie die letzten Tage vor
dem Unfall, als uns unser Fahrer zur Klinik brachte - wir waren alle wach und gut
gelaunt.
Laut diktiert und genehmigt. Beeidigungsanträge werden nicht gestellt. Die Zeugin
bleibt unbeeidigt. Sie wird um 15.30 Uhr entlassen.
Das Ergebnis der Beweiserhebung wird mit den Beteiligten erörtert. Der Bevollmäch-
tigte der Klägerin erklärt: „Die Klage ist begründet. Zudem ist das Gericht verpflichtet
die Klägerin zu vernehmen, daher wird ausdrücklich am Antrag auf Parteiverneh-
mung der Klägerin festgehalten.“ Rechtsanwälte Dalmeier und Bähr treten dem An-
trag auf Parteivernehmung entgegen.
Der Klägervertreter stellt den Antrag aus der Klageschrift.
Die Beklagtenvertreter beantragen, die Klage abzuweisen. Der Vertreter der Beklag-
ten zu 3) weist darauf hin, dass seines Erachtens ein Fall der Rubrumsberichtigung
nicht vorliege.
Beschlossen und verkündet:
Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf:
Freitag, den 02.06.2020, 14.00 Uhr, Saal 103
Müller gez. Lange
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Bearbeitervermerk:
1. Die Entscheidung des Gerichts ist - einschließlich der prozessualen Nebenentscheidun-
gen - zu entwerfen. Der Gebührenstreitwert ist festzusetzen. Zeitpunkt der Bearbeitung
und Entscheidung ist der 2. Juni 2020. Von den in der ZPO vorgesehenen Möglichkei-
ten, den Tatbestand und/oder die Entscheidungsgründe wegzulassen, ist kein Gebrauch
zu machen. Gelangt d. Verf. ganz oder teilweise zur Unzulässigkeit der Klage so sind
hilfsweise Entscheidungsgründe anzufertigen. Auf alle im Sachverhalt aufgeworfenen
Fragen ist ggf. ebenfalls hilfsgutachterlich einzugehen. Vorschriften aus dem Straßen-
verkehrsgesetz (StVG) sind nicht zu prüfen.
2. Vom Abdruck der mit (*) gekennzeichneten Anlagen wurde abgesehen. Es ist davon
auszugehen, dass sie den von den Parteien vorgetragenen Inhalt haben.
3. Die Formalien (Terminsanberaumung, Ladungen, Zustellungen, Unterschriften, Beleh-
rungen, Vollmachten, etc.) sind in Ordnung soweit sich nicht ausdrücklich etwas anderes
aus dem Sachverhalt ergibt.
4. Eberswalde, Bralitz, Wrozen und Wriezen liegen im Zuständigkeitsbereich des Amtsge-
richts Eberswalde und des Landgerichts Frankfurt (Oder).
5. Sollte der Bearbeiter den Fall aus einem rechtlichen Gesichtspunkt entscheiden wollen,
der von den am Verfahren Beteiligten nicht angesprochen worden ist, so ist zu unterstel-
len, dass ihnen im Verlauf des Verfahrens Gelegenheit zu Erörterung gegeben worden
ist. Werden ein rechtlicher Hinweis, weitere richterliche Aufklärung und/oder Beweiserhe-
bung für erforderlich gehalten, so ist zu unterstellen, dass diese ordnungsgemäß erfolgt
und ohne Ergebnis geblieben sind.
6. Der Bearbeitung ist der im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtszustand zu Grunde
zu legen, wobei Übergangsvorschriften außer Betracht zu lassen sind.
Zugelassene Hilfsmittel: a.) Schönfelder, Deutsche Gesetze b.) Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch c.) Thomas / Putzo, Zivilprozessordnung