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Page 1: Wo über Nacht die Farbe SEITE 32 DREILÄNDERECK …loewen-bangerten.ch/assets/uploads/bz_20121109_0_0_33st.pdf · Freitag Geniessen 9. November 2012 Schlaftrunk geht es schnell ins

GeniessenFreitag9. November 2012

Schlaftrunk geht es schnell insReich der Träume.

Berühmter MaulwurfAm nächsten Tag schneit es er-neut. Eine trockene Alternativeist der Besuch der Spielzeugfab-rik in Albrechtsdorf. Dort gibtDoris !ramlová demWald seineFarbe zurück. Die freundlicheTschechin bemalt Holzfigurenin der Werkstatt mit dem Tür-schild Maulwurfgeburtsklinik.

Vor ihr auf dem Tisch stehtKrtek, der berühmteste allerMaulwürfe, bekannt als Pauliaus der «Sendung mit derMaus». «Man muss eine ruhigeHand haben», sagt sie und tupftihm einen roten Klecks auf dieNase. Das traditionsreiche Un-ternehmen fertigt seit 1920Holzspielzeug. Erst seit kurzemkann man die Produktion be-sichtigen. Hier leuchtet allesherrlich bunt. So bunt, dassman sich bald wieder nachdraussen sehnt – in die erholsa-me schwarz-weisse Winter-landschaft. Monika Hippe

Infos: Tschechische Zentrale fürTourismus (www.czechtou-rism.com). Hotels: z. B. PensionUko, Bedrichov, DZ ab 15 Euro proPerson, (www.restaurace-uko.cz);Clarion Grandhotel Zlaty Lev, Li-berec, EZ ab 45 Euro (www.clarion-grandhotelzlatylev.com).Isergebirgslauf 2013: 11. – 13.Ja-nuar, ww.jiz50.de.

WoüberNacht die Farbeaus der Landschaft läuft

Fortsetzung von SEITE 32

Pauli, derMaulwurf.

KOCHBUCH Neujahrsfest in Tibet,Weihnachten in Polen oderFastenbrechen in Ägypten: Das neue Buch «Was isSt Religion?»widerspiegelt die religiöse Vielfalt der Schweiz anhandvon 39 Rezepten. Eine Tour d‘horizont durch SpeiseregelnundMahlzeiten.

ImAnfang schuf jemand den Satz«Eine gemeinsame Mahlzeit istdas Öl für die Freundschaft».In hebräischer und arabischerSchrift war er im AmsterdamerKaffeehaus Bazaar zu lesen – derKick für Daphna und Noam Her-tig aus Zürich, ein interreligiösesKochbuchherauszugeben.Ausge-wählte Rezepte sollten einen Ein-blick in Traditionen, Rituale undTabus geben, attraktiv vermitteltdurch leicht verständliche, kom-pakte Einführungen und sorgfäl-tig gestaltete Bildseiten. Innert

Kürze entstand ein Team vonfünfzehn praktizieren Buddhis-ten, Christen, Hindus, Juden undMuslimen, allesamt junge Leute,die in zweiter oder noch frühererGeneration in der Schweiz aufge-wachsensindundTraditionenausdem Herkunftsland der Elternpflegen. «Schnell wurde uns klar,dass das Essen und die gemeinsa-menMahlzeiten in jeder Religioneine zentrale Rolle spielen»,schreibt Noam Hertig, Herausge-ber und selber Jude. Entstandenist eine Sammlung von 39 Rezep-ten aus ursprünglich über zwan-zig Ländern, dazu viel Hinter-grundwissen über den Sinn derSpeiseregeln sowie illustrativeBilder als Appetizer.

