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HeidiPfeifferDie Lebenden und die Toten
RdigerHoffmannDie Leichtigkeit der Langsamkeit
INTERVIEWS | VERANSTALTUNGEN | MONATSMARKTDEINS! | Ausgabe 12 | Season 9 im Dezember 2014 | Das Interviewmagazin vom
Niko spitznerTischgesprche
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InhaltsverzeichnisFast ForwortTISCHGESPRCHE ..........................................................Seite 04
Niko Spitzner
VERNISSAGE FR FRAU VOGEL ..................................Seite 12
Antje Vogel
REVOLUZZER UND POET ..............................................Seite 16
Konstantin Wecker
DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN ................................Seite 24
Dr. Gabriele Walther-Wenke
DIE FABEL(HAFTE) WELT DER KATIE GROSSER ....Seite 28
Katie Pfeiffer
DIE KGINNEN IM KINDERHOSPIZ ...........................Seite 32
Maike Biermann, Katrin Beerwerth & Nina Sautmann
DIE LEICHTIGKEIT DER LANGSAMKEIT ..................Seite 40
Rdiger Hoffmann
LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK ...................................Seite 44
Carsten Strbbe
STADTGEFLSTER ADVENTSKALENDER ........... Seite 53/55
ADVENTS- UND WEIHNACHTSMRKTE .............Seite 56/57
GESCHENKIDEEN .......................................................Seite 59/61
WEIHNACHTSSHOPPING 2014................................ Seite 62/62
GEWINNEN & SCHENKEN .......................................... Seite 69/69
TIPPS & TERMINE ......................................................Seite 70/77
KULTUR & FREIZEIT .................................................Seite 78/79
GLOSSAR/IMPRESSUM .............................................Seite 80/81
Liebste Leserin,
lieber Leser, werter
Mnsteraner,
ich war diesen Monat zum Essen eingeladen. Das htte
prinzipiell nichts ins unserem Vorwort verloren wre
dabei nicht unser Titelinterview entstanden. Niko Spitzner
hat mich vortrefflich bewirtet: Es gab ein Drei-Gnge-Men
und viel zu erzhlen.
Doch bevor ihr das tut, geniet erstmal das aktuelle Heft,
denn natrlich haben wir neben meiner Schlemmerei
noch viel mehr fr euch: Dennis traf Katie Grosser, eine
aufstrebende Kinderbuchautorin; Konstantin Wecker, die-
ser alte Revoluzzer, rief bei Arndt an und auch Tom griff
zum Hrer. Bei ihm am anderen Ende der Leitung: Rdiger
Hoffmann. Und ich wei gar nicht, ob ihr es schon wuss-
tet, aber Jana hat unterdessen die Knigskinder besucht
den ambulanten Kinderhospizdienst Mnsters.
Auerdem haben wir uns natrlich Gedanken um eure
Vorweihnachtszeit gemacht: Unser Adventskalender
ist proppenvoll mit Ideen, wo ihr die besten Geschenke
herbekommt und noch dazu haben wir diesen Monat nicht
ein, nicht zwei, nicht drei, sondern VIER Gewinnspiele
fr euch! Diese findet ihr wie immer in den Sonderseiten.
Habe ich noch etwas vergessen? Ach ja! Blttert mal
ganz nach hinten, denn auf der letzten Seite wartet etwas
frs Herz.
In diesem Sinne: Frohes Fest, guten Rutsch und vielleicht
sieht man sich am Glhweinstand!
Euer Thorsten
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Thorsten, Niko Spitzner und Jan Lhn sprechen ber Schnecken und ungeladene Gste.
Du bist, was du isst ich bin also definitiv kein Frosch. Werde allerdings zu einem, als Niko Spitzner mir Schnecken
serviert. Froschschenkel hat er bei unserem gemeinsamen Essen nmlich nicht auf Lager, Burgunderschnecken
jedoch schon. Wir wollen die Arbeit und das Angenehme verbinden und fhren das Interview whrend
eines Drei-Gnge-Mens in Nikos Restaurant bei dem aus unerfindlichen
Grnden auch Jan Lhn anwesend ist.
Was ist das fr ein Gedudel?
Niko Spitzner: Du meinst unsere
Hintergrundmusik frs Ambiente?
Fr Hintergrundmusik ist die aber laut.
Niko: Soll ich die leiser machen?
Ja, ein bisschen wre super. Was
hast du denn heute mit uns vor?
Niko: Es gibt drei klassische
Sachen: eine kalte Pastete vom
Landschwein, eine Tarte von Burgun-
derschnecken und Kalbsbries mit
Bamberger Hrnchen
Sind das Eichhrnchen?
Niko: Nein, Kartoffeln. Und dazu
gibts ein bisschen grnen Spargel.
Wirst du mgen.
Bis auf die Schnecken hrt sich
auch alles lecker an ich bin da
offen. Obwohl ich Angst hatte, wir
mssten hier Froschschenkel essen.
Schlielich ist Jan dabei, dieser alte
Gourmetknochen, Habt ihr diese
Delikatesse berhaupt?
Niko: Momentan leider nicht.
Wieso?
Niko: Weil unser Lieferant die gera-
de nicht im Sortiment hat.
Wie kann das denn sein?
Jan Lhn: Bestellt ihr die saisonal?
Frsche!? (Lacht)
Jan: Kann doch sein! Vielleicht ist
jetzt keine Froschsaison.
Niko: Daran liegt es nicht, aber
unser Lieferant hatte trotzdem keine.
Und die Mnsteraner essen sowas?
Niko: Wenn wir die auf der Karte
haben, laufen die von selbst.
Laufen die von selbst Wie kom-
men die denn bei dir an?
Niko: Frisch im Kilo.
Wieviel Frsche sind das?
Niko: Das sind zwanzig Dop-
pelschenkel auf einen Stock
gespiet.
Da sind noch Knochen drin, oder?
Niko: Und sogar noch Fchen
dran! Wenn du mchtest, servieren
Tischgesprche
Das erste Schwein,
das wir geschlachtet
haben, hie norbert.
PLATONOW
www.theater-muenster.com
Theater Mnster Neubrckenstr. 63 48143 Mnster
Komdie von Anton Tschechow DIE NCHSTEN TERMINE:Dienstag 02. Dezember 19.30 UhrFreitag 12. Dezember 19.30 UhrSonntag 28. Dezember 15.00 UhrSonntag 25. Januar 19.00 Uhr GROSSES HAUS | PREISE B | VER.DITICKETS: 35 | 30 | 23 | 19 | 10 | 6 (Mit Publikumsgesprch im Anschluss an die Vorstellung)
wir die auch so dann kannst du sie ablutschen
Da freut sich der Fufetischist. Kommen wir zurck zum
ersten Gang
Niko: Dem Alverskirchener Landschwein.
Das stammt also aus der Nhe. Wie kamst du gerade auf
diese Schweine?
Niko: Ich suche immer nach exklusiven Produkten und
bei diesen Tieren nehmen wir sogar Einfluss auf die Zucht
das ist besonders toll.
Was bedeutet das? Hast du das Schwein designt?
Niko: Wir haben uns Gedanken darber gemacht, was
fr ein Schwein wir haben wollen und welche Eigenschaf-
ten es aufweisen sollte.
Wieso das? Sollte es besonders lieb sein?
Niko: Naja, mehr artgerecht gezchtet und wetterfest,
also mit dicken Borsten. Deswegen haben wir zwei geeig-
nete Rassen gekreuzt.
Warst du dabei? Mit einem Sektglas in der Hand?
Niko: (Lacht) Nee, so viel Privatsphre haben wir den
Schweinen dann doch gelassen. Das erste Schwein, das wir
geschlachtet haben, hie brigens Norbert.
Ihr habt direkt das erste gegessen?
Niko: Ja, wir haben gleich losgelegt. Dem ersten
Gast, der Norbert probieren durfte, haben wir den
Namen verraten und er hat auch gelacht aber ich
glaube, mehr aus Hflichkeit: Es war Norbert Acker-
mann.
Die wievielte Generation essen wir heute?
Niko: Die vierte oder fnfte.
Leben Norberts Eltern denn noch?
Niko: Nee, die haben wir auch gegessen.
Mein Gott, ihr esst die ganze Sippe!
Niko: Da haben uns noch ein paar Leute bei geholfen.
Wir sind sozusagen mit in den
Low-Budget-Ring gestiegen.
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Ich mchte auch mithelfen: Wann
geht es denn los?
Niko: Jeden Augenblick. Aber
zunchst gibt es erst einmal einen
Wein: Trimbach aus dem Elsass. Und
da kommt das Schwein.
Sieht gut aus. Lasst uns anfangen
schlielich soll das ein Interview
werden, bei dem wir essen.
Niko: Dann nochmal fr die Leser:
erster Gang, Schweinefleisch mit etwas
fettem Speck und Leber. Guten Appetit.
Jan: Du hast auch immer Ideen
Guten Appetit. Was haltet ihr von
diesen Kohl-Protokollen?
Hallo, knnen wir erstmal was zu
dem Essen sagen?
Jan: Wieso? Beim Essen unterhlt
man sich eben! Also ich finde dieses
Brimborium bitter da geht es doch
nur um die verletzten Gefhle alter
Mnner.
Wre auch eine tolle berschrift
fr dieses Interview: Verletzte, alte
Mnner. (Lacht) Aber lasst uns nicht
politisch werden.
Jan: Na schn. Meins schmeckt toll.
Wenn du dich unterhalten mchtest,
Jan: Wie wars denn gestern?
Jan: Kein Kommentar. (Lacht) Niko,
du hast aber schon mehr ein Faible
fr klassische Gerichte.
Niko: Genau. Ich habe vor allem
eine Vorliebe fr die deutsche Kche.
Das Essen hier ist jetzt auch traditi-
onell dargestellt. Man knnte es na-
trlich moderner interpretieren und
verndern auch optisch. Aber ich
mchte mich einfach auf das Gericht
konzentrieren.
Aber so eine Pastete, wie die hier,
kenne ich eher aus Frankreich.
Niko: Ich biete deutsche, franzsi-
sche und mediterrane Kche an.
Niko zieht alle Blicke auf sich.
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an
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imz
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Wrde ich so ein Essen auch mittags
bekommen?
Niko: Ab und zu.
Ist das ein Lockmittel, um auf euch
aufmerksam zu machen?
Niko: Auf jeden Fall aber auch ganz
klar, um konkurrenzfhig zu bleiben.
Wir sind sozusagen mit in den Low-
Budget-Ring gestiegen. Du kannst es
mit den groen Automarken verglei-
chen, die jetzt auch Kleinwgen her-
stellen. Das hat nichts mit Anspruch zu
tun, sondern weil sie sonst raus wren.
Ich kriege also mittags gnstiges
Essen und abends la carte?
Niko: Ja, du kannst mittags aber
auch statt der Angebote sechs Gerich-
te la carte essen und wenn wir im
Vorfeld Bescheid wissen, knnen wir
die gesamte Karte anbieten.
Jan: Das finde ich brigens super:
Fr zwlf Euro Gegenwert bekommst
du den Mittagstisch kannst hier
jedoch ebenso gut mit Geschftspart-
nern tafeln, die eher Sachen la carte
erwarten.
Ich habe ein bisschen Angst vor dem
nchsten Gang Schnecken sind
echt nicht so meins
Niko: Magst du die gar nicht?
