Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Institut für Klinische Immunologieund Transfusionsmedizin
der Justus-Liebig-Universität Gießen
Dr. med. Ulrich Sachs
JUSTUS-LIEBIG-
UNIVERSITÄTGIESSEN
FACHBEREICHHUMANMEDIZIN
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
1 Klinische Einordnung akuter Nebenwirkungen und Empfehlungen zur Diagnostik
2 Besonderheiten in der Einordnung pulmonaler Nebenwirkungen
3 Evidenz-basierte Indikationen zur Bestrahlung von Blutkomponenten
4 Evidenz-basierte Indikationen zur Berücksichtigung von CMV und Parvovirus B19
Klinische Einordnung akuter Nebenwirkungen und Empfehlungen zur Diagnostik
2317
3351328452
13
185
IBCT
GVHD
ATR
PTP
DTR
TRALI
TTI
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Transfusionsassoziierte RisikenBritisches Hämovigilanzregister, Meldungen 1996-2005
modifiziert nach www.shot-uk.org
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Transfusionsassoziierte RisikenBritisches Hämovigilanzregister, Todesfälle 1996-2005
modifiziert nach www.shot-uk.org
IBCT = 22
GVHD = 13
ATR =13PTP = 2DTR = 8
TRALI = 38
TTI = 9
Tödliche Reaktionen durch akute Nebenwirkungen = ca. 70%
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Sobald das Blut anfing, in seine Venen zu strömen,fühlte er die Hitze entlang seiner Arme und unter den Achseln.Sein Puls stieg an, und kurz darauf war sein Gesicht voll Schweiß.Sein Puls schwankte starkund er klagte über große Schmerzen in den Nieren,über Übelkeit,und er schüttelte am ganzen Körper […]Er schlief ein und schlief die ganze Nacht […]
J. Denis (1668) Philos Trans R Soc 2:617
klinische Symptomatik
wahrscheinliche Ursachen
unmittelbares Vorgehen
weitere unmittelbare Abklärung
IUrtikaria und/oderPruritus
allergische Reaktion
1
23
4
Transfusion unterbrechenklinische UntersuchungAntihistaminika erwägenTransfusion fortsetzen, wenn keine Verschlechterung
keine
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
*Leitlinien der Bundesärztekammer, Entwurf 2007, Kapitel 11 (Bein/Sachs)
Klinische Einordnung akuter Nebenwirkungen*
I II III
II
UrtikariaPruritus
FieberRigor
RuhelosigkeitTachykardie
AngstPalpitationen
leichte Dyspnoe
Kopfschmerzen
allergische Reaktion
febrile, nicht-hämolytische Transfusions-reaktion
bakterielle Kontamination der Komponente
1
23
45
Transfusion unterbrechenklinische UntersuchungAntihistaminika/ Paracetamol erwägenPatient beobachtenfalls dringender Transfusionsbedarf, Transfusion weiterer Komponenten (nicht der auslösenden Komponente) unter engmaschiger Kontrolle
Ausschluss einer Hämolyse (11.2.1)
Ausschluss bakterieller Kontamina-tion (11.2.4)
klinische Symptomatik
wahrscheinliche Ursachen
unmittelbares Vorgehen
weitere unmittelbare Abklärung
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
klinische Symptomatik
wahrscheinliche Ursachen
unmittelbares Vorgehen
weitere unmittelbare Abklärung
III
FieberRigor
RuhelosigkeitBlutdruckabfall
Tachykardiedunkler Urin
unerklärte BlutungBrustschmerz
Lenden/Rücken schmerzen
Schmerzen an der InfusionsstelleKopfschmerzen
Atemnot
A) ohne führende Lungensympto matik:akute intravasale Hämolyse;Schock bei bakterieller Kontamination;Anaphylaxie
B) mit führender Lungensympto matik:Hypervolämie;transfusions-assoziierte akute Lungen-insuffizienz (TRALI)
1
23
Transfusion unterbrechenklinische Untersuchungunmittelbare Notfall-Versorgung nach Leitsymptomen(Kreislauf, Atemwege)
Verwechslung ausschließen,ggf. Bedside-Test wiederholen
Ausschluss einer Hämolyse (11.2.1)
Ausschluss bakterieller Kontamination (11.2.4)
bei führender LungensymptomatikAusschluss TRALI(Tabelle 11.1.2 + 11.2.5)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Hämolytische Transfusionsreaktion