Grosse Vielfalt trotz RegelnKräftige Farben charakterisierendie Küche zwischen Marokkound Pakistan: Rosenwasser, einewürzige Suppe, ein Lammgerichtund ein Pudding für den Prophe-ten Noah sorgen für Appetit. Aufdie Frage eines Unwissendennach der wichtigsten Tugend imIslam wird Mohammed zitiert:

Festen und Fasten gehören überall zusammen

NoamHertig, der Herausgeber des Buchs «Was isSt Religion?», hat ein interreligiösesMenü zusammengestellt. AlsHauptgang schlägt er einenwalisischenOsterlammbraten aus der christlichen Küche vor. Bilder aus «Was isSt Religion?»/zvg

«DenMenschen Essen und Trin-ken geben sowie Bekannte oderUnbekannte grüssen.»Essen bedeutet im Judentum

nicht nur Selbsterhaltung oderErquickung, sondern das Lebenschlechthin.Mit einemSegen aufBrot und Wein am FreitagabendwirdGott gedankt. Die Trennungvon Milch- und Fleischproduk-ten ist eine knifflige Aufgabe,dochdieRezepte zumamerikani-schen Cheesecake, zum Sabbat-eintopf ausMarokko, zurMazze-knödelsuppe für Pessach und zueinemGebäck für Chanukka ver-raten, dass es keine Zauberei ist.

Fleisch – ein heikles KapitelBei der christlichen Küche reichtdie Speisekarte zu Ostern vonden Favabohnen der Kopten biszum walisischen Lammbraten.Ein Entenbraten macht dieHochzeit in Indien zumFest, undohneKarpfen istWeihnachten inPolen keine Weihnacht. In allennicht christlichen Religionenspielt der Umgangmit Fleisch ei-ne wichtige Rolle: Ein Milchreis-gericht mit Rosinen zum bud-dhistisch-tibetischen Neujahrsoll vom Fleischkonsum abhal-ten. Um keinen Tieren zu scha-den, beschränkt sich die hinduis-tische Küche weitgehend aufsVegetarische – ein Ausdruck vonGewaltlosigkeit, Respekt undMitgefühl. Nur geschächtetesFleisch gilt im Judentum als ko-scher und im Islam als halal.

Fasten gehört zum EssenDas Essen umfasst in allen Reli-gionen auch definierte Momentedes Fastens. Den Ramadan derMuslime bezeichnet Autor Ce-brail Terlemez als «Monat zwi-schen Hunger und gemeinsamenMahlzeiten» – ein Zeichen derSolidarität mit den Armen derWelt und eine Warnung vorÜbermässigkeit. Das ungesäuer-te Brot der Juden amPessachfestnennt Rabbiner Michael Gold-berger als Symbol von Beschei-denheit und Demut. Für Theolo-

gin Veronika Jehle ist das Fastenein bewusster Verzicht, der derBusse dienen und «ein wenigwehtun» soll. Journalist TenzinKhangsar sieht im Verzicht aufEssen im Buddhismus einen«Weg zur inneren Selbstfindungund Vergeistigung». Laut MönchKrishna Premarupa Dasa ent-spricht diese Entsagung im Hin-duismus einem Weg zur innerenHarmonie.

Vorspeise:Harira-Suppe ausMarokko, beliebt im Ramadan.

ZumApéro: Challa (Sabbatzopf)mit jüdischemBrotsegen.

Dessert:Halava, eine hinduistischeSüssspeise aus Griess.

Beilage: Tibetisch-buddhistischeGlasnudeln.

MENÜ-VORSCHLAG

Ein interreligiöser Tipp vonHerausgeber NoamHertig:Auftakt: Challa (Sabbatzopf) mitjüdischem Brotsegen.Vorspeise: Harira-Suppe ausMarokko, beliebt im Ramadan.Hauptgang: Osterlamm aus derchristlichen Küche.Beilage: tibetisch-buddhistischeGlasnudeln.Dessert: Halava, eine hinduisti-sche Süssspeise aus Griess. ein

