TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt
BM ‚Politische Systeme‘
Parteien
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Gliederung der Vorlesung
I. Was ist Politik?II. Was ist ein ‚politisches System‘?III. Warum und wie vergleicht man politische Systeme?IV. Wie läßt sich politische Macht ausüben und
bändigen? V. Welche Arten politischer Systeme gibt es?
VI. Wie wandeln sich politische Systeme? VII. Welche Strukturen und Funktionen besitzen die
zentralen Elemente moderner politischer Systeme?
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zentrale Elemente moderner politischer Systeme
politische Kultur politische
Sozialisation politische Eliten Interessengruppen
Parteien Wahlsysteme,
Wahlkämpfe, Wahlverhalten
Parlament Regierung und
Verwaltung Massenmedien Föderalismus
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Gliederung des Gedankengangs
‚Ort‘ von Parteien im politischen System
Parteien und ParteiungenEntstehung von ParteienPrägefaktoren und Arten von
ParteienFunktionen von Parteien
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Massenmedien
Gesellschaft
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zentrales politisches
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Rückkoppelung
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Entscheidungen /
Regeln
Das politische System
Parteien
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Parteien sind ... dauerhafte öffentlich agierende bei Wahlen Kandidaten präsentierende
organisatorische Zusammenschlüsse von ... sozial und / oder interessenmäßig und / oder durch gemeinsame politische Ziele
verbundenen Personen, die in einem politischen System danach streben, die Ausübung
öffentlicher Macht und Herrschaft in ihrem Sinne zu gestalten zu diesem Zweck politische Führungspositionen besetzen
wollen. Zugleich sind Parteien offen agierende
‚Interessengruppen in eigener Sache‘.
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Seit wann gibt es Parteien? Immer schon gibt es um Einfluß und Ämter
konkurrierende politische Gruppierungen (‚Parteiungen‘).Arten: Clans, konkurrierende Dynastien,
Klientelgruppen, Verschwörer ...Beispiele: Optimaten vs. Popularen in Rom, Grüne
vs. Blaue in Byzanz, Ghibellinen vs. Guelfen in Oberitalien, Lancaster vs. Tudor in englischen Rosenkriegen
Moderne Parteien unterscheiden sich von traditionellen Parteiungen in den folgenden, den Parteiungen fehlenden Merkmalen:
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Parteiungen unterscheiden sich von Parteien so:
dauerhafte öffentlich agierende bei Wahlen Kandidaten präsentierende
organisatorische Zusammenschlüsse von ... sozial und / oder interessenmäßig und / oder durch gemeinsame politische Ziele
verbundenen Personen, die in einem politischen System danach streben, die Ausübung
öffentlicher Macht und Herrschaft in ihrem Sinne zu gestalten zu diesem Zweck politische Führungspositionen besetzen
wollen. Zugleich sind Parteien offen agierende ‚Interessengruppen
in eigener Sache‘.
Parteien sind ... Nur eine
traditionelle
‚Parteiung‘ liegt
vor, wenn
folgendes fehlt:
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Unterscheidungsmerkmale:
Über traditionelle Parteiungen gehen moderne Parteien also wie folgt hinaus:
dauerhafte öffentlich agierende bei Wahlen Kandidaten präsentierende
organisatorische Zusammenschlüsse von ... sozial und / oder interessenmäßig und / oder durch gemeinsame politische Ziele
verbundenen Personen, die in einem politischen System danach streben, die Ausübung
öffentlicher Macht und Herrschaft in ihrem Sinne zu gestalten zu diesem Zweck politische Führungspositionen besetzen
wollen. Zugleich sind Parteien offen agierende ‚Interessengruppen
in eigener Sache‘.
- Dauerhaftigkeit
- Öffentlichkeit
- Beteiligung an Wahlen
‚Parteiungen‘ sind ...
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Parteien entstehen gemeinsam mit ...
modernem Parlamentarismusmoderner Gewaltenteilung samt Recht auf
Oppositionmoderner Demokratiemodernen
Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten
Fazit: Parteien sind Hervorbringungen des 18./19. Jhdts.Achtung: Parteien autoritärer und totalitärer Diktaturen sind strukturell viel enger verwandt mit christlichen Orden als mit demokratischen verfassungs-staatlichen Parteien!