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
• visuelle Inspektion des abzentrifugierten Patientenplasmas
• freies Hämoglobin im Plasma
• freies Hämoglobin im Urin
• Haptoglobin und LDH (Verlauf)
• Immunhämatologie
Sensitivität: Haptoglobin > fHb > LDH > Bilirubin
fHb
LDH
1h
Hpg
Bakterielle Kontamination
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
• Ausstrich aus der Blutkomponente mit Gramfärbung
• bakteriologische Kultur aus der Komponente
• Blutkultur
Bakteriennachweise in Blutkomponenten: z. B. 0,1-0,5% aller TK (Munksgaard et al., 2004; Fang et al., 2005)
Häufigkeit klinischer Reaktionen auf kontaminierte Präparate:Ca. 1:100.000 (Fang et al., 2005; Gilstad et al., 2003)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Sobald das Blut anfing, in seine Venen zu strömen,fühlte er die Hitze entlang seiner Arme und unter den Achseln.Sein Puls stieg an, und kurz darauf war sein Gesicht voll Schweiß.Sein Puls schwankte starkund er klagte über große Schmerzen in den Nieren,über Übelkeit,und er schüttelte am ganzen Körper […]Er schlief ein und schlief die ganze Nacht […]
Als er erwachte, machte er ein großes Glas voll Urin,das so schwarz war,als sei es mit dem Ruß eines Kamins vermischt.
J. Denis (1668) Philos Trans R Soc 2:617
Besonderheiten in der Einordnungpulmonaler Nebenwirkungen
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Ösophagusvarizenblutung
Hk 23%PTT 49 secThrombozyten 32 G/l
4 EK, 4 FFPO2-Sättigung 72%Gelbliches AufschäumenRR systolisch 60 mmHgHf 154/min
3 Tage BeatmungExitus letalis im MOF
klinische Symptomatik
wahrscheinliche Ursachen
unmittelbares Vorgehen
weitere unmittelbare Abklärung
III
FieberRigor
RuhelosigkeitBlutdruckabfall
Tachykardiedunkler Urin
unerklärte BlutungBrustschmerz
Lenden/Rücken schmerzen
Schmerzen an der InfusionsstelleKopfschmerzen
Atemnot
A) ohne führende Lungensympto matik:akute intravasale Hämolyse;Schock bei bakterieller Kontamination;Anaphylaxie
B) mit führender Lungensympto matik:Hypervolämie;transfusions-assoziierte akute Lungen-insuffizienz (TRALI)
1
23
Transfusion unterbrechenklinische Untersuchungunmittelbare Notfall-Versorgung nach Leitsymptomen(Kreislauf, Atemwege)
Verwechslung ausschließen,ggf. Bedside-Test wiederholen
Ausschluss einer Hämolyse (11.2.1)
Ausschluss bakterieller Kontamination (11.2.4)
bei führender LungensymptomatikAusschluss TRALI(Tabelle 11.1.2 + 11.2.5)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
B) mit führenderLungensympto-matik:Hypervolämie,transfusions-assoziierte akuteLungen-insuffizienz(TRALI)
O2-Sätt.Röntgenbild
(obligatorisch)
weiterewesentliche
Befunde
zeitlicher Zusammenhang mit Transfusion
KlinischeVerdachts-diagnose
< 90%*
beidseitiges* Lungeninfiltrat; kardial unauffälliger Befund
sofort bis 6h* nach Transfusion
TRALI
Lungeninfiltrate; Zeichen der kardialen Dekompensation
TachykardieHypertension
bis 12h nach Transfusion;
ggf. Z. n. Massivtransfusion
TACO
keine Infiltrate TAD
keine InfiltrateZyanoseStridor
bis 24h nach Transfusion
allergische Dyspnoe
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Hypervolämie (TACO)
-akutes hydrostatisches Lungenödem
-Neugeborene und Patienten >60 Jahre
-Inzidenz 1-8% (Popovsky et al., 2004)
-Letalität 3-4%
-BNP nicht allgemein zu empfehlen (Gajic et al., 2006)
Febrile, nicht-hämolytische Transfusionsreaktion
-seit Einführung der Leukozytendepletion Reduktion auf <0,1%
(Paglino et al., 2004; King et al., 2004; Yazer et al., 2004)
Evidenz-basierte Indikationenzur Bestrahlung von Blutkomponenten
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Empfehlung und
Evidenzgrad
Nutzen/Risiko-
Verhältnis
