Vorlesung Fachhochschule Düsseldorf
WS 2014/15
Vorlesung: 13. Januar 2015
F. Irrtum und Anfechtung
G. Zugang verkörperter Willenserklärungen
H. Verjährung
I. Notwehr und Notstand Fall: N, Inhaber eines Nachtlokals, war erbost darüber, dass K in unmittelbarer
Nähe ein Konkurrenzunternehmen eröffnet hatte. Nachdem er ihm mehrfach gedroht hatte, sein Lokal zu demolieren, wenn er es nicht schließe, erschien er eines Tages mit einem Schlägertrupp im Lokal des K. Er und seine Schläger begannen, die Einrichtungsgegenstände zu zertrümmern und auch gegen K, der dies zu verhindern suchte, tätlich zu werden. Darauf lief K, ein geübter Schütze, zur Theke, holte einen Revolver hervor und feuerte mehrere Schüsse gezielt auf den Oberkörper des N ab. Er traf ihn tödlich. Die Witwe W des N verlangt von K eine Rente. Zu Recht?
Fall: Der Einbrecher E wollte gerade in die Villa des V einsteigen, als er vom
Schäferhund des V angefallen wurde. Um sein Leben vor dem rasenden Hund zu schützen, erschoss er ihn. Kann V von E Ersatz für den Hund verlangen?
J. Gesellschaftsrecht
I. Allgemeines / Überblick
1)
In dem Wort „Gesellschaftsrecht“ steckt der Begriff „Gesellschaft“.
Der Begriff „Gesellschaft“ hat ganz verschiedene Bedeutungen.
Soziologisch kann man unter „Gesellschaft“ eine Gruppe von Menschen verstehen,
deren Mitglieder durch eine gemeinsame Sprache sowie gemeinsame Werte,
Überzeugungen und Traditionen miteinander verbunden sind.
Staatsrechtlich kann unter „Gesellschaft“ die Bürger eines Staates verstanden
werden.
Da Gegenstand unserer Vorlesung aber das Zivil- und Wirtschaftsrecht ist,
beschäftigen wir uns mit dem Begriff Gesellschaft im wirtschaftsrechtlichen Sinn.
Unter Gesellschaften im wirtschaftsrechtlichen Sinn werden (vertragliche)
Zusammenschlüsse mehrerer Personen zu einer gemeinschaftlichen
Zweckverfolgung bezeichnet.
Aus welchen Gründen schließen sich mehrere Personen zu einer Gesellschaft
zusammen?
Grund für den Zusammenschluss mehrerer Personen:
Die gemeinschaftliche Zweckverfolgung ermöglicht den beteiligten Personen eine
Bündelung ihrer Ressourcen (z.B. Arbeitskraft, Kapital), so dass auch größere
(wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche) Projekte in Angriff genommen werden
können.
2)
Zur Erinnerung:
Wie im Rahmen unserer Vorlesung schon mehrfach besprochen, kennt das deutsche
Recht den Grundsatz der Vertragsfreiheit bzw. Privatautonomie, welcher auch im
Gesellschaftsrecht zur Anwendung kommt.
Was bedeutet der Grundsatz der Vertragsfreiheit?
Dies bedeutet:
Eine Gesellschaft wird durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages zwischen
den Gesellschaftern gegründet. Dabei ist jedermann frei in seiner Entscheidung, mit
wem er sich gesellschaftsrechtlich bindet und Verpflichtungen eingeht
(Privatautonomie). In der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages haben
die Gesellschafter einen sehr weiten Spielraum, da viele gesetzliche Regelungen des
Gesellschaftsrechtes abdingbar sind (Vertragsfreiheit).
Allerdings: In der Auswahl der Gesellschaftsform sind die Parteien jedoch an die
gesetzlich geregelten Fälle gebunden, d.h. es existiert ein sog. Typenzwang.
Die verschiedenen Arten von Gesellschaften werden im Gesetz abschließend
bestimmt. Das bedeutet: Die Gründungsgesellschafter können also keine neuen
Gesellschaftsformen „erfinden“, sondern müssen sich für ihre Zwecke der im Gesetz
vorgesehenen Typen bedienen, wobei Mischformen in begrenztem Umfang möglich
sind, z.B. GmbH & Co. KG.
Welche Gesellschaften/Gesellschaftstypen gibt es?
Herkömmlich erfolgt die Einteilung der Gesellschaftsformen in zwei große Gruppen:
- Personengesellschaften und
- Körperschaften/Kapitalgesellschaften
Welche Gesellschaft ist die Grundform der Personengesellschaften? Wo ist sie
geregelt?
Grundform der Personengesellschaften ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(GbR), die in den §§ 705 ff. BGB geregelt ist.
Kennen Sie weitere Personengesellschaften?
Daneben sind aus dem Rechtsverkehr vor allem bekannt:
- die offene Handelsgesellschaft (oHG) und
- die Kommanditgesellschaft (KG).
In welchem Gesetz finden sich Bestimmungen zur oHG und KG?
Personengesellschaften sind ferner
- die stille Gesellschaft,
- die Partnerschaft und
- die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).
Kennen Sie eine Körperschaft, die im BGB geregelt ist?
Grundform der Körperschaften ist der in §§ 21 ff. BGB geregelte Verein.
Daneben gibt es die auf wirtschaftliche Betätigung ausgelegten
Kapitalgesellschaften:
- Aktiengesellschaft (AG),
- Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA),
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH),
- eingetragene Genossenschaft (e.G.).
Die wichtigsten Gesellschaftsformen sind in nachfolgender Übersicht
zusammengestellt:
Gesellschaften
Personengesellschaften
GbR
oHG
KG
Stille
Gesellschaft
Partnerschaft
EWIV
Körperschaften
Vereine Kapital-
Gesellschaften Genossenschaften
e.V.
Wirtschafts
verein
Nichtrechts-
fähiger
Verein
AG
KGaA
GmbH
eG
Aus Vorstehendem ergibt sich, was unter Gesellschaftsrecht zu verstehen ist:
Ganz allgemein formuliert ist Gesellschaftsrecht das Recht der Gesellschaften oder
konkreter: das Rechtsgebiet, das sich mit den privatrechtlichen
Personengesellschaften und Körperschaften beschäftigt.
