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J K U L i n z , M a s t e r s t u d i u m p o l i t i s c h e B i l d u n g
„Es war sehr schön,
es hat mich sehr
gefreut!“ D i e P e r s o n K a i s e r F r a n z J o s e f u n d s e i n e A u s w i r k u n g e n a u f d i e
ö s t e r r e i c h i s c h e I d e n t i t ä t .
Christian Hartl, Matrikelnummer 032702013.02.2011
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung Seite 3
2. Forschungsfragen Seite 5
3. Biografie von Kaiser Franz Josef Seite 5
4. Kaiser Franz Josef und die österreichische Identität Seite 8
4.1. Kennzeichen der österreichischen Identität Seite 10
4.1.1. Opferrolle Seite 10
4.1.2. Selbstüberschätzung Seite 10
4.1.3. Angst vor Verlust kultureller Identität Seite 11
4.1.4. Asyl-Land wider Willen Seite 12
4.1.5. Antikommunistische Stereotypen Seite 13
4.1.6. Abgrenzung zu Deutschland/Osteuropa Seite 13
4.1.7. Verehrung eines kulturellen Erbes Seite 14
5. Die Rolle des Kaiser Franz Josef in der österreichischen Identität Seite 155.1. Kaiser Franz Josef im Schulunterricht Seite 16
5.2. Kaiser Franz Josef und der österreichische Tourismus Seite 17
5.2.1. Das österreichische Tourismuskonzept Seite 17
5.3. Kaiser Franz Josef und der kommerzielle Faktor Seite 18
5.4. Kaiser Franz Josef und die österreichische Kulturpolitik Seite 20
6. Interpretation Seite 21
7. Bibliografie Seite 23
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1. Einleitung
Zuerst der Genuss eines
Kaiserschmarrns in einemAltwiener Schanigarten. Danach
eine nostalgische Fiakerfahrt
durch Schönbrunn. Am späten
Nachmittag gibt es dann ein
Rindsgulasch mit Kaisersemmel.
Dazu ein gepflegtes Seiterl Bier.
Am kommenden Tag steht einAusflug nach Bad Ischl am Plan.
Bei Kaiserwetter versteht sich.
Abfahrt ist um 7 Uhr morgens am
Franz-Josefs-Bahnhof. Nach der
Besichtigung der Kaiservilla, einer
obligaten Sachertorte mit Melange
in der örtlichen königlich
kaiserlichen Hofbäckerei geht’s in
die Kaisertherme zum Wellness-Nachmittag. Abends steht der Besuch einer
Operette im Lehar-Theater an.
Was sich hier anhört wie ein Auszug aus einem Österreich-Reiseführer für
ausländische Touristen, soll die Auratisierung der Kaiserzeit in der heimischen
Tourismusindustrie aber auch in unserer Gesellschaft plakativ machen.
Gerade der väterlich dargestellte Kaiser Franz Josef mit Backenbart und
Militäruniform gilt neben seiner Gattin Elisabeth (Sisi) und Musikgenie
Wolfgang Amadeus Mozart zu den Aushängepersönlichkeiten der
Österreicher. Zumindest das Fremdbild der Alpenrepublik und die daran
anhängenden Klischees von der verklärten, einstig so mächtigen
Vielvölkermonarchie werden diese drei Personen immer wieder verwendet,
um die kulturelle Größe Republik in der Mitte Europas zu demonstrieren.
Festlichkeiten wie der Opernball, die Operettenfestspiele mit dem
dazugehörigen Kaiserfest in Bad Ischl oder der vorweihnachtliche Sissi-
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Marathon in deutschsprachigen TV-Kanälen unterstreichen die Identifikation
der österreichischen Gesellschaft mit der Person des Kaiser Franz Josef.
Trotz des politischen Bekenntnis zur Republik und der Ausrufung
Habsburgergesetze ist das gezeichnete Bild vom väterlichen Patriachen und
obersten Beamten ein Abbild davon, wie sich die Österreicher gerne selber
sehen: Großherzig, in gewisser Weise weltoffen, tolerant und stolz auf die
heimische Landschaft.
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2. Forschungsfragen
Diese Arbeit soll dem Leben und Werken von Kaiser Franz Josef auf die Spur gehen.
Wie wird der Monarch in Schule und Tourismus dargestellt? Will man hier das Bild
eines „Habsburger-Disneyland“ verfestigen? Entspricht dieses Bild den tatsächlichen
Aufzeichnungen über die 68-jährige Regentschaft des Kaisers und warum gilt er und
die Familie Habsburg knapp 92 Jahre nach der Ausrufung der ersten Republik noch
immer als starke Säule der österreichischen Identitätsbildung. Wie gehen andere
Länder der ehemaligen Habsburgermonarchie mit dem Phänomen Kaiser Franz
Josef um?
3. Kurzbiografie von Kaiser Franz Josef
Kaiser Franz Josef von Habsburg wurde am 18. August 1830 als Sohn von
Erzherzog Franz Karl und Prinzessin Sophie von Bayern geboren. Der Kaiser, der
mit vollem Namen eigentlich Franz Josef Karl hieß regierte 68 Jahre lang und nahm
die Donaumonarchie an seinem Tod, am 21. November 1916 nahezu mit ins Grab.