Datenbewertung Bedeutung
1A eindeutig randomisierte, kontrollierte Studien
starke Empfehlung für die meisten Patienten(„soll“)
1C+ eindeutig keine randomisierten, kontrollierten Studien, aber eindeutige Datenlage
starke Empfehlung für die meisten Patienten(„soll“)
1B klar randomisierte, kontrollierte Studien mit gravierenden Schwächen
starke Empfehlung, gilt wahrscheinlich für die meisten Patienten(„soll“)
1C klar Beobachtungsstudien mittelstarke Empfehlung, kann sich nach Datenlage ändern(„sollte“)
2A unklar randomisierte, kontrollierte Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen
mittelstarke Empfehlung, abhängig vom Patienten kann ein anderes Vorgehen besser sein(„sollte“)
2C+ unklar keine randomisierten, kontrollierten Studien, aber eindeutige Datenlage
schwache Empfehlung(„kann“)
2B unklar randomisierte, kontrollierte Studie mit gravierenden Schwächen
schwache Empfehlung(„kann“)
2C unklar klinische Beobachtungen sehr schwache Empfehlung(„könnte“)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Indikationen zur Transfusionbestrahlter Blutprodukte
antigenerStimulus
+
30 Gy+antigenerStimulus
+
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Chapel et al. (eds.), Essentials of Clinical Immunology, Blackwell: 2006
ta-GvDHHauptdiagnose: SCID
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Welche Blutkomponenten müssen bestrahlt werden?
Alle beschriebenen Fälle einer GvHD wurden nach Transfusion
zellhaltiger Blutkomponenten beschrieben.
Wir empfehlen nicht, gefrorenes Frischplasma zu bestrahlen.
Grad der Empfehlung/Evidenz: 1C+
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Empfehlungen zur Bestrahlungzellulärer Blutkomponenten: besondere Komponenten
• gerichtete Blutspenden von Blutsverwandten (1C+);
mindestens 14 tödliche Fälle beschrieben
• HLA-ausgewählte zelluläre Blutkomponenten (1C+); Risiko für
einen one-way-HLA-Match bei ausgewählten TK ca. 5%
• Granulozytenkonzentrate (1C+); mindestens 16 Fälle einer ta-
GvHD beschrieben
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Empfehlungen zur Bestrahlungzellulärer Blutkomponenten: Pädiatrie
• bei intrauterinen Transfusionen und nach intrauterinen
Transfusionen (1C+); mindestens 3 Fälle eine ta-GvHD
beschrieben
• bei Austauschtransfusionen (1C+); mindestens 2 Fälle
tödlicher ta-GvHD
• Patienten mit angeborener Immundefizienz: SCID (1C+); PNP-
Defizienz, Wiskott-Aldrich-Syndrom, DiGeorge-Syndrom (2C)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Empfehlungen zur Bestrahlungzellulärer Blutkomponenten: Blutstammzell-/
Knochenmarktransplantation
• vor autologer Blutstammzellentnahme (14 Tage) und während
und nach autologer Blutstammzell- oder Knochenmark-
Transplantation (3 Monate) (1C+, Zeitangaben: 2C)
• alle Patienten mit allogener Blutstammzell- oder Knochenmark-
transplantation (1C+), mindestens für 6 Monate nach
Transplantation (2C)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Empfehlungen zur Bestrahlungzellulärer Blutkomponenten: besondere Erkrankungen
• Morbus Hodgkin (1C+); mindestens 12 tödliche Fälle,
prospektive Analyse mit 2/53 ta-GvHD
• Non-Hodgkin-Lymphome (alle Stadien) (1C+); mindestens 17
Fälle einer ta-GvHD [Neue Indikation]
• Patienten mit Purin-Analoga (1C+); mindestens 9 Fälle unter
Fludarabin und 1 Fall mit Cladribin
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Keine ausreichende Evidenz zur Bestrahlung
• Frühgeborene
• Patienten mit AIDS
• Patienten mit Leukämie
• Patienten nach Transplantation solider Organe (einschl. Herz)
• Patienten mit soliden Tumoren (einschl. Neuroblastom und
Rhabdomyosarkom)
In diesen Fällen wird keine Empfehlung
zur Bestrahlung (mehr) ausgesprochen.