Zur Klarstellung:
Das Gesellschaftsrecht ist nicht in einem einzelnen Gesetz geregelt, sondern auf
verschiedene Gesetze verteilt.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) behandelt in §§ 21–74 BGB den Verein, in
§§ 705–740 BGB die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Das Handelsgesetzbuch (HGB) enthält im zweiten Buch das Recht der
Personenhandelsgesellschaften (§§ 105–177a HGB) und der stillen Gesellschaft
(§§ 230–237 HGB).
Weitere Regelungen sind in Einzelgesetzen für einzelne Gesellschaftsformen
niedergelegt, so z.B. im GmbH-Gesetz (GmbHG), im Aktiengesetz (AktG), im
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) und im Genossenschaftsgesetz
(GenG).
Gehört das Gesellschaftsrecht zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht?
Das Gesellschaftsrecht ist Teil des Privatrechts.
Nachfolgend zur Erinnerung nochmal die Übersicht zur Struktur des deutschen
Rechts:
Recht
Regeln für das menschliche
Zusammenleben, die mit Hilfe
staatlichen Zwangs durchsetzbar
sind
Privatrecht
Regelung der Rechtsverhältnisse
zwischen gleichgeordneten
Mitgliedern der Gemeinschaft
Öffentliches Recht
Regelung der Rechtsverhältnisse, an
denen staatliche Stellen (meist im
Über- und Unterordnungsverhältnis
zum Bürger) beteiligt sind
Bürgerliches Recht
= allgemeines Privatrecht, Geltung
für jedermann (insb. BGB)
Sonderprivatrecht
Geltung für besondere
Rechtsgebiete
Verfassungsrecht
Verwaltungsrecht
Steuerrecht
Völkerrecht
Strafrecht
Prozessrecht
Zum Beispiel:
Arbeitsrecht
Handelsrecht
Gesellschaftsrecht
Urheberrecht
Markenrecht
3)
Wer von Ihnen hat schon einmal eine Gesellschaft gegründet?
Praxistipp:
Jedem Existenzgründer stellt sich die Frage der Wahl der für ihn und sein
Geschäftsvorhaben am besten geeigneten Gesellschaftsform. Die Fragestellung
der Gesellschaftsform sollte nicht unterschätzt werden, denn die ausgewählte
Gesellschaftsform entscheidet über wichtige Fragen bzw. Aspekte.
Welche Aspekte können das sein?
Zu diesen Aspekten gehören z.B.:
- Haftungsfragen,
- Fragen der Besteuerung und
- Verwaltungskosten.
Daher sollte auf professionelle Beratung gerade auch bei der Auswahl der für das
unternehmerische Vorhaben geeigneten Gesellschaftsform nicht verzichtet werden.
Personengesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass die Haftung
grundsätzlich nicht beschränkt werden kann (Ausnahme: Kommanditist bei der KG).
Stichwort: Haftung mit dem gesamten privaten Vermögen.
Dagegen liegt ein großer Vorteil von Kapitalgesellschaften in der Möglichkeit einer
Haftungsbegrenzung. Zu den in Deutschland am meisten verbreiteten
Kapitalgesellschaften zählt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), seit 1.
November 2008 auch in der Ausprägung als haftungsbeschränkte
Unternehmergesellschaft (UG).
II. Die einzelnen Gesellschaften
1) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Überblick:
- GbR ist im BGB geregelt (§§ 705 ff.)
- Ziel: Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, Gesellschafter sind verpflichtet,
diesen Zweck zu fördern. Einschränkung: kein Betrieb eines
Handelsgewerbes, das wäre dann eine oHG oder ggf. KG.
§ 105 HGB
(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter
gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei
keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern
beschränkt ist.
…
§ 161
(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter
gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei
einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage
beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter
eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).
(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die
Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften
Anwendung.
Handelsgewerbe ist jede selbständige und berufsmäßige wirtschaftliche,
nicht künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit, die auf
Gewinnerzielung durch einen auf Dauer gerichteten Geschäftsbetrieb zielt.
- Gesellschaftsvertrag notwendig, aber keine Formerfordernisse. Der
Gesellschaftsvertrag kann auch stillschweigend oder konkludent
abgeschlossen werden, oftmals mündlich
- Die GbR hat hohe praktische Bedeutung, z.B. bei den freien Berufen
(Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte etc.)
Im Einzelnen:
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist die Grundform der
Personengesellschaften. Sie ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in §§ 705 ff. BGB
geregelt und wird daher auch als BGB-Gesellschaft bezeichnet.
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist eine Gesamthandsgemeinschaft.
Was heißt Gesamthandsgemeinschaft?
Das heißt, dass das Gesellschaftsvermögen gemeinschaftliches Vermögen der
Gesellschafter ist, § 718 BGB.
Das Gesellschaftsvermögen dient der Verfolgung des Gesellschaftszweckes und ist
deshalb vom Privatvermögen der Gesellschafter abzugrenzen. Weil es allen
Gesellschaftern gemeinsam („zur gesamten Hand“) zusteht, heißt es
Gesamthandsvermögen.
§ 705 BGB definiert die GbR und nennt gleichzeitig ihre Voraussetzungen. Die GbR
ist:
- ein vertraglicher Zusammenschluss (Gesellschaftsvertrag)
- von mehreren, mindestens zwei Personen
- zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB).
Zentral ist der Begriff des Gesellschaftszweckes. Der Gesellschaftszweck kann
wirtschaftlicher oder ideeller Art sein, er kann auf Dauer angelegt oder zeitlich
beschränkt sein.
Die GbR kann jeden erlaubten Zweck haben, nur kein Handelsgewerbe
betreiben. Dann wäre sie oHG oder im Falle einer Haftungsbegrenzung einzelner
Gesellschafter KG. Mit anderen Worten: Betreibt eine GbR ein Handelsgewerbe, so
wird sie dadurch zu einer ohG oder KG.
Also: Als gemeinsamer Zweck der GbR kommt jede Betätigung in Betracht, die nicht
gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt.
Beispiel 1: A, B und C beschließen, gemeinsam ein Segelboot für einen
Urlaub zu mieten. Die anfallenden Kosten sollen dabei
gleichmäßig aufgeteilt werden. Hier haben A, B und C eine GbR
mit dem Zweck „Segelurlaub“ gegründet.
