Transnationalisierung und Diversity – Perspektiven
für die Lehre
DOSS 2010 (02.-04. März 2010) Fachbezogene und fachübergreifende Hochschuldidaktik –
voneinander lernen
Dr. phil. Carola Bauschke-Urban, M.A.TU Dortmund
Center for Research on Higher Education and Faculty DevelopmentHochschuldidaktisches Zentrum
Gliederung
Transnationalisierung und Internationalisierung der Hochschule
Wer sind die „Internationalen“ auf dem Campus der TU Dortmund?
Wie schätzen sie ihre Studienleistungen in Bezug auf das wissenschaftliche Schreiben ein?
Der Blick der Lehrenden
Ausblick: Transnationalisierung und Diversity – Perspektiven für die Lehre
Transnationalisierung der Hochschulen
Die Wissenschaft ist ein zentrales gesellschaftliches Feld für die Transnationalisierung von sozialen Prozessen (Adick 2005, Mau 2007, Bauschke-Urban 2010)
auf der Mikro-Ebene individueller Lebensführung
(Herausbildung transnationaler Bildungsbiographien)
auf der Meso-Ebene der Institutionen (z.B. in Lehr-Lernprozessen)
auf der Makro-Ebene transnationaler (häufig kommerzialisierter) Offshore-Studienangebote und transnationaler Konsortien
Transnationale Perspektiven
Anders als mit dem Konzept der Internationalisierung können mit einer transnationalen Perspektive auch die sich in Bewegung befindenden Verhältnisse zwischen sozialen und geographischen Räumen beobachtet werden. (Pries 2002, 2004, 2008; Mau 2007; Faist 2002, 2004, 2006; Glick Schiller et al. 1992)
Es interessieren diejenigen sozialen Räume, die durch Globalisierungsprozesse entstehen.
Veränderung von Bildungsbiographien und Lehr-/Lernprozessen an der Hochschule durch Mobilität und Migration
Vom „ausländischen“ zum „mobilen“ Studierenden Grenzüberschreitende Mobilität für Studierende ist inzwischen
weltweit zur biographischen Normalität geworden
Seit den 1970er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre Anstieg der Mobilität von 500.000 mobilen Studierenden weltweit auf 1,6 Mio. Studierende weltweit
Prognose: bis zum Jahr 2025 werden 5 Millionen mobile Studierende weltweit erwartet (Hahn 2005)
Grenzüberschreitende Aktivitäten in der Wissenschaft sind nicht nur quantitativ steigend, sie haben sich auch qualitativ verändert.
Die Kategorie „ausländische“ Studierende greift inzwischen zu kurz. Um den Komplexitätsanstieg besser zu erfassen, wurde der den Begriff „mobile Studierende“ vorgeschlagen, mit dem auch mehrfache Mobilität erfasst werden kann.
(Lanzendorf 2003)
Was ist dann „international“? Bei der Erfassung von „internationalen Studierenden“
ergeben sich weitere Probleme:
His/DAAD erhebt die Daten in der Studie „Wissenschaft weltoffen“ entlang der Kategorie „Staatsbürgerschaft“ und unterscheidet zwischen:
„Bildungsausländer/innen“ (selbst zugereiste Studierende)
und „Bildungsinländer/innen“
(Studierende aus Einwanderfamilien, die keine deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, aber ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erhoben haben.)
„International“ ist damit nicht immer kongruent mit „Mobilität“.
Diversity auf dem Campus der TU Dortmund: Empirische Basis
Online-Befragung aller Studierenden der TU Dortmund zum wissenschaftlichen Schreiben (abgeschlossen 12/2009)
Qualitative Interviews mit Lehrenden zum wissenschaftlichen Schreiben (2008/9)
Projekt Text_Lab – Wissenschaftliches Schreiben in Studium und Lehre (am HDZ der TU Dortmund)
Projektteam:Dipl. Soz. Marion Kamphans
Dr. Sigrid DanyKirsten Heusgen, M.A.
