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Was du brauchst, um richtig Spaß mit diesem Buch zu haben:
Für jedes Spiel schneidest du eine eigene Reiterkarte aus.
Beschrifte die Reiterkarte mit dem Titel des jeweiligen
Spiels und versammle dahinter die Zettel mit den
Wörtern und Sätze, die dir beim Spielen
dieses Spieles eingefallen sind.
So entsteht dein persönlicher Ideen-,
Gedichte- und Geschichtenschatz.
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Mach du es besser. Verhunze kräftig deine Sprache und habe Spaß dabei.
Nur wer auch so richtig schlecht schreiben und sprechen kann, kann mit
seiner Sprache nach Herzenslust in alle Richtungen jonglieren.
Nimm einen kleinen Artikel aus einer Zeitung, einem Gemeindebrief oder
aus dem Internet und schreibe ihn um, indem du
- der, die und das hemmungslos vertauschst oder weglässt,
- die Wörter mal ein bisschen, mal ein bisschen mehr und mal ziemlich
falsch schreibst,
- die Wörter im Satz woanders hinstellst,
- und indem du sie auch noch falsch betonst: also etwa aus Eishockey-
mannschaft EischoggEYmanSCHAPFT machst.
Großen Spaß macht es auch, auf diese Weise ein Ferienerlebnis zu Papier
zu bringen:
In der Somerfeerie uar ick mit meine Elteren in Brett-Tannje zumm Swime
und zumm alde Kirche ankucke. Einstages bin ick mogens allz alererste
uackgewordn un bin an die Strant gelofft. Ick uar gans alain und er weks.
Da sa ick ein Robe an die Strant. Di laak da un ruut sick auz. Ick hab se slafe
lase un bin wider lich di hotel zu die Fuühsdük gegange, weil ick saumeesik
hungerig uar.
Dieses Spiel funktioniert auch mit anderen
Reizwörtern wie „Urlaub“, „schwanger“ oder
„Schlägerei“.
Die wandernde Katze
Du brauchst: einen gut besuchten Ort, einen Mitspieler
Setz dich mit einem Freund oder einer Freundin in die gut besuchte Schul-
kantine oder in ein Café, wo ihr von anderen Menschen an Tischen um-
geben seid. Unterhaltet euch. Fangt irgendwann an, von einer Katze zu
erzählen. Erwähnt die Katze mehrere Male, sodass ihr davon ausgehen
könnt, dass es am Nachbartisch gehört werden konnte. Wartet ein wenig
und achtet mit spitzen Ohren darauf, ob sich die Menschen um euch
herum nicht ebenfalls bald über eine Katze unterhalten!
Meistens springt die Katze von Tisch zu Tisch.
Schlechte Deitsch
Du brauchst: Kärtchen, Reiterkarte, Notizheft
Manche Erwachsene meckern schnell, wenn sie einen schlecht gebildeten
Satz hören. Oder sie grinsen, wenn sie in der Straßenbahn einen Menschen
breiten Dialekt reden hören. Solche Erwachsene glauben, die Sprache für
sich gepachtet zu haben. Vielleicht trauen sie ihr auch einfach zu wenig
Humor zu.
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10 Minuten Dings
Du brauchst: Wecker, Notizheft
Stell dir einen Wecker. Ab jetzt bist du für zehn Minuten furchtbar schreck-
haft. Alles, was du siehst, hörst, riechst, schmeckst, schreckt dich auf.
Dadurch wirst du sehr wach für deine Umgebung, auch wenn du dir den
Schrecken nur einbildest. Auch ganz gewöhnliche Dinge, wie eine benutz-
te Milchtasse auf dem Tisch, versetzen dich in Furcht und Zittern.
In deinem Notizheft steht dann vielleicht:
Da stand eine Tasse auf dem Tisch. Ich war mal richtig mutig und schaute
hinein – puh, wie tief es da hinunterging! Schnell weg, dachte ich nur noch,
nur weg von hier!
Zwischendurch holt sich dein Vater in der Küche ein Stück Schokolade.
Und weil er dabei mit dem Schokoladenpapier raschelt, kritzelst du in
dein Notizheft:
Was muss das für eine riesige Schlange sein, die da hinten im Gestrüpp
geraschelt hat?!
Du kannst natürlich auch zehn Minuten albern sein und dabei alles lächer-
lich finden, was dich umgibt:
Ich krieg mich kaum noch ein, aber diese leere Milchtasse! Die steht auf dem
Küchentisch herum und wartet darauf, dass sie jemand abspült, zum Kaputt-
lachen!
Und willst du einmal zehn Minuten über alles tieftraurig sein, dann sei es.
Nur nicht vergessen, den Wecker zu stellen!
15 Minuten Alles
Du brauchst: Uhr, Notizheft
Sobald du dieses Spiel spielst, wird nichts um dich herum mehr unbe deu-
tend sein. Geh zur Haustür hinaus und schlendre durch die Straßen. Da
singt ein Rotkehlchen in der Hecke, und du hörst ihm zum ersten Mal in
deinem Leben so lange zu, bis es von selbst davonfliegt. Da hängt an
einem Laternenpfahl ein gelber Zettel, auf dem „Katze vermisst“ steht.