Liegen die drei Voraussetzungen des § 705 BGB vor, ist die GbR wirksam
entstanden.
Schema für die Prüfung der Entstehung einer BGB-Gesellschaft:
Abschluss eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages:
(1) Vertrag besteht zwischen mindestens zwei Personen
(2) Vertrag ist auf einen gemeinsamen Zweck gerichtet
(3) Jeder Gesellschafter verspricht Förderung des Zwecks
a) Entstehung der GbR
Wie entsteht die GbR?
Die GbR entsteht durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags.
Ein Gesellschaftsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag zwischen zwei oder mehr
Personen und daher in seiner Grundform für die GbR im Besonderen Schuldrecht
geregelt (§§ 705 ff. BGB).
Nach welchen allgemeinen Vorschriften richtet sich das Zustandekommen des
Gesellschaftsvertrages?
Nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB!
Der Erwerb der Gesellschafterstellung ist nie rechtlich lediglich vorteilhaft i.S.d. § 107
BGB.
Was bedeutet das?
Dies bedeutet: Der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige kann eine
Gesellschafterstellung nur über die Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters, in der
Regel beide Elternteile (§§ 1626, 1629 BGB) erlangen.
Der Gesellschaftsvertrag muss mindestens den Voraussetzungen des § 705 BGB
genügen, das heißt, er muss beinhalten:
- einen Zusammenschluss zwischen Gesellschaftern
- zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks
- per Leistung der vereinbarten Beiträge.
Der Gesellschaftsvertrag ist grundsätzlich nicht formbedürftig, er kommt oft durch
konkludentes Handeln zustande. Oftmals ist den Gesellschaftern die
gesellschaftsrechtliche Prägung ihrer Zusammenarbeit nicht einmal bewusst.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag
ein formbedürftiges Leistungsversprechen enthält. In diesem Fall bedarf der gesamte
Gesellschaftsvertrag der Form, die das Gesetz für das Leistungsversprechen
vorschreibt.
Beispiel 2: A und B beschließen, eine Grundstücksverwaltungsgesellschaft
zu gründen. Im Gesellschaftsvertrag verpflichtet sich A, mehrere
Grundstücke an die Gesellschaft zu übereignen. In diesem Fall
bedarf der Gesellschaftsvertrag nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB
der notariellen Form.
Falls A und B es unterlassen, den Gesellschaftsvertrag notariell
zu beglaubigen, ist der Gesellschaftsvertrag gemäß § 125 Satz 1
BGB nichtig.
Die gesetzlichen Regelungen zur GbR stehen überwiegend zur Disposition der
Gesellschafter, können also im Gesellschaftsvertrag entsprechend den jeweiligen
Bedürfnissen modifiziert werden; nur soweit der Gesellschaftsvertrag zu einem
bestimmten Punkt schweigt, kommt die gesetzliche Regelung zur Anwendung
(Auffangfunktion).
b) Geschäftsführung
aa) Prinzip der Einstimmigkeit
Wo wird das Verhältnis der Gesellschafter untereinander geregelt?
Das Verhältnis der Gesellschafter untereinander wird durch die Vorschriften über die
Geschäftsführung (§§ 709 bis 713 BGB) geregelt.
Nach § 709 Abs. 1 BGB steht dabei grundsätzlich allen Gesellschaftern die
Geschäftsführung zu.
Beispiel 3: A, B und C aus dem Beispiel 1 haben neben dem Entschluss
zum gemeinschaftlichen Segelurlaub keine sonstigen
Vereinbarungen getroffen. Nach § 709 Abs. 1 BGB müssen sie
sich deshalb darüber einigen, welches Segelboot sie bei welcher
Bootsvermietung mieten wollen. Weiterhin müssen sie für jedes
weitere Geschäft, das mit dem geplanten Segeltörn in
Verbindung steht, eine Einigung finden.
Die Gesellschafter einer GbR sind also grundsätzlich nur gemeinschaftlich
geschäftsführungsbefugt, wobei alle Beschlüsse einstimmig zu fassen sind.
Aus § 709 Abs. 2 BGB lässt sich entnehmen, dass die Geschäftsführung im
Gesellschaftsvertrag abweichend geregelt werden kann.
Beispiel 4: So können A, B und C vereinbaren, dass alle Entscheidungen
nach dem Mehrheitsprinzip gefällt werden.
Sie können aber auch entscheiden, dass allein A entscheiden
soll, wie die Dinge geregelt werden. In diesem Fall bestimmt nur
A, welches Segelboot gemietet wird.
Abgesehen davon ist § 709 BGB dispositiv. Deshalb wird aus Gründen der
Praktikabilität in der Praxis häufig gesellschaftsvertraglich die Geschäftsführung auf
einen oder mehrere Gesellschafter unter Ausschluss der anderen übertragen, wobei
die geschäftsführenden Gesellschafter regelmäßig einzelgeschäftsführungsbefugt
sind. Grenze ist der Grundsatz der Selbstorganschaft, d.h. die Gesellschaft muss
durch ihre Gesellschafter alleine handlungsfähig bleiben.
Das Recht zur Geschäftsführung ist nämlich zentrales Gesellschafterrecht. Es ist
daher höchstpersönlich und unübertragbar (§§ 717, 713, 664). Dies schließt die
Fremdgeschäftsführung aus.
bb) Widerspruchsrecht
Da zentrales Mitwirkungsrecht, kann der einzelne zur Geschäftsführung und
Vertretung berufene Gesellschafter der Vornahme eines Geschäfts widersprechen,
der handelnde Gesellschafter muss die Maßnahme in diesem Fall unterlassen (§ 711
BGB). Von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter haben
kein Widerspruchsrecht.
Hier wird die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis bedeutsam: Im
Außenverhältnis bleibt das Rechtsgeschäft der Gesellschaft gegenüber ungeachtet
eines Widerspruchs wirksam.
c) Rechte und Pflichten der Gesellschafter
aa) Pflicht zur Beitragsleistung
Lesen Sie § 705 BGB a. E.: Das Fördern des Gesellschaftszweckes ist die
wesentliche Pflicht der Gesellschafter.