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Parteien und Parlamentarismus Parteien entstehen in den (aufkommenden) Parlamenten als auf
Dauer gestellte, von gemeinsamen Interessen bzw. politischen Zielen geleitete Gruppierungen (‚Clubs‘, ‚Fraktionen‘).
Triebkraft: Nur als Mannschaft konnten Parlamentarier zum ernstzunehmenden
Machtfaktor gegenüber der Krone oder gegenüber einer rivalisierenden Parlamentariergruppe werden.
Voraussetzung: Denkfigur und Verhaltensprinzip des ‚freien Mandats‘.
Das heißt: Abgeordnete können sich im Parlament ohne besondere Ermächtigung durch jene, die sie entsenden (‚imperatives Mandat‘), in eigener Verantwortung nach rein politischen Gesichtspunkten fallweise oder dauerhaft zusammenschließen.
Wo und wann? England, 18. Jhdt.
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Parteien und gewaltenteilendes Recht auf Opposition
Man lernte, zweierlei auseinanderzuhalten: Gegnerschaft zum politischen System und zu seiner
amtierenden Regierung (= potentieller oder realisierter Hochverrat)
Unterstützung des politischen Systems, und dennoch Gegnerschaft zur amtierenden Regierung (= Opposition)
Erst mit der Entstehung der Denkfigur von ‚Opposition‘ wird vorstellbar und akzeptabel, daß politische Gruppierungen ganz offen die Regierung bekämpfenund trotzdem nicht als Staatsfeinde behandelt werden
Wo und wann? England, 18. Jhdt.
Trennung von ‚government‘
und ‚constitution‘
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Parteien und moderne Demokratie
Auch auf dem europäischen Kontinent nach der Französischen Revolution: Einrichtung von Zwei-Kammer-Parlamenten mit einem gewählten ‚Abgeordnetenhaus‘ (‚Frühparlamentarismus‘).
Periodische Wahlen (mit eingeschränktem Wahlrecht) werden üblich.
Für Wahlen braucht es Kandidaten, die jemand rekrutieren, den Wählern vorschlagen und im Wahlkampf unterstützen muß (‚Wahlvereine‘).
Es erweist sich als sinnvoll, derartige Organisationen auch zwischen den Wahlen aufrechtzuerhalten.
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Parteien und moderne Verkehrs-und Kommunikationsmöglichkeiten
Wie entsteht eigentlich die Möglichkeit, ‚Wahlvereine‘ auch in großen Staaten als dauerhafte, flächendeckende, integrierte, zum gemeinsamen Handeln befähigte Organisationen auszubauen?
Nur dank moderner Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten:Eisenbahn, AutoTelegraph, Telephon, Telefax, InternetMassenpresse, Radio, Fernsehen
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oder
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Entstehung von Parteien
Parteien entstehenaus parlamentarischen Gruppierungen:von oben nach unten
Parteien entstehen aus periodischen Wahlen: von unten nach oben
Recht auf Opposition
Parlament
Wählerschaft
Partei C
Partei B
Partei A
Trennstrich ziehen durch
Unvereinbarkeit zwischen Parteiamt
und Parlamentsmandat?
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Inhaltliche Ausrichtungen von Parteien
Liberale Parteien: Gegen (jegliches) ancien régime! Konservative Parteien:
‚Urkonservatismus‘: Gegen Liberalismus! Liberalkonservatismus: Gegen die Gegner des liberal
weiterentwickelten neuzeitlichen Staates! Sozialistische Parteien:
Gegen die Ausgrenzung von (neu entstehenden) Unterschichten!
Gegen liberale und (liberal-)konservative Parteien, welche sich um die Unterschichten nicht kümmern!
Ökologische Parteien: Gegen alle Parteien, die sich nicht um eine Politik der Nachhaltigkeit bemühen!