Dr. Carola Bauschke-Urban
Studierendenbefragung zum wissenschaftlichen Schreiben
25.139 befragte Studierende der TU Dortmund (Dezember 2009)Rücklauf: 20% (N=5.029)
Auswertung nach folgender Differenzierung:
mobile Studierende mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft
Studierenden aus Einwandererfamilien, die eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen
Studierenden aus Einwandererfamilien mit deutscher Staatsbürgerschaft
Familiensprache anders als Deutsch
Doppelstaatsbürgerschaften
Land des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung
Jede/r fünfte Studierende an der TU Dortmund hat einen Migrationshintergrund
49%
2%
34%
1%
14%
eigene Migration (intern.stbs + HZB)
intern Stbs + deutsche Stbs
intern. Stbs + deutscheHZB
deutsche Stbs + intern.HZB
deutsche Stbs + deutscheHZB + intern. Sprache
Die Hälfte (49 Prozent) aus Einwandererfamilien (mit deutscher Staatsbürgerschaft und anderer Herkunftssprache als Deutsch) Ein weiteres Drittel (34 Prozent) kommt aus Einwandererfamilien (mit anderer Staatsbürgerschaft und anderer Herkunftssprache als Deutsch) Mobile Studierende stellen in dieser Gruppe einen Anteil von 14 Prozent
Mobile Studierende aus anderen Ländernan der TU Dortmund
30% 9%
10%
10%
4% 4%
2% 4%
27%EU
restliches Europa
Afrika
Russland
Naher und Mittlerer Osten
China
Süd-Ost-Asien
Mittel- und Südamerika
Sonstige
Zwei Drittel der mobilen Studierenden an der TU Dortmund kommen aus Europa (EU, andere europäische Länder und Russland) (67 %)
Ein Fünftel dieser Gruppe kommt aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus afrikanischen Ländern
Aus China, Süd-Ost-Asien sowie aus Mittel- und Südamerika kommen zusammen nur 10 Prozent der mobilen Studierenden.
Wissenschaftliche Schreibkompetenz: Selbsteinschätzung der Studierenden
Studierende ohne Migrationshintergund (n=3499)
22%
2%
18% 48%
10%
sehr gut
gut
ausreichend
nicht ausreichend
kann ich nicht beurteilen
Deutsche Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund (n=438)
24%
5%
26%
37%
8%
sehr gut
gut
ausreichend
nicht ausreichend
kann ich nicht beurteilen
Staatsbürgerschaft anders als Deutsch und HZB in Deutschland
(n=284)24%
4%
28%
5%
39%
sehr gut
gut
ausreichend
nicht ausreichend
kann ich nicht beurteilen
Mobile Studierende (n=117)
47%
14% 28%
8% 3%
sehr gut
gut
ausreichend
nicht ausreichend
kann ich nicht beurteilen
Wissenschaftliche Schreibkompetenz: Selbsteinschätzung der Studierenden Deutsche Studierende schätzen ihre wissenschaftliche
Schreibkompetenz überwiegend als „gut“ bis „sehr gut“ ein (57 %)
Studierende aus Einwandererfamilien, die in Deutschland ihre Hochschulgangsberechtigung erworben haben, schätzen ihre wissenschaftliche Schreibkompetenz schlechter ein.
Ob sie eine deutsche oder eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, spielt dabei kaum eine Rolle.
45 % „gut“ oder „sehr gut“ bei Studierenden mit deutschem Pass44 % „gut“ oder „sehr gut“ bei Studierenden mit einer anderen Staatsbürgerschaft als der deutschen
Mobile Studierende, die eine andere Staatsbürgerschaft haben als die deutsche, schätzen ihre wissenschaftliche Schreibkompetenz deutlich geringer ein als alle anderen Gruppen:
nur ein Drittel (31 %) gaben „gut“ oder „sehr gut“ an
Schreibprobleme von Studierenden: Hatten Sie schon einmal eine Schreibkrise?