Ehrlich gesagt, habe ich noch nie
probiert. Schnecken rangieren so
ziemlich unter den letzten Tieren,
die ich gerne essen wrde also
reden wir lieber nicht drber und
stellen uns stattdessen die Frage,
warum Jan Lhn berhaupt bei
diesem Interview anwesend ist.
Niko: (Lacht) Weil er sich selbst
eingeladen hat!
Jan: Ich habe das hier schlielich
organisiert!
Sind die Schnecken eigentlich mit
Gehuse?
Jan: Ich dachte, du willst da nicht
Die Schnecken haben sie hinter sich und Thorsten kann wieder lcheln.
Wir mchten auch
das Besondere wie etwa die
Schnecken, Froschschenkel oder
auch Roulade vom Pferd!
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mehr drber sprechen aber klar
sind die mit Gehuse. Da kannst du
schn drauf rumkauen. (Lacht) Nein,
natrlich mussten die ihr Huschen
abgeben. Da luft ja wahrscheinlich
kein alter franzsischer Bauer durch
die Gegend und sammelt Schnecken
ein, sondern die werden gezchtet
oder?
Niko: Ja, wir haben hier sogar eine
Schneckenzchterin in der Nhe
Oh ich merke gerade, wir trinken
bereits einen neuen Wein! Wir sind
also offiziell beim zweiten Gang?
Niko: Dir wird schon etwas mulmig
oder?
Jan: Jetzt komm, zier dich nicht
so. Hau rein!
Okay, ich traue mich
Niko: Na, gehts?
Erstaunlich gut sogar. Die sind
lecker!
Jan: Sag ich doch.
Niko: Ich esse das persnlich auch
unglaublich gerne. Stell dir vor, du
sitzt am Meer auf einer Terrasse und
jemand serviert dir so ein Essen
perfekt.
So, damit haben wir das Schlimmste
hinter uns.
Niko: Wie lautet dein Fazit?
Wrdest bei mir nochmal Schnecken
bestellen?
Nee.
Niko: Nein!?
Also es hat fantastisch geschmeckt!
Aber wie gesagt meins ist es nicht.
Im Restaurant kann ich so viel ande-
res bestellen, dass Schnecken kaum
meine erste Wahl wren.
Niko: Da sprichst du genau die
Philosophie unserer Karte an: Wir
mchten einerseits Gerichte haben,
die jeder kennt und keiner Erklrung
bedrfen, aber auch das Besondere
wie etwa die Schnecken, Frosch-
schenkel oder auch Roulade vom
Pferd! Da kommen erstmal viele:
Also nein, Pferdefleisch esse ich
nicht! Aber
Warte kurz! Du hast schon recht
ich finde diese Einstellung auch
schade, denn dadurch verpasst man
viel. Wie wre es denn mit einem
berraschungsgericht?
Niko: Ich soll den Leuten also nicht
sagen, was es gibt, bis es auf dem
Tisch steht?
Nee, bis sie es gegessen haben.
Jan: Das ist ziemlicher Schwachsinn.
Das ist doch nur ein Vorschlag, den
ich dem Herrn Spitzner in einem
netten Gesprch unterbreiten wollte!
Niko: Ja, aber das geht nicht
nachher erschlagen dich deine
Gste. Was ich noch sagen wollte:
Auf unserer Karte gibt es extra eine
Rubrik namens Vergessene Gerich-
te. Darauf findest du halt eher das
spezielle Essen. Diese Speisen ha-
ben wir nach einer Zeit absichtlich
von allen anderen getrennt und
jetzt rate.
die laufen seither besser?
Niko: Genau! Damals am Aasee
wurde ich von vielen ebenfalls fr
gewisse Gerichte kritisiert, die jetzt
super ankommen.
Mit am Aasee meinst du das Res-
taurant, in dem du vorher warst?
Niko: Richtig. Und als ich hier
zum ersten Mal herkam vielleicht
kennst du das, du siehst etwas und
sofort beginnt alles zu kribbeln.
Welche Frau war das?
Niko: (Lacht) Ich rede von diesem
Restaurant! Ich wusste von der ersten
Sekunde: Das ist es. Es war genauso,
wie ich es mir immer vorgestellt hatte
eben wie ein richtiges Haus. Kein Ge-
bude, das extra fr die Gastronomie
gebaut wurde. Es fhlte sich direkt so
an, als wrde ich zuhause kochen. Und
inzwischen wohne ich ja sogar hier.
Ernsthaft?
Niko: Ja, ich wohne ber dem Res-
taurant. Und somit kommt jeder, der
hier essen geht, wirklich zu mir.
Also sitzen wir in deinem Wohnzim-
mer?
Niko: Ein bisschen ist das so.
Das ist aber gefhrlich! Du musst
das besser trennen!
Jan: Jetzt lass den Mann in Ruh!
Ich sags doch nur.
Niko: Schon richtig, das mache ich
ja auch. Wollen wir zum nchsten
Gang kommen?
Gerne. Was gibts denn?
Niko: Kalbsbries mit Bamberger
Hrnchen.
Ach ja, stimmt. Wie hie das Klb-
chen?
Niko: Den Namen habe ich ver-
gessen war aber auf jeden Fall ein
deutsches Kalb.
Also nicht designt wie das Schwein?
Ich rede von diesem
Restaurant! Ich wusste von der
ersten Sekunde: Das ist es.
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Niko: Nee, das nicht. Wir mssen dich
nicht berreden, das Kalb zu essen?
Quatsch, damit habe ich kein
Problem. Ich habe sogar schon mal
Krokodil gegessen. Das gibts in New
Orleans am Stiel.
Niko: Denkt man gar nicht von
dir. Wenn du dich bei Schnecken so
anstellst
Also bitte!
Jan: Eine Zeit lang hatten das ja
auf einmal total viele Restaurants
auf der Karte Krokodile, Schlangen,
Schildkrten Die hatten zu dem
Zeitpunkt schon das achte Konzept
durch und versuchten, den Laden so
zum Laufen zu bringen.
Niko: Exotik ist in der Gastronomie
aber nichts Neues wir haben ein Koch-
buch von Werner Fischer aus den Siebzi-
gern mit einem Rezept fr gefllten Igel.
Warte, ich hole mal das Buch! Hier. Es
gibt auch ein Rezept fr Robbenfilet,
im Teig gebacken. (Lacht)
(Gibt Thorsten das aufgeschlagene
Buch.)
Du meinst den Igel auf bosnische
Art?
Niko: Ja, genau!
Jan: Ach du Schande, guck mal bei
Nummer fnf: Gesalzener Elefanten-
rssel!
Und das Buch ist aus den Fnfzigern?
Niko: Damals war alles, was wild
und selten war, richtig schick das
mussten die Leute dann essen.
Jan: Die Brentatzen sehen
aber widerlich aus irgendwie
zh.
Bist du immer noch mit dem Buch
zugange?
Jan: Das ist interessant!
Leg das mal weg, wir essen gerade
ist das da ein echtes Gehirn?
Niko: Das kommt auch aus der fran-
zsischen Kche. Schmeckt ganz gut.
Du hast das schon mal gegessen?
Niko: Ja, vom Kalb. Gibts auch von
Schwein.
Als wren Schnecken und Froschschenkel nicht schlimm genug: Gefllter Igel.
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INFO Spitzner im
Oerschen Hof
Wer jetzt Lust hat, mal in Nikos Wohnzim-
mer vorbeizuschauen, kann das nicht nur,
sondern sollte es auch.
Es lohnt sich wegen des Essens, wegen der
Atmosphre und natrlich wegen des sym-
pathischen Kchenchefs. Das Restaurant
findet ihr unter der Adresse Knigsstrae
42 und alle Infos dazu im Internet:
oerschenhof.ms
Und was denkst du darber?
Niko: Ich muss es nicht haben.
Jan: Gibts als Nchstes einen
warmen Gang?
Niko: Ja.
Jan: Dann kommen wir mal mit in
die Kche!
(Hintergrundmusik, das Diktiergert
liegt einsam auf der Tischdecke.
Thorsten kommt zurck und holt es
schlielich doch.)
Ach, du musst noch kochen!
Niko: Ja klar, jetzt gibt es was
Warmes.
Hngt hier eine Voodoopuppe bei
euch in der Kche?
Niko: Die hat mir ein ehemaliger
Mitarbeiter geschenkt, der dauernd
verpennt hat. Irgendwann hats mir
gereicht und ich habe tatschlich eine
Nadel reingesteckt. Zwei Tage spter
ist dieser Mitarbeiter durch eine Man-
delentzndung
Verstorben.
Niko: Nein! Ausgefallen. Und seit-
dem ist diese Puppe mir heilig.
Bist du denn gleich mal fertig?
Niko: Immer mit der Ruhe.
Jan: Das Warten lohnt sich da
freue ich mich schon den ganzen
Abend drauf.
Und was ist das?
Jan: Schnitzel!
Niko: Jaaa genau. Vom Kalb. Du
kannst es sofort probieren, hol doch
schon mal Teller.
Super. Ein Restaurant, in dem ich
mir auch noch selbst das Geschirr
holen muss Hier, ich habe sogar
drei Stck mitgebracht. Das Schnit-
zel sieht gut aus.
Jan: Und schmeckt noch besser!
Guten Appetit.
Da bin ich ja mal gespannt. Guten
Appetit.
Niko: Na Thorsten, wie schmeckt
es dir?
Ganz ehrlich? Das ist eins der besten
Schnitzel, das ich je gegessen habe.
Jan: Erinnerst du dich noch an
deine Idee von gerade?
Welche?
Niko: Also nicht. (Lacht) Es geht
um deinen Vorschlag mit dem berra-
schungsgericht.
Wieso?
Jan: Jetzt, wo du aufgegessen hast,
knnen wir es dir ja sagen. Weit du,
was Kalbsbries ist, Thorsten?
Oh Gott. Was denn?
Niko: Der Thymus vom Kalb das
ist eine Drse.
Nicht euer Ernst! Und ich habe das
auch noch gegessen! Haben wir
noch Wein zum Nachsplen?
Jan: Siehst du? Ich habe dir gesagt,
die Idee ist Schwachsinn.
wir haben ein Kochbuch
aus den Siebzigern mit einem
Rezept fr gefllten Igel.
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Herzli ach, ich darf ja noch gar
nicht gratulieren!
Nein! Die Ausstellung ist zwar
anlsslich meines Geburtstages, aber
bis dahin ist noch etwas Zeit.
Dass du 75 wirst, kann man wirklich
nicht glauben.
Ach weit du, Alter ist sowieso
etwas vllig abstraktes. Wir machen
es immer nur im Vergleich fest: Du
bist entweder jnger oder lter als
jemand anderes. Irgendwann wirst
du die Erfahrung machen, dass man
im Kopf nicht lter wird. Merkwrdi-
gerweise gibt es Menschen, die schon
als Kinder betagt sind. So kleine
Greise. (Lacht) Aber im Alltag denke
ich nie ber mein Alter nach. Es gibt
tausende Dinge, die unendlich viel
wichtiger sind. Nur meinen dreiigs-
ten Geburtstag fand ich schrecklich.
Wieso das?
Damals habe ich noch geglaubt,
damit sei der Lack ab. (Lacht)
Na dann guck doch mal, wie viel
Lack ber vierzig Jahre spter noch
dran ist!
Frher war alles eben ein bisschen
anders. Letztens habe ich eine Moden-
schau von Heinz Oestergaard in einer
Nostalgiesendung gesehen: Und jetzt
kommt die Mode fr die reife Frau ab
dreiig! Das war in den Sechzigern
zu der Zeit gehrte man mit dreiig
schon fast zum alten Eisen.
