Was macht der Waschbär
im Topinambur-feld?
Neozoen im Artenschutzrecht – International und national
Bundesjägertag des Deutschen Jagdschutzverbandes 2./3. Juni 2005, Neubrandenburg
RDir Gerhard Adams, BMU
www.naturfoto-essler.de
Gliederung
•Einwanderung von Arten
•Jagd - Neozoen und Neophyten
•Internationale Artenschutzregelungen
•Nationales Rechtsinstrumentarium
•Überlegungen für eine Strategie gegen invasive gebietsfremde Arten
•Marderhund, Mink und Waschbär
Die selbständige Ausbreitung von Organismen in neue Lebensräume ist grundsätzlich ein natürlicher Prozess und Merkmal biologischer Systeme.
Durch unmittelbare oder mittelbare Aktivitäten des Menschen können viele Arten natürliche Barrieren überwinden und dadurch in neue Lebensräume vorstoßen.
Einige dieser Arten können sich in den neuen Lebensräumen etablieren.
Nur wenige stellen sich als invasiv heraus, d. h. sie gefährden andere Arten, Habitate oder Ökosysteme.
Ausbreitungswege:
•Transport (Pflanzen-, Fischimport)
•Zierde
•Ansiedlung nützlicher Arten (Forst-, Land-, Fischereiwirtschaft)
•Gefangenschaftsflüchtlinge
Sektoren
Naturschutz
Landwirtschaft
Forstwirtschaft
Botanische und private Gärten
Jagd
Imkerei
Tierhaltung
Wasserwirtschaft und Küstenschutz
Öffentliche Grünflächen
PflanzenschutzFischerei
1) unmittelbar:
erhöhter Prädationsdruck (z.B. Mink, Amerikanischen Ochsenfrosch)
erhöhter Parasitierungsdruck bzw. Verbreitung von Krankheiten (z.B. Ulmensterben durch Ulmensplintkäfer)
Typen ökologischer Schäden ( Kriterien für Typen ökologischer Schäden ( Kriterien für Invasivität)Invasivität)
2) direkt: Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen
Verdrängen durch Besetzung der ökologischen Nische (z.B. Kartoffel-Rose/Bibernell-Rose, Marderhund/Fuchs; Spanische/Rote Wegschnecke)
Verdrängung ganzer Artengemeinschaften (z.B. Staudenknöteriche)
Kartoffel-RoseKartoffel-Rose(Rosa rugosa)(Rosa rugosa)
1854 aus Ostasien1854 aus Ostasien
Typen ökologischer Schäden Typen ökologischer Schäden ( Kriterien für Invasivität)( Kriterien für Invasivität)
3) indirekt: Veränderung ökologischer Kreisläufe
Veränderungen von Standortbedingungen (z.B. Stickstoff-anreicherung durch Robinie, Schadstoffeinträge)
Eingriff in Nahrungsketten
RobinieRobinie(Robinia pseudoacacia)(Robinia pseudoacacia)1623 aus Nordamerika1623 aus Nordamerika
Typen ökologischer Schäden Typen ökologischer Schäden (Kriterien für Invasivität)(Kriterien für Invasivität)
4) unsichtbar: genetische Unterwanderung
Veränderungen der genetischen Vielfalt heimischer Arten durch Einkreuzen von Genen fremdländischer Arten oder Herkünfte (z.B. Gartenformen der Akelei)
+ =
Typen ökologischer Schäden Typen ökologischer Schäden (Kriterien für Invasivität)(Kriterien für Invasivität)
Was hat die Jagd mit Neophyten und Neozoen zu tun?
•Aussetzen von Arten für die jagdliche Nutzung, Bestandsstützung ausgesetzter Arten (Waschbär, Muffelwild, Damwild, Sikawild)
•Gefährdung von dem Jagdrecht unterliegender Tierarten durch Neozoen (Mink (?), Wanderratte)
•Ausbringung von Neophyten in freie Natur (Herkulesstaude, Fallopia-Sippen, Spätblühende Traubenkirsche, Topinambur)
Internationale Regelungen zu invasiven Arten
Konvention Biologische Vielfalt,(CBD)
Art. 8 h
Guiding Principles
Internationale Regelungen zu invasiven Arten
Berner KonventionKonvention Biologische Vielfalt,(CBD)
Art. 8 h
Guiding Principles
•Empfehlung Nr. 57 und 77
•Europäische Strategie zu invasiven gebietsfemden Arten
Internationale Regelungen zu invasiven Arten
Berner KonventionKonvention Biologische Vielfalt,(CBD)
Bonner Konvention AEWA
EG- FFH und VogelschutzrichtlinieEG-VO 338/97
Art. 8 h
Guiding Principles
•Empfehlung Nr. 57 und 77
•Europäische Strategie zu invasiven gebietsfemden Arten
Das Schutzinstrumentarium des BNatSchG
•§ 41 Abs. 2 Satz 1 (Aufforderung an die Länder, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, incl. Ausrottung), um eine Gefährdung der Tier- und Pflanzenwelt durch gebietsfremde Arten abzuwehren.