= persönliche Position
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Organisationsmuster von Parteien
Zielkreis der Mitgliedschaft Klientelpartei vs. Volkspartei
Umfang der Mitgliedschaft Mitgliederpartei vs. Wählerpartei
Ausmaß der Beteiligung der Mitglieder an derinnerparteilichen Willensbildung pluralistische vs. zentralistische Partei Basisdemokratie vs. ‚ehernes Gesetz der Oligarchie‘
Stellenwert von Programm und Programmdiskussion Programmpartei vs. (Kanzler-)Wahlverein
Umfang und Stellung der ‚hauptamtlichen‘ Parteimitglieder Gewichtsverteilung zwischen parlamentarischer und
außerparlamentarischer Partei auch: Grad der Vereinbarkeit von Parteiamt und Parlamentsmandat
Typologisierungsmöglichkeiten für
Parteien
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Funktionales Selbstverständnis
‚staatstragende‘ Partei vs. revolutionäre Partei
‚Altpartei‘ vs. Protestpartei
Regierungspartei vs. Oppositionspartei
Hegemonialpartei vs. strukturelle Minderheitspartei
Typologisierungsmöglichkeiten für
Parteien
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Prägefaktoren von Parteien
Typ des politischen Systems
Struktur des Regierungssystems
Wahlrechtkonkrete
Rechtsstellung der Parteien
wirtschaftliche Basis der Parteien
Parteiensystempolitisch-kulturelle
Erwartungen an Parteien
Beschaffenheit der Gesellschaft
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Typ des politischen Systemsals Prägefaktor
demokratischer Verfassungsstaat mit pluralistischer Gemeinwohlkonzeption und periodischen freien Wahlen, bei denen Parteien mit unterschiedlicher Zielsetzung konkurrieren
autoritäre oder totalitäre Diktatur mit ‚Wahlen ohne Auswahl‘
Jeweils ganz unterschiedliche Parteifunktionen und Parteistrukturen!
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Struktur des Regierungsystemsals Prägefaktor
parlamentarisches vs. präsidentielles Regierungssystem Parteien als Mannschaften vs. Parteien als Wahlvereine
von Individualisten
Konkurrenzdemokratie vs. Konkordanzdemokratie offene Konkurrenz um Machtanteile vs. verdeckte
Insider-Arrangements
Bundesstaat vs. zentralistischer Einheitsstaat vielfältige innerparteiliche Strukturen und
Konkurrenzmöglichkeiten vs. ‚Monokultur‘, ggfs. gelindert durch vom Wahlrecht erzeugtes Mehrparteiensystem
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Wahlrecht als Prägefaktor
Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel: viele, auch kleine Parteien
Verhältniswahlrecht mit Sperrklausel: Mehrparteiensystem
Absolutes Mehrheitswahlrecht: in der Regel zwei Wahlgänge – und darum wenige ‚Parteifamilien‘, viele (fluktuierende) Parteien
Relatives Mehrheitswahlrecht: Zweiparteiensystem mit ‚Nebenparteien‘
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konkrete Rechtsstellung der Parteien als Prägefaktor
Vorschriften über Erlangung der Rechtsstellung einer Partei freie Gründung vs. staatliche Anerkennung
Vorschriften über erzwungenen Verlust der Rechtsstellung als Partei freie Verbietbarkeit durch Regierung vs. ‚Parteienprivileg‘
Vorschriften über den inneren Aufbau der Parteien Territorialprinzip vs. Produktionsstättenprinzip innerparteiliche Demokratie vs. ‚demokratischer
Zentralismus‘
Jeweils unterschiedliche Parteifunktionen und Parteistrukturen!
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wirtschaftliche Basis als Prägefaktor
Parteienfinanzierungzulässige bzw. staatlich geförderte Arten:
Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuschüsse, Erträge aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit
Offenlegungsvorschriften, Grad ihrer Durchsetzung, sowie gesellschaftliche Reaktionen auf die Rechtspraxis
Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Parteien erlaubt ist (z.B.: Kapitalbeteiligung an und Einfluß auf Massenmedien)
Unterschiede in der Art und Mischung der Finanzquellen, welche einer Partei zur Verfügung stehen
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Parteiensystem als Prägefaktor
Parteien versteht nur, wer sie begreift als in harter Konkurrenz stehende Wettbewerber auf einem engen und nicht zu erweiternden Markt um
Stimmen, Sitze und Ämter (‚Nullsummen-Spiel‘) Prägefaktoren jenes Marktes:
Anzahl der Wettbewerber: Zwei-, Drei- oder Mehrparteiensystem
Typen der konkurrierenden Parteien (inhaltliche Ausrichtung, Selbstverständnis, Organisationsmerkmale)
Spielregeln des Parteienwettberwerbs: Wahlrecht und Taktung der Wahlen Konkurrenzdemokratie vs. Konkordanzdemokratie
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politisch-kulturelle Erwartungen als Prägefaktor
Maximalerwartung: Partei als ‚geistige Heimat‘ derer, die sich mit ihr
identifizieren Parteiprogramm liefert politische Antworten ‚aus einem
Guß‘ und ein geschlossenes Weltbild
Minimalerwartung: Partei präsentiert qualifizierte Kandidaten Partei verwaltet politische Macht anhand weniger, doch
verläßlicher Prinzipien pragmatisch
Jeweils unterschiedliche Parteifunktionen und Parteistrukturen!
