FinanzierungBest Practice
24 results Deutsche Bank
Teamwork für den TurnaroundDank offener Kommunikation und enger Zusammenarbeit mit seinen Banken hat der Leiterplattenhersteller Schweizer Electronic eine schwere Krise gemeistert – und die Weichen für ein Rekordwachstum gestellt
M Artikel als Audiodatei: www.deutsche-bank.de/results
Einen kritischeren Zeitpunkt hätte sich
der Junior kaum aussuchen können: Als
Marc Schweizer 2005 in den Vorstand des
Familienbetriebs Schweizer Electronic rückte,
traf er buchstäblich auf Schutt und Asche. Ein
Großbrand hatte das Hauptwerk im württem-
bergischen Schramberg zerstört – der Schaden:
über 100 Millionen Euro. Die Leiterplatten-
Produktion lastete plötzlich voll auf dem über-
forderten Schwesterwerk in Dunningen.
Viel Familientradition stand auf dem Spiel
– 1849 hatte das Unternehmen mit der Her-
stellung von Zifferblättern begonnen und war
24_results_02-2011 2424_results_02-2011 24 23.05.11 08:3823.05.11 08:38
FinanzierungBest Practice
results Deutsche Bank 25
R
ThesenuEinbruch: Die Finanzkrise bescherte
dem Leiterplattenhersteller Schweizer 2009 einen Rekordverlust – und führte dazu, dass die erste Hausbank des Unternehmens die Kredite fällig stellen wollte.
uZusammenarbeit: Unter Moderation der Deutschen Bank bildeten die Kreditgeber einen Sicherheiten-Pool, um den Sanierungskurs des Vorstandschefs Marc Schweizer zu unterstützen.
uKommunikation: Offene Kommunikation und die Zusammenarbeit mehrerer Banken statt rein bilateraler Beziehungen schufen bei Schweizer die Voraussetzun-gen für neuen Rekordumsatz 2010.
bis zur Jahrtausendwende zu einem führenden
europäischen Anbieter von Leiterplatten auf-
gestiegen. Schweizer, der als Maschinenbau-
ingenieur zuvor in der Luftfahrtindustrie Füh-
rungserfahrung gesammelt hatte, packte an:
„Wir haben es tatsächlich geschafft, den ge-
samten Kundenstamm zu halten, bis das Werk
wieder aufgebaut war“, erinnert er sich. Drei
Jahre nach dem Feuer war Schweizer Electro-
nic wieder in der Gewinnspur. Die Katastrophe
schien überwunden. Durchatmen.
Was Schweizer nicht ahnte: Das dicke Ende
sollte für den rekonvaleszenten Traditionsbe-
trieb noch folgen. Jetzt kam das Unheil in Ge-
stalt der globalen Finanzkrise. Sie erfasste Ende
2008 Schweizer Electronic mit voller Wucht, als
international auch das Geschäft mit Leiterplat-
ten einbrach. Sechs Millionen Euro betrug der
Verlust im ersten Halbjahr 2009. Und schlim-
mer noch: Eine der fünf Partnerbanken verlor
die Nerven und kündigte an, eine befristete
Kreditlinie nicht zu verlängern. „Ein Signal,
das zu einer Kettenreaktion hätte führen
können“, sagt Finanzvorstand Marc Bunz.
Die Finanzierung drohte zusammenzubrechen.
WA S TUN? Bloß nicht über die Schwierigkei-
ten reden und hoffen, dass es irgendwie gut
geht – das ist der Refl ex auf drohende Krisen.