Eine überaus wichtige Botschaft! Und da ruft ein Junge einem Mädchen
auf der anderen Straßenseite laut zu: „Ach, vergiss es!!“ Und du merkst:
Hier geschieht ein großes Weltendrama. Das „Alles“ um dich herum
wird mehr und mehr zu einem Spielfilm, in dem du die Hauptrolle spielst.
Du kannst dich in dieses Gefühl geradezu hineinsteigern: Alles, was gerade
jetzt geschieht, ist voller Bedeutung! Nichts ist Zufall!
Es lohnt sich, das „Alles“ auch aufzuschreiben, am besten aber erst,
wenn die Viertelstunde vorbei ist. Du willst ja nichts versäumen in dieser
wichtigen Zeit. Danach notierst du alles, woran du dich erinnern kannst,
entweder der Reihenfolge nach oder kreuz und quer durcheinander.
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Endstation Sehnsucht (Danke, James Turek und Leipzig Drawing Club!)
Du brauchst: Straßenbahn oder Bus, Kleingeld, Notizheft
Besteige einen Bus oder eine Straßenbahn und lass dich durch die Straßen
fahren (lieber nicht schwarz). Am besten ist eine Tour bis zur Endstation
der Linie und dann wieder zurück. Von Anfang an schreibst du, was das
Zeug hält. Du notierst Gesprächsfetzen, beschreibst Fahrgäste, hältst
Szenen am Straßenrand fest, Geräusche, Gerüche … einfach alles, was dir
im Dahinfahren vor Augen und Ohren kommt und was du irgendwie
bemerkenswert findest.
Am schönsten ist dieses Spiel in der Gruppe.
Dann könnt ihr euch hinterher austauschen – jeder
hat etwas anderes gesehen.
Haltestellen-Hollywood
Du brauchst: Eine Straßenbahn-, U-Bahn- oder Bushaltestelle, Notizheft
Wenn du an einer Haltestelle auf den Bus wartest, können die fünf Minuten
Warterei furchtbar langweilig sein. Sie können aber auch so spannend
werden wie eine Filmszene. Denn es gibt ja neben dir immer auch andere
wartende Menschen. Sie fühlen sich vermutlich unbeobachtet. Ein Typ
mit Baseballkappe starrt Löcher in die Luft. Ein Pudel verknäult sich mit der
Leine um die Stange des Haltestellenschildes. Ein junger Mann in blauer
Arbeitskleidung lässt in fast regelmäßigen Abständen einen Spuckefaden
aus seinem Mund zu Boden fallen.
Diese drei Geschehnisse haben nichts miteinander zu tun, sie passieren
nur gleichzeitig am selben Ort. Trotzdem kann dir das Ganze wie ein sorg-
fältig gedrehter Film vorkommen. Wie ungezwungen die Darsteller sich
bewegen! Toll!
Du kannst die Spannung deiner fünf Warteminuten noch erhöhen, wenn
du dir vorstellst, dass der Baseballkappentyp, die stark geschminkte Dame
mit ihrem verhedderten Pudel und der spuckende Mann etwas miteinander
zu tun haben, einander kennen, vielleicht sogar miteinander befreundet,
verfeindet oder verwandt sind.
Schreib einfach blind drauflos. Später kannst du deine Krakelei immer noch ins Leserliche abschreiben.
Und noch später schreibst du deinen fertigen Reisebericht
in dein Prachtbuch. Vergiss nicht, die Szene zu notieren.
Wenn du einige solcher Haltestellennotizen beisammen hast,
kannst du kleine Theaterszenen schreiben.
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Hu is hu
Du brauchst: eine bunte Boulevardzeitung mit vielen Promis,
Schere, Kleber, Pappe oder Packpapier, Notizheft
Besorge dir eine Fernsehzeitschrift oder eine Klatschzeitschrift mit vielen
Prominenten drin: Schauspieler, Prinzessinnen, Spitzensportler oder Pop-
sänger. Schnipple Gesichter und auch ganze Figuren aus und klebe sie
auf Papier. Gib diesen Gestalten eigene Namen, stelle Familien zusammen
und bestimme selbst, wer mit wem verwandt, befreundet oder auch
verkracht, verfeindet ist. Wer ist Chef von wem? Wer ist Kind von wem?
Wer zofft sich mit wem und warum?
Halte die Ergebnisse im Notizheft fest. Du kannst auf diese Weise ganze
Soaps erfinden.
Familiensaga
Du brauchst: alte Familienfotos, Notizheft
Such dir ein altes Foto aus deiner Familie aus. Irgendeines, auf dem alle
komisch und anders aussehen, weil sie dreißig Jahre jünger sind.
Vielleicht erkennst du den Ort, wo das Bild geknipst wurde, gar nicht,
weil du damals noch nicht geboren warst.
Denk dir nun eine neue Geschichte zu diesem Foto aus. Unbekannten
Menschen gibst du einfach ausgedachte Namen.
Was haben sie getan, bevor und nachdem dieses Foto geschossen wurde?
Was haben sie miteinander geredet?
Präsentiere deiner Familie die Ergebnisse deiner „Fotoforschung“.
Je mehr deiner Zuhörer die Personen auf den Fotografien kennen, desto
gespannter wird dein Publikum auf deine Erklärungen und Texte sein.