Ein roter Faden zieht sichdurch alle Religionen hindurch:Alle Speisegesetze zielen auf eineErnährung, die nicht nur denKörper intakt hält, sondern aucheine Verbindung zu Seele undGeist herstellt. WiederkehrendeFastenzeiten erinnern an dieGrenzen des Irdischen. Jede Re-ligion hat ihre Regeln und Vorga-ben. Trotz oder gerade dank die-serGrenzenkannEssenzueinem

Das Essen umfasstin allen Religionenauch definierteMomente desFastens.

bewussten, symbolhaften Aktwerden. Das Buch «Was isSt Reli-gion?» macht Lust und Appetitauf mehr. Hannah Einhaus

Noam Hertig(Herausgeber):«Was isSt Reli-gion? Rezepte –Traditionen –Ri-tuale – Tabus»,Werd, ca. 49 Fr.

GASTRONOMIE Eine guteBeiz: einfaches Essen, Gast-lichkeit undmeistens einStammtisch. Julia Pfäffli führtein solches Restaurant – denLöwen in Bangerten.

Eine Beiz, sagt Julia Pfäffli, istdanneineguteBeiz,wennsie sichkein Konzept überstülpen lässt.Das braucht Zeit: «Eine gute Beizist zu dem gewachsen, was sieist.» Die 36-Jährige führt seit ei-nem halben Jahr genau so einWirtshaus, denLöwen inBanger-ten. Mit Erfolg: Julia Pfäffli ziertdas Cover der Gastrozeitschrift«Salz&Pfeffer», und der Löwenwird im Beizenbuch «Cervelatund Tafelspitz» vorgestellt nebst87 weiteren Bären, Linden oderSternen.Der Gastroführer singt ein

Loblied auf «gutes Essen, Gast-lichkeit und «den Sinn für dasWesentliche». Gastlichkeit, sagtauch die Köchin Julia Pfäffli, istunumgänglich für den Erfolg ei-ner guten Beiz. «Köche sind jaeher scheu.» Sie musste lernen,Gäste anzusprechen. Ihr Vaterhabe sie oft «gezwungen», lachtsie, und sie sei froh darum.Der Löwen ist seit über hun-

dert Jahren ein Familienunter-

nehmen. Und die Pommes fritesetwa, die es zu den Eglifilets gibt,sind aus Pfäffli-Kartoffeln ge-macht. Am liebsten kocht JuliaLeberli und Nieren. «Ich findedie Konsistenz von Innereien sointeressant», sagt sie. Die stehenzurzeit allerdings nicht auf derKarte, aber genau diese Heraus-forderung mag sie so: aus dem,was auf dem Hof und im Gartenanfällt, etwas Feines zu kochen.Und die Gäste wiederum liebengenau dieses währschafte, ehrli-

cheEssen, das in solchenGasthö-fen auf das Teller kommt.Durch viele Wirtshäuser weht

ein Wind der Geselligkeit, oft ister dem Stammtisch zu verdan-ken. Es gibt ihn auch im Löwen,aber «ohne Messingaschenbe-cher». In der Beiz wird gegessen,getrunken und gejasst. JuliaPfäffli fällt auf, dass neuerdings«viele Junge und auch Frauen»auf einen Jass kommen. Anschei-nend sei das in anderen Restau-rants nicht mehr erlaubt. Im

Löwen schon. Und in vielenHirschen, Kreuzen und Kronenauch. Nina Kobelt

Martin Jenni undMarco Aste:«Cervelat undTafelspitz – 88stimmungsvolleBeizen in derSchweiz»,AT Verlag,circa 45 Franken.

Loblieder auf die gute alte Beiz

Covergirl: Julia Pfäffli auf demCover einer Gastrozeitschrift. zvg

Gemütlichkeit seit über hundert Jahren:Der Löwen in Bangerten ist eineklassische Beiz. Marco Aste / zvg

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DREILÄNDERECK

Alle Speisegesetzezielen auf eine Er-nährung, die nichtnur den Körperintakt hält, sondernauch eine Ver-bindung zu Seeleund Geist herstellt.

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