Deutsche Studierende ohne Migrationshintergrund (n=3435)
16%17%
31%20%
16%
stimme voll und ganz zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme überhaupt nicht zu
kann ich nicht beurteilen
Mobile Studierende (n=104)
22%
10%
16% 28%
24%
stimme voll und ganz zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme überhaupt nicht zu
kann ich nicht beurteilen
Studierende mit deutscher HZB (Staatsbürgerschaft anders als Deutsch)
HZB (n=266)
35%
12% 12%
21%
20%stimme voll und ganz zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme überhaupt nicht zu
kann ich nicht beurteilen
Studierende mit Migrationshintergrund (deutsche Staatsbürgerschaft) (n=429)
10% 14%
17%
24%
35% stimme voll und ganz zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme überhaupt nicht zu
kann ich nicht beurteilen
Probleme beim Schreiben wissenschaftlicher Texte Mehr als ein Drittel der deutschen
Studierenden gaben an, schon einmal eine Schreibkrise gehabt zu haben (36 Prozent)
Studierende aus Einwanderungsfamilien (mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft) erleben signifikant häufiger Probleme beim Schreiben wissenschaftlicher Texte (jeweils 41 Prozent)
Mehr als die Hälfte der international mobilen Studierenden gab an, schon einmal substantielle Probleme beim Schreiben wissenschaftlicher Texte gehabt zu haben
(53 Prozent)
Selbsteinschätzung der Deutschkenntnisse
Studierende mit Deutsch als Fremsprache (n=491)
37%
49%
11%3%
sehr gut
gut
ausreichend
nicht ausreichend
Die Gruppe von Studierenden, die angibt, dass Deutsch für sie eine Fremdsprache ist, setzt sich aus der Gruppe der mobilen Studierenden sowie aus beiden Gruppen von Studierenden aus Einwanderungsfamilien (mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft) zusammen und beschreibt damit eine neue Subgruppe.
Die Selbst-einschätzung der Deutsch-kenntnisse ist überwiegend sehr gut (49 %) und gut (37 %).
Lehrende und ihr Blick auf die Schreibleistungen von Studierenden
Qualitative Interviews mit Lehrenden zum wissenschaftlichen Schreiben (N=16)
Studierende haben aus Sicht der Lehrenden generell und sehr häufig Probleme beim Verfassen wissenschaftlicher Texte
Diese Einschätzung teilten Lehrende aus eher textintensiven und aus den textferneren Disziplinen
Ein besonders auffälliger Befund ist die negative Einstellung der befragten Lehrenden gegenüber den Studienleistungen „internationaler“ Studierender im Allgemeinen und gegenüber ihren wissenschaftlichen Schreibleistungen im Besonderen
Der Blick der Lehrenden
Die geäußerten Einschätzungen zu „internationalen Studierenden“ sind von einem defizitären Bild geprägt
Wahrnehmung „internationaler Studierender“:
als homogene Gruppe
sprachliche Kompetenz wird implizit oder explizit als Indiz für mangelnde wissenschaftliche Fähigkeiten aufgefasst
Die befragten Lehrenden leiteten aus diesen Einschätzungen allerdings keinerlei Handlungskonzepte ab
Transnationalisierung und Diversity – Perspektiven für die Lehre
Pilotprojekt Schreibtutorium für internationale Studierende (Kooperation des HDZ / Projekt Text_Lab mit dem Akademischen Auslandsamt / Profin-
Programm des DAAD)
Multiplikator/innenprogramm für Tutor/innen als Schreibberater/innen für internationale Studierende
Seit Anfang 2010 zweimal wöchentlich individuelle Schreibberatungen für internationale Studierende
Diversity Potenziale fördernHerkunftsstruktur der Tutorinnen: International mobile Studierende mit ausgezeichneten
Deutschkenntnisse Studierende aus Einwandererfamilien Deutsche Studierende mit eigenen Mobilitätserfahrungen
im Studium
Arbeitsprinzip: methodisch reguliertes studentisches Feedback auf wissenschaftliche Texte
Potenziale von international mobilen Studierenden und von Studierenden mit Migrationshintergrund werden gefördert
Ein Modellprojekt für die Implementierung von Diversity-Perspektiven in die Lehr-/Lernsettings?
Dr. phil. Carola Bauschke-Urban, M.A.
TU DortmundCenter for Research on Higher Education and Faculty DevelopmentHochschuldidaktisches Zentrum