§ 706 Abs. 1 BGB präzisiert die Pflicht zur Beitragsleistung. Mangels anderweitiger
Vereinbarung ist jeder Gesellschafter verpflichtet, nach Art und Umfang gleiche
Beiträge an die Gesellschaft zu leisten.
Erbringen die Gesellschafter ihre Leistungen durch Einlagen, werden diese ebenso
wie die im Rahmen des Geschäftsbetriebs erworbenen Vermögenswerte
gesamthänderisches Gesellschaftsvermögen (§ 718 BGB).
Die Beiträge sind nach Art und Umfang frei bestimmbar. Insbesondere müssen diese
nicht gleichwertig sein, eine Quantifizierung bleibt den Gesellschaftern überlassen.
bb) Die Gewinn- und Verlustbeteiligung und die Entnahmerechte
Nach § 721 Abs. 1 BGB soll der Gesellschafter eine Verteilung des Gewinns und
Verlustes erst nach Auflösung der Gesellschaft verlangen können. § 721 BGB ist
jedoch dispositiv und besonders häufig auf eine jährliche Verteilung hin geändert.
Der einzelne Gesellschafter ist im Zweifel an Gewinn und Verlust nach Kopfteil
beteiligt, nicht nach dem Verhältnis der Einlagen, § 722 BGB. Dieses kann jedoch
gesellschaftsvertraglich zum maßgeblichen Verteilungsschlüssel bestimmt werden.
Also: Ist im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, so regelt das BGB (§§ 722
f. BGB), dass jeder Gesellschafter unabhängig von der Größe seines
Geschäftsanteils den gleichen Anteil am Gewinn oder Verlust erhält
beziehungsweise trägt. Wenn im Gesellschaftsvertrag nur der Anteil am Gewinn oder
Verlust bestimmt ist (§ 722 Abs. 2 BGB), so gilt diese Verteilungsregel für beide. Das
Gesetz unterstreicht damit den Charakter einer Personengesellschaft, wonach alle
Mitglieder gleichermaßen unter dem gleichen Einsatz aller Kräfte und Fähigkeiten in
der Gesellschaft mitwirken. Davon abweichend kann jedoch im Gesellschaftsvertrag
vereinbart werden, dass der Gewinn oder Verlust nach Quoten oder nach den
Kapitalanteilen verteilt wird.
d) Die GbR im Rechtsverkehr
Das Innenverhältnis der GbR, also das Verhältnis der Gesellschafter untereinander,
wird durch die Vorschriften über die Geschäftsführung (§§ 709 bis 713 BGB)
geregelt.
Praxisrelevante Probleme treten bei der GbR vor allem dann auf, wenn die GbR nach
außen hin tätig wird, d.h. sich im Rechtsverkehr bewegt.
In diesem Bereich sind vor allem folgende Aspekte von Bedeutung:
- Die Vertretung der GbR nach außen
- Die Rechtsfähigkeit der GbR
- Die Haftung für Verbindlichkeiten
aa) Die Vertretung der GbR
Die GbR kann im Rechtsverkehr – als Gesellschaft – nicht selbst tätig werden. Sie
muss sich vertreten lassen.
Gemäß § 714 BGB wird die GbR grundsätzlich durch den oder die Geschäftsführer
vertreten.
Beispiel 5: A, B und C aus Beispiel 4 haben die Vereinbarung getroffen,
dass A alleine entscheiden soll. In diesem Fall ist A gemäß § 714
BGB dazu ermächtigt, die Gesellschaft zu vertreten.
bb) Die Rechtsfähigkeit der GbR
Was versteht man unter Rechtsfähigkeit?
Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.
Bei der GbR ist die Frage, ob die GbR rechtsfähig ist, seit langer Zeit umstritten. Der
Grund hierfür liegt darin, dass § 124 Abs. 1 HGB für die Personengesellschaften
OHG und KG eindeutig deren Rechtsfähigkeit festschreibt, während für die GbR eine
solche Vorschrift fehlt.
§ 124
(1) Die offene Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und
Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken
erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.
…
Warum gilt § 124 HGB auch für die KG?
Die heute herrschende Meinung geht davon aus, dass die GbR Trägerin von
Rechten und Pflichten sein kann, dass sie zumindest teilrechtsfähig ist.
cc) Die Haftung für Verbindlichkeiten der GbR
In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob Ansprüche gegen die GbR und/oder ihre
Gesellschafter bestehen.
aaa) Die Haftung der GbR
Die Frage nach der Haftung der GbR ist eng mit der Frage nach ihrer Rechtsfähigkeit
verknüpft.
Geht man mit der heute herrschenden Meinung von der Rechtsfähigkeit der GbR
aus, so kann sie Verpflichtungen eingehen, für die sie dann auch mit dem
Gesellschaftsvermögen haftet.
Beispiel 6: Die Rechtsanwälte X, Y und Z betreiben gemeinsam eine
Kanzlei mit dem Namen „X, Y, Z – Rechtsanwälte“ in der
Rechtsform der GbR. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass
allein Rechtsanwalt X zur Geschäftsführung befugt ist.
Regelungen zur Vertretung der Kanzlei im Geschäftsverkehr
enthält der Gesellschaftsvertrag nicht. Rechtsanwalt X schließt
im Namen der Kanzlei mit V einen Kaufvertrag über einen
Fotokopierer. Nachdem V das Gerät geliefert hat, verweigert die
Kanzlei plötzlich die Bezahlung. V möchte wissen, welche
Ansprüche er gegen die Kanzlei hat.
Lösung erarbeiten und notieren!
Achtung: Im Außenverhältnis haftet die GbR für Gesellschaftsschulden mit ihrem
Gesellschaftsvermögen.
bbb) Die Haftung der Gesellschafter
In der Praxis werden Ansprüche nicht nur gegen die GbR, sondern auch gegen die
Gesellschafter geltend gemacht.
Der Gesellschafter einer GbR haftet für Verbindlichkeiten der Gesellschaft
- persönlich (das heißt mit seinem gesamten Privatvermögen),
- unbeschränkt,
- unmittelbar (das heißt der Gläubiger kann seinen Anspruch sofort gegen den
Gesellschafter geltend machen und muss sich nicht vorrangig an die GbR
halten) und
- auf die gesamte Leistung (und nicht nur auf den Anteil, der auf ihn im
Innenverhältnis entfällt).