•§ 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 (Genehmigungspflicht für das Aussetzen aller Tierarten und gebietsfremder Pflanzenarten, mit Ausnahmen)
•§ 52 Abs. 4 und 5 iVm § 3 BArtSchV (Besitz-, Vermarktungs-, Inverkehrbringens, Haltungs- und Zuchtbegrenzungen)
Problematik der Begriffsdefinition „heimisch“ in § 10 Abs. 2 Nr. 5:
„Als heimisch gilt eine wildlebende Tier- oder Pflanzenart auch, wenn sich verwilderte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Tiere oder Pflanzen der betreffenden Art im Inland in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population erhalten.“
Relevanz des Begriffs heimisch im BNatSchG
Bedeutung des Begriffs heimisch außerhalb des Naturschutzrechts
Begriffsdefinition gebietsfremd, § 10 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG:
„eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart, wenn sie in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt“
Zentraler Anknüpfungspunkt für die Regelungen zur Faunen- und Florenverfälschung
Das Instrumentarium des Jagdrechts
Instrumentarium für Ansiedeln fremder Tiere, § 28 Abs. 3 und 4 BJagdG
Verhältnis § 28 BJagdG zu § 41 BNatSchG, ggfs. doppelte Genehmigungspflicht.
Kontrolle oder Ausrottung von Neozoen funktioniert über die allgemeinen Instrumente: Aufnahme ins Jagdrecht und ggfs. Verkürzung von Schonzeiten (Es besteht keine Pflicht zur Bejagung; auch Neozoen unterliegen der Hegepflicht)
§ 3 Nr. 3 und 4 Tierschutzgesetz
Verbot des Aussetzens oder Ansiedelns gezüchteter oder in Menschenobhut aufgezogener Tier in der freien Natur
Erwägungen für eine nationale Strategie
•FuE Vorhaben „Grundlagen für die Entwicklung einer nationalen Strategie gegen invasive gebietsfremde Arten“; enthält Vorschläge zum Inhalt der Strategie und für den Prozess der Strategieentwicklung
• Strategieempfehlungen• Sektoren
•(u. a.Empfehlungen zur Jagd)•Grundlagen•Anhang
„Invasive Arten in Deutschland: Aktivitäten und Umsetzungsmöglichkeiten“
Tagung der Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Forstpolitik, Forstgeschichte und Naturschutz/des Bundesamts für Naturschutz,
23./24. Juni 2005, Göttingen
Die Strategie der Berner Konvention scheint eine gute Leitlinie für eine moderne, nationale Artenschutzpolitik in Bezug auf gebietsfremde Arten zu sein.
Es ist schwierig, meistens nicht machbar, vorhandene, invasive Arten in der Natur zu beseitigen oder zu begrenzen.
Daher ist Vorsorge wichtig, d. h.
•Aufklärung der relevanten Sektoren und der Öffentlichkeit
•Prävention
•Monitoring mit dem Ziel einer Früherkennung invasiver Arten
Zu Waschbär, Marderhund, Mink:
• Bei derzeitigem Forschungsstand kann eine flächendeckende Gefährdung anderer Arten, Lebensräume, Ökosysteme durch die o. a. Arten nicht spezifisch belegt werden.
• Lokale Schäden (Schutzgebiete, Inseln) oder Belästigungen (in bewohnten Gebieten) können einzelfallbezogen (lokal) abgewehrt werden.
• Es ist wünschenswert, das Monitoring der Arten und Forschung ihrer Auswirkungen ist fortzusetzen.
• BMU wendet sich nicht gegen eine Aufnahme von Marderhund, Mink und Waschbär in das Landesjagdrecht
• Jagd mit Fallen kann nur zugelassen werden., soweit diese selektiv sind (§ 19 BJagdG, § 4 BArtSchV) sowie tierschutzgerecht (eine Richtlinie der Gemeinschaft zur Einführung humaner Fangnormen für bestimmte Tierarten (u. a. Marderhund und Waschbär) wird vorbereitet.
Bitte helfen Sie mit:
•Größte Sorgfalt bei Aussetzen nicht heimischer oder gebietsfremder Arten zur jagdlichen Nutzung; doppelte Genehmigungspflicht BJagdG und BNatSchG beachten!
•Keine Pflanzen aussetzen, die invasiv sind; für gebietsfremde Pflanzen Genehmigungspflicht beachten; helfen Sie mit, bei der Bekämpfung invasiver Pflanzenarten!
•Teilen Sie Ihre Beobachtungen zum Vorkommen invasiver Tier- und Pflanzenarten den zuständigen Stellen mit!