(vgl. Herre 1978: 27) Dazwischen hielt der wohl bekannteste Kaiser desHabsburgerreiches die schwarz-gelbe Fahne der Donaumonarchie und den durch
die Sonderstellung Ungarns entwachsenen Doppeladler hoch. Jedenfalls: Nahezu
genauso turbulent wie das Ende verlief auch der Beginn seiner Regentschaft, die
geschichtlich in die Zeit der bürgerlichen Revolution von 1848 fiel. Ganz Europa war
in dieser Zeit von Machtumwälzungen hin zu konstitutionellen Monarchien geprägt.
Franz Josef war gerade 18 Jahre als er am 2. Dezember 1848 den Kaiserthron
erklamm. (vgl. Herre 1978: 79) Schon Monate davor versuchte das Volk,demokratische Rechte für sich zu beanspruchen. Der junge Kaiser Franz Josef, der
sich mit Beratern wie Feldmarschall Radetzky, Banus Jelacic‘ oder Fürst Alfred
Windisch-Graetz umgab und auch den Einflüssen seiner Mutter Sophie nicht fern
war, vertrat ein antirevolutionäres und reaktionäres Gedankengut. Er war streng
christlich erzogen und glaubte demgemäß an das gottgegebene Recht, als Kaiser für
sein Land da zu sein. Konstitutionalismus lehnte der junge Franz Josef ab. Eine
bekannte Parole dieser Zeit war WIR – zusammengesetzt aus den
Anfangsbuchstaben dieser drei Berater. (vgl. ebenda: 9-81) Sie versuchten das alte
Österreich für den Kaiser wieder zurückzuerobern. Der Wahlspruch des Kaisers:
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„Viribus unitis“, was so viel bedeutete, wie mit vereinten Kräften. Obwohl Franz Josef
am 4. März 1849 schließlich eine dem Volke auferlegte Verfassung mit liberal-
demokratischen Passagen absegnete, trat diese nie in Kraft. Die versprochenen
Parlamente wurden nicht gewählt, gewisse Grundrechte galten nicht für Magyaren
und Italiener oder wurden teilweise eingeschränkt. Gewisse Rechte wie die
Gleichberechtigung aller Staatsbürger vor dem Gesetz konnten aber nicht mehr
rückgängig gemacht werden. Ab 20. August 1951 wurden die gegebenen Rechte
schrittweise zurückgenommen. Ein endgültiges Aus bewirkten die am 31. Dezember
1851 verordneten Silvester Patente. Damit wurde die Verfassung aufgehoben und
der Absolutismus wieder hergestellt. Es war aber kein Aufguss der alten Monarchie
vor der bürgerlichen Revolution. (vgl. Herre 1978: 99-103) „Der Neo-Absolutismus
war mehr antidemokratisch als antiliberal, reaktionär doch nicht ausgesprochen
feudalistisch, jedenfalls antiföderalistisch und zentralistisch, ein auf das
mittelalterliche Gottesgnadentum gegründeter Eratismus.“ (Herre 1978: 104) Diese
Veränderung führte dazu, dass sich der Kaiser selber zum verantwortlichen
Herrscher machte. (vgl. ebenda) Erst militärische Niederlagen wie jene gegen
Napoleon III oder jene in Solferino und Magenta sorgten dafür, dass Kaiser Franz
Josef in den Jahren 1860 und 1861 zu konstitutionellen Verhältnissen zurückkehren
musste. Diese sogenannten Februarpatente sicherten „einen Reichsrat, fast schon
ein Parlament, Zweikammersystem ein Herrenhaus (mit erblichen und vom
Monarchen berufenen Mitglieder). Die Wahlordnung sicherte dem „deutsch-
freisinnigen“ Bürgertum eine ausschlaggebende Position.“ (Herre 1978: 170)
Neuerliche militärische Niederlagen wie jene gegen die Preußen im Jahr 1866 in
Königgrätz brachten Kaiser Franz Josef dazu, auch den Ungarn gewisse Rechte
zuzugestehen. Es kam zum österreichisch-ungarischen Ausgleich, den der Kaiser mit
dem Wortführer der Magyaren Franz Deak aushandelte. Er sah vor, den Ungarn einparlamentarisch verantwortliches Ministerium zubilligen zu wollen. Er ernannte Julius
Andrassy zum ungarischen Ministerpräsidenten und wurde selber am 8. Juli 1867
zum ungarischen König gekrönt. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung k.u.k,
was so viel wie königlich kaiserlich bedeutet. Was daraus folgte war die
Dezemberverfassung von 1867, die staatsbürgerliche Grundrechte garantierte. Die
vollziehende Macht blieb in der Hand des Kaisers. (ebenda: S. 224-231) An dieser
Verfassung hielt der Kaiser bis zu seinem Tod fest.
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4. Kaiser Franz Josef und die österreichische Identität
Wie bei allen Nationen und deren Bewohnern der Fall, beanspruchen auch die
Österreicher eine eigene Identität. In der Einleitung wurde schon erwähnt,dass sich
vor allem Kaiser Franz Josef und die Dynastie der Habsburger zu einer tragenden
Säule der österreichischen Identität entwickelt haben. Wie funktioniert aber die
Bildung einer solchen Identität?
Salopp gesagt kann behauptet werden, dass sich jede/r österreichische
StaatsbürgerIn zu allen anderen Individuen, die innerhalb dieses Territorialgebietes
leben und auch den Status des Staatsbürgers besitzen, irgendwie zugehörig fühlen.