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Beschaffenheit der Gesellschaft als Prägefaktor
Art und Ausprägung jener tiefgreifenden, sozial und kulturell verfestigten gesellschaftlichen Konfliktlinien (‚cleavages‘), entlang welcher die bestehenden Parteien einst entstanden etwa: konservativ-liberal, kirchlich-antikirchlich, Kapital-Arbeit,
nationale Mehrheit-nationale Minderheit, Stadt-Land, Industrie-Landwirtschaft
Vorliegen, Auflösung oder Fehlen fester ‚soziomoralischer Milieus‘, in denen Parteien fest verwurzelt sind, deren typische Interessen sie vertreten können und auf deren Unterstützung sie zählen dürfen Stammwähler vs. Wechselwähler
Jeweils unterschiedliche Parteifunktionen und Parteistrukturen!
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Funktionen von Parteien
Bindeglied- bzw. NetzwerkfunktionResponsivitätsfunktionFührungsfunktionPersonalmarktsfunktion
RekrutierungsfunktionSozialisationsfunktionKandidatenpräsentationsfunktion
Parteien leisten viel mehr als die
‚Mitwirkung an der politischen
Willensbildung‘ des Volkes!
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Die Bindeglied- bzw. Netzwerkfunktion von Parteien I
Parteien sind ...
Bindeglieder zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen und dem zentralen politischen Entscheidungssystem
Netzwerke oder ‚Kanalsysteme‘, über welche zwischen der Gesellschaft und ihrem politischen Entscheidungssystem ausgetauscht werden ... Informationen Forderungen Unterstützungsleistungen Personal
... in Erfüllung solcher
Aufgaben entwickelten sie sich
ja auch vom Parlament zur
Gesellschaft und von der
Gesellschaft zum Parlament!
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Die Bindeglied- bzw. Netzwerkfunktion von Parteien II
vertikale Vernetzung in / über ... Sozialmilieus, in denen die Parteien (noch) wurzeln vorpolitischen Raum der Bürgerinitiativen, Vereine und Verbände Gliederungsebenen der Parteien:
Ort – Kreis/Unterbezirk – Land – Bund – Europa horizontale Vernetzung mit / von ...
(auf der jeweiligen Ebene) Lebenswelten der Bürger Kommunen Interessengruppen Medien Verwaltungsbehörden anderen Parteien Parlamenten Regierungen
Nicht jede Partei muß alles leisten –
doch alle zusammen sollten das
schaffen!
Ohne diese Leistungen fehlt es einem
komplexeren politischen System an den
Voraussetzungen für effiziente, responsive
politische Führung!
Mittel: Mehrfachmitgliedschaft von Parteiführern in
unterschiedlichsten Gremien, v.a.: Verbindung von
Parteiamt und Parlamentsmandat!
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(klientelspezifische) Aufnahme von Problemen, Sorgen, Wünschen Anregungen aus der Gesellschaft Im Unterschied zu Interessengruppen müssen Parteien die
Interessen verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen bündeln, wenn sie mehrheitsfähig werden oder bleiben wollen!
Einbringung all dessen in den Prozeß der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung durch ... Programmbildung der Parteien Verschränkung der innerparteilichen Willensbildung mit der
innerstaatlichen Willensbildung in Parlament und Regierung Erfüllung der Netzwerkfunktion erzeugt Responsivitätsketten
Funktionale Äquivalente zur staatlichen Responsivitätssicherung durch politische Parteien: ‚aufgeklärte Obrigkeit‘ Revolten, Revolutionen
Die Responsivitätsfunktionvon Parteien
wenig wünschenswert,
da viel höhere Transaktionskosten!
