Vertragliche Schuldverhältnisse3. Teil
Prof. Dr. Klaus TonnerSommersemester 2012
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Überblick
• § 22 Finanzierungsleasing• Teil E. Dienst- und Werkvertrag• § 24 Abgrenzung zwischen Dienst- und
Werkvertrag• § 25 Dienstvertrag• § 26 Werkvertag• § 27 Besondere Werkverträge
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§ 22: Finanzierungsleasing
• Kaufvertrag zwischen Händler und Bank• Leasingvertag (Mietvertrag) zwischen Bank
(Leasinggeber) und Kunde (Leasingnehmer)• Händler ist idR Vertreter des Leasinggebers• Laufzeit führt idR zur Vollamortisation;
Leasingnehmer kann Sache am Ende gegen Restzahlung erwerben
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§ 22: Finanzierungsleasing
• Leasinggeber schuldet Gebrauchsüberlassung• Leasingnehmerträgt aber Sach- und Preisgefahr• Leasinggeber schließt Gewährleistung aus, tritt aber
seine kaufrechtlichen Ansprüche gegen Händler ab• Macht Leasingnehmer gegen Händler ein
Rücktrittsrecht (§ 323) geltend, fällt die Geschäftsgrundlage für den Leasingvertrag weg (§ 313). Rückabwicklung des Leasingvertrags nach Bereicherungsrecht
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§ 22: Finanzierungsleasing
• Leasingverträge mit Verbrauchern → Finanzierunghilfe (§ 506), d.h. auch Widerrufsrecht
• Sonderform: sale-and-lease-back-Verfahren• Leasing ist für Unternehmen steuerlich
interessant, das Leasinggut nicht zum Betriebsvermögen gehört
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§ 24: Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag
• Dienstleistungsverträge werden im BGB als Dienstverträge (§§ 611 ff.) oder als Werkverträge (§§ 631 ff.) behandelt
• Beim Dienstvertrag wird der Dienst als solcher, beim Werkvertrag der Erfolg geschuldet
• Beispiele für Dienstvertrag:• - Arbeitsvertrag• - Arztvertrag• - Rechtsberatungsvertrag
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§ 24: Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag
• Abgesehen vom Arbeitsvertrag, umfasst das Dienstvertragsrecht Dienste höherer Art („artes liberales“), für die ein Honorar geschuldet wird.
• Beispiele für Werkvertrag• - Bauvertrag• - Reparaturvertrag• - Beförderungsvertrag• Nicht eindeutig: Architektenvertrag, Vertrag über
Gutachten
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§ 25: Dienstvertrag
• Arbeitsvertrag• - Dauerschuldverhältnis• - Zahlreiche Vorschriften zum Schutz der
schwächeren Vertragspartei innerhalb und außerhalb des BGB
• - Vertragsschluss, Anspruch auf die Hauptleistungen und a.o. Kündigung ergeben sich aus dem BGB
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§ 25: Dienstvertrag
• Das gesetzliche Arbeitsvertragsrecht wird überlagert durch:
• - Tarifvertragsrecht• - Betriebsverfassungsrecht• - öffentliches Arbeitsrecht, z.B.
Arbeitssicherheisrecht
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§ 25: Dienstvertrag
• Vertragsschluss• - wegen NachwG schriftlich• - AGG ist zu beachten, insbes. beim
Einstellungsgespräch• Gegen Frauendiskriminierung gibt es
zahlreiche Richtlinien der EU (heute im AGG umgesetzt), bei deren Verletzung der EuGH angemessene Sanktionen verlangt.
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§ 25: Dienstvertrag
• Vergütung (§ 612) ergibt sich aus:• - Individualvereinbarung oder• - betrieblicher Übung oder• - Tarifvertrag• Die Dienste sind iZw in Person zu erbringen (§
613).