Doch ein Wegducken kann das Vertrauen von
Kunden, Finanzpartnern und Mitarbeitern rui-
nieren. Diese Gefahr im Blick, entschied sich
das Schweizer-Management für den entgegen-
gesetzten Kurs: schonungslose Offenheit. Ein
ungewöhnlicher Schritt für ein Familienunter-
nehmen – selbst, wenn es als Aktiengesell-
schaft zur öffentlichen Berichterstattung ver-
pfl ichtet ist. „Die Kommunikation nach außen
war zuvor nicht besonders ausgeprägt“, sagt
Bunz. „Das wurde zu wenig gelebt.“
Klare Worte bei wirtschaftlichen Problemen
schüren Ängste. Doch immerhin stand Schwei-
zer Electronic nicht allein da. Und im Vergleich
zu vielen Wettbewerbern erwies sich die Lage
der Schramberger als gut. „Es war schnell klar,
dass enorm viel Substanz vorhanden ist“, sagt
Dietmar Knoll, Restrukturierungsexperte der
Deutschen Bank in Freiburg – das Institut ist
einer der fünf Kreditgeber von Schweizer Elec-
tronic. „Das Eigenkapital ist hoch. Alle Ma-
schinen und Grundstücke sind Eigentum der
Firma. Auch die strategische Neuausrichtung
überzeugt.“
Denn parallel zum Wiederaufbau leitete das
Management einen radikalen Strategiewechsel
ein. Zuvor war die Produktion auf Großserien
für die Automobilindustrie ausgelegt – doch
angesichts des wachsenden Konkurrenzdrucks
durch asiatische Billiganbieter schwanden die
Margen. Marc Schweizer, 2007 zum Vor-
standsvorsitzenden aufgerückt, setzte auf
kleinere, technisch anspruchsvollere Produk-
te, die sich in kleiner Stückzahl profi tabel
fertigen lassen.
Dass nach dem Großbrand ein neuer Ma-
schinenpark angeschafft werden musste, er-
leichterte die Aufgabe. „Wir hatten nun die
Anlagen, die die höheren Ansprüche erfüllen
können“, sagt Bunz. Das Unternehmen in-
vestierte zudem in die Forschung. „Wer sich
von den Massenanbietern in Fernost abheben
will, muss enger am Kunden sein.“ Eine neue
Partnerschaft mit dem auf Prototypen spezia-
lisierten Berliner Anbieter Contag stärkte die
Entwicklungskompetenz weiter.
Marc und Marc: Bei der Umstrukturierung hatten Vorstandsvorsitzender Marc Schweizer (rechts) und Finanzchef Marc Bunz wenig Zeit.
Doch der Strategieschwenk in Richtung tech-nisch anspruchsvoller Elektronikprodukte für die Automobilindustrie erwies sich als richtig
Audiodatei
FOTO
: SEB
ASTI
AN B
ERGE
R
25_results_02-2011 2525_results_02-2011 25 26.05.11 16:4026.05.11 16:40
FinanzierungBest Practice
26 results Deutsche Bank
Schritt für Schritt verringerte die Führung die
Abhängigkeit vom Fahrzeugbau. Bis heute fi n-
den sich Leiterplatten von Schweizer Electronic
vor allem in Autos. Feine Kupferbahnen verbin-
den elektronische Bauteile – zur Steuerung von
Gaspedal, Navigationsgerät oder Außenspiegel.
Wichtige Abnehmer sind die Zulieferer Con-
tinental, Bosch und Hella. Die Zahl der Kun-
den aus dem Energiesektor aber steigt stetig.
Ein Meilenstein: Mit SMA Solar Technology in
Niestetal wurde ein langfristiger Liefervertrag
geschlossen.
DOCH IN KRISENZEITEN reichen harte Fakten
allein nicht aus. Schreibt ein Kreditnehmer
Verluste, wächst bei den Banken die Sorge um
das eingesetzte Kapital. Wer dem Kunden am
längsten treu bleibt, muss bei einer möglichen
Insolvenz fürchten, am Ende leer auszugehen.
Ein Dilemma, dessen Lösung die Führung
von Schweizer Electronic konsequent in An-
griff nahm.
Die Kontakte zu den Banken, zuvor streng
bilateral, wurden gebündelt. „Wir haben mit
allen gemeinsam gesprochen und ihnen ge-
sagt, wie unsere geschäftlichen Erwartungen
für 2009 sind“, sagt Bunz. „Das gab es vorher
nicht.“ Es war der erste und wichtigste Schritt
zur Sicherung der Finanzierung, die Grundla-
ge dafür, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
„Die Kundenbetreuer der Banken hatten sich
grünes Licht. Der Pool-Vertrag war reif für die
Unterschrift und sicherte die Finanzierung
durch alle fünf Banken bis Ende 2010.