= Verbindung von Parteiamt
und Parlamentsmandat
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Mittel der Responsivitätssicherung
bezüglich Parteien und Parteiführern: periodische freie Wahlen in Verbindung mit dem ‚Wiederwahlmechanismus‘ öffentliche Meinung und Demoskopie
bezüglich politischem System insgesamt: staatliche Ämter erreicht man nur getragen von einer bei den Wahlen
erfolgreichen Partei ( Verbindung von Parteiamt und öffentlichem Amt). aufgrund der Verbindung von staatlichem Amt und Parteiführungsfunktion
rechnen die Bürger (Fehl-)Leistungen des politischen Systems stark jenen Parteiführern und deren Parteien zu, die jeweils wichtige Ämter innehaben.
Wessen Politik zu Wahlniederlagen führt, verliert nicht nur sein öffentliches Amt, sondern wird meist auch als Parteiführer abgelöst.
Darum haben Parteiführer große Anreize, die Parteipolitik so auszugestalten, daß die parteipolitisch geprägte Staatspolitik im großen und ganzen für jene Wählergruppen akzeptabel ist, von denen die machtpolitische Stellung der Partei abhängt.
Immer wieder persönliches und institutionelles Lernen nötig / aufgezwungen!
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Der ‚Wiederwahlmechanismus‘
Er verdankt sein Amt freien Wahlen.
Er möchte so gerne wiedergewählt werden.
Er ist aber abhängig von der freien Entscheidung der Wähler.
Er kann wiedergewählt werden.
Also fühlt er starken Anreiz sein Amt so führen,
daß ihn die Wähler wirklich wiederwählen
wollen.
... hat ein Amt auf Zeit.
Und darum kann er während seiner Amtszeit nicht allzu lange oder allzu weit von dem abweichen, was die Wähler zu akzeptieren bereit sind!
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Die Führungsfunktion von Parteien
Zielfindungsfunktion: zu lösende Probleme erkennen lohnenswerte Ziele vorschlagen
Programmentwicklungsfunktion: Interessen und Problemlösungsmöglichkeiten so bündeln, daß –
durch Versuch und Irrtum a posteriori zu erkennen – auf das Gemeinwohl ausgerichtete und zugleich die Wiederwahl der Partei sichernde Politik entstehen kann
Programmdurchführungsfunktion: Umsetzung des Programms in konkrete Entscheidungen nach
Maßgabe der Mehrheitsverhältnisse Lernen aus der Praxis samt nötiger Programmveränderung
Erklärungs- und Werbungsfunktion (‚explaining policy‘): Erläuterung der ergriffenen Maßnahmen gegenüber Bürgern Auseinandersetzung mit Kritik
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Vertiefendes zur Führungsfunktion von Parteien
Parteien sind nicht nur da zum .. Widerspiegeln von Bevölkerungsmeinungen Bekunden politischer Ziele
sondern vor allem: zum gestaltenden politischen Handeln! Die Kernfunktion von Parteien ist darum ihre Führungsfunktion. Diese Kernfunktion kann nur erfüllt werden, wenn ...
Parteien bereitwillig auf die politische Macht zugreifen Parteiführer die mit politischer Macht versehenen Ämter in Parlament
und Regierung ausüben Solange der Zugang einer Partei zur Macht ausschließlich von
ihrem Wahlerfolg abhängt, hat somit die Wählerschaft unmittelbaren Einfluß auf die Ausübung politischer Führung im politischen System
= ‚von starken Parteien getragene Demokratie‘
im parlamentarischen
Regierungssystem
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Personalmarktsfunktion von Parteien
Parteien sind in einem modernen politischen System die zentralen Institution der ... Rekrutierung Ausbildung Vermittlung
politischen Führungspersonals zu jenen Stellen,die einer Partei – aufgrund ihres Wahlergebnisses – zur Machtausübung auf Zeit zufallen.
Parteien sind also Karrierevehikel für Personen, die sich dauerhaft politisch betätigen wollen.
Es hängt von der Struktur des Gesamtsystems ab, in welchem Grad diese ‚Personalmarktsfunktion‘ von Parteien zu übernehmen ist.
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Rekrutierungsfunktion von Parteien
Parteien sind Anlaufstellen für Personen, die sich längerfristig politisch betätigen wollenbesondere Rolle: Jugend-, Senioren-, Frauenorganisationen;
Fachvereinigungen für Mittelstand, Arbeitnehmer usw.