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§ 25: Dienstvertrag
• - Bei vorübergehender Verhinderung wird Dienstverpflichteter frei (bei Arbeitsverhältnissen 6 Wo gem. § 3 EFZG); er trägt aber das Wegerisiko (§ 616)
• - bei Annahmeverzug des Dienstberechtigten kann Dienstverpflichteter Vergütung verlangen (§ 615)
• - ArbG trägt Betriebsrisiko, § 615 Satz 3, aber nicht bei Arbeitskämpfen
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§ 25: Dienstvertrag
• Pflichtverletzungen• - kein Mängelgewährleistungsrecht, aber
Anwendbarkeit der Rechtsbehelfe des SchuldR AT, dh Schadensersatzansprüche, inbes.§ 280 Abs. 1
• - Im ArbeitsR Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (Anknüpfung: § 254):
• -- bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit volle Haftung des ArbN
• -- bei mittlerer Fahrlässigkeit Haftungsquotierung• -- bei einfacher Fahrlässigkeit Freistellung des ArbN
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§ 25: Dienstvertrag
• Beendigung des Dienstverhältnisses• - durch Aufhebung• - durch Befristung, im ArbeitsR aber nur
einmal möglich, sonst sachlicher Grund (TzBefrG)
• - außerordentliche Kündigung: wichtiger Grund erforderlich (§ 626). Ultima-ratio-Prinzip, Abmahnung muss vorhergehen
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§ 25: Dienstvertrag
• Ordentliche Kündigung• - §§ 621, 622 schreiben Kündigungstermin und –fristen vor• - ordentliche Kündigungsgründe im KSchG• -- personen-,• -- verhaltens-• -- betriebsbedingte Kündigung.• ArbN muss innerhalb von drei Wochen gegen Kündigung
klagen• - besonderer Kündigungsschutz u.a. bei Betriebsübergang
(§ 613a) und für (werdende) Mütter (§ 9 MuSchG)
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§ 25: Dienstvertrag
• Arztvertrag• - Vergütung nach GOÄ („taxe“ iSd § 612)• - Haftung für Behandlungsfehler nach Vertragsrecht
(§ 280 Abs. 1) oder Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1); läuft heute weitgehend parallel.
• - Voraussetzung: schuldhafte Pflichtverletzung (Diagnose-, Behandlungs- , Beratungsfehler oder Verletzung der Aufklärungspflicht
• - daraus muss kausal ein Schaden des Patienten resultieren
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§ 25: Dienstvertrag
• Beweisprobleme• Patient muss Zusammenhang zwischen
Pflichtverletzung und Rechtsgutverletzung nachweisen (haftungsbegründende Kausalität).
• Beim Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden (haftungsausfüllende Kausalität) jedoch Beweiserleichterungen; im Regelfall reicht Anscheinsbeweis
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§ 25: Dienstvertrag
• Dokumentationspflicht• Bei Unzulänglichkeit der Dokumentation
besteht die Vermutung einer unzulänglichen Behandlung
• Auch Kassenpatient hat Ansprüche gegen Arzt, obwohl er keine vertragliche Beziehung mit ihm hat (§ 76 Abs. 4 SGB V)
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§ 26: Werkvertrag
• Erscheinungsformen• - handwerklich-technische Dienstleistungen• Der Erfolg kann sein• - ein körperliches Werk (Haus)• - eine geistige Tätigkeit (Gutachten)• - ein unkörperlicher Arbeitserfolg (Theateraufführung)• Wichtige Werkverträge haben sich aus dem
Werkvertragsrecht “herausentwickelt“, z.B.• - Bauvertrag (VOB)• - Transportvertrag (zahlreiche Spezialvorschriften)
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§ 26: Werkvertrag
• Abgrenzung zum Kaufvertrag• - Kauf mit Montageverpflichtung → Kaufvertrag
(§ 434 Abs. 2)• - Standardsoftware → Kaufvertrag• - Individuell angefertigte Software →
Werkvertrag• - Werklieferungsvertrag (§ 651) bei einer
herzustellenden beweglichen Sache → Kaufvertrag
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§ 26: Werkvertrag
• Vertragsschluss• - formlos möglich• - eine Ausschreibung ist invitatio ad
offerendum• - Nichtigkeit bei Schwarzgeldgeschäften
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§ 26: Werkvertrag
• Hauptpflichten der Parteien• - des Unternehmers• -- Herstellung des Werkes, auch durch
Subunternehmer• -- Verschaffung des Werkes, Anbieten zur
Abnahme
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§ 26: Werkvertrag
• Hauptpflichten• - des Bestellers• -- Entrichtung des Werklohns, fällig bei Abnahme (§ 641)• -- Abnahme (§ 640): Körperliche Entgegennahme des
Werkes und seine Billigung als im Wesentlichen vertragsgemäß
• -- bei fehlender Abnahmefähigkeit Vollendung des Werkes• -- bei nicht unwesentlichen Mängeln ist Besteller nicht zur
Abnahme verpflichtet• -- bei vorbehaltloser Abnahme verliert Besteller seine
Mängelrechte, sofern er Mängel kennt
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§ 26: Werkvertrag
• Gefahrübergang• - bei Abnahme (§ 644 Abs. 1 Satz 1)• - bei Annahmeverzug des Bestellers (§ 644 Abs.