Die herrschende Meinung wendet für die Haftung der Gesellschafter einer GbR
für alle Verbindlichkeiten der GbR die §§ 128 ff. HGB an.
§ 128
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als
Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber
unwirksam.
Die Gesellschafter haften gemäß § 427 BGB als Gesamtschuldner.
Beispiel 7: M beauftragt die Kanzlei „X, Y, Z – Rechtsanwälte“, ihn bei der
Gründung einer GmbH zu beraten. Rechtsanwalt X erteilt M im
Rahmen eines Beratungsgespräches fahrlässig eine falsche
Auskunft. Durch diese falsche Auskunft entsteht M ein Schaden
in Höhe von 50.000,-- €. M verlangt seinen Schaden von
Rechtsanwalt Z ersetzt. Z verweigert die Zahlung mit dem
Argument, dass M seinen Anspruch erst gegen die Kanzlei
geltend machen müsse. Wie ist die Rechtslage?
Lösung erarbeiten!
e) Die Beendigung der GbR
Das Gesellschaftsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis. Dieses
Dauerschuldverhältnis kann aus verschiedenen Gründen beendet werden.
Bei der GbR werden die Gründe für die Beendigung als Auflösungsgründe
bezeichnet. Diese ergeben sich aus den §§ 723 ff. BGB.
Die wichtigsten Gründe für eine Auflösung der Gesellschaft sind (diese Aufzählung
ist nicht abschließend):
- Die Kündigung eines Gesellschafters, vgl. §§ 723, 724 BGB
- Das Erreichen oder Unmöglichwerden des Gesellschaftszwecks, § 726 BGB
Beispiel 8: Bei der von A, B und C gegründeten GbR mit dem Zweck
„Segelurlaub“ wird dieser Zweck mit dem Ende des Segelurlaubs
erreicht. Die Folge ist, dass die Gesellschaft infolge
Zweckerreichung aufgelöst und beendet wird.
Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt sich, dass die GbR auch durch einen
Beschluss der Gesellschafter aufgelöst werden kann.
Das Vorliegen eines Auflösungsgrundes führt nicht automatisch zum Erlöschen der
GbR. Stattdessen erfolgt eine Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses im Wege
der Auseinandersetzung. Diese Auseinandersetzung ist erforderlich, um die
vielfältigen Rechtsbeziehungen der Gesellschaft und der Gesellschafter
untereinander abzuwickeln.
Die Auseinandersetzung erfolgt in drei Phasen:
- 1. Phase: Auflösung gemäß §§ 722 bis 729 BGB
- 2. Phase: Abwicklung (auch Liquidation genannt) gemäß §§ 730 bis 735 BGB
- 3. Phase: Am Ende der Auseinandersetzung tritt das Erlöschen der
Gesellschaft ein. Dieses Ereignis wird auch als Vollbeendigung der
Gesellschaft bezeichnet.
g) Beispiel für einen GbR-Vertrag aus der Praxis
Achtung: es gibt nicht den Mustervertrag, weil jede Situation anders ist!
Nachfolgender Vertrag ist also nur ein Beispiel.
Gesellschaftsvertrag einer Band
Die nachfolgend benannten Personen
__________________________________________________________
__________________________________________________________
__________________________________________________________
gründen mit heutigem Datum eine Band (Musikgruppe)
mit dem Namen
„_____________________________________________“
in der Rechtsform einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR).
1. Zweck der Band:
Beitreiben einer Pop- / Rock-/ Hip-Hop- / Heavy- Band.
Die Rechte an dem Namen sowie Schriftzug oder Logo, die von der Band verwendet
werden, stehen allen Mitgliedern gemeinschaftlich zu. Scheidet ein Mitglied aus,
verliert er die Rechte an dem Namen und ist verpflichtet, daran mitzuwirken, dass die
Umregistrierung von Kennzeichnungsrechten erfolgen kann.
Wird die komplette Band aufgelöst, stehen die Namensrechte
_________________________________ (Name des Erfinders) zu.
Dies gilt nicht wenn, wenn die Band nach der Auflösung die Rechte noch verwertet.
Gründet _________________________________ (Name des Erfinders) nicht
innerhalb von 6 Monaten nach Auflösung der Gruppe eine Band mit demselben
Namen, wird der Name frei. Die Band gilt als aufgelöst, wenn mindestens 3
Mitglieder aussteigen, unabhängig davon, ob sie eine neue Formation gründen.
2. Beiträge:
Die bisher vorhandenen Instrumente bleiben Eigentum des jeweiligen Band-
Mitglieds. Jeder schafft seine eigenen Instrumente selbst an.
Für die Anschaffung einer PA zahlt jedes Mitglied ____________________ Euro in
die Gemeinschaftskasse. Die PA wird gemeinschaftliches Eigentum.
3. Vertretung:
Die Band wird gerichtlich und außergerichtlich von 2 Gesellschaftern, die von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind, gemeinsam vertreten. Diese
Gesamtvertretung soll zunächst bis zu einer anderslautenden Entscheidung der
Gesellschaft durch die Gesellschafter
__________________________________________ (Name des 1. Vertreters) und
__________________________________________ (Name des 2. Vertreters)
erfolgen.
Beim Abschluss von Verträgen ist nur eine Verpflichtung des
Gesellschaftsvermögens zulässig. Die Vertretungsmacht kann durch
Mehrheitsbeschluss jederzeit widerrufen werden.
4. Abstimmung:
Die Aufnahme oder der Ausschluss von Mitgliedern bedarf eines einstimmigen
Beschlusses. Bei Ausschluss stimmt der Betroffene nicht mit ab.
In sonstigen Angelegenheiten entscheidet die Stimmenmehrheit. Engagements
werden nicht angenommen, wenn mindestens _____ Mitglieder dagegen sind.
Verträge mit Managern, Musikverlagen, Lables oder Agenten bedürfen eine ¾
Mehrheit.
5. Gewinn und Verlust (GuV)
GuV werden nach Kopfteilen getragen. Gagen werden nach Abzug der Kosten nach
Kopfteilen ausgezahlt.