Evidenz-basierte Indikationen zur Berücksichtigungvon CMV und Parvovirus B19
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Zytomegalievirus (CMV)
CMV-gefährdete Patienten:-Feten-Frühgeborene-Patienten mit angeborenen Immundefekten-Patienten mit erworbenen Immundefekten (AIDS)-Patienten nach Organtransplantation-Patienten nach Blutstammzell-/Knochenmarktransplantation
Übertragungen nach Transfusion von GFP bisher nicht beobachtet (Bowden, 1990)
Vermutetes Übertragungsprinzip: CMV als latentes Virus in Blutleukozyten
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Zytomegalievirus (CMV)
LeukozytendepletionAuswahl CMV-seronegativer
Spender
Inzidenz der ta-CMVIsinkt um ca. 90%*
Inzidenz der ta-CMVIsinkt um ca. 90%*
Verbleibendes Risiko fürPatienten nach Stammzelltransplantation
trotzdem jeweils ca. 1,5-3%*
*Metaanalyse; Vamvakas, 2005
1 prospektiv-randomisierte Studie(Bowden, 1995)
6 Infektionen (2,4%)6 Erkrankungen
4 Infektionen (1,4%)0 Erkrankungen
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Zytomegalievirus (CMV)
Kombinationseffekt?- Vorberechnete Größe der Studienpopulation: 6500
(Vamvakas, 2005)
- CMV-DNA ist 6-8 Wochen vor CMV-IgG nachweisbar, es existiert eine serologische Fensterphase
- Die Auswahl seronegativer Spender führt bei einer Seroprävalenz von 50% theoretisch zu einer Verdoppelung des Infektionsrisikos
In der Literatur findet sich derzeit keine ausreichende Evidenz, um eine Empfehlung für die Transfusion leukozytendepletierter Blutkomponenten von CMV-seronegativen Spendern aussprechen zu können.
Wir empfehlen, Granulozytenkonzentrate für CMV-seronegative
Empfänger ausschließlich von CMV-seronegativen
Blutspendern zu gewinnen.
Grad der Empfehlung/Evidenz: 1C+
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Zytomegalievirus (CMV)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Parvovirus B19
CMV-gefährdete Patienten:-Patienten mit hämolytischen Erkrankungen-Feten
Häufigkeit von Parvovirus B19-DNA in Blutspendern:ca. 1:100 bis 1:50.000 (Methode, Epidemiologie)
Transfusionsassoziierte Infektionen sind eine Rarität!
1 prospektive Kohortenstudie an 114 Patienten,Prävalenz von 1% (DNA) bei den transfundierten Einheiten,keine symptomatische Infektion(Plentz, 2005)
Unerwünschte Wirkungen der Bluttransfusion:Leitlinien der Bundesärztekammer
Parvovirus B19
Parvovirus B19 DNA ist Jahre nach Serokonversion im Blut nachweisbar (Lefrere, Blood 2005)
Die minimale infektiöse Dosis ist nicht bekannt.
Aufgrund der fehlenden Hinweise auf transfusions-assoziierte Parvovirus B19-Infektionen in Deutschland können derzeit evidenzbasierte Empfehlungen zur Indikation für Blutkomponenten mit reduziertem Risiko für eine Parvovirus B19-Übertragung nicht gegeben werden.