1 Satz 2)• - bei Absendung, falls Werk auf Verlangen des
Bestellers versendet wird (§ 644 Abs. 2)• - wenn Werk infolge eines vom Bestellers
gelieferten Stoffes untergeht (§ 654), von der Rspr. zu einer Sphärentheorie erweitert
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§ 26: Werkvertrag
• - Teilabnahme möglich (§ 641 Abs. 1 Satz2)• - Unternehmer darf Abschlagzahlungen
verlangen (§ 632a)
• Werkvertraglicher Mangelbegriff (§ 633)• - Beschaffenheitsvereinbarung• - nach dem Vertrag vorausgesetzt Verwendung• - übliche Beschaffenheit
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§ 26: Werkvertrag
• Mängelrechte (§ 634)• - Nacherfüllung (§§ 634 Nr.1, 635). Wahlrecht des
Unternehmers zwischen Mängelbeseitigung und Neuherstellung
• - Selbstbeseitigungsrecht (§§ 634 Nr. 2, 637), setzt erfolglose Frist zur Nacherfüllung voraus, Besteller kann Aufwendungsersatz verlangen.
• - Rücktrittsrecht (§§ 634 Nr. 3 Alt. 1, 636, 323), setzt erfolglose Frist zur Nacherfüllung voraus; Entbehrlichkeit der Nachfrist in den Fällen der §§ 323 Abs. 2 und 636
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§ 26: Werkvertrag
• - Minderung (§§ 634 Nr. 3 Alt.2, 638), setzt Nacherfüllungsfrist voraus
• - Schadensersatz (§§ 634 Nr. 4)• -- neben der Leistung (§ 280 Abs. 1)• -- statt der Leistung (§§ 280 Abs. 1, 2, 281)• -- wegen nachträglicher Unmöglichkeit (§ 283)• - wegen anfänglicher Unmöglichkeit (§ 311a) • - SEA sind dispositiv, aber Haftungsausschluss bei
Arglist ist unzulässig (§ 639)
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§ 26: Werkvertrag
• Verjährung (§ 634a)• Herstellung, Wartung und Veränderung einer
Sache: zwei Jahre ab Abnahme• Bauwerk: fünf Jahre ab Abnahme• Geistige Werke: regelmäßige Verjährung (§§
195, 199)• Verkürzung auf ein Jahr zulässig (§ 309Nr. 8 lit.
b [ff]), bei Bauwerken → VOB
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§ 26: Werkvertrag
• Sicherungsrechte des Unternehmers• - Unternehmerpfandrecht (§ 647). Nur bei Sachen
des Bestellers, nicht bei Sachen, die ihm nicht gehören. Gutgläubiger Erwerb des Unternehmerpfandrechts wird abgelehnt. Ausweg: Vertragliches Pfandrecht, das z.B. Anwartschaftsrecht umfasst.
• - Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648) lässt Schutzlücken
• - Bauhandwerkersicherung (§ 648a)
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§ 26: Werkvertrag
• Kündigung• - grds. möglich (§ 649). Die Vorschrift ist AGB-fest.• - aber: Besteller schuldet Vergütung abzüglich
ersparter Aufwendungen, kann pauschaliert werden
• Kostenanschlag (§ 650)• - keine Vergütung für Kostenvoranschlag• - Kündigungsrecht bei nicht unwesentlicher
Überschreitung (15-20%)
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§ 27: Besondere Werkverträge
• I. Bauverträge• 1. Bedeutung der VOB• „Allgemeine Vertragsbedingungen für die
Ausführungen von Bauleistungen“, vereinbart zwischen der öffentlichen Hand und den Verbänden der Bauwirtschaft
• VOB/A: Vergaberecht• VOB/B: Bauvertragsrecht
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§ 27: Besondere Werkverträge
• Früher Privilegierung der VOB/B bei der AGB-Kontrolle, da ausgehandelt.
• Heute nur noch, wenn VOB/B als Ganzes im b2b-Bereich vereinbart werden
• sonst „normale“ AGB-Kontrolle• Wichtige Folge: Verkürzung der
Verjährungsfrist von fünf auf zwei Jahre nur noch im b2b-Bereich möglich
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§ 27: Besondere Werkverträge
• 2. Einschaltung von Subunternehmen• Problem: Generalunternehmer schließt seine
Haftung gegenüber Bauherrn aus und tritt dafür seine Ansprüche gegen die Subunternehmer ab. Risiko für den Bauherrn, da Ansprüche bereits verjährt oder Subunternehmer insolvent geworden sein könnten.