Beträge aus der Verwertung von Bild- und Tonträgern gehen auf ein gesondert
angelegtes Gesellschaftskonto, über das jeweils nur drei Bandmitglieder gemeinsam
verfügen können.
Die Abrechnung dieses Kontos erfolgt spätestens zum Ende eines jeden Halbjahres.
Und ist von
_____________________________________ (verantwortliches Bandmitglied)
vorzunehmen.
6. Beendigung der Band oder Mitgliedschaft:
Die Gesellschaft wird durch das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht aufgelöst,
sondern zwischen den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Der Gesellschaftsanteil
des ausscheidenden Gesellschafters wächst den verbleibenden Gesellschaftern zu
gleichen Teilen an.
Die Mitgliedschaft endet durch Kündigung, Ausschluss oder Tod. Im Falle des Todes
eines Mitgliedes treten dessen Erben nicht in die Gesellschaft ein.
Jedes Mitglied kann mit einer Frist von einem Monat zum Jahresende kündigen. Der
Ausschluss aus der Band kann jedoch mit einer Frist von einem Monat zum
Monatsende erfolgen, wenn der Auszuschließende sich vertragsschädigend verhält.
Desweiteren, wenn über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet oder sein
Gesellschaftsanteil gepfändet wird. Der Ausschluss erfolgt mit mindestens ¾
Mehrheit. Die Kündigung bedarf der Schriftform.
Fällt ein Mitglied durch Kündigung oder Tod aus, so erhält sein Erbe die noch
auszuzahlenden Gagenanteile.
Darüberhinaus bleibt der Ausgeschiedene bzw. sein Erbe an den Erträgen aus Bild-
und Tonträgern beteiligt, soweit er auch an den entsprechenden Produktionen
mitgewirkt hat. Weitere Ansprüche auf das Gesellschaftervermögen sollen nicht
bestehen.
7. Konkurenztätigkeiten:
Ein Bandmitglied darf nur mit mehrheitlicher Zustimmung der anderen Bandmitglieder
in einer anderen Formation oder Band spielen. Dasselbe gilt auch für solistische
Tätigkeiten.
Den hier im Vertag bestehenden Bandnamen darf er hierbei nicht verwenden. Eine
Tätigkeit als Begleit- oder Studiomusiker ist widerruflich erlaubt, solange die Belange
der Band nicht beeinträchtigt werden.
8. Dauer des Vertrages:
Der Vertrag wird mit heutiger Wirkung auf unbestimmte Zeit geschlossen.
9. Sonstiges:
Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages einschließlich der Aufhebung der
Schriftformklausel bedürfen der Schriftform. Sollte eine Bestimmung des Vertrags
unwirksam sein oder werden, soll dies die Wirksamkeit der weiteren Punkte nicht
berühren. An Stelle der unwirksam gewordenen Bestimmung soll eine Regelung
treten, die dem angestrebten Zweck inhaltlich und wirtschaftlich am nächsten kommt.
Es gilt das Recht der BRD.
Gerichtsstand ist ________________________ .
_____________ den ___________________
Unterschriften der Bandmitglieder.
2) Die offene Handelsgesellschaft (oHG)
Die oHG ist eine Sonderform der GbR.
Die oHG ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Gesellschaftern, die einen
gemeinsamen Zweck verfolgen, nämlich den Betrieb eines Handelsgewerbes unter
einer gemeinschaftlichen Firma, ohne dass eine Haftungsbeschränkung der
Gesellschafter gegenüber Gläubigern besteht.
Die gesetzlichen Regelungen zur oHG sind in den §§ 105 ff. HGB enthalten.
§ 105 Abs. 1 HGB lesen!
Auf die offene Handelsgesellschaft finden, soweit nicht in den §§ 106 ff. HGB ein
anderes vorgeschrieben ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die
Gesellschaft Anwendung, d.h. die §§ 705 ff. BGB.
§ 105 Abs. 3 HGB lesen!
a) Gründung der oHG
aa) Gesellschafter
Für die Gründung der oHG sind mindestens 2 Gesellschafter notwendig. Eine
Maximalanzahl von Gesellschaftern gibt es nicht.
bb) Gesellschaftsvertrag
Die oHG wird durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages zwischen den
beteiligten Gesellschaftern gegründet.
Der Gesellschaftsvertrag ist – wie bei der GbR – grundsätzlich formfrei, sollte
zweckmäßigerweise aber schriftlich verfasst werden.
Gesellschaftszweck:
Der Gesellschaftsvertrag muss zwingend die Vereinbarung eines gemeinsamen
Zwecks, zu dessen Förderung sich die Gesellschafter verpflichtet haben, enthalten.
Das ergibt sich aus § 105 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 705 BGB.
cc) Eintragung ins Handelsregister
Die OHG ist vor oder unverzüglich nach Beginn der Geschäftstätigkeit durch alle
Gesellschafter zum Handelsregister anzumelden.
Die Anmeldung muss die Namen der Gesellschafter - inkl. Adresse, Geburtsdatum -,
die Firma und deren Sitz, Zeitpunkt der Entstehung der Gesellschaft, ggf.
Abweichungen von der Einzelvertretungsbefugnis eines jeden Gesellschafters sowie
den Geschäftszweig enthalten und von einem Notar beglaubigt werden.
dd) Mindestkapital
Für die Gründung einer oHG ist kein Mindestkapital vorgeschrieben.
Die Gesellschafter können innerhalb des Gesellschaftsvertrages festlegen, ob
Einlagen erbracht werden, wie hoch die einzelnen Einlagen sein und in welcher Form
- Bar- oder Sacheinlage - sie eingebracht werden sollen.
b) Firma
Die Firma ist der Name, unter dem die oHG im Geschäftsverkehr auftritt und im
Handelsregister eingetragen ist. Zulässig sind Personen-, dem
Unternehmensgegenstand entlehnte Sach- sowie Phantasiefirmen oder auch
Kombinationen dieser Elemente.
Die Firma muss den Rechtsformzusatz "offene Handelsgesellschaft" oder die
Abkürzung "oHG" enthalten, da nur so die Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse
offengelegt werden können.
