Technik der Umfrageforschung im Überblick(Beispiel: Extrem rechte politische Einstellungen)
Siegfried Schumann
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Phasen des Forschungsprozesses
aus: Schnell u.a. 2005: 8
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Phasen des Forschungsprozesses
aus: Schnell u.a. 2005: 8
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Auswahl des Forschungsproblems
• z.B.: Extrem rechte pol. Einstellungen → „rechte“ Straftaten
– theoretischer Hintergrund! (zumindest implizit vorhanden)
→ Konzeptspezifikation / Operationalisierung
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Phasen des Forschungsprozesses
aus: Schnell u.a. 2005: 8
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Theoriebildung
• Theorie der „autoritären Persönlichkeit“ (Adorno u.a.: 1950)
– Psychoanalytisches Paradigma
– Triebe (körperliche Spannungszustände) • Entladung: psychische Energie fließt• Entladung direkt oder „umgeleitet“/“umgewandelt“
– Zentrale Rolle der frühkindlichen Erziehung
– Psychodynamische Prozesse (laufen unbewusst ab!)• Es (Lustprinzip), Über-Ich (Normen/Werte), Ich
(Realitätsprinzip)• Zentrale Rolle der Angstverarbeitung
– Psychodynamische Prozesse → Verhalten → Einstellungen
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Exkurs: Veränderung des Forschungsproblems
• bisher: Extrem rechte pol. Einstellungen → „rechte“ Straftaten
• jetzt: „autoritärer Charakter“ → „rechte“ Straftaten → extrem rechte pol. Einstellungen
(Scheinkorrelation!)
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Alternative Theoriebildung (Beispiele)
• Theorie der kognitiven Dissonanz
• Persönlichkeitseigenschaften → transsituative Konsistenz im Verhalten
zeitlich stabile Situationsprofile
• Attraktionsparadigma + Einstellungskonzept mit Verhaltensimplikation
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Konzeptspezifikation: extrem rechte pol. Einstellungen
• Einstellungssyndrom mit den Komponenten:
– Nationalismus– Antipluralismus– Fremdenfeindlichkeit → fremde Kulturen (Ausländerfeindlichkeit)– Antisemitismus– Befürwortung des Nationalsozialismus
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Alternative Konzeptspezifikationen
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Operationalisierung: extrem rechte pol. Einstellungen
Likert-Instrument• Beispielitems:
– Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.– Gruppen und Verbandsinteressen sollten sich bedingungslos dem
Allgemein- wohl unterordnen.– Ausländer sollten grundsätzlich ihre Ehepartner unter ihren eigenen
Lands- leuten auswählen.– Auch heute noch ist der Einfluss von Juden zu gross.– Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten.
• Antwortvorgabe: (trifft überhaupt nicht zu) -2 -1 0 +1 +2 (trifft voll und ganz zu)
• Messwert: Summe der Item-Werte
• Entscheidung für eine Messtheorie (klassische Testtheorie)!– implizit verworfen: probabilistische Testtheorien, Magnitude-Skalierung
etc.
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Operationalisierung allgemein:
• Gestaltung von Fragen und Antworten I
– Passung mit dem „empirischen Relativ“ (Beispiel: Sympathieskalometer)
– offene / geschlossene Frageform
– Konstruktionsregeln, z.B.:• eindimensional• einfach …
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Operationalisierung allgemein:
• Gestaltung von Fragen und Antworten II
– kaum vermeidbare Beeinflussung der Antwort durch:• „Härte“ der Frage • Neutralpunkt vorgeben?• „weiß nicht“ vorgeben? • vorhergehende Antworten (Halo-Effekt)• weitere Antworttendenzen wie soz. Erwünsctheit,
Akquieszenz …• Interpretation von Antwortvorgaben (z.B. Zahlen!)
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Bestimmung der Untersuchungsform
• Umfrage (repräsentativ)
– Vorteile: - streng theoriegeleitetes methodisches Vorgehen - Schlüsse auf die Grundgesamtheit möglich - (relativ) geringer Aufwand
– Nachteile: - kaum geeignet zur Überprüfung von
Kausalhypothesen - Drittvariablen-Problem
(Ex-Post-Facto Design) -
Verhalten nicht direkt beobachtbar
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ALternative Untersuchungsformen
• Experiment – Vorteile: - gut geeignet zur Überprüfung von
Kausalhypothesen - Verhalten beobachtbar
– Nachteile: - unabhängige Variablen nicht frei variierbar → undurchführbar
• Teilnehmende Beobachtung– Vorteile: - keine prinzipielle Einschränkung des
„Blickwinkels“ via Theorie und Instrument
– Nachteile: - Systematisierung der Ergebnisse schwierig - Schlüsse auf die Grundgesamtheit nicht
möglich - sehr aufwendig
• Befragung von Interaktionspartnern– Vorteile: - Verhalten über lange Zeiträume erfragbar– Nachteile: - Wahrnehmungseffekte nicht kontrollierbar
- sehr aufwendig
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Auswahl der Untersuchungseinheiten
• Definition der Grundgesamtheit
• Vollerhebung oder Stichprobe?
• Falls Stichprobe:– willkürliche Auswahl– regelgeleitete Auswahl – nicht Zufallsgesteuert
(Sonderproblem: Quotenstichprobe)– Zufallsgesteuerte Auswahl → Schluss auf Grundgesamtheit
möglich
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Datenerhebung bei Umfragen
• Δ mündlich / schriftlich / telefonisch: Konsequenzen!
– Verwendbare Fragen (z.B. „Leitern“)– Layout des Fragebogens– Anonymitätszusicherung– Interviewereffekte– Informationen über die Erhebungssituation– Blättern im Fragebogen– etc. …
• Rücklauf
– Meist um die 50 Prozent – Rücklaufquote: (Teilnehmer / bereinigte Ausgangsstichprobe) ·100
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Beispiel für Ausschöpfung – Teil 1
wird fortgesetzt
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Beispiel für Ausschöpfung – Teil 2
Fortsetzung
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Datenerfassung
• Potentiell fehlerträchtig
• CATI oder CAPI– Fehlerrate kann gesenkt werden
- Plausibilitätsprüfungen während der Befragung; - automatische Filterführung;
- bei CATI: Supervisor
• Sonderproblem: Kategorisierung bei offenen Fragen
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Datenanalyse
• Inferenzstatistik möglich
– Konfidenzintervalle– statistische Tests
• Beschränkungen (bereits genannt)
– keine Aussagen über Kausalität ohne Zusatzinformation– Drittvariablen-Problem– zu untersuchendes Verhalten kann nicht erfasst werden
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Anmerkungen zur Publikation
• Forschung theoriegeleitet?
• Stärke von Zusammenhängen: - abhängig von der Reliabilität der Instrumente - Interpretation der Koeffizienten beachten (z.B.:
Korrelationen)
• Signifikanz von Zusammenhängen: - fallzahlabhängig! - Stellung nicht signifikanter Zusammenhänge:
- ebenfalls theoretisch interessant (Falsifikation!)
- Möglichkeit scheinbarer Nonkorrelationen
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Fazit
• Umfrageforschung– sehr komplexes Forschungsinstrument– sehr mächtiges Forschungsinstrument (bei sachgemäßer
Anwendung)
• Nächste Sitzung:– Focus auf Möglichkeiten und Grenzen des Instruments
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vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!