Dieses Gefühl geht aber nicht alleine auf äußere Zugehörigkeitsmerkmale wie dasSprechen einer gemeinsamen Sprache oder das Besitzen eines Reisedokumentes
zurück. Dieses Gefühl mit anderen Personen was gemeinsam zu haben, nennt
Aleida Assmann das „kollektive Gedächtnis“: Es beschreibt im weitesten Sinne die
Verbindung des „Ich“ mit sogenannten „Wir“-Gruppen, die sich reflexiv beeinflussen.
Dieser Vorgang läuft so ab, dass sich gemeinsame Erinnerungen durch ihren
emotionalen Gehalt festigen und durch Erzählungen, Gesprächen, Tradierunen usw.
längerfristig in der „Wir“-Gruppe (Nation) erhalten bleibt. (vgl. Assmann (keine
Jahreszahl: 1f, www.bpb.de/files/0FW1JZ.pdf ) Während sich das soziale Gedächtnis
einer kleineren Gruppe mit dem Tod der Träger auflöst, bleibt das kollektive
Gedächtnis bestehen:
Das kollektive Gedächtnis vereinfacht; es sieht die Ereignisse aus einereinzigen, interessierten Perspektive; duldet keine Mehrdeutigkeit, reduziert dieEreignisse auf mythische Archetypen. (…) im kollektive Gedächtnis werden
mentale Bilder zu Ikonen und Erzählungen zu Mythen, deren wichtigsteEigenschaft ihre Überzeugungskraft und affektive Wirkmacht ist. (ebenda: 2)
Erinnerungen, Ereignisse usw., die in dieses kollektive Gedächtnis aufgenommen
werden, können in weiterer Folge in das kulturelle Gedächtnis einer Nation oder
anderen „Wir“-Gruppe gelangen. Das geschieht durch die Zwischenschaltung von
Institutionen wie Bibliotheken, Museen, Archiven oder spezialisierte Berufsfelder wie
Kuratoren, Bibliothekare und Historiker. (vgl. ebenda:3)
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Was aber unterscheidet einen Österreicher beispielsweise von einem Franzosen?
Neben der Sprache und dem anderen Reisepass sind es vor allem Erinnerungen und
daraus folgende kulturelle Ableitungen aus dem kollektiven und kulturellen
Gedächtnis die mit politischen Mythen gepaart, eine nationale Identität ausmachen.
Diese Mythen erfüllen Funktionen, die auf politische Legitimation abzielen. (nach
Wegan 2005: 20)
• Eine Orientierungshilfe für die Identität einer Nation bieten
• Der Vergangenheit Sinn verleihen
• Versinnbildlichen der Einheit politischer Gemeinwesen
• Reduzieren der komplexen Sachverhalte auf einfache Erklärungsmuster
Die kulturelle Identität einer Nation kann – wie der Kommunikationswissenschaftler
Kurt Luger weiter ausformuliert – ihre Wirkung nach innen und nach außen
ausstrahlen: Nach innen wirkt die kulturelle Identität als Identifikation
beziehungsweise Verbindung mit einer Bezugsgruppe durch den Austausch eines
gemeinsamen Symbolvorrats, einen Bedeutungszusammenhang sowie gleiche
vorher vereinbarte Normen und Werte einer „Wir“-Gruppe. Die Wirkung nach außen
hat die Funktion eines Vergleichs mit anderen Gruppen, um Unterschiede
beziehungsweise Gemeinsamkeiten festzustellen. (vgl. Luger 1998:6) Auf dem Punkt
gebracht definiert Luger Diskussionen über die österreichische Identität
folgendermaßen: „Diskurse über das österreichische sind gewissermaßen die Fäden,
die die Bürger an die Vergangenheit binden“ (Luger 118:6) Als Beispiele dafür nennt
er Diskurse über Ursprünge, Kontinuität oder die Zeitlosigkeit zivilisatorischer
Erfindungen. (vgl. ebenda)
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4.1. Kennzeichen der österreichischen Identität
Im Fall der österreichischen Identität spricht die Wissenschaft von einigen
dominierenden Komponenten, welche die das Wesen der „gelernten“ Staatsbürger
maßgeblich beeinflussen.
4.1.1. Das erste Opfer der Nationalsozialisten
Das sind zum einem die Rolle der Nation im zweiten Weltkrieg, welche Österreich
zum ersten Opfer des Nationalsozialismus machten. Nach der Befreiung durch die
Alleierten stand keineswegs die eigene Verantwortung und Mitwirkung an Holocaust
und Krieg im Zentrum gesellschaftlicher Debatten, sondern die Situation als Opfer,
als Kriegsgefangene, Bombenopfer und Verfolgte vom NS-Regime. (vgl. Rathkolb
2005: 20) Obwohl es bewiesen war, dass es tatsächlich viele Opfer gab – man denke
an die 50.000 Verhaftungen gleich nach dem Einmarsch der deutschen Truppen –
war der Jubel am Heldenplatz und die 99,6 prozentige Zustimmung bei der
Volksabstimmung als „Ergebnis von Opportunismus, ideologischer Überzeugung,
massiven Druck und perfekter Propaganda sowie punktuellen Wahlfälschungen“
dargestellt. Die selbstkonstruierte Sonderrolle als „bessere deutsche Kulturnation“
wurde vom NS-Regime negiert und der in der ersten Republik aufgekommene
Anschlussgedanke wurde umgedeutet. (Rathkolb 2005: 20) Auch der Konflikt um die
Bundeshymmne nach dem zweiten Weltkrieg – Hitler und die NS-Regierung
okkupierte nach dem Anschluss die Kaiserhymmne von Josef Haydn – wurde im
Opfermythos gerne verwendet. (vgl. Rathkolb 2005: 39) Die Opferrolle Österreichs
wurde erst mit der Kandidatur von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten national
und international brüchig. (vgl. Luger 1998: 7) Waldheim war höherrangiges Mitglied
der SA und für diverse Menschenrechtsverbrechen verantwortlich.