„Wertmäßig lässt sich der Vertrag kaum be-
ziffern“, sagt Bunz. „Er ist aber absolut die
Basis für unseren Aufschwung gewesen.“ Mitte
2009 schon gelang die Wende. Um 500 Pro-
zent schnellte der Auftragseingang in die Höhe.
Es war der Auftakt für das erfolgreichste Ge-
schäftsjahr der Firmengeschichte: 2010 legte
der Umsatz um 60 Prozent auf gut 105 Millio-
nen Euro zu, mit 13,1 Millionen Euro übertraf
das Ergebnis (Ebit) die Prognose. Neue Stellen
entstanden, die Zahl der Mitarbeiter erreichte
wieder das alte Niveau. Für den Sanierungs-
kraftakt kürte das Wirtschaftsmagazin „Im-
pulse“ Schweizer Electronic 2010 zum „Turn-
arounder des Jahres“.
Das kluge Krisenmanagement zahlt sich aus:
„Das Verhältnis zu den Banken ist besser als
je zuvor“, sagt Bunz. Zudem schloss Schwei-
zer Electronic eine enge Kooperation mit dem
japanischen Leiterplattenhersteller Meiko. Das
auf Massenfertigung ausgerichtete Unterneh-
men arbeitet heute für Schweizer Electronic
die Großaufträge ab. „Dort war angesichts der
weltweit schwierigen Lage der Druck groß,
schnell geschaffene Kapazitäten auch auslas-
ten zu können“, sagt Bunz. „Ohne Krise würde
es die Zusammenarbeit wohl nicht geben.“ O
THOMA S MERSCH
vorher noch nie gesehen“, sagt Knoll. Nun gab
es vierteljährliche Treffen.
Die Institute einigten sich darauf, einen
Sicherheiten-Pool-Vertrag vorzubereiten.
Dieser regelt, wie sich vorhandene Sicherhei-
ten auf einzelne Kreditgeber verteilen. Einen
Anreiz zum schnellen Ausstieg gibt es damit
nicht mehr. Obwohl vom Kreditvolumen her
nur kleinster Partner, übernahm die Deutsche
Bank die Moderationsrolle. Fast täglich tele-
fonierten Bankvertreter Knoll und Schweizer-
Vorstand Bunz, um das gemeinsame Vorgehen
abzustimmen.
Nun zahlte es sich aus, dass Schweizer
Electronic im Jahr 2008 mit Bunz einen in-
ternational erfahrenen Finanzprofi angeheuert
hat. „Das hat früher der Vorstandsvorsitzende
mitgemacht“, sagt er. Jetzt konnte sich Vor-
standschef Marc Schweizer ganz auf den stra-
tegischen Umbau konzentrieren. Anfang 2009
ließ er den Standort in Dunningen schließen,
damit entfi elen die Kosten für den Transport
von Teilen zwischen den Werken. Ein Fünftel
der 750 Mitarbeiter musste gehen.
Die Eigentümerfamilie Schweizer – sie hält
bis heute rund zwei Drittel der Anteile – schoss
frisches Kapital nach. „Es ist wichtig, dass sie
in der Krise Flagge zeigt“, sagt Deutsche Bank
Experte Knoll. Die Institute beauftragten Wirt-
schaftsprüfer damit, die Zukunftschancen des
Unternehmens zu testen – diese gaben rasch
Vierteljährliche Treffenmit den Partnerbanken
Produktion bei Schweizer Electronic im württembergischen Schramberg: Dank geringerer Stückzahlen, fl exibler Fertigung und technischem Anspruch sinkt die Abhängigkeit vom Automobilbau. Die Zahl der Kunden aus dem Energiesektor steigt stetig
R
FOTO
S: S
EBAS
TIAN
BER
GER
26_results_02-2011 2626_results_02-2011 26 23.05.11 08:3823.05.11 08:38