• Lösung: § 309 Nr. 8 lit. b (aa). Klausel zulässig, wenn Generalunternehmer subsidiär haftet.
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§ 27: Besondere Werkverträge
• II. Beförderungsverträge• Der Beförderungsvertrag ist ein Werkvertrag,
Einzelheiten werden aber durch Spezialvorschriften geregelt
• 1. Güterverkehr• - Inländischer Güterverkehr: HGB, Allgemeine
Deutsche Spediteurbedingungen• - internationaler Straßengüterverkehr: CMR• - Seetransport: Seehandelsrecht im HGB
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§ 27: Besondere Werkverträge
• 2. Personenbeförderung• - Luftverkehr: Montrealer Übereinkommen mit
Haftungsregelungen für Unfälle, Verspätungen und Gepäckverlust.
• Bei Flugausfällen kommt das BGB zur Anwendung. Die Beförderung ist ein relatives Fixgeschäft (§ 323 Abs. 2 Nr. 2)
• Ergänzend gelten die europäischen Passagierrechte (VO [EG] Nr. 261/2004) mit Ausgleichszahlungen bei Annullierung, Nichtbeförderung und großen Verspätungen
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§ 27: Besondere Werkverträge
• - Seeverkehr: Athener Übereinkommen• - Eisenbahnverkehr• -- international: COTIF• -- national: für Unfälle HaftpflG, bei Zugausfall
und -verspätung EVO• --beides überlagert durch die europäische
Fahrgastrechte-VO (VO [EG] Nr. 1371/2007 mit Ansprüchen auf teilweise Fahrpreiserstattung bei Zugausfall und -verspätungen
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• Überblick• - Individualreiserecht• -- Beförderungsvertrag (Werkvertrag → §§ 631
ff)• -- Beherbergungsvertrag (Mietvertrag → §§
535 ff)• - Pauschalreiserecht (Reisevertrag → §§ 651a
ff)
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• Pauschalreiserecht• - Hintergrund: Pauschalreise-Richtlinie von 1990• - Anwendungsbereich• -- persönlicher: Reiseveranstalter und Reisender• -- sachlicher: Gesamtheit von Reiseleistungen,
also mindestens zwei. Bündelung erforderlich.• Aktuelle Probleme: dynamic packaging;
Abgrenzung von der bloßen Vermittlung
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• Rechte wegen eines Mangels• - Mangelbegriff (§ 651c Abs. 1). Wird
kasuistisch aufgefüllt (Mängeltabellen). Bloße Unannehmlichkeiten sind kein Mangel
• - Minderung (§ 651d Abs. 1) Anzeige vor Ort erforderlich (§ 651d Abs. 2)
• - Erfolgt keine Abhilfe (§ 651c Abs. 2), Recht zur Selbstabhilfe (§ 651c Abs. 3) und bei erheblichen Mangel zur Kündigung (§ 651 e)
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• - Schadensersatzanspruch nach § 651f Abs. 1. Haftungsbeschränkung außer bei Körperschäden auf den dreifachen Reisepreis (§ 651 h)
• - Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten nach § 823 Abs. 1 (Wasserrutschen-Fall)
• - Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651f Abs. 2) (Leitner-Fall des EuGH)
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• - Kündigung durch Reisenden• -- darf nicht ausgeschlossen werden (§ 651i
Abs. 1)• -- aber angemessene Entschädigung (§ 651i
Abs. 2) oder Stornogebühren (§ 651i Abs. 3)• - Kündigungsrecht bei höherer Gewalt für
beide Seiten (§ 651j) (Bsp.: politische Unruhen, Naturkatastrophen)
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• - Fristen (§ 651g): Ansprüche müssen innerhalb eines Monats nach Reiseende beim Reiseveranstalter geltend gemacht werden
• - Kundengeldabsicherung (§ 651k) Reiseveranstalter muss Insolvenzabsicherungsvertrag zugunsten des Kunden abschließen und diesem einen Sicherungsschein aushändigen
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§ 28: Touristische Dienstleistungen
• Teilzeitwohnrechteverträge (§§ 481-487)• Gegenstand ist ein wiederkehrendes Nutzungsrecht
an einer Ferienimmobilie für einige Wochen im Jahr (Timesharing) gegen Einmalzahlung
• Geht auf eine Richtlinie von 1994 zurück, reformierte Richtlinie von 2009, Anpassung des deutschen Rechts im Jahre 2011
• Zahlreiche Informationspflichten, Widerrufsrecht (§ 485)