4.1.2. Selbstüberschätzung der Bevölkerung
Ein weiterer Baustein der österreichischen Identität ist laut Rathkolb eine gewisse
Selbstüberschätzung der Österreicher, wenn es um außenpolitische Belange geht.
Der Historiker macht da vor allem das internationale Ansehen der Nation in der Ära
von Bruno Kreisky verantwortlich. Auch die Sonderstellung der Republik durch
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seinen Neutralitätsstatus und ihre besondere Rolle im Kalten Krieg als
„Zwischengefüge“ inmitten der West- und Ostmächte sind für Rathkolb ein Argument,
diese Selbstüberschätzung zu erklären. (vgl. Rathkolb 2005:22)
In eine erste Krise stürzte der Identitätsbaustein der Selbstüberschätzung mit demBeitritt Österreichs zur EU. Mit der Integration in diese Gemeinschaft tauchte
zeitgleich und in gewisser Weise auch unabhängig davon, auch das Gespenst der
Globalisierung am österreichischen Himmel auf. Es galt, sich auf neue Realitäten
einzustellen. (vgl. ebenda) Luger diagnostiziert dazu den ideologischen Typ des
Kleinbürgers, den er die Eigenschaften der „Kultur der Normalität“ zuschreibt:
Alle seine Aktionen stehen im Dienste des Allgemeinen, des Sittlichen und
„Natürlichen“, immer im Namen der Mitte und des Durchschnitts, als derenInkarnation er sich sieht. Seine Maßstäbe der Genügsamkeit undStrebsamkeit, der Bodenständigkeit und Heimatliebe, des gesundenVolksempfindens und der Gediegenheit sind sind universalisierte Reflexeeines überhöhten Selbstbildes, das alles Fremde als Bedrohung undVerunsicherung empfindet und daher ablehnt. (Luger 1998: 12)
4.1.3. Angst vor dem Verlust kultureller Identität
Das führte dazu, dass sich die Österreicher – wie andere Einwohner diverser Staaten
- globalisierungsbedingt vom Verlust traditioneller sowie kultureller Identität bedroht
fühlen. Rathkolb diagnostiziert, dass sich solche Reaktionen in Kleinstaaten mit einer
relativ jungen nationalen Identität besonders in Krisenzeiten noch stärker auswirken.
Auswirkungen sind die Entwicklung eines besonders starken Heimatgefühls sowie
eine permanente Ichbezogenheit, die in einem extrem ausgeprägten Nationalstolz
mündet. Argumente wie „schöne Landschaft“, „geschichtlich verankerte Kultur“,
„Neutralität“, „Sporterfolge und –Stars“ [z.B. Cordoba, der Verfasser] sowie die
„medizinische Schule“ sind demnach bei Österreich ganz oben auf der
Anerkennungs-Skala. Die globalisierungsbedingte Bedrohung des Verlustes
kultureller Identität führt unter anderem dazu, eine überschaubare „Heimat“ als
idealen Identifikationsraum zu konstruieren: Ein geografischer Nah-Raum erzeugt bei
einer dort lebenden Gruppe ein sogenanntes „Wir“-Gefühl“. [ähnlich wie beim
kulturellen Gedächtnis, der Verfasser] Dieses wird von der Gruppe übertrieben
emotional und positiv konnotiert. Ausschnitte aus der Umwelt und derWohnungsumgebung werden hervorgehoben. Das wird gemacht, wenn andere
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sinnstiftende Ebenen der Gruppe zuwenig Identifikationsmöglichkeiten bieten. Der
heimatliche Nah-Raum wird als Selbstfindungsbereich definiert, weil er ein „Wir“-
Gefühl erzeugt. Fremdes und Unbekanntes wird abgelehnt, um so
Unübersichtlichkeit zu reduzieren. (vgl. Luger 1998:7)
Sozioökonomische Krisen können dazu führen, dass dieser oben erwähnte
Nationalstolz in einen negativ konnotierten Patriotismus (Chauvinismus, der nationale
Überlegenheit signalisiert) umschlagen kann. Österreich zeigte im Jahr 1998 bei
einem Nationenvergleich die höchsten Werte bei diesem Chauvinismus. (gefolgt von
der USA, Bulgarien, Ungarn und Kanada). Auch beim positiv konnotierten
Patriotismus lag Österreich nach Irland, USA, Kanada an vierter Stelle. (vgl. Rathkolb
2005:24f)
4.1.4. Asyl-Land wider Willen
Österreich gilt einer Umfrage von 1997 zufolge neben Belgien und Frankreich zu
jenen Nationen, in denen rassistische Einstellungen in der Bevölkerung am meisten
verbreitet sind. (14 Prozent gaben an, sehr rassistische Einstellungen zu haben und
28 Prozent wählten „quiet racist“ als ihr Einstellungsmerkmal. Rathkolb diagnostiziert,
dass „44 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nach wie vor in
Denkmustern des Rassismus gefangen“ sind,“ ohne daß eine breite Aufklärungs- und
Diskussionskampagne begonnen hätte.“ (Rathkolb 2005: 49) Jedenfalls: Nicht
konkrete persönliche Einschätzung der Daten oder direkte Begegnungen bestimmen
das Bild über Ausländer, sondern irrationale und emotionale Vorstellungen. (ebenda:
50) Als Gegenbild wird – wie Rathkolb weiter schreibt – die hohe Bereitschaft
Flüchlinge aufzunehmen in der Ungarn-Krise oder im Jugoslawien-Krieghochstilisiert.