•Helfen Sie mit, in der Öffentlichkeit auf die Problematik gebietsfremder Arten aufmerksam zu machen!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit
Vorschläge für Handlungsempfehlungen
•Institutionelle Optionen und sektororientierte Kooperationen •Vorrang der Prävention (Forschung Einschleppungswege, Schwarze Listen)
•Grenzkontrollen, Quarantäne (Erweiterte Zielvorgaben für Grenzkontrollen)
•Handelsbeschränkungen (Anhang B EG-VO 338/97, Begriff heimische Art)
•Genehmigung des Ausbringens (Begriff „gebietsfremde“ Art, Ausbau zentraler Wissens-/Steuerungskompetenz, Abstimmung sektoraler Genehmigungsverfahren, Infoknoten für Genehmigungsverfahren, Sortenzulassung
•Risikoanalysen (Zentrale Naturschutzkompetenz, Integration in Pflanzenschutz)
•Gebietsfremde Herkünfte (Kriterium bei der Auftragsvergabe, Zertifizierung für Saat- und Pflanzgut, Kooperative Lösungen (Anbauverträge))
•Überwachung (Frühwarnsystem durch Vernetzung dezentraler Beobachter, Bundesweiter Monitoringplan)
•Beseitigung (Einzelfallbewertung vor Ort und zentrale Wissenskompetenz, Kosten-Nutzen-Analyse als Bewertungsgrundlage, ausschließlich kooperativer Einsatz von Bekämpfungsmaßnahmen)
Guiding Principles (Leitlinien) für die Verhinderung, Aussetzung und Milderung von Auswirkungen von nicht heimischen Arten, die Ökosysteme, Habitate oder Arten bedrohen (Leitlinie für die Entwicklung wirksamer nationaler Strategien) :
•Vorsorgeprinzip
•Hierarchischer Ansatz :
•Verhinderung,
•rasche Reaktion nach Entdeckung
•Ausrottung (soweit möglich),
•Eingrenzung weiterer Ausbreitung,
•Monitoring)
Empfehlung Nr. 57 der Berner Konvention
•Kein Aussetzen nicht-heimischer Arten ohne Genehmigung, Verträglichkeitsprüfung und Konsultation geeigneter Experten
•Bemühen, die zufällige (nicht absichtliche) Ansiedlung nicht heimischer Arten zu verhindern
•Erstellen einer nationalen Liste etablierter nicht-heimischer Arten, die invasiv sind und/oder Schaden anderen Arten, Ökosystemen, der Gesundheit oder wirtschaftlichen Aktivitäten zufügen
•Beachtung der beigefügten Richtlinien
Empfehlung 77 der Berner Konvention
Empfiehlt – soweit machbar - die Ausrottung verschiedener Tierarten, die eine Bedrohung für die biologische Vielfalt
darstellen; eine Bedrohung stellen dar:
Mink
Bisam
Nutria
Grauhörnchen
Schwarzkopfruderente
Sikawild
Waschbär
Marderhund
Amerikanischer Biber
Schmuckschildkröte
Amerikanischer Ochsenfrosch
Handlungsempfehlungen der Studie zur Jagd (Unkommentiert)
•Wildschaden nicht auf invasive Arten erstrecken
•Ganzjährige Bejagung von Neozoen (Mink, Marderhund und Waschbär)
•Aufnahme der o. a. Arten ins Jagdrecht
•Qualifizierung der Jagdstatistik (Totfunde)
•Ökologisches Gesamtkonzept zum Wildtiermanagement in Kulturlandschaften
•Wildtierinformationssystem
•Gemeinsame Managementpläne Naturschutz und Jagd
•Kooperation in Schutzgebieten
Europäische Strategie zu invasiven gebietsfremden Arten (Empfehlung Nr. 99)
•Bewusstsein und Information über IAS erhöhen
•Nationale und regionale Kapazitäten für IAS Angelegenheiten verstärken
•Ausbreitung neuer IAS verhindern
•Rasche Reaktionen bei entdeckten Einfällen unterstützen
•Negative Auswirkung vorhandener IAS verringern
•Erholung betroffener Arten, natürlicher Habitate und Ökosysteme fördern
Nationale Strategie entwickeln
Mit anderen Vertragsparteien zusammenarbeiten
Art. 8 CBD:
Jede Vertragspartei wird, soweit möglich und sofern angebracht
(...)
h) die Einbringung nichtheimischer Arten, welche Ökosysteme, Lebensräume oder Arten gefährden, verhindern, diese Arten kontrollieren oder beseitigen;
(...)
Fauna und Flora
einheimisch gebietsfremd
Archaebiota Neobiota
etabliertunbeständig
invasivNicht invasiv
Neozoen in Neozoen in DeutschlandDeutschlandNeozoen in Neozoen in
DeutschlandDeutschland
265
48.000
Neozoen
Indigen
48.000
1.150
265
885
etabliert
nicht etabliert
invasive Arten
??
z. B. Marderhund, Mink, Waschbär, Ochsenfrosch
Invasive (?) Säugetierarten:
•Wanderratte
•Nutria
•Grauhörnchen
•Bisam
•Waschbär
• Mink
•Marderhund
Invasive (?) Vogelarten:
• Nilgans
•Schwarzkopf-ruderente