Im Idealfall gehen Parteien auch selbst auf fachkompetente und / oder wählerattraktive Personen zu, um sie für die Mitarbeit in der Partei zu gewinnen.
Rekrutierungsprobleme und Rekrutierungsverzerrungen der Parteien führen zu Qualitätsmängeln beim politischen Führungspersonal eines Landes!
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Sozialisationsfunktion von Parteien
In der Parteiarbeit erwerben Bürger spezielles politisches Know-how: praktische Erfahrungen mit ... Problemen, die Parteien und ihre Führer zu lösen haben Konsensstiftung und Konfliktmanagement Durchsetzungspraktiken (Selbst-) Darstellungspraktiken zielführenden Kommunikationspraktiken im Netzwerk der
Partei In der Parteiarbeit ...
bauen Bürger jene Kontakte und wechselseitigen Selbstverständlichkeiten auf, die nötig sind für eine erfolgreiche politische Arbeit an herausgehobener Stelle,
und werden möglicherweise selbst Mitglied einer ‚Seilschaft‘.
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Kandidatenpräsentationsfunktionvon Parteien
Parteien wirken als Selektorat für Personen, die sich mit Aussicht auf Erfolg dem Elektorat stellen wollen Wer politische Macht ausüben will, muß zunächst einmal
Gleichgesinnte hinter sich bringen!(Parteien = erste ‚Filterstelle‘ für politisches Personal)
Parteien präsentieren den Wählern Kandidaten, für die sie selbst eine Art ‚Qualitätskontrolle‘ garantieren und sozusagen die ‚Produkthaftung‘ übernehmen Parteien werden zu Recht nach jenen (Spitzen-) Kandidaten beurteilt,
über welche sie jene Inhalte ‚personalisieren‘, für die sie stehen Parteien übertragen ihr eigenes Ansehen als ‚eingeführte Marken‘
auf ihre Kandidaten Wer gewählt ist, verdankt das in der Regel eher dem Ansehen seiner
Partei als seiner Person – weswegen er sein Amt meist verlieren wird, sobald sich seine Partei nicht länger mit ihm identifiziert:funktionslogische Grenze des ‚freien Mandats‘!
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Probleme von Parteien
Sicherung ihrer Verankerung in der Gesellschaft bei Erosion von deren soziomoralischen Milieus: wessen Interessen dauerhaft vertreten? auf wen die Wahlprogrammatik ausrichten?
Rekrutierung leistungsfähiger und leistungswilliger Mitglieder mangelnde Attraktivität speziell parteipolitischen Engagements Mobilität von Leistungsträgern vs. Territorialität von
Parteistrukturen gegebenenfalls: geringe Chancen für qualifizierte Quereinsteiger
mangelnde Bürgerakzeptanz jenes pluralistischen Streits, den die Parteien arbeitsteilig für die Gesellschaft austragen Kritik am ‚Streiten statt Handeln‘ vs. Kritik an der
‚Austauschbarkeit‘ parteipolitischer Positionen (Selbst-) Überforderung von Parteien
Politikillusion vs. Politikverdrossenheit
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Lob der Parteien
Nur sie stellen dauerhaft vielfältige Vernetzungen zwischen dem zentralen politischen Entscheidungssystem und der Gesellschaft samt ihren Organisationen sicher.
Sie sind die am besten demokratisch legitimierten Organisationen eines freiheitlichen Staates, denn: Es werden nicht ‚Parlamente gewählt‘, sondern Parteien oder
Parteileute in die Parlamente! Sie geben dem politischen Prozeß ...
Berechenbarkeit entlang parteipolitischer Positionen Mitsteuerbarkeit seitens der Wählerschaft.
‚Parteienstaat‘ = eine von leistungsfähigen Parteien getragene Massendemokratie
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Damit sollte klar sein,
was Parteien sind
warum es Parteien gibt
von welchen Faktoren Parteien wie geprägt werden
was Parteien für ein politisches System leisten
und umgekehrt: welche Einbußen ein komplexes, zumal demokratisches System erlitte, wenn es keine Parteien gäbe!
weiter mit: ‚Regierung und Verwaltung‘
Fazit: Der Anti-Parteien-Affekt ist
nur populär, aber nicht intelligent!
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Einführungskurs‚Politische Systeme‘
Noch Fragen? -
Bitte!