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4.1.5. Antikommunistische Stereotypen
Ein weiteres Merkmal der österreichischen Identität sind starke antikommunistische
Stereotypen, die laut Rathkolb zwar schon seit dem späten 19. Jahrhundert präsent
waren, durch die russische Besatzungszeit nach dem zweiten Weltkrieg aberverstärkt wurden. Die Abgrenzung als neutrales Land im kalten Krieg gegen die
sogenannten Ostmächte förderten diese Einstellung zusätzlich. Jedenfalls konnte
durch diese Einstellung die höchste Pro-Kopf-Quote am Marshall-Plan von den USA
herausgeholt werden. Hinzu kommt der angebliche kommunistische Putschversuch,
der vom SPÖ-Innenminister Franz Olah im Jahr 1950 als Mythos an das Volk
weitergegeben wurde. (vgl. Rathkolb 2005: 31f)
4.1.6. Abgrenzung von Deutschland und Osteuropa
Eine latente Aktualität beweist die Abgrenzung der österreichischen Identität von den
deutschen Nachbarn. Das beweisen nicht nur sportliche Erfolge wie der 3:2 Sieg der
österreichischen Fussball-Nationalmannschaft gegen die Deutschen bei der
Weltmeisterschaft 1978 in Cordoba. Eine kulturelle Höherstellung beziehungsweise
Abgrenzung gegen die Nation Deutschland gehörte vor allem in Zeiten des
Ständestaates zum politischen Programm.
Dieses Bild der Österreich-Ideologie wurde im Programm der ersten gewählten
Regierung nach dem zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 von den koalierenden Parteien
ÖVP, KPÖ und SPÖ umgesetzt. Federführend dabei waren vor allem Funktionäre
der Volkspartei, wie der damals eingesetzte Unterrichtsminister Felix Hurdes. Er
setzte auf eine radikale Verösterreichung im Schulunterricht, angelehnt an den
Idealen von vor 1918 mit einem starken katholischen Kolorit. (vgl. Rathkolb 2005: 36)
Die Abgrenzung zu den osteuropäischen Nachbarstaaten, welche beispielsweise vor
wenigen Jahren durch die Abschaffung der Grenzkontrollen nach Tschechien und
Ungarn wieder hervortraten, sind übrigens ein Relikt aus der Habsburgerzeit. Bedingt
durch Faktoren wie beispielsweise die Lage der habsburgerischen Hauptstadt Wien
im deutschsprachigen Teil der Vielvölkermonarchie fühlte sich der deutsch-
sprechende Bevölkerungsteil als elitärerer Teil dieses Völkerkonstrukts. (vgl.
Rathkolb 2005: 36)
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4.1.7. Verehrung eines kulturellen Erbes und Habsburgermythos
Nicht alleine in Reiseführern und Urlaubsprospekten ist von der großen kulturellen
Vielfalt der flächenmäßig kleinen Nation Österreich die Rede. Studenten die vor der
Wiener Staatsoper, mit barocken Mänteln und Rokkoko-PerückenTheaterprogramme verteilen und dazugehörige Karten feilbieten, signalisieren, dass
gerade im touristischen Sektor dieser Teil der österreichischen Identität wohlbemerkt
gewinnbringend zu Marketingaktivitäten verwendet wird. Diese These wirkt aber nicht
nur nach außen. Auch die Österreicher selbst sehen sich einer Umfrage von 1987 zu
74 Prozent als Träger eines großen kulturellen Erbes. Interessant dabei ist, dass
Umfragen zufolge Kunst und Kultur eine immer höhere Bedeutung für das nationale
Ego der Österreicher bekommen. Zu den Ausformungen dieser bedeutenden Kunstund Kultur zählen Operette und Volksmusik, gefolgt von klassischer Musik und
Theater. Die kulturellen Hinterlassenschaften der ehemaligen Monarchie spielen im
Kulturbewusstsein der österreichischen Identität eine besondere Rolle und werden –
wie schon angedeutet wurde – in der Tourismuswerbung seit den 1950er Jahren
immer wieder eingesetzt. Die Leitlinien dafür wurden in einer 1955 erschienen
Vaterlandskunde durch die Attribute Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert,
Burgtheater, Staatsoper, Philharmoniker, Wiener Sängerknaben und SalzburgerFestspiele definiert. (vgl. Rathkolb 2005: 45f) Neben der touristisch vermarktbaren
„schönen Landschaft“ spielen die Habsburger und Kaiser Franz Josef dabei eine
besonders große Rolle. Literatur und Wissenschaft sprechen im letzteren Falle von
einem sogenannten „Habsburgermythos“, der die österreichische Identität
maßgeblich mitgestaltet.