Es empfiehlt sich, rechtzeitig die Firma mit der IHK abzusprechen. Die IHK kann
insbesondere prüfen, ob eine Verwechslungsgefahr mit anderen Firmen besteht.
c) Gegenstand der oHG
Die oHG ist auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet.
§105 Abs. 1 HGB lesen!
Ob ein Handelsgewerbe vorliegt, bestimmt sich nach § 1 Abs. 2 HGB.
§ 1 Abs. 2 HGB lautet:
„Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen
nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“
Hieraus ergeben sich für das Handelsgewerbe vor allem zwei Voraussetzungen:
(1) Die ausgeübte Tätigkeit muss ein Gewerbe darstellen.
(2) Es muss zudem ein Handelsgewerbe sein.
aa) Gewerbe
Gewerbe ist jede planmäßige, in Absicht auf Gewinnerzielung vorgenommene, auf
Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, ausgenommen in der Land- und
Forstwirtschaft und in freien sowie künstlerischen Berufen:
- Selbständig ist grundsätzlich, wer im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung handelt und das volle unternehmerische Risiko trägt (hier erfolgt
eine Abgrenzung zu Arbeitnehmern);
- von Gewinnerzielungsabsicht spricht man, wenn die Tätigkeit darauf abzielt,
einen nennenswerten Überschuss über die Selbstkosten zu erwirtschaften.
Sollen nur die Selbstkosten gedeckt werden oder überschreitet der
Überschuss die Bagatellgrenze nicht, scheidet eine Gewinnerzielungsabsicht
aus.
Bei der Einstufung kommt es grundsätzlich auf die Absicht und nicht den
tatsächlich erwirtschafteten Gewinn an. Allerdings lassen sich aus dem
tatsächlich erwirtschafteten Gewinn Rückschlüsse auf die Frage ziehen, ob
der erstrebte Gewinn so geringfügig ist, dass nach dem Gesamtbild der
Betätigung ein Bagatellfall vorliegt, der den althergebrachten Vorstellungen
über Gewerbe nicht entspricht;
- dauerhaft ist jede nachhaltige, planmäßige nicht nur auf gelegentliche,
zufällige, vorrübergehende Ziele ausgerichtete Tätigkeit;
- kein freier Beruf: Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte, Notare,
Wirtschaftsprüfer, Wissenschaftler,
- keine Künstler
bb) Handelsgewerbe
Der Betrieb eines einfachen Gewerbes reicht nicht aus, um ein Handelsgewerbe im
Sinne von § 1 Abs. 2 HGB zu sein.
In § 1 Abs. 2 HGB findet sich aber eine gesetzliche (widerlegliche) Vermutung, dass
jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe ist („es sei denn“).
„Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das
Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“
Es gibt verschiedene Kriterien, nach denen man entscheiden kann, ob ein
kaufmännischer Geschäftsbetrieb erforderlich ist oder nicht. Je komplizierter und
umfangreicher die Geschäfte, desto eher sind kaufmännische Einrichtungen nötig. Zu
unterscheiden ist aber nach Art und Umfang des Betriebes:
Art des Betriebes:
- Vielfalt der Leistungen
- Komplexität der Geschäftsvorgänge
Umfang des Betriebes:
- Höhe von Kapital und Umsatz
- Mitarbeiterzahl
- Anzahl der Betriebsstätten
Exkurs: Beispielsfälle
Beispiel 1:
A, B und C vereinbaren die Gründung einer Gesellschaft. Als
Gesellschaftszweck vereinbaren sie den Betrieb eines Elektrogroßhandels mit
50 Angestellten unter dem Namen „ABC-Elektronik“. Da A, B und C die
Kosten für eine Eintragung in das Handelsregister sparen möchten,
vereinbaren sie, dass die Gesellschaft als GbR betrieben werden soll. Haben
A, B und C tatsächlich eine GbR gegründet?
Lösung erarbeiten!
Beispiel 2:
Wie Beispiel 1, allerdings vereinbaren A, B und C, den Elektrohandel „ABC-
Elektronik“ ohne Angestellte zu betreiben. Deshalb ist ein kaufmännisch
eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich. Liegt eine oHG oder eine
GbR vor? Wie können A, B und C erreichen, dass ihr Elektrohandel eine oHG
ist?
Lösung erarbeiten!
d) Geschäftsführung einer oHG
Die Regelungen für die Geschäftsführung (Innenverhältnis) finden sich für die oHG in
§§ 114 ff. HGB.
Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen über die Geschäftsführung, so ist
nach §§ 114 Abs. 1, 115 HGB jeder Gesellschafter zur Einzelgeschäftsführung
berechtigt und verpflichtet.
§§ 114, 115 HGB lesen!
Die Gesellschafter können aber im Gesellschaftsvertrag von diesem Grundsatz
abweichen.
Beispiel: A, B und C vereinbaren im Gesellschaftsvertrag, dass nur A zur
Geschäftsführung befugt ist. In diesem Fall sind B und C von der Geschäftsführung
nach § 114 Abs. 2 HGB ausgeschlossen.
Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis ist in § 116 HGB festgelegt.
§ 116 HGB lesen!
e) Vertretung der oHG
Wie die GbR kann die oHG im Rechtsverkehr selbst nicht tätig werden und muss sich
vertreten lassen.
Nach § 125 Abs. 1 HGB besteht grundsätzlich Einzelvertretungsmacht jedes
Gesellschafters.
Aber auch bei der oHG ist es möglich, dass die Gesellschafter im
Gesellschaftsvertrag abweichende Vereinbarungen treffen.
§ 125 HGB lesen!
f) Die Rechtsfähigkeit der oHG
Anders als bei der GbR ist die Rechtsfähigkeit der oHG nicht umstritten. Der Grund
hierfür ist, dass § 124 Abs. 1 HGB bestimmt, dass die oHG Rechte erwerben und
Verbindlichkeiten eingehen kann.
g) Haftung für Verbindlichkeiten der oHG
Da die oHG nach § 124 Abs. 1 HGB rechtsfähig ist, kann sie unproblematisch
Verpflichtungen eingehen, für die sie dann mit dem Gesellschaftsvermögen haftet.