Oha.
Siehst du, was ich meine? Damals
konntest du anhand der Kleidung auch
direkt erkennen, wie alt jemand war.
Oder an der Frisur. Aber inzwischen
hat sich Gott sei Dank einiges gendert.
ich dachte
damals noch, mit
dreiig sei der lack ab!
Jana, Antje Vogel und die Abstraktheit des Alters.
Hiermit muss ich mich outen: Antje Vogels Vernissage ist tatschlich die erste meines Lebens.
Das darf man in einer solch kunstlastigen Stadt wie Mnster eigentlich gar nicht zugeben. Ihre Illustrationen
hngen an den Wnden und die Anwesenden an den Lippen der Redner, die ihr zu Ehren herzliche Worte verlie-
ren. Ich verliere leider auch etwas: meine guten Manieren und beginne unser Gesprch ganz
charmant mit einem Thema, ber das man mit Damen nicht spricht dem Alter.
Vernissage fr frau vogel
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City-Blutspende, das Blutspende-Zentrum in Mnsters CityKlarissengasse 9, am Herzensstern-Boulevard
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Stimmt. Mit Ausnahme deiner
Illustrationen die gehren immer
noch in jedes Kinderzimmer. Woher
nimmst du deine Inspiration?
Ich wei gar nicht, ob ich es
Inspiration nennen wrde. Es ist
schwer in Worte zu fassen, wie es
ist, wenn mir etwas einfllt. Doch
natrlich muss alles, was die Hand
spter malt, zunchst irgendwie in
den Kopf. Allerdings ist der Zusam-
menhang zwischen dem Ursprung
einer Idee und der fertigen Illustra-
tion selten erkennbar. Zum Bei-
spiel waren wir vor einiger Zeit in
Australien, im Outback. Da schwir-
ren berall Fliegen rum. Unheimlich
lstig. Deswegen tragen die Leute
dort ausladende Hte mit Fden an
der Krempe, an deren Enden Korken
hngen so verscheuchen sie die
Insekten aus ihren Gesichtern. Die
Hte sind mir im Gedchtnis geblie-
ben und tauchen daher in ein paar
Illustrationen auf.
Klingt, als brauche es den gewissen
Blick.
Absolut. Das merke ich selbst ganz
stark: Wenn ich mit Freundinnen
durch die Stadt laufe, sehe ich Dinge,
die den anderen gar nicht auffallen.
Ich definiere mich sehr ber meine
Augen diese besondere Wahrneh-
mung. Und sobald ich dann eine Idee
habe, muss die raus. Sonst platzt mir
der Kopf.
Und wie jeder sieht, hast du nicht
wenige Ideen.
Das stimmt schon, ein paar sind
immer da. Manchmal fange ich sogar
mit Illustrationen fr Bcher an, die
gar nicht in Auftrag gegeben wurden.
Wie kamst du dazu, Kinderbcher
zu illustrieren?
Das hat sich irgendwann so
ergeben. Ich habe zu dem Zeitpunkt
schon lange gemalt und bei einer
meiner ersten Ausstellungen nicht
nur all meine Bilder verkauft, sondern
auch meinen Ehemann Claus ken-
nengelernt. Da wusste ich, das ist
der Mann frs Leben. (Lacht) Als wir
unseren Sohn bekamen, wollte ich
etwas machen, um an ihn weiterzu-
geben, was ich aus meiner Kindheit
mitgenommen habe.
Was denn genau?
Als Kind war ich unglaublich
viel mit meinen Eltern in der Natur
unterwegs mein Vater kannte jede
Pflanze und wusste immer, welcher
Vogel gerade singt. Das mochte ich
unendlich gerne. Und Bcher habe ich
auch geliebt, also
Hast du die perfekte Verbindung
geschaffen.
Genau. Wir sind frher oft um-
gezogen, denn meine Eltern waren
Knstler. Jedes Mal musste ich meine
ganzen schnen Sachen zurck-
lassen die Puppenstube, meinen
Puppenherd, den Puppenwagen
Meine Mutter hat alles verschenkt.
Aber meine Bcher durfte ich immer
mitnehmen. Und die besitze ich auch
heute noch.
(Eine Dame kommt zu Antje.)
Dame: Darf ich ganz kurz stren?
Wrden Sie wohl diese Bcher fr
meine Tochter und meine Enkelin
signieren?
sobald ich eine idee habe,
muss die raus sonst
platzt mir der kopf.
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INFO ANTJE VOGEL
Nach meinem nonchalanten Gesprchseinstieg
wisst ihr nun, dass Antje Vogel dieses Jahr
ihren 75. Geburtstag begeht zu dem wir an
dieser Stelle brigens noch einmal herzlich
gratulieren mchten! (Jetzt drfen wir das,
denn diese Ausgabe erscheint nach besagtem
Ehrentag.)
Vor 35 Jahren illustrierte sie ihr erstes Kinder-
buch fr den Coopenrath Verlag und seither
tummeln sich ihre Figuren in so manchem
Kinderzimmer rund um den Globus. Wir hof-
fen, dass zu dieser farbenfrohen Familie noch
viele Mitglieder hinzukommen, und bedanken
uns fr ber drei Jahrzehnte kunterbunte
Kindertrume.
antje-vogel.com
Aber natrlich.
Dame: Vielen Dank.
Ich merke schon, der Zauber deiner
Illustrationen zieht sich durch alle
Altersgruppen.
Machen wir uns nichts vor: Kin-
derbcher werden nicht von Kindern
gekauft, sondern von den Eltern und
Groeltern. Deswegen mssen die
Illustrationen der ganzen Familie ge-
fallen. Aber das kann man natrlich
nicht planen. Und knnte man das
doch, wrde ich es wahrscheinlich
nicht tun.
Gibt es ein Buch, das du besonders
gern illustriert hast?
Diese Frage habe ich schon sehr
oft gehrt und meine Antwort ist
immer die gleiche: Stets das, an dem
ich gerade arbeite. Das wird sich wohl
nie ndern. Bei Bildern ist es brigens
genauso.
Sind sich deine Illustrationen
und deine Bilder stilistisch sehr
hnlich?
Ich glaube, man kann ziemlich gut
erkennen, dass alles aus einer Hand
stammt. Aber so genau wei ich das
gar nicht. Ich denke nicht darber
nach. Wenn ich Bilder male, habe ich
natrlich mehr Freiheiten, als bei Kin-
derbchern ich darf da ein bisschen
bser sein. (Lacht)
Frau Vogel malt, wie Vgel heiraten.
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Foto
s: T
hom
as
Ka
rste
n
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KONSTANTIN WECKER RUFT ARNDT AUS DEM AUTO AN
Hat der Mann ein Kreuz! In einem Alter, wo andere lngst in Rente sind und ber Golfpltze schlendern,
geht Konstantin Wecker auf Tournee und hlt Rckschau auf 40 Jahre Wahnsinn. Er hat immer noch Wut
im Bauch, versteht sich als alter Achtundsechziger, der die Gesellschaft verndern will. Hallo, hier ist der
Konstantin Wecker!, tnt es mit bayerischer Note aus dem Hrer. Und dann plaudert sich der Meister frohge-
mut von Schubert bis Puccini, vom Mauerfall bis Merkel, von Gysi bis zum Kollegen Biermann.
Herr Wecker, Ihre Jubilumstournee
heit 40 Jahre Wahnsinn. Ist das
eine ironische Selbstdiagnose?
Das trifft den Nagel auf den Kopf.
Auch ein bisschen Abschiedsstim-
mung?
Nein, berhaupt nicht. Ich habe
mir geschworen, nachdem so viele
meiner Kollegen mit Abschiedstour-
neen um sich geschmissen haben und
immer wortbrchig geworden sind,
dass ich sowas nicht mache. Aller-
dings bin auch nicht so kokett, es
nur eine Zwischenbilanz zu nennen.
(Lacht)
Mnster ist die letzte Station
in diesem Jahr. Verbinden Sie
persnliche Erinnerungen mit der
Stadt?
Ja, sogar ziemlich lustige: Mein
erster Auftritt mit etwa 22 Jahren
das war die Rolle des Hohepriesters
Hannas bei Jesus Christ Superstar
in der Halle Mnsterland. Auerdem
gab ich den Judas in der Zweitbeset-
zung. (Zum Fahrer:) Wann war das,
Gnter? Ich glaube 1972. Das war
die erste deutsche Produktion von
Superstar, die dann spter in Berlin
furios in die Pleite rasselte. Whrend
der Proben lebte ich wochenlang
in Mnster eine sehr angenehme
Erinnerung.
Trumten Sie zu dieser Zeit schon
davon, selber Musicals zu schreiben?
Ja, ich glaube schon. Ich war
damals sehr begeistert von dem Stck
und halte es immer noch fr das
beste von Andrew Lloyd Webber. Ich
wollte zu der Zeit aber keinesfalls
Musicalsnger werden, das war ein-
fach nur ein Job der damals sogar
relativ gut bezahlt wurde.
Wo sehen Sie denn Ihre Wurzeln
Woody Guthrie oder Dylan? Deut-
sches Volkslied oder franzsisches
Chanson?
Meine Wurzeln sind eindeutig:
das klassische deutsche Lied. Da
unterscheide ich mich von meinen
geschtzten Kollegen Wader, Degen-
hardt und Mey. Mein Vater war ja
Opernsnger, und ich habe ihn als
Dreizehnjhriger bei Schubert und
Schumann begleitet, habe mit 14
bereits komponiert und z.B. Matthias
Claudius vertont. So gehe ich auch
heute noch an Lieder heran indem
ich meine Gedichte vertone. Als ich
in jungen Jahren quasi im Stile
von Eichendorff und den deutschen
Romantikern zu dichten begann,
hatte ich nie Vertonungen im Sinn.
Aber mit etwa 20 habe ich gemerkt,
dass man Gedichte einfach besser an
die Leute bringt, wenn man sie singt.
REVOLUZZER UND POET
- 19 -- 18 - - 19 -
Ich war brigens mit einer begnadeten sterreichischen
Opernsngerin auf Tour: Angelika Kirchschlager. Sie hat
dabei auch viel Schubert und Schumann gesungen und
mich ermutigt, meine eigenen Lieder danebenzustellen.
Das war die grte Freude an dieser Tour: Sie haben nicht
gestrt. (Lacht)
In im Grunde klassisches Crossover, was ja heutzutage
immer beliebter wird. Der Kollege Hannes Wader hat
etwas hnliches gemacht: Er hat Schubert quasi vom
Kunstlied gelst und zur Gitarre gesungen. Die CD ken-
nen Sie bestimmt.
Ja, die kenne ich. Ich habe das nur mit dem Lied Der
Leiermann gemacht und ihn verweckert. Es wurde mir
auch fters angetragen, Schubert auf CD zu singen, aber
ich bin mit so grandiosen klassischen Sngern grogewor-
den Ich wollte das aus Respekt nicht.
Welche Snger verehrten Sie am meisten?
Himmel, es gibt so viele wunderbare Aufnahmen von
Fritz Wunderlich! Und wenn man die kennt, muss man
nicht unbedingt noch selber Schubert singen. brigens
nichts gegen das Projekt vom Hannes er geht da vllig
anders heran. Wie ein Volkssnger.
Mir hats gut gefallen.
Ich streife in meinem aktuellen Programm ja durch
die Jahre. Und wenn ich mir jetzt die alten Arrangements
anschaue von Liedern wie Genug ist nicht genug oder
Der alte Kaiser die stehen eigentlich in der Nachfolge
der deutschen sogenannten Kunstlieder. Aber ich mag das
Wort nicht gern, weil es etwas abgehoben klingt.
Welches Lied spielen Sie bei den aktuellen Konzerten am
Anfang?
Den Willy. Ich habe ihn 20 Jahre lang nicht gesungen,
aber in dieses Programm musste er natrlich mit rein.
Zuerst hatte ich ein wenig Angst, ihn an den Anfang zu
stellen, weil ich dachte, es ist vielleicht ein bisschen zu
hart. Doch es hat sich herausgestellt: Er ist am richtigen
Platz.
Ich war brigens mit einer
begnadeten sterreichischen Opernsngerin auf
Tour: Angelika Kirchschlager.
DI. 16. DEZ. 2014BARZILLUS - Jdefelderstrae. 41 - MNSTER
BEGINN: 20.00 UHR | EINTRITT FREI!
MIDDLE EXCESSLIVE!
- 19 -- 18 - - 19 -
Ich habe mich mal gefragt: Wenn ich
Komponist wre, wie knnte ich si-
cher sein, dass eine Melodie wirklich
von mir ist?
(Lacht) Da kann man sich tat-
schlich oft tuschen. Spter stellt
man dann fest, dass es sie in der
unglaublichen Vielfalt, vor allem
der Klassik, so hnlich bereits gege-
ben hat. Ich halte es da mit Brecht:
Gut geklaut ist besser als schlecht
erfunden. Manchmal macht mans
auch bewusst: Ich habe in dem Lied
Das kleine Herzlied ein Thema
von Rachmaninoff verwendet.
(Singt) Di-dadada-diii Dadada-
Daaam.
Ah, Rachmaninoffs Paganini-Rhap-
sodie
Genau. Dazu gibts auch eine sch-
ne Anekdote. Der Rachmaninoff ist ja
noch nicht rechtefrei. Deshalb habe
ich den Verlag angeschrieben, und
die haben geantwortet: Fr Sie, Herr
Wecker, erteilen wir die Genehmigung
kostenfrei.
Sehr schn. Ich habe dazu noch eine
andere Anekdote im Kopf: Vor ewig
langer Zeit habe ich ein Radiointer-
view mit Ihnen gehrt. Sie erzhlten
von der Aufnahme Ihrer Filmmusik
zu Schtonk. Da habe sich pltzlich
der erste Geiger zu Wort gemeldet
und gesagt: Die Melodie geht nicht!
Das ist Rienzi von Wagner! Also
hatten Sie tatschlich denselben
Einfall wie Wagner?
(Lacht) Es war so: Ich brauchte
unbedingt Wagners Walkrenritt fr
diesen Film. Der Regisseur Helmut
Dietl hatte sich bei einer Szene den
Walkrenritt fr den Schnitt angelegt
(die, wo der Gtz George in Ost-
deutschland suchend umherfhrt). So
machen das die Regisseure halt oft. Er
wollte das Stck aber nicht direkt be-
nutzen und sagte zu mir: Du musst
mir etwas schreiben, das so hnlich
klingt. Und es musste sekundenge-
nau passen.
Das Elend der Filmkomponisten!
Genau. Aus diesem Grund hatte
ich mich sehr tief in Wagner ein-
gearbeitet, und dann kann es halt
passieren, dass einem so ein Rienzi
unterluft.
Sie sind aber weitaus mehr Puccini-
Fan als Wagnerianer.
Ja, viel mehr. Es gibt fantastische
Stcke und hinreiende Melodien bei
Wagner, ich nehme ihm aber bel,
dass er zu lang ist und in seiner Ideo-
Konstantin Wecker holt den Willy raus und erffnet mit diesem Lied seine aktuellen Konzerte.
- 20 -
logie zu prtentis. Puccini menschelt
viel mehr. Er hat so eine hinreiende
Dramaturgie in seinen Opern es
wird mir nie langweilig. Er kommt im-
mer auf den Punkt. Die Puccini-Liebe
teile ich brigens mit vielen Orches-
termusikern. Schon in den 70er und
80er Jahren, als er vllig out war,
gestanden mir eine Menge Musiker
heimlich, dass sie am liebsten Puccini
spielen.
Auch ein Vorbild fr Sie, wenn Sie
selbst Musicals schreiben?
Sicherlich. Puccini hat mich quasi
daran gehindert, Opernkomponist zu
werden. Das habe ich in Die Kunst
des Scheiterns genau geschildert.
Seine Tosca htte ich gern geschrie-
ben, aber so gut wie er knnte ichs
halt nicht also lass ich das bleiben.
(Lacht) Ich habe seinerzeit auch mein
Kompositionsstudium abgebrochen,
weil die moderne Oper keine Melo-
dien und klare Dreiklnge erlaubte.
Heute haben es junge Komponisten
etwas besser. Im Musical darf ich
eben schwelgen.
In derselben Radiosendung haben
Sie damals, so etwa 1990, das Lied
Prost Deutschland gesungen: ein
skeptisches Lied zur Wiedervereini-
gung. Spielen Sie das aktuell auch
wieder?
(Verblfft:) Sie bringen mich da
auf einen grandiosen Gedanken. Das
wre jetzt genau das Lied fr 25
Jahre Mauerfall gewesen. Sch
rgerlich!
Das knnten Sie jetzt noch im Inter-
net Ihren Fans posten.
Mach ich vielleicht.
In diesem Text heit es: Vielleicht
bin ich nur ein alter Sack, der noch
von 68 trumt, von Bier und Beifall
aufgeschwemmt, schon lngst den
letzten Zug versumt. Wenn man
sich vor 25 Jahren so beschreibt,
frage ich mich: Wie fhlt der Mann
sich heute?
Tja, auch noch als alter 68er. Und
ich merke: Das hat eine ganz andere
Qualitt bekommen. Die, die tatsch-
lich zur Revolution bereit sind, das
sind die Alten die in den Achtzigern
die groe Friedensbewegung mit-
bekommen haben. Ein groartiger
Umbruch in der Gesellschaft, der
Der Wecker liebt Puccini und hitzige Diskussionen.
- 20 -
PLATZ FR DEIN LOKAL
KONTAKTRothenburg 14-16
Tel.: 4816834stadtgefluester-muenster.de
Beginengasse 12 | Tel.: 4840000 | ideal-muenster.de
Rothenburg 14-16 | Tel.: 4840495 | mocca-d-or.dee
Rothenburg 14-16 | Tel.: 4828591 | mocca-d-or.dee
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Tel.: 4816834stadtgefluester-muenster.de
meiner Ansicht nach von Think Tanks des Neolibera-
lismus erstickt worden ist. Den jungen Menschen wurde
weisgemacht, dass Engagement nicht so sexy ist, wie zu H
& M zu gehen. In meinen Konzerten wende ich mich auch
gegen das 68er-Bashing, wie es zurzeit oft betrieben
wird. Wir haben damals erfolgreich versucht, die alten
Nazi-Seilschaften aufzudecken.
Das wird aber auch gar nicht bestritten.
Ich habe neulich einen alten Text von mir gepostet: L-
sungslotterie. Der behandelt, wie sich die verschiedenen
linken Strmungen damals zerfetzt und bekriegt haben.
Der notwendige Grundgedanke von 68 nahm dabei leider
Schaden.
Da wir nun schon beim Thema Politik sind, muss natr-
lich der Name des Kollegen Wolf Biermann fallen. Bei
Facebook haben Sie just sinngem geschrieben: Wenn
ich im Bundestag gesungen htte, dann htte ich es den
Bankern gegeben.
Und denen, die den Bankern in den Arsch kriechen.
Knnen Sie Biermann grundstzlich verstehen?
Nein, nicht mehr. Wer so groartige Gedichte wie er
geschrieben hat und sich dann zum Hassprediger mausert
Hassprediger? Das Wort wird zurzeit inflationr
benutzt.
Sie haben recht, das mchte ich auch nicht so stehen-
lassen. Aber er hat Menschen in einer Weise beleidigt, wie
sich das im Bundestag nicht gehrt. Die Linke, die dort
sa, ist das, was die SPD mal gewesen sein sollte. Und die
Linken sind ja mit der SPD und den Grnen schlielich
auch in diversen Koalitionen verbunden.
Wen htten Sie denn statt Biermann zur Feierstunde
geholt?
Menschen, die nicht so ideologisch verbittert sind. Zum
Beispiel Barbara Thalheim eine Sngerin, die sich auch
gegen die SED gewandt, aber nicht solch einen Schwenk
vollfhrt hat. Biermann ist vom bekennenden Kommu-
Tosca htte ich gern geschrieben, aber so
gut wie er knnte ichs halt nicht
- 23 -- 22 -
nisten zum Kommunistenfresser
geworden.
Nur wer sich ndert, bleibt sich
treu, hat er mal gesungen. Sie
selbst halten es ja mit der Linkspar-
tei wrden Sie sich einen Kanzler
Gysi wnschen?
In jedem Fall! Ich halte Gysi fr
einen groartigen, klugen Menschen.
Natrlich htte er Probleme, seiner
Haltung in einem so hohen Amt treu
zu bleiben.
Da haben Sie viel Vertrauen. Seine
Karriere als Berliner Wirtschaftsse-
nator war ja eine unrhmlich kurze.
Naja soll ich mir etwa nochmal
Merkel wnschen?
Zu der kommen wir am Ende noch.
Ich kann mich an eine Sendung mit
Ihrem Freund Dieter Hildebrandt
erinnern. Hildebrandt sagte, er
knne Ihnen zur Linkspartei nicht
folgen dafr habe er persnlich
zu viel Totalitarismus-Erfahrung.
Haben Sie damals privat ber diese
Gretchenfrage diskutiert?
Ja, andauernd. Und ich darf Ihnen
sagen, dass Dieter Hildebrandt in
den letzten Jahren vor seinem Tod
im Denken immer radikaler wurde.
Ich fand sein allerletztes Programm
revolutionr. Er hat nochmal eine
Wandlung vollzogen, weil er erkann-
te, wie sehr alles von wirtschaftlichen
Interessen verkrustet ist.
Wenn man sich Ihr Video Emprt
euch anschaut, ist man sicher, dass
Sie den Kapitalismus abschaffen
wollen.
Der Kapitalismus hat sich bereits
abgeschafft. Wir erleben momentan
die Sptfolgen eines versagenden
Systems. Was der Kapitalismus
einmal wollte Wohlstand fr
alle ist ja nicht aufgegangen. Wir
leben in unserer kleinen Traumwelt
Deutschland, weil es uns noch ganz
gut geht. Das trifft weltweit nur fr
einen winzigen Prozentsatz zu. Die
neoliberale Idee, dass der Markt al-
les allein regelt, hat doch schon vor
zehn Jahren nicht gestimmt, als es
noch FDP-Gren in Talkshows hin-
ausposaunten. Die Politik muss sich
sehr wohl kmmern! Es kann doch
nicht sein, dass ein Unternehmen
wie Apple keinen Pfennig Steuern
zahlt. Wenn jetzt das Freihandels-
abkommen TTIP noch dazu kommt,
knnten Errungenschaften wie der
Mindestlohn rckgngig gemacht
werden. In privaten Schiedsgerich-
ten werden dann Konzerne auf
Regierungen Druck ausben siehe
Vattenfall.
Also wrden Sie es nochmal mit
Sozialismus probieren?
Alle verdrehen die Augen beim
Wort Planwirtschaft. Dabei ist
die Wirtschaft der Grokonzer-
ne durchaus geplant es ist eine
Plan-Wirtschaft. Ich strebe aber
gar kein ideologisches Modell an.
Ich will, dass wir uns zusammen-
Herr Wecker meint, wir sollten uns empren.
- 23 -
INFO KONSTANTIN WECKER
Das Wort Tausendsassa msste man fr
ihn erfinden. Der Sohn eines Opernsn-
gers wollte ursprnglich selber Opern
schreiben. Stattdessen wurde er Dichter,
Liedermacher, Musical- und Filmkom-
ponist, Schauspieler und politischer
Aktivist. Dieser Passion geht er heute auch
auf Facebook nach, wo er sich mit Fans wie
Gegnern austauscht. Der alte Achtund-
sechziger Wecker wird nchstes Jahr
selbst 68. Ein Leben voller Hhenflge und
auch Abstrze. Seine Kokainsucht verar-
beitete er 1993 in dem autobiografischen
Roman Uferlos. Als Bayer war er frher
mit der Mnchner Kabarettszene um Dieter
Hildebrandt verbandelt.
wecker.de
setzen und erkennen: Kapitalismus
hat versagt, auer fr ein Prozent
der Menschheit. Fordern wir unsere
Politiker auf, endlich die Banken
und die Lobbyisten an die Leine zu
nehmen!
In dieser Richtung passiert ja schon
ein bisschen was.
Es passiert ein bisschen was,
aber wir sollten die Angst vor dem
Sozialismus beenden. Die SPD ist von
Haus aus eine sozialistische Partei.
Wir verschlieen die Augen vor den
Zustnden in Griechenland oder in
Spanien, wo fnfzig Prozent Jugend-
arbeitslosigkeit herrschen! Solche
Zustnde locken faschistische Krfte
geradezu hervor.
Haben sich nicht im 20. Jahrhun-
dert alle sozialistischen Trume in
Albtrume verwandelt?
Das gilt aber auch fr kapitalisti-
sche Trume. Ich stelle mich natr-
lich nicht mit der Mao-Bibel hin und
verkndige ein neues Weltbild. Meine
Vorstellung von einer Revolution
sieht so aus, dass wir uns vernetzten
und dass sich keiner mehr einbil-
det, er oder sie besitze den Stein der
Weisen. Echte Demokratie! Die sozi-
ale Vernetzung schafft erst einmal
die Mglichkeit, sich zu informieren.
Und das ist immens wichtig.
Nicht umsonst sind Sie ja mit Ihren
Fans auf Facebook so stark vernetzt.
In Ihrer Brust streiten offenbar zwei
Seelen: die des Poeten und die des
Aktivisten. Ein Lied wie Wenn der
Sommer nicht mehr weit ist kann
man doch nicht mit Wut im Bauch
schreiben!
Um Himmels willen, nein! Eigent-
lich schreibe ich ja Liebeslieder und
werde in diesem Drang manchmal
von der Wut behindert. (Lacht)
Ich sagte ja eben, wir kommen
am Ende zu Frau Merkel. Eines Ih-
rer neckischen Lieder heit Das
Lcheln meiner Kanzlerin. Dazu
gibt es sogar ein tolles Video des
Karikaturisten Dieter Hanitzsch
(auf Youtube). Wodurch hatte sich
2011 die Bundes-Angie diese Lie-
beserklrung verdient?
In Italien gab es damals unglaub-
liche Merkel-Fans. Ich wollte einfach
eine Verarschung der Merkelbegeiste-
rung schreiben.
Die sind eben nicht so verwhnt.
Stimmt. (Lacht) Die Merkel-Be-
geisterung hat sich auch mittlerwei-
le gelegt. Ich dachte damals beim
Schreiben nur: Wenn ihr wsstet!
Wir leben in unserer kleinen
Traumwelt Deutschland, weil es
uns noch ganz gut geht.
Am Rosenplatz tglich ab 18 Uhr mehr infos auf
- 25 -- 24 -
Die lebenden und die toten
Jana und Heidi Pfeiffer ber einen immer beliebteren Frauenberuf
Nur wenige Menschen knnen von einem Besuch in der Rechtsmedizin berichten dort landen
schlielich nicht viele, die nachher wieder aufstehen und gehen. Ich allerdings geniee diesen Luxus und
treffe die Direktorin des Institutes fr Rechtsmedizin, Heidi Pfeiffer, die mir von der Faszination hinter ihrer
Arbeit berichtet. Jene sieht in den Kpfen vieler Menschen immer noch ganz anders aus, als in der Realitt:
Rechtsmediziner sind nicht nur fr die Toten da, sondern untersuchen auch lebende Opfer von Gewalt.
Einer der Grnde, warum immer mehr Frauen diesen Beruf ergreifen.
Frauen mit Forschungsgeist; Frauen wie Heidi Pfeiffer. Foto
s: J
an
a N
imz
- 25 -- 24 -
Haben Sie Leichen im Keller?
Nein, aber im Nebengebude.
(Lacht)
Dort ist die Pathologie, richtig? Wo
liegt der Unterschied zwischen Pa-
thologie und Rechtsmedizin?
Das sind zwei verschiedene
Facharztrichtungen und daher auch
rumlich getrennt. Hier ist aus-
schlielich die Rechtsmedizin. Patho-
logen untersuchen Verstorbene, bei
denen im Rahmen der Leichenschau
eine natrliche Todesart bescheinigt
wurde. Dafr ist die Einwilligung
der Angehrigen erforderlich. Wir
hingegen obduzieren im Auftrag
der Staatsanwaltschaft Verstorbene
bei Verdacht auf ein Ttungsdelikt
oder wenn die Todesart nicht sicher
festgestellt werden konnte. In der
Regel geht es so los, dass ein Arzt
den Tod des Menschen besttigt und
die Todesart einstuft: natrlich,
nicht natrlich, oder ungeklrte
Todesart. In den letzten beiden Fl-
len muss er die Polizei verstndigen,
diese informiert die Staatsanwalt-
schaft und die wiederum entscheidet,
ob wir eine Obduktion vornehmen.
Okay.
Also kurz zusammengefasst: Wir
bekommen unsere Auftrge von Poli-
zei und Staatsanwaltschaft.
Wie oft machen rzte das Hkchen
hinter ungeklrte Todesart? Glau-
ben Sie, es wird zu oft ein natrli-
cher Tod diagnostiziert, obwohl das
nicht stimmt?
Na ja, ein Hausarzt gibt vermut-
lich ungern zu, dass er nicht wei,
woran sein Patient verstorben ist.
Besonders in lndlichen Gebieten,
in denen sich alle kennen. Womit
ich niemandem etwas unterstellen
mchte! Ausschlaggebend ist immer
die Qualitt der Leichenschau.
Sie in der Rechtsmedizin haben
aber nicht nur mit Toten zu tun?
Richtig, wir haben hier eine
Gewaltopferambulanz und nehmen
auch krperliche Untersuchungen
an lebenden Opfern von Gewalt vor
ebenfalls im Auftrag von Polizei
und Staatsanwaltschaft. Aber auch
auerhalb eines Strafverfahrens
knnen Gewaltopfer zu uns kommen
und sich die Verletzungsbefunde
dokumentieren lassen. Wenn es sich
zu einem spteren Zeitpunkt ent-
schliet, doch Anzeige zu erstatten,
kann ein Opfer diese Befunde von
uns anfordern die sind vor Gericht
verwertbar.
Haben Sie Kontakt zu den Angeh-
rigen der Verstorbenen?
Nein, berhaupt nicht.
Es gibt keinen genesenen Patienten,
keine dankbare Verwandtschaft:
Fehlt da manchmal ein bisschen die
Wertschtzung?
Wir knnen die Toten natr-
lich nicht wiedererwecken, aber
dennoch etwas fr sie tun: ihre To-
desursache klren und im besten
Falle sogar bei der Tterberfh-
rung helfen. Das ist doch faszinie-
rend! Besonders spannend wurde
es Anfang der 90er Jahre, als die
DNA-Analytik Einzug gehalten hat
dadurch knnen wir jahrzehn-
tealte Flle im Nachhinein noch
aufklren.
Mich hat berrascht, dass hier so
viele Frauen arbeiten. Ich dachte,
das sei eher ein Mnnerberuf.
Es hat ein Generationswechsel in
der Rechtsmedizin stattgefunden.
Frher haben in diesem Beruf tat-
schlich fast ausschlielich Mnner
gearbeitet, aber heute sind an vielen
Instituten beinahe mehr Frauen als
Mnner beschftigt. Das hngt si-
cherlich auch damit zusammen, dass
wir immer mehr lebende Gewaltopfer
untersuchen und das sind leider
berwiegend Frauen und Kinder. Vie-
le Frauen fhlen sich wohler, wenn
sie nach einer Gewalttat auch von
einer Frau untersucht werden.
Hat die Zahl der Gewaltopfer in
Mnster whrend der letzten Jahre
zugenommen?
Ich kann natrlich nichts zu der
Dunkelziffer sagen, aber wir fhren
tatschlich immer mehr Untersu-
chungen durch als wir anfingen,
waren es ungefhr zwanzig im Jahr,
heute sind es ber hundert. Das
hngt damit zusammen, dass wir
nicht mehr nur als Obduktionsinsti-
tut wahrgenommen werden, sondern
die ffentlichkeit mitbekommen
hat, dass wir auch fr die lebenden
Gewaltopfer da sind.
Was glauben Sie, wie hoch die Dun-
kelziffer ist?
Die drfte leider um ein Vielfaches
so hoch sein, wie die gemeldeten Flle
von Gewalt. Die Hemmschwelle der
Betroffenen liegt verstndlicherweise
sehr hoch. Auerdem gehen sie eher
zum Hausarzt oder ihrem behandeln-
den Gynkologen, um Verletzungen
dokumentieren zu lassen und das
ist auch richtig so: Wir knnen nicht
jedes Opfer von Gewalt selbst unter-
suchen, dafr haben wir leider zu we-
als wir anfingen, waren es
ungefhr zwanzig im Jahr, heute
sind es ber hundert.
- 27 -
nige Mitarbeiter. Deswegen ist unser
Ziel, allen Studierenden der Medizin
das ntige Rstzeug mitzugeben,
sodass ihre Untersuchungsergebnisse
ebenfalls vor Gericht verwertbar sind.
Welche Eigenschaften sollte ein
Rechtsmediziner mitbringen?
Auf jeden Fall Forschergeist! Wir
sind ja ein Hochschulinstitut. Und die
DNA-Analyse ist auf dem heutigen
Stand, weil wir Rechtsmediziner auf
diesem Gebiet derart intensiv geforscht
haben. Zudem mssen wir natrlich
psychisch gefestigt sein. Wir drfen
die Flle nicht mit nach Hause nehmen
und selbst daran erkranken, sondern
mssen diese objektiv sehen nur
dann leisten wir gute Arbeit. Aber das
sind Voraussetzungen, die jeder Arzt
erfllen muss. Stellen Sie sich beispiels-
weise einen Arzt auf einer kinderonko-
logischen Station vor: Der psychische
Druck ist dort ebenfalls enorm.
Was geben Sie Medizinstudenten mit
auf den Weg, um die Qualitt der
Leichenschau zu verbessern?
Wir erlutern im Rahmen von
Vorlesungen und Praktika, wie der Tod
eines Menschen sicher festzustellen ist:
wie eine Leichenschau leitliniengem
durchgefhrt wird und wie die Todes-
bescheinigung richtig auszufllen ist.
Wie ist das, wenn man zum ersten
Mal einen toten Menschen auf dem
Tisch hat? Registriert man das in
dem Moment berhaupt?
Die Studenten machen sich in den
ersten zwei Jahren mit der Anatomie
des Menschen vertraut und kom-
men erstmals mit Toten in Kontakt.
Die sehen allerdings nicht sagen
wir mal frisch aus, sondern sind
konserviert.
Woher stammen diese Leichen?
Das sind Krperspender Men-
schen, die sich zu Lebzeiten der
Forschung und Ausbildung von rz-
ten nach ihrem Tod zur Verfgung
gestellt haben. Ihre erste richtige
Leiche sehen die meisten Studieren-
den dann whrend ihres Praktikums
- 26 -
als wir anfingen, waren es
ungefhr zwanzig im Jahr, heute
sind es ber hundert.
- 27 -
INFO DAS INSTITUT FR
RECHTSMEDIZIN
steht fr Auftrge der Polizei und
Staatsanwaltschaften tglich rund um die
Uhr zur Verfgung.
Auerdem bietet es mit seiner Opferambu-
lanz unbrokratische Hilfe fr Menschen,
die Opfer von Gewalt geworden sind:
kompetente Beratung durch speziell
ausgebildete rzte
gerichtsverwertbare Dokumentation von
Verletzungen
Sicherung von Spuren und Beweismate
rialien
Rntgenstrae 23, 48149 Mnster
Tel. 83 5 51 51
klinikum.uni-muenster.de
in einer Klinik, bei uns oder in der
Pathologie. Die sehen natrlich ganz
anders aus.
Wieso?
Zum ersten Mal knnen sie die Lei-
chenstarre prfen, die Totenflecken
untersuchen, die Leichenklte fhlen.
Ich denke, die meisten sehen diese
Erfahrung uerst positiv. Schlielich
gehrt es ebenfalls zu den Aufgaben
eines Arztes, den Tod eines Menschen
sicher feststellen zu knnen.
Sie sagten, Sie drfen die Flle
nicht mit nach Hause nehmen
aber ist das teilweise nicht unver-
meidlich?
Zugegeben, ber mache Dinge den-
ke ich zuhause noch eine Weile nach.
Wenn Kinder betroffen sind, geht das
natrlich immer besonders unter die
Haut. Denn Kinder sind hilflos. Sie sind
den Menschen, die sie verletzen, kom-
plett ausgeliefert. Da kann ich mich
noch an sehr viele zurckliegende Flle
erinnern. Die vergesse ich nicht.
Erinnern Sie sich noch an den
Sugling, der letztes Jahr im Kanal
gefunden wurde?
Ja, der wurde hier im Institut
untersucht. Dieser Fall hat Mnster
sehr bewegt.
Trumen Sie manchmal von Ihrer
Arbeit?
Nein. Also vielleicht ab und zu,
aber wirklich nur ganz selten. Ich
glaube, wrde das fter vorkommen,
knnte ich diesen Beruf auch nicht
ausben.
So grandiose Deko gibts bei IKEA nicht.
Die Kneipeim Viertel...jetzt mitneuer Kche !
- Partys- Live Music
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Wolbecker Str. 64, Hansaviertel, 48155 Mnster
- 29 -- 28 -
Dennis geht mit Katie Grosser in die Fabelwelt
Msst ihr noch in die Winkelgasse oder habt ihr schon alles fr das neue Schuljahr? Ihr merkt,
ein paar Schlagworte reichen und jeder wei, worum es geht. Wir waren gerade zusammen unterwegs in
einer fiktiven Welt, die es von Joanne K. Rowlings Kopf, ber Papier, bis ins Leben einer ganzen Generation
geschafft hat. Ich treffe mich mit der Jungautorin Katie Grosser, die hnliches erreichen will: Sie erzhlt
mir von ihrer Buchheldin Rissa und deren Abenteuern in der Fabelwelt. Und wer wei?
Vielleicht reichen bald ein paar Schlagworte
Foto
s: W
enck
e Lie
ber
DIE FABEL(HAFTE)WELT DER KATIE GROSSER
- 29 -
Ich glaube, du wirst mit deinen B-
chern nicht reich.
(Lacht) Wie kommst du darauf?
Obwohl du vermutlich Recht hast,
die Wenigsten werden Autor, um das
groe Geld zu verdienen ich auch
nicht.
Ich hab dein Buch auch gar nicht bei
Amazon gefunden ...
Kein Wunder. Ich verffentliche
ber einen kleinen Verlag und Ama-
zon verlangt einfach zu viel fr den
Vertrieb.
Kriege ich es denn im Handel?
Du kannst es ber den Buchhandel
beim Verlag bestellen oder direkt
ber deren Homepage.
Wenn es nicht das Geld war, was hat
dich dann an der Verffentlichung
eines Buches gereizt?
Der Spa und die Leidenschaft
am Schreiben und es ist einfach ein
super Gefhl, dein eigenes Buch zu
verffentlichen. Das bisschen Geld,
das man damit verdient, ist dann das
Sahnehubchen.
Zu deinem Roman gibt es auch
didaktisches Unterrichtsmaterial.
Willst du dir damit Schler als Leser
erschlieen?
Ich habe mal fr einen Verlag gear-
beitet, der solche Materialien erstellt
das hat mich auf die Idee gebracht.
Ich finde es toll, wenn in der Schule
viel gelesen wird und hoffe, dass man
die Leselust dort mit passendem Un-
terrichtsmaterial frdern kann.
Warum ist es ein Kinderbuch gewor-
den?
Ich habe schon als Kind Geschich-
ten geschrieben. Nun habe ich zwei
jngere Geschwister und die haben
mich gefragt, wann ich ihnen etwas
schreiben wrde. So bin ich zur kind-
gerechten Literatur gekommen
und zu einem Fantasyroman.
Ich wollte dem Vampirhype etwas
entgegensetzen und schreibe deshalb
ber Feen und Trolle.
Aber ist das nicht genau der andere
Hype?
(Lacht) Als ich 2011 zu schreiben
angefangen habe, ging es eigentlich
noch. Da war Twilight noch der
letzte Schrei.
Fantasyliteratur hat immer das
Problem, sich an Tolkien zu messen.
Bisher ist auch wenig erschienen,
was dem Genre wirklich frischen
Wind gebracht hat. Hast du keine
Angst, unfreiwillig zu kopieren?
Natrlich, deshalb habe ich auch
viel recherchiert und versucht, etwas
Eigenes und Neues zu schaffen sonst
htte ich gar nicht zu schreiben an-
fangen mssen.
Recherche heit, du hast eine Men-
ge Bcher gelesen?
Nee, weniger. Ich habe mich haupt-
schlich im Internet und Enzyklop-
dien ber Fabelwesen, wie Nymphen,
Feen und Trolle, schlaugemacht: Wo
kommen die her? Wie werden sie
beschrieben?
Du bedienst dich also klassischer
Mythologien wie etwa Trolle, die
unter Brcken wohnen?
Nein, ich nutze zwar diese Figuren,
habe sie aber auch fr meine Ge-
schichte abgewandelt und ihnen eine
eigene Bedeutung und Eigenschaften
verliehen. Natrlich gibt es dabei aber
immer die Gefahr, Elemente einzu-
bauen, die man woanders gelesen hat.
Hast du eine eigene Fantasywelt
erschaffen?
Ja, es gibt neben der Menschen-
auch eine Fabelwelt. Jedoch sind sich
beide recht hnlich.
Ich habe mich bewusst nicht ber
den Inhalt deines Buchs informiert.
Worum geht es?
Rissa Filial die Hauptfigur ist
ein Menschenmdchen, das aber
schon immer geahnt hat, dass es
etwas anders ist als andere Kinder.
Wie Harry Potter?!
Ja, das ist schon hnlich, aber gibt
halt keine Zauberer, sondern Fabel-
wesen. Rissa lebt auch weiterhin in
ihrer Menschenwelt und stattet der
Fabelwelt nur Besuche ab. Am Ende
des Romans muss sie sich dann je-
doch entscheiden, in welcher Welt sie
bleiben mchte.
Wie gelangt man denn in die Fabel-
welt?
Durch unsichtbare Tore und das
normalerweise nur, wenn jemand
aus der Fabelwelt kommt und einem
dabei hilft. Lsst einer das Tor
allerdings offen dann knnen
Menschen auch allein hindurchgehen.
Falls sie ein solches Tor finden! Denn
die sind sehr gut versteckt.
Hat Rissa magische Krfte?
Das mchte ich noch nicht
verraten, dies wird im dritten Band
relevanter.
Ah, es wird also eine Buchreihe?
Andere Leute gehen joggen oder
machen Musik. Ich schreibe.
- 31 -
Genau. Den zweiten Band habe ich
auch schon geschrieben. Das erste
Buch spielt in den Sommerferien und
im Nachfolger geht Rissa aufs Md-
cheninternat.
Was glaubst du, wie alt deine Leser
sind?
Das erste Buch ist fr 8- bis 12-Jh-
rige angesetzt. Aber der Leser wchst
ja mit genau wie die Protagonistin. Bei
meinen Bchern ist es anders als bei
den Drei ??? oder den Fnf Freun-
den. Die erleben zig Abenteuer, wer-
den aber merkwrdigerweise nie lter.
Du sprachst gerade von Recherche
und ich habe natrlich ein paar
Infos ber dich gesammelt du
promovierst gerade, oder? Woher
nimmst du die Zeit zum Schreiben?
Ich brauche das Schreiben. Es ist
fr mich eine Form des Stressabbaus.
Andere Leute gehen joggen oder ma-
chen Musik. Ich schreibe. Zwar nicht
jeden Tag, aber schon ein paar Mal in
der Woche.
Also sitzt dein Freund abends vorm
Fernseher und du gehst nochmal an
den Computer?
Ja, oder er spielt Fifa. (Lacht)
Ich frage Autoren immer gerne, wie
lange sie an ihrem Buch gearbeitet
haben.
Dann frag mal!
Wie lange hast du fr dein Buch
gebraucht?
Am ersten Band habe ich zirka vier
Monate geschrieben. Dann habe ich
ihn aber auch erstmal fr ein paar
Wochen zur Seite gelegt und spter
berarbeitet. Und dann nochmal und
nochmal und nochmal Die berar-
beitung hrt eigentlich erst auf, wenn
das Buch endlich gedruckt wird.
Stell dir vor, du liest dein Buch in
drei Jahren nochmal: Magst du es
dann noch?
Also ich gehe mal davon aus. Aber
schon jetzt merke ich, dass ich aus
heutiger Sicht im ersten Band noch
etwas ergnzen wrde ich kenne
die Charaktere inzwischen einfach
besser, wrde dementsprechend noch
ein paar Dinge einbauen. Aber es ist
nun mal, wie es ist: Der erste Band ist
drauen. Und am zweiten und dritten
Teil kann ich ja noch ein bisschen
arbeiten das kommt mir entgegen.
Wieso?
Weil ich erst relativ spt angefan-
gen habe, Regeln fr meine Fabelwelt
aufzustellen. Die waren natrlich die
ganze Zeit in meinem Kopf, aber ich
habe mir viel Ruhe genommen, um
sie zu Papier zu bringen deswegen
berarbeite ich den zweiten Band
gerade nochmal rigoros.
Wie zufrieden bist du mit der
Coverillustration? Trifft sie die
Charaktere oder hast du die selbst
gemalt?
Nein, das waren ein paar deut-
sche Illustratoren, die allerdings in
England studieren. Und ich bin total
Katie schreibt zwar ber die Fabelwelt aber Dennis wurde dort geboren.
Die berarbeitung hrt
eigentlich erst auf, wenn das
Buch endlich gedruckt wird.
- 30 -
- 31 -
INFO Katie Grosser
wurde 1990 geboren, zog nach ihrem
Abitur frs Studium nach Mnster und ver-
diente ihre Brtchen als Stadtfhrerin. Seit
Oktober promoviert sie und verffentlichte
ganz nebenbei ihren ersten Kinderro-
man Rissa Filial und das Vermchtnis der
Fabelwelt. Mehr ber die Welt der Feen,
Trolle, Kobolde und Nymphen erfhrt man
unter:
katiegrosser-autorin.de
facebook.com/KatieGrosserAutorin
Rissa Filial und das Vermchtnis der
Fabelwelt gibt es beim Casimir-Verlag
casimir-verlag.de fr 12,95 Euro
ISBN: 978-3-940877-22-2
zufrieden! Mehr noch: Stell dir vor,
dass diese Figuren jahrelang in dei-
nem Kopf leben und dann siehst du
sie das erste Mal und denkst perfekt
getroffen! Das ist schon faszinierend.
Gibt es auch im Buch Illustrationen
oder nur auf dem Titel?
Im Buch selbst gibt es keine
Zwlfjhrige brauchen schlielich
keine Bilderbcher mehr.
Man soll ein Buch nicht nach seinem
Einband beurteilen aber wir wissen
alle, dass wir es trotzdem tun. War
dir das Cover deswegen besonders
wichtig?
Um ehrlich zu sein, habe ich da
im Vorfeld nicht sonderlich drber
nachgedacht. Mein Verleger hat sich
sehr viel darum gekmmert und ich
habe ihn machen lassen. Er hat von
solchen Dingen mehr Ahnung. Schon
bei dem ersten Coverentwurf war ich
hin und weg und htte es am liebs-
ten direkt in die Buchlden gestellt.
Mein Verleger hatte aber noch ein
paar Verbesserungsvorschlge. Ich
habe mir dann auch noch einmal
gemeinsam mit meinen Schwestern
Gedanken gemacht und muss sagen,
es ist jetzt im Endeffekt genau
richtig geworden.
Wie stehst du zu E-Books? Soll es
dein Buch auch elektronisch geben?
Puh, ob du es glaubst oder nicht:
Das wei ich gar nicht so genau. Also
das liegt an meinem Verlag. Dazu
muss ich aber sagen, dass ich selbst
auch nicht unbedingt der grte
E-Book-Fan bin. Und besonders bei
Kindern ist es schn, noch wirklich
etwas in der Hand zu haben. Damit
meine ich raschelndes Papier, keine
spiegelglatte Flche.
Ich rieche auch immer gerne an
neuen Bchern.
(Lacht) Wer nicht? Das macht es
doch aus: der Geruch, das Gefhl, das
Blttern, mit dem Daumen ber die
Seiten zu streichen Du merkst, ich
mag das.
Wir gehen in groen Schritten auf
Weihnachten zu: Dir als Jungautorin
kommt das sicherlich entgegen.
Auf jeden Fall! Ich bin seit der
Buchverffentlichung schon in vielen
Schulen zum Vorlesen gewesen viel-
leicht wnscht sich ja der eine oder
andere meinen Roman zu Weihnach-
ten. Letztens hatte ich sogar meine
erste Autogrammstunde das war toll!
Wenn ich an Rissas Internat
denke, sehe ich etwas vor mir,
das mich sehr ans mnstersche
Schloss erinnert.
Du wohnst in Mnster, warst hier
auerdem mal Stadtfhrerin
findet sich unsere Stadt in deinen
Bchern wieder?
Im ersten Band nicht, denn Rissa
wohnt auf dem Land. Aber im zwei-
ten sagen wir mal so: Wenn ich an
Rissas Internat denke, sehe ich etwas
vor mir, das mich sehr ans mnster-
sche Schloss erinnert.
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Jana trifft die Knigskinder
Es gibt viele Themen, die wir gerne verdrngen darunter Spitzenreiter: Der Tod. Ich fahre heute ins
Kinderhospiz Knigskinder und spreche mit drei Frauen, die tglich mit ihm arbeiten mssen Oder? Maike,
Katrin und Nina zeigen mir, wieso das eigentlich nicht stimmt. Ich merke schnell, sie arbeiten mit drei der
schnsten Dinge dieser Welt: Kindern, Hoffnung und Freude.
Gehrt der Hund unter unserem
Tisch zum Hospiz?
Katrin Beewerth (Koordinatorin im
Kinderhospiz Knigskinder): Nein,
der gehrt mir. Aber ich nehme ihn
momentan immer mit zur Arbeit. Er
hat eine Gehbehinderung und ist letz-
tens die Treppe runtergefallen. Mal
unter uns: Ich glaube, der hat nicht
mehr so lange.
Damit hat sich meine Frage erb-
rigt, ob es euch schwerfllt, ber
den Tod zu sprechen.
Katrin: (Lacht) In unserem Beruf
sollte man damit umgehen knnen.
Aber anders, als die meisten glauben,
dreht es sich hier nicht durchge-
hend um Tod, Abschied und Trauer.
Vielmehr wollen wir Hoffnung geben
und die Familien entlasten dazu
stehen meine Kollegin Maike und
ich mit ihnen in engem Kontakt: wir
telefonieren, fahren hin, besprechen
die momentane Situation und wie es
weitergehen soll.
Wie viele Kinder begleitet ihr gerade?
Maike Biermann (Koordinatorin im
Kinderhospiz Knigskinder): Derzeit
sind es zwanzig Familien. Es stehen
allerdings noch Anfragen im Raum.
Also nicht wenig zu tun
Maike: Bisher konnten wir es noch
immer irgendwie schaukeln. Momen-
tan haben wir knapp dreiig Mitar-
beiter, die meisten von ihnen sind
Ehrenamtliche.
Weil ich mit drei Frauen am Tisch
sitze, vermute ich, dass es mehr
weibliche Ehrenamtliche gibt als
mnnliche oder?
Maike: Richtig also falls du ein
paar Mnner kennst, die sich das
vorstellen knnten, wir suchen gerade
welche. Neue Mnner brauchen die
Knigskinder! (Lacht)
Was ist der Grund fr den Mnner-
mangel?
Katrin: Das ist schwierig zu sa-
gen. Vermutlich haben die meisten
schlichtweg keine Zeit du kannst
dir vorstellen, mit einem Vollzeitjob
gestaltet sich die Ausbung einer
ehrenamtlichen Ttigkeit schwierig.
Aber ein paar Mnner im Team wren
schn: Schlielich betreuen wir viele
Jungs und die wollen Fuballspielen,
raufen haben Lust auf Mnnerzeug!
DIE KNIGINNEN IM KINDERHOSPIZ
Bei unserer Arbeit
bekommen wir viel zurck.
- 35 -- 34 -
Situationen liegen in der Natur der Sa-
che. Aber dann spreche ich mit Katrin
und Maike und es legt sich alles.
Denkst du zuhause viel ber die
Kinder nach?
Nina: Ich erzhle fter von meiner
Arbeit, aber nicht, weil sie mich total
bedrckt oder mitnimmt. Aber das
ist vermutlich typabhngig jeder
verarbeitet die Dinge anders.
Du begleitest zwei Familien. Darf ich
da genauer nachfragen?
Nina: Klar, aber ich wei leider
gar nicht, wie viel ich erzhlen darf
Also ich begleite ein herzkrankes
Kind und eins mit einer Stoffwech-
- 35 -- 34 -
Verstndlich.
Maike: Von den Frauen her sind
wir breit aufgestellt: Wir haben Stu-
dentinnen, Mtter, aber auch Damen
im Rentenalter, die nach einer neuen
Aufgabe suchen. Aber uns fehlen
noch ein paar echte Kerle fr unsere
kleinen Kerle. (Lacht)
Katrin: Im Dezember wird ein der-
zeitiger Kursus Ehrenamtliche fertig
in dem ist brigens auch Nina. Sie
kann dir also aus erster Hand etwas
ber die zwei Familien erzhlen, die
sie betreut.
Nina, falls du mir die Frage er-
laubst: Wie alt bist du?
Nina Sautmann (Praktikantin im
Kinderhospiz Knigskinder): Ich wer-
de bald 23. Wieso?
Weil mich wundert, dass du in
deinem Alter in diesem Bereich
arbeiten mchtest.
Nina: Ich habe mich schon immer
fr die Arbeit mit Kindern interes-
siert, bin hier jedoch eher durch
meine Ttigkeit im Seniorenheim
reingerutscht. Doch du hast recht, die
meisten Ehrenamtlichen sind lter als
ich. Ich wrde gerade aber nirgendwo
anders helfen wollen: Bei unserer
Arbeit bekommen wir viel zurck.
Fllt sie dir denn nie schwer?
Nina: Doch, natrlich. Belastende
Die Koordinatorinnen koordinieren.
- 35 -- 34 -
selerkrankung, das dazu auch noch
blind ist. Mit diesem Kind bastele ich
deswegen viel und manchmal quat-
schen wir auch einfach nur. Mit dem
herzkranken Kind gehe ich oft auf
den Markt, wir kochen zusammen,
spielen Gesellschaftsspiele Immer
das, worauf das Kind gerade Lust hat.
Katrin: Einer unserer Jungs ist ein
echtes Energiebndel, dem es schwer-
fllt, wenn er nicht in den Kinder-
garten kann ihm fehlt der Trubel.
Der braucht dauernd Action. (Lacht)
Wenn die Ehrenamtliche kommt und
Zeit zum Toben hat, findet er das
natrlich toll.
Bringen viele der Freiwilligen von
sich aus mit, was diese Ttigkeit
verlangt?
Katrin: Prinzipiell ist jeder herzlich
willkommen, der helfen mchte
aber natrlich solltest du dich als
Ehrenamtlicher mit dem, was wir tun,
auseinandersetzen knnen.
Maike: Jeder, der sich hier enga-
giert, ist in irgendeiner Form selbst
betroffen das muss nicht unbedingt
ein jung verstorbenes Familienmit-
glied oder ein Freund sein, sondern
vielleicht auch einfach das Thema Ab-
schied. Das ist den meisten hufig gar
nicht bewusst, wenn sie herkommen.
Aber uns ist es sehr wichtig, da genau
hinzuschauen: Welche Menschen
mchten sich hier engagieren? Was
ist ihre Motivation? Nur so knnen
wir der Familie garantieren, dass der
Ehrenamtliche auch eine echte Unter-
sttzung ist. Viele haben sich im Vor-
feld noch gar nicht so sehr mit dem
Tod auseinandergesetzt, deswegen
sind die Kurse ungemein wichtig.
Wie lange dauert so ein Kurs?
Nina: Nach zirka einem Dreiviertel-
jahr bekommst du dein Zertifikat.
Maike: Dabei liegt unser Fokus
auch auf der Selbstreflexion: Wie
stehe ich zu den Themen Sterben,
Tod, Trauer? Damit mssen sich die
Ehrenamtlichen natrlich auseinan-
dersetzen, bevor der Kontakt mit der
Familie hergestellt wird.
Betreut ihr auch Suglinge?
Maike: Ja. Offiziell knnen wir alle
Kinder und Jugendlichen betreuen, deren
lebensverkrzende Krankheit vor ihrem
18. Geburtstag diagnostiziert wurde.
Lebensverkrzend ist bei den
meisten Kindern denn abzusehen,
wie alt sie werden?
Maike: Nein, nicht unbedingt.
- 35 -- 34 -
Es kann also sein, dass ihr anfangt,
einen Dreijhrigen zu betreuen
und der wird ber dreiig?
Katrin: Natrlich. Lebensverkr-
zend bedeutet, dass nicht mit einer
solch langen Lebenszeit gerechnet
werden kann, wie bei dir und mir. Da
liegt ein entscheidender Unterschied
zu Erwachsenenhospizen. Da geht
es meistens um die finale Phase. Wir
hingegen knnen die Familien ab der
Diagnose begleiten bis zum Tod des
Kindes und auch darber hinaus.
Maike: Unsere Begleitungen dauern
teilweise mehrere Jahre und manch-
mal ndert sich die Situation der
Familie dahingehend, dass wir uns
zurckziehen knnen. Zumindest fr
eine Zeit.
Insofern verbessert, dass ein Kind
genest?
Katrin: Das kommt selten vor.
Allerdings hatten wir schon mal eine
Familie, deren Kind sich wieder so
gut fhlte, dass sie gesagt haben, sie
bruchten erstmal keine Begleitung
mehr. Wir vergleichen es oft mit einer
Wellenbewegung: Mal hat das Kind eine
schwere Erkltung, was in solchen Fl-
len natrlich schnell lebensgefhrlich
werden kann, und die Mglichkeit des
Todes steht pltzlich im Raum aber
genauso kann es sich wieder erholen
und es folgt eine sehr stabile Phase.
Eine Begleitung ist kostenlos?
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Maike: Genau. Das ist natrlich auch enorm wichtig.
Ihr sagt, ihr begleitet die ganze Familie. Steht das er-
krankte Kind also gar nicht immer im Fokus?
Nina: Ich finde, es kommt immer darauf an, was die Fa-
milie gerade braucht. In den Familien, die ich betreue, bin
ich zwar tatschlich in erster Linie fr das erkrankte Kind
zustndig aber wenn die Mama mal Gesprchsbedarf hat
oder das Geschwisterkind spielen mchte, mache ich das
natrlich auch.
Maike: Gerade die Geschwisterkinder spielen in der Be-
gleitung eine entscheidende Rolle, denn die Eltern mssen
sich eben besonders um das erkrankte Kind kmmern.
Meist sind es alltgliche Dinge Fuballtraining, Schwim-
mengehen oder mal auf den Spielplatz. Wir schauen ganz
individuell, wie wir helfen knnen.
Katrin: Das betrifft auch die Eltern: Die Mama soll Zeit
haben, um mal wieder zum Friseur zu gehen oder mit
einer Freundin Kaffee zu trinken. Wir bieten hier auch
Geschwister- und Vtergruppen an. Und eine Muttergrup-
pe ist in Planung viermal im Jahr treffen sich hier alle
gemeinsam, es findet viel Austausch statt, die Familien
knpfen untereinander Kontakte und geben sich Halt.
Findet dieser Austausch auch unter den Ehrenamtlichen
statt? Ich sehe, ihr nickt schon
Maike: Das ist natrlich unerlsslich. Auch unsere
Betreuer sollen sich gut begleitet fhlen. Wir treffen uns
regelmig, auerdem haben wir einen 24-Stunden-Ruf-
dienst eingerichtet
Katrin und du?
Maike: Ja. Sollte etwas sein, ist eine von uns beiden
immer erreichbar sowohl fr die Familien als auch die
Betreuer.
Respekt, dass ihr beiden so fit vor mir sitzt!
Katrin: Das ist alles nur Fassade! (Lacht) Nein, so
schlimm ist es nicht. In erster Linie geben wir den Leuten
damit Sicherheit.
Maike: Es ist ja auch nicht so, dass permanent unser
Telefon klingelt.
Natrlich flieen auch mal Trnen aber wir
lachen mindestens genauso viel.
- 37 -
Trotzdem: Allein schon die Tatsa-
che, dass ihr stndig auf Abruf steht,
imponiert mir.
Maike: Oh, danke sehr. Aber wir
kennen unsere Familien und Eh-
renamtlichen so gut, dass uns die
Mglichkeit eines nchtlichen Anrufs
nicht sonderlich beunruhigt.
Womit wir wieder bei der ntigen
Mentalitt wren: Habt ihr beiden
auch mal Begleitungen gemacht?
Katrin: Ich habe frher bei einem
anderen ambulanten Hospizdienst
gearbeitet, und da auch Sterbende
begleitet aber dazu fehlt Maike und
mir jetzt schlicht die Zeit. Eine der we-
nigen Bedingungen, die wir an unsere
Ehrenamtlichen stellen, lautet, dass sie
mindestens vier bis fnf Stunden in der
Woche fr die Familie da sein knnen.
Viele Familien whlen ein ambu-
lantes Hospiz, damit die Kinder in
ihrem gewohnten Umfeld bleiben,
was ich verstehen kann. Was spricht
fr ein stationres Hospiz?
Katrin: Ich glaube, das Bild eines
stationren Kinderhospizes ist in den
Kpfen der meisten Leute ein vllig
falsches auch das ist nicht blo ein
Ort zum Sterben. Jeder Familie stehen
beispielsweise vier Wochen pro Jahr
in einem stationren Kinderhospiz
zu.
Ach, die ganze Familie geht dann
ins Hospiz?
Katrin: Ja, es gibt dort Angebote
fr die Geschwister, Gesprche mit
den Eltern, eine Einzelbetreuung fr
das erkrankte Kind Die Familie soll
sich erholen knnen. Ambulante und
stationre Kinderhospize ergnzen
sich. Manche Eltern entscheiden sich
sogar dazu, ins stationre Hospiz zu
gehen, wenn sie glauben, es sei bald
so weit.
Nein, das ist kein Therapiehund.
- 39 -- 38 -
Gibt es in Deutschland gengend
ambulante Kinderhospizdienste?
Maike: Leider noch nicht. Viele
Eltern mchten eben das Gegenteil
von dem, was Katrin gerade gesagt
hat: Ihr Kind soll bei ihnen zuhause
sterben und in manchen Gegenden
ist das nicht mglich, weil es keine
ambulanten Kinderhospize gibt.
Katrin: Mir fllt gerade noch etwas
zu den zwei Kindern ein, die Nina
betreut: Sie sind geistig nicht son-
derlich eingeschrnkt und du kannst
dich mit ihnen unterhalten das ist
nicht die Regel. Ein Groteil unserer
Kinder ist schwerstmehrfachbehin-
dert. In diesen Fllen nehmen unsere
Begleiter Kontakt auf, indem sie mit
den Kindern Musik hren oder an die
frische Luft gehen.
Maike: Beim Thema ambulantes
Kinderhospiz, denken die meisten
Leute direkt an krebskranke Kinder.
Verstndlich, denn diese Bilder sind
beispielsweise durch Spendenaktio-
nen sehr oft prsent. Aber das ist nur
ein kleiner Teil.
Alle lcheln Katrin, Maike, Nina ... die Schnecke und die Raupe.
- 39 -
INFO KINDERHOSPIZ KNIGSKINDER
ist ein ambulanter Hospizdienst. Das
bedeutet, die Ehrenamtlichen gehen zu den
schwerst- und lebensverkrzend erkrank-
ten Kindern nach Hause und betreuen sie
dort. Der Verein finanziert sich grten-
teils durch Spenden und ich habe nicht nur
versprochen, die Bank- und Spendenkonten
unter dem Interview anzugeben, sondern
auch selbst Geld zu berweisen beide
Versprechen habe ich gerne erfllt.
Sparkasse Mnsterland Ost
IBAN DE44 4005 0150 0000 4644 79
SWIFT WELADED1MST
Volksbank Mnster
IBAN DE67 4016 0050 0007 7331 00
SWIFT GENODEM1MSC
kinderhospiz-koenigskinder.de
Ihr sagtet gerade, ihr betreut
Familien auch noch nach dem Tod
des Kindes wie sieht eine solche
Frsorge aus?
Katrin: Prinzipiell bricht unsere
Betreuung natrlich nicht mit dem
Tod des Kindes ab gerade weil wir
auch fr die Geschwisterkinder da
sind. Und natrlich drfen diese
gern weiterhin an der Geschwis-
tergruppe teilnehmen. Nach dem
Tod des Kindes verabschieden sich
gengend Leute, die die Familie sehr
lange um sich hatte: der Pflege-
dienst, die Therapeuten sie alle
kommen nicht mehr. Deswegen
schauen wir ganz behutsam, was
die Familie noch bentigt. Aber das
eigentliche Ziel ist natrlich, dass
die Familie uns ber kurz oder lang
gar nicht mehr braucht und zurck
ins Leben findet.
Was wrdet ihr denjenigen raten, die als
Ehrenamtliche hier anfangen mchten?
Katrin: Nicht zu skeptisch zu sein
manche haben zu Beginn etwas Angst,
aber das legt sich bei den meisten
recht schnell. Vielen unserer Ehren-
amtlichen hilft die Intensitt, mit der
wir hier arbeiten. Das fngt ja schon
im Kursus an. Die Gruppe kommt sich
uerst schnell sehr nahe. Natrlich
flieen da auch mal Trnen aber wir
lachen mindestens genauso viel.
Maike: Das ist es, was unsere
Arbeit ausmacht: Trnen und Freude
liegen unendlich nah beieinander.
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Trnen und Freude liegen
unendlich nah beieinander.
- 41 -
Tom und Rdiger sprechen ber die Langsamkeit des Seins.
Die Entdeckung der Langsamkeit ist nicht Rdiger Hoffmann gelungen, sondern ist ein Roman des Autors Sten
Nadolny von 1983. Es geht um den Kapitn und Polarforscher John Franklin, der wegen seiner Langsamkeit erheb-
liche Probleme hatte, in der schnelllebigen Welt seiner Zeit zurechtzukommen. Aber gerade diese Langsamkeit und
die daraus resultierende Beharrlichkeit machten ihn letztendlich zum groen Entdecker.
Liest man den Roman, hat man nicht selten das Gefhl, dass Rdiger Hoffman Pate fr das Werk gestanden htte.
Warum auch nicht. Schlielich ist er der Erfinder der Langsamkeit; The King Of Slowness.Foto
s: P
ress
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DIE LEICHTIGKEIT DER LANGSAMKEIT
- 41 -
Aprikosenmarmelade. Was erwartet
die Massen, die in die Halle Mns-
terland strmen werden, bei einem
solchen Namen?
Es erwartet sie ein Lied.
Ein Lied?
Jawohl. Aprikosenmarmelade ist
ein Lied.
Ein Lied zu welchem Zweck?
Es ist sozusagen die Hilfestellung
zu einem Psychogramm.
Also ist es der Versuch einer Persn-
lichkeitsbeschreibung anhand aller
erfassbaren Daten?
Richtig. Ich lasse Mnner gegen
Frauen singen. Ein Battle, wenn man
so will. Und anhand der Lautstrke
werde ich feststellen, wer zuhause die
Hosen an hat.
Deine Fhigkeiten als Psychologe
sind ja bekannt. Olaf und Birte
kommen schlielich regelmig in
den Genuss.
Ja, auch diesmal und es nimmt
einen dram