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5. Die Rolle des Kaiser Franz Josef in der österreichischen
Identität
Gerade dieser in Kapitel 4.1.7. erwähnte Habsburgermythos hat naturgemäß aucheine große Korrelation mit der Rolle des Kaiser Franz Josef und der österreichischen
Identität zu finden. Das Wort „Habsburgermythos“ wurde von 1986 Claudio Magris,
einem italienischen Universitätsprofessor, Schriftsteller und Germanisten basierend
auf einer Durchleuchtung der Werke österreichischer Essayisten der ersten Republik
geprägt. (vgl. Stachel 2006: 13) Diese Diskussion über den Erinnerungskult kam fast
zeitgleich mit ersten wissenschaftlichen Abhandlungen über eine eigene
österreichische Identität in den 1970er Jahren auf. (vgl. Johnston 2010: 27) Kaiser
Franz Josef bekam die Rolle darin die Rolle des personifizierten Ideals des k.u.k-
Menschen mit all seinen Charaktereigenschaften, der Führungspositionen
bekleidete. Der amerikanische Historiker William M. Johnston bezeichnet ihn in
seinem Werk „Der österreichische Mensch“ als „Hofrat von Schönbrunn“. (Johnston
2010:27) Diesen schon von Magris beschriebenen Habsburgerkult bringt der
Kommunikationswissenschaftler Kurt Luger auf den Punkt. Im Text „Populärkultur
und Identität“ schreibt er von „Habsburg und Happy End“ als Vermittlungsinhalte der
österreichischen Identität über populärkulturelle Medien und diagnostiziert: Der
Kleinbürger ist zwar überzeugt von der österreichischen Kulturhoheit, er lebt sie aber
nicht. Luger unterstellt dem Österreicher aber eine gewisse Hingezogenheit zu
Heimatkunde und Folklore kombiniert mit einem gewissen personifizierten
Heroismus, der sich in den Habsburgern ausdrückt. Der drohende
globalisierungsbedingte Kultur- und Bedeutungsverlust (vgl. Kapitel 4.1.7.) wird mit
der Instrumentalisierung des Herrschergeschlechts und seiner Vielvölkermonarchie
kompensiert. Die Erinnerung an das Habsburgerreich bedeutet demnach das Gefühl
an die Zeit, wo „wir“ noch wer waren. Das ist tief in der Seele verwurzelt und lebt im
Tourismus weiter. (vgl. Luger 1998: 12f) Peter Stachel, Mitarbeiter der
österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Lehrbeauftragter für
Geschichte an der Universität Graz fügt in seinem Aufsatz „Franz Josef Superstar“
hinzu: „Kaiser Franz Josef ist – vor allem in der Tourismuswerbung aber auch
darüber hinaus – zu einer positiv besetzten Symbolfigur der österreichischen
Vergangenheit und, zumindest in einer nach außen adressierten Form, damit auch„österreichischen Identität“ geworden.“ (Stachel 2006: 10) Im äußerlichen erinnert die
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Figur Kaiser Franz Josef vor allem an den gütigen älteren Patriachen mit Backenbart,
Uniform oder volksnah mit krachledernern Beinkleid. (vgl. ebenda: 12)
5.1. Kaiser Franz Josef im österreichischen Schulunterricht
Der in der österreichischen Identität verhaftete Heroismus und Heldenkult war und ist
Bestandteil der Schulpolitik in der zweiten Republik. Auch in zeitgenössischen
Geschichte-Schulbüchern findet sich immer eine Auflistung und derselben Personen
wieder. Wenn es nach dem Historiker Hannes Leidinger geht, ist deren Darstellung
immer wieder vom selben Muster geprägt. Verantwortlich dafür waren Stilisierungen
gewisser „Berufshistoriker“, die das Schulbuch zu einer „Ruhmeshalle der Macht“gestalteten. (vgl. Leidinger 2003: 3)
Das Standardrepertoire war vorgegeben: Den wichtigsten Herrscher-persönlichkeiten über Maria Theresia bis Franz Joseph standen Prinz Eugen,Erzherzog Karl, Andreas Hofer und Feldmarschall Radetzky als Heroen einerglorreichen Vergangenheit zur Seite. Dies erzieherische Konzept einer„Pädagogik der Idole“ hielt sich in Österreich weit über das Jahr 1918 hinaus, biszur offiziösen Geschichtsvermittlung in der Zweiten Republik. (Leidinger 2003:4,5)
Diese Art der Schulbildung in der zweiten Republik geht auf das Konzept der
Unterrichtsminister Heinrich Drimmel und Felix Hurdes (beides Mitglieder der
Österreichischen Volkspartei) zurück, die im Bereich der staatsbürgerlichen
Erziehung mit den Zielen „kein Rückfall in die Lagermentalität“, „Sicherung des
sozialen Friedens“, „Förderung des materiellen Wiederaufbaus“, „Stärken der
Demokratie und eines Österreich-Bewusstsein“, sowie einer „Abgrenzung zu
Deutschland“ gekennzeichnet waren. (vgl. Dachs 2005, S. 25) Staats- undKonsensbemühungen gehörten zu den dominierenden Komponenten der noch
jungen zweiten Republik. (vgl. ebenda) Der Historiker Ernst Hanisch bezeichnet
diese Art der Vermittlung von Kultur- und Unterrichtspolitik als konservativen,
kulturellen Patriotismus, der von der Verklärung einer Vergangenheit lebt. (vgl.