Beispiel:
Da im Hauptlager der „ABC-Elektronik oHG“ sämtliche Wasserleitungen
ausgetauscht werden müssen, beauftragt der durch den Gesellschaftsvertrag
vertretungsbefugte Gesellschafter A im Namen der Gesellschaft den Installateur I mit
der Durchführung der Arbeiten. Nachdem I diese Arbeiten durchgeführt und A sie
abgenommen hat, verweigert A die Zahlung der vereinbarten Vergütung. Welche
Ansprüche hat I gegen die „ABC-Elektronik oHG“?
Lösung erarbeiten!
h) Haftung der Gesellschafter
Anders als bei der GbR gibt es bei der oHG eine Rechtsgrundlage für die Haftung
der Gesellschafter. Bei der oHG richtet sich die Haftung der Gesellschafter nach §§
128 ff. HGB.
§ 128 HGB lesen!
Der Gläubiger kann die Leistung nach seinem Belieben ganz oder zum Teil von
jedem Gesellschafter fordern, bis sie vollständig erfüllt ist.
Die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten kann nicht gegenüber Dritten begrenzt
werden.
i) Vor- und Nachteile der oHG
Vorteile:
- der Gesellschaftsvertrag kann relativ frei gestaltet werden
- das Unternehmen kann flexibel geführt werden
- hohe Kreditwürdigkeit
Nachteile:
- volle unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter
- starkes Vertrauensverhältnis unter den Gesellschaftern wegen der
"Einzelvertretungsmacht" erforderlich
- Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern können den Bestand der Gesellschaft
gefährden
3) Die Kommanditgesellschaft
Die Kommanditgesellschaft (KG) ist wie die oHG eine handelsrechtliche
Personengesellschaft.
Sie ist in §§ 161 ff. HGB geregelt.
§ 161 HGB lesen!
Ein Blick in § 161 HGB zeigt, dass es nur einen Unterschied zur oHG gibt: Bei der
KG ist bei einem Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern die Haftung
gegenüber Gesellschaftsgläubigern auf einen bestimmten Betrag begrenzt.
Wegen dieses einzigen Unterschieds zur oHG enthalten die §§ 161 ff. HGB einige
spezielle Regelungen, im Übrigen finden gemäß § 161 Abs. 2 HGB die Vorschriften
für die oHG subsidiär Anwendung.
a) Entstehungsvoraussetzungen
Wie bei der oHG muss bei der KG ein Gesellschaftsvertrag vorliegen, dessen Zweck
auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist.
Die beschränkt haftenden Gesellschafter werden Kommanditisten genannt. Die
unbeschränkt haftenden Gesellschafter heißen Komplementäre.
b) Das Innenverhältnis der KG
Grundsätzlich ist ein Kommanditist von der Geschäftsführung der KG
ausgeschlossen.
§ 164 Satz 1 HGB lesen!
Die Geschäftsführung obliegt damit den persönlich haftenden Gesellschaftern
(Komplementäre) gemäß §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 115 HGB.
Wie sich aus § 163 HGB ergibt, sind aber abweichende Regelungen im
Gesellschaftsvertrag möglich.
c) Die KG im Rechtsverkehr
Bei der KG gibt es im Außenverhältnis einige Besonderheiten zur oHG.
aa) Die Stellvertretung
Bei der KG sind nicht alle Gesellschafter zur Stellvertretung der Gesellschaft befugt.
Die Kommanditisten sind von der organschaftlichen Vertretung gemäß § 170 HGB
ausgeschlossen.
§ 170 HGB lesen!
Durch diese Regelung sollen die unbeschränkt haftenden Gesellschafter vor einer
Verpflichtung durch einen Kommanditisten geschützt werden.
Die KG wird demnach durch die persönlich haftenden Gesellschafter nach außen
vertreten. Dabei richtet sich deren Vertretungsbefugnis nach §§ 161 Abs. 2, 125 ff.
HGB.
Es ist aber auch möglich, dass einem Kommanditisten eine rechtsgeschäftliche
Vertretungsmacht (§ 167 BGB) eingeräumt wird. § 170 HGB steht dem nicht
entgegen, da diese Vorschrift nur die organschaftliche Vertretung durch die
Kommanditisten untersagt.
bb) Die Rechtsfähigkeit der KG
Auch bei der KG ist deren Rechtsfähigkeit unbestritten.
Aus §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB lässt sich entnehmen, dass die KG Rechte
erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann.
cc) Die Haftung für Verbindlichkeiten der KG
aaa) Haftung der KG
Bezüglich der Haftung der KG bestehen keine Unterschiede zur oHG.
Die KG ist gemäß §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB rechtsfähig. Sie kann deshalb
Verpflichtungen eingehen, für die sie mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet.
bbb) Haftung der Gesellschafter
Bei der Frage der Haftung der Gesellschafter der KG muss zwischen den unbegrenzt
haftenden Gesellschaftern (Komplementäre) und den Kommanditisten unterschieden
werden.
Bei den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern bestimmt sich die Haftung nach §§
161 Abs. 2, 128 ff. HGB. Komplementäre haften also wie die Gesellschafter einer
oHG.
Die Haftung der Kommanditisten ist in §§ 171 ff. HGB geregelt.
Die Haftung eines Kommanditisten ist grundsätzlich beschränkt. Er haftet nach § 171
Abs. 1 Halbsatz 1 HGB für Verbindlichkeiten der KG nur bis zur Höhe seiner Einlage.
§ 171 HGB lesen!
Für die Höhe der Einlage ist dabei die Eintragung im Handelsregister maßgebend, §
172 Abs. 1 HGB.
Beispiel:
Der Computerhändler V hat an die „H & Co. KG“ eine Computeranlage im
Wert von 30.000,-- € verkauft und geliefert. Als nach 2 Monaten die Anlage
immer noch nicht bezahlt worden ist, wendet sich V an K. K ist Kommanditist
der KG und mit einer Einlage in Höhe von 10.000,-- € im Handelsregister
eingetragen. Diese Einlage hat K allerdings noch nicht an die Gesellschaft
geleistet. V verlangt von K die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 30.000,--
€. Besteht der Anspruch?
Lösung erarbeiten!
Soweit ein Kommanditist seine Einlage bereits geleistet hat, ist seine Haftung gemäß
§ 171 Abs. 1 Halbsatz 2 ausgeschlossen.
Beispiel: