“Speed kills“ – Gedanken zur Klimaforschung
Hans Puxbaum Technische Universität Wien
Wien, 16. Dezember 2010
Camillo Sitte SymposiumWien
These 1:
Die derzeit stattfindende Erwärmung ist
geringer, als in den Modellen prognostiziert.
Wichtige Einflussfaktoren wurden nicht
berücksichtigt.
Globale Temperaturentwicklung 1850-2008
Quelle: UK MetOffice
Auer et al., 2007 „HISTALP“ Temperaturtrends im Alpenraum
im Vergleich zu „Globalem Mittel“ (CRU)
Annual regional mean temperature series in the Alps plus global mean (deviations in K from20th century mean) smoothed with a 30yrs Gaussian low pass filter
Globale Temperaturentwicklung (grau und türkis), in orange Trend der letzten 10 Jahre) Quelle: J. KNIGHT ET AL., BULL. AMER. METEOR. SOC., 90 (SUPPL.), S22--S23 (AUGUST 2009)
Die Globale Temperatur ist seit dem „Super-El Nino“ von 1998
nicht weiter angestiegen (Daten des UEA Climate Research Center)
Feine Kurven: Prognosewerte von 24 Modellen; gelbe starke Kurve: Mittelwert der Modelle; rote und blaue starke Kurve: Beobachtete Globale mittlere Temperatur (GISS und HadCrut3). Quelle: L. Liljegren, University of Colorado at Boulder, CIRES
These 2:
Die Entwicklung der Treibhausgasemissionen
wird derzeit vor allem durch das
Bevölkerungswachstum verbunden mit der
Industrialisierung der wachsenden Nationen
verursacht.
Westeuropa
Nordamerika
Asien
0,7 Milliarden 17506,7 Milliarden 200810 Milliarden 2050
Entwicklung der Weltbevölkerung
Auswirkung der gesellschaftlichen Entwicklungauf die Bevölkerungsentwicklung
CO2 - EMISSIONEN 1995-2008
LAND MIO t 1995
MIO t 2008
t PRO
KOPF % ZUWACHS PRO DEKADE
USA 5110 5830 19 11
VR CHINA 2960 6530 3→5 93
RUSSLAND 1600 1730 12 6
J APAN 1100 1210 10 8
BRD 860 830 10 -3
INDIEN 840 1500 1 60
BRASILIEN 230 430 2 67
INDONESIEN 200 430 1→2 88
ÖSTERREICH 80 86 8 5
Quellen: Wikipedia.de Liste der größten Kohlendioxidemittenten; UBA Wien
Verlauf der österreichischen THG-Emissionen im Vergleich zum Kyoto-Ziel unter Berücksichtigung der flexiblen Mechanismen sowie der Bilanz aus Neubewaldung und Entwaldung entsprechend der Klimastrategie 2007.
These 3:
Bei der Implementierung der Maßnahmen zur
Erreichung der Klimaziele wurden in der EU
aufgrund vorschneller Überlegungen falsche
Entscheidungen getroffen.
Integrierte Klima- und Energiestrategie der EU
• EU Reduktionsziele für Treibhausgase:
20% (30%) in der EU bis 2020 bezogen auf 1990
• Energieziele bis 2020:
- Biotreibstoffe: 10% Anteil am Treibstoffverbrauch bis 2020 1.Gen.: Rohstoffe Raps, Palmöl, Mais, Weizen
- Energieeffizienz: 20% Verbrauchssenkung bis 2020 (bezogen auf 2020) Zielgruppen: Bauwerke, Kraftfahrzeuge, Leuchten
- Erneuerbare Energie: 20% Anteil am Energieverbrauch 2020 Wind, Geothermie, Sonnenenergie (PV, CSP), Wasserkraft (Hydro, Wellen, Gezeiten), Bio-Brennstoffe (Holz, Energiepflanzen, Abfall, Biogas)
Biotreibstoffe
• 1. Generation: Bio-Ethanol Bio-Diesel
• 2. Generation: Bio-Gas (Bio-Methan)
• 3. Generation:Treibstoff aus Algen - Biotechnologie
• 4. Generation:Thermische Verflüssigung vonpflanzlichen oder tierischen
Abfallstoffen
Erkenntnisse am Bio-Treibstoff Sektor
• Annahmen um 1990: Fossile CO2-Ersparnis 65-90%
Bioethanol ersetzt zu 65%, Biodiesel zu 90% fossile CO2-Emissionen bei Treibstoff
• Erkenntnis 2008: Fossile CO2-Ersparnis 20-50%
Der Düngemittleinsatz bewirkt eine Emission von Lachgas (N2O) aus denBöden. Lachgas hat die 300-fache Treibhauswirksamkeit von CO2 (Crutzen et al. 2008).Die Einsparung an fossilem CO2 verringert sich bei Mais-Ethanol auf 20%, im günstigsten Fall bei Biodiesel aus Ölen auf 50% (Barnett 2010).
• Erkenntnis 2010: 1,5-2x höhere Emission als bei fossilen Treibstoffen
Die Änderung der Landnutzung (Waldrodung, Aufgabe von Wiesen und Weiden) bewirkt eine zusätzliche CO2 Freisetzung im Ausmaß der fossilen CO2 Emission bei konventionellen Treibstoffen. Dadurch werden bei Mais-Ethanol insgesamt die 1,9 fache Menge, bei Ethanol aus hohen Graspflanzen (Prairiegras) die 1,5 fache Menge and nicht nachhaltigem CO2 freigesetzt, als bei konventionellem Benzin (Searchinger et al. 2010).
• Fazit: Biotreibstoffe der ersten Generation sind nicht nachhaltig
Vergleich der Emissionen von nicht nachhaltigem CO2
0 50 100 150 200
Bio-Diesel
Bio-Ethanol
Bio-Diesel
Bio-Ethanol
Bio-Diesel
Bio-Ethanol
Diesel
Benzin
Relative CO2-Emission
Fossiler Treibstoff
Bio-Treibstoff incl. Produktionsanteile undLandnutzungsauswirkung
Bio-Treibstoff incl. Produktionsanteile
Bio-Treibstoffohne Produktionsanteile
Quelle: Searchinger T et al., Science 319, 2010; Barnett MO, ES&T 44, 2010
Probleme aufgrund der Bio-Treibstoffe
• Flächenbedarf:
40% der Landfläche für Nahrungsgewinnung –neue Anbauflächen müssen erschlossen werden
• Bevölkerungszuwachs: Nahrungs- und Energiebedarf
Rodungen von Wald-, Wiesen- und Weidenflächen1 L Biotreibstoff entspricht der Tagesdiät einer mittleren Familie
• Preisentwicklung:
Steigende Preise aufgrund der Verknappung der Anbauflächen – verbunden mit Vorteilen und Nachteilen,Einfluss von Ernteausfällen: AGFLATION
• Böden/Wasser:
Naturnahe Böden werden in landwirtschaftliche Flächen(Dünger!) umgewandelt, die Anbauflächen weisen i.A. einen erhöhten Wasserbedarf auf
• Fazit: Die Produktion von Bio-Treibstoffen der ersten Generation ist nicht nachhaltig. Biotreibstoffe sollten nur aus Abfällen oder von auf unproduktiven Flächen gezüchteter Biomasse hergestellt werden
Bio-Brennstoffe
• Holz / Hackschnitzel / Holzpellets
• Stroh, Hohe Gräser (Miscanthus, Präriegras) ? Pellets
• Energiekorn (Getreide)
• Ethanol
PM2.5 Feinstaubemission in Österreich 2006 / 22.700t
Kleinverbrauch44%
Industrie19%
Verkehr25%
Landwirtschaft5%
Sonstige2% Energieversorgung
5%
Quelle: Umweltbundesamt 2008, BUNDESLÄNDER LUFTSCHADSTOFFINVENTUR 1990–2006; Rep 176
Davon 90% durchBiomasseverbrennung:
Holz Hackschnitzel Pellets
Kohle38.290
Fernwärme 804.000
Holz, Hackschnitzel,
Pellets; 681.620
Erdgas 1.001.030
Heizöl, Flüssiggas 865.330
Strom; 84.730
Heizöl, Flüssiggas0%
Fernwärme0%
Erdgas0%
Strom0%
Kohle7%
Holz, Hackschnitzel,
Pellets 93%
Energie für Raumwärme
PM2.5 Feinstaubemissionender Haushalte in Österreich nach Energieträgern
Energie für Raumwärme
Zahl der Haushaltein Österreich nachEnergieträgern
„Holzkessel-Förderaktion“: 400/800 € Zuschuss„Betriebliche Umweltförderung im Inland“: uA Biomasse-Einzelanlagen
PM2.5 Emissionen von 400.000 geplanten zusätzlichen Wohneinheiten mit Biomasseheizung
in Österreich
1,6 16
4160
1280
320
0
1000
2000
3000
4000
5000
Gas Heizöl EL Holz Manuell Hackschnitzel Pellets
PM
2.5
t/Jah
r .
Raumwärme gesamt 200744% d. PM2.5
9840 t3,6 Mio Haushalte/0,7 Mio mit Biomasse
Zusammenfassung
• Das Klima ändert sich langsamer als in Modellen prognostiziert
• Die Treibhausgas-Emission ist an das Bevölkerungswachstum und die Industrialisierung der Entwicklungsländer gekoppelt
• Die globale Verwendung von Nahrungsmittel-Biomasse zur Bio-Treibstoffgewinnung war eine Fehlentscheidung(keine Einsparung an von CO2 – Emissionen)
• Der unkontrollierte Ersatz von Gas und Heizöl durch Holz bei Kleinanlagen im Haushaltsbereich führt zu einer starken Erhöhung der Feinstaubbelastung
• „Speed kills“: Vorschnelle Entscheidungen führen zu unerwarteten Umweltbelastungen
D. Tilman et al.: Science 17 July 2009: Vol. 325. pp. 270 – 271
Policy Forum Energy:
Beneficial Biofuels —The Food, Energy, and Environment Trilemma
„Dramatic improvements in policy and technology are needed to reconfigure agriculture and land use to gracefully meet global demand for both food and biofuel feedstocks.“