Hanisch 1994: 29) Wie schon in Kapitel 4.1.6. erwähnt – spricht der Historiker Oliver
Rathkolb von einer „Verösterreicherung des Schulunterrichts, angelehnt an den
Idealen vor 1918 mit starken katholischen Kolorit.“ (Rathkolb 2005: 36)
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5.2. Kaiser Franz Josef und der österreichische Tourismus
Wie schon im vorigen Kapitel erarbeitet wurde, spielt der Habsburgerkult gerade imTourismusmarketing eine große Rolle. Die bereits erwähnte „Ikonografie der Heimat,
um damit Betten zu füllen“ eignet sich besonders gut, Kaiser Franz Josef als
Ausgestaltung eines Teils der österreichischen Identität zu vermarkten.
5.2.1. Das österreichische Tourismuskonzept
Die Konzepte der heimischen Tourismuswerbung gehen wiederum auf die
Konstruktionen der österreichischen Identität und Geschichte zu Beginn der zweiten
Republik unter Minister Heinrich Drimmel zurück, der auch in Kulturagenden aktiv
war. (vgl. Rathkolb 2005: 46) Rathkolb fügt hinzu, dass sich dieses Konzept seit den
1950ern nicht mehr geändert hat. Es wurde lediglich wie alter Wein in neue
Schläuche gegossen. Im Großen und Ganzen geht es darum, Kaiser Franz Josef, die
Habsburger, Volkskultur und daraus entstandene Folklore und all deren Anhänge zu
einem konsumierbaren und wiedererkennbaren Objekt zu vermarkten. (vgl. Luger1998:8) Es geht darum, ein Stück Erde zu schaffen, wo die Welt noch in Ordnung ist
und die Landschaft schön ist. Es ist der Versuch - auch bei der Bevölkerung - ein
rückwärtsgewandtes Identitätsbild aufrechtzuerhalten. (vgl. ebenda) Diese
Heimatidylle und der darauf aufgesetzte Habsburgermythos wurden unter anderem
durch Heimatfilme, worunter auch die Sissi-Trilogie von Ernst Maruschka zählt,
vermittelt und verbreitet. Nicht nur die heimische Bevölkerung galt als potentielle
Zielgruppe dieser Trilogie – sie wurde unter anderem vom Unterrichtsministerium mitdem Prädikat „künstlerisch wertvoll“ (2. Teil) ausgezeichnet. (vgl. Hartl 2010:59 und
Hellmuth 2009:330) Die Sissi-Trilogie mit einem historisch eher fragwürdig
weichgezeichnet dargestellten Franz Josef und einer in Kitsch-Nähe verzerrten
historischen Handlung war auch im Ausland erfolgreich und zog demgemäß auch
viele Touristen in die Alpenrepublik. (mehr dazu in Kapitel „Kaiser Franz Josef und
der kommerzielle Faktor“) Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Sissi-Trilogie
auch wesentlich dazu beisteuerte, das äußere Bild der österreichischen Identität undNation mitzugestalten. Wie der Filmwissenschaftler Kurt Mayer diagnostiziert,
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bestimmen Filme wie „Der dritte Mann“, „Sound of Music“ oder eben auch „Sissi“ das
Fremdbild, da sie eine gewisse Erwartungshaltung wiederspiegeln. (Mayer 2006:43)
3.2.2. Kaiser Franz Josef und der kommerzielle Faktor
Sehenswürdigkeiten, Souvenirs und kulturelle Besonderheiten wurden über Jahre
hinweg in die touristische Vermarktung der Heimat integriert. (Luger, Rest 2002:18)
Im Fall von Kaiser Franz Josef verweisen diese auf den alten Glanz der
Donaumonarchie und die Verklärung einer vergangenen Zeit: Kaisergruft, Lippizaner,
Neujahrskonzert, Operettenfestspiele - wo der Plot der Stücke hauptsächlich in
Zeiten der Monarchie angelegt ist - sind nur wenige Beispiele an der Oberfläche derkommerziellen Vermarktung der Kaiserzeit. Einer besonderen Erwähnung bedarf es
der kulturellen Darstellungsform des kaiserlichen Alltagslebens, wie beispielsweise
die Fiakerfahrten im Schloss Schönbrunn oder eben die Sommerfrische in Bad Ischl
im Salzkammergut. Das dort alljährlich im Spätsommer stattfindende Kaiserfest1 lockt
tausende Besucher aus allen Erdteilen an. An diesem Event findet auch ein Kaiser-
Franz-Doppelgänger-Treffen statt. Ein weiteres Kaiserfest ist im kärntnerischen
Millstatt zu bestaunen. Dort werden auch die Besucher animiert, sich in Kleider ausZeiten der Monarchie zu verkleiden. Stachel attestiert dem zweitgenannten Fest
karnevaleske Züge, was als „Disneylandisierung der Habsburgerzeit“ zu verstehen
ist. (vgl. Stachel 2006:14)
Zu erwähnen sind auch die Franz-Josef-Taler, die Franz-Josef-Torte oder die Kaiser-
Franz-Josef-Büste aus Schokolade, die im Jahr 1997 von der Hofzuckerbäckerei
Demel in Wien ins Schaufenster gestellt wurde. (vgl. Stachel 2006:13)
Diese Vermarktungsindustrie ist keineswegs ein Produkt der zweiten Republik.
Schon in der Zeit der Regentschaft von Kaiser Franz Josef wurden erstmals Zeichen,
Öffentlichkeit und erste Formen der Public Relations beziehungsweise
Selbstvermarktung angewendet. Historiker Stachel spricht in diesem Zusammenhang
auch von der ersten Medienmonarchie. Inhalte wurden schon damals zugunsten von
Symbolen ausgetauscht. Franz Josef war nicht der Volkskaiser, sondern „der“ Kaiser
in den Augen des Volkes. Der Kaiser wurde auratisiert. (vgl. Stachel 2006:11)
1http://www.oberoesterreich.at/de/sommer/1238173/Kaiser-Events-Ischl.html
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Auf Münzen, Briefmarken und auch Postkarten war das charakteristischeKonterfei Franz Josefs dargestellt und in den Amtsstuben, Klassenzimmern,Universitätsaulen und Kasernen – wenn man Josef Roth [Literat der k.u.k.-Zeit, der Verfasser] glauben darf sogar in den Bordellen – gehörte das Portraitdes Kaisers als Druckgraphik oder gelegentlich auch als Plastik, zum
Grundinventar. Dem Kaiser wurde in Druckwerken und Festzügen besondersintensiv zu den diversen späteren Regierungsjubiläen, gehuldigt, seinGeburtstag, der 18. August – an dem es „Kaiserwetter“ zu geben hatte -, warin der ganzen Monarchie ein beliebter staatlicher Feiertag. Nach Franz Josefwurden Bahnhöfe und Bahnstrecken, ein Aussichtspunkt auf demGroßglockner, eine von einer österreichischen Polarexpedition im Jahr 1873entdeckte Inselgruppe im nördlichen Eismeer und ein Fjord in Grönlandbenannt. (Stachel 2006: 12)
In diesem Kapitel nochmals zu erwähnen ist das Medium Film, welches die Person
Kaiser Franz Josef als Inhalt schon in den ersten Jahren der ersten Republik
annahm. Der erste Filmauftritt des Monarchen geschah bei dem 1919 verfilmten
„Drama von Mayerling“. (Ballhausen, Krenn 2006: 60) Im Jahr 1930 entstand das
Dokumentarfilm-Feature „Kaiser Franz Josef als Regent und Mensch (ebenda: 61) In
Zeiten der Heimatfilme (1951) hatte Kaiser Franz Josef im Streifen „Verklungenes
Wien“ seinen ersten Auftritt. Die Handlung besteht im Großen und Ganzen aus
Wienerlied und Gesang, in den die Schauspieler alle paar Minuten ausbrechen. (vgl.
Ballhausen, Krenn 2006: 62) Danach folgte die Sissi-Trilogie von Ernst Maruschka.
Diese war und ist nicht nur in Österreich eine der kommerziell erfolgreichsten
Produktionen der heimischen Filmgeschichte. So war Sissi in Deutschland,
Frankreich, Portugal, Spanien und Finnland erfolgreicher als dort zur selben Zeit
anlaufenden Hollywoodproduktionen. In den Niederlanden, Belgien und Dänemark
spielte Sissi mehr Geld ein als einheimische Produktionen und in Italien erzielte Sissi
Besucherzahlen, die Filme wie „Vom Winde verweht“ hintanstellten. Auch in den USA
wurden alle drei Teile von Maruschkas Filmreihe zu Einem zusammengeschnitten
und kamen 1962 unter dem Titel „Forever my love“ in die dortigen Kinos. (vgl. Hartl
2010: 58)
Jedenfalls: Ein Teil der österreichischen Identität lebt in der touristischen
Vermarktung von Kaiser Franz Josef weiter. Nicht in der Politik, sondern in der
stilisierten väterlichen Figur mit Backenbart, von dieser das Gefühl der Geborgenheit
einer verniedlichten „guten alten Zeit“ transportiert wird. Kaiser Franz Josef gilt als
eine mit einem hohen Wiedererkennungswert ausgestattete Ikone der
österreichischen Tourismuswerbung. (vgl. Stachel 2006: 12)
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6. Kaiser Franz Josef und die österreichische Kulturpolitik
Wie schon im Kapitel 5.2.3 angerissen wurde, basiert die Kulturpolitik in den
unmittelbaren Nachkriegsjahren auf einen politisch konsensorientierten
konservativen Patriotismus zu kreieren, die sich an Ereignissen der Vergangenheit
orientierte. Es ging darum, eine österreichische Kulturnation zu kreieren, die in den
wissenschaftlichen Abhandlungen auch als „austriakische Restauration“ abgehandelt
wird. (vgl. Wimmer 2006: 287) Diese Auffassung von Kulturpolitik ist teilweise auch
noch in der Gegenwart zu beobachten. Im Gegensatz dazu wird kritische,
zeitgenössische Kunst immer wieder mit Querulatentum gleichgesetzt und die
staatliche Förderung dieser in öffentlichen Debatten immer wieder in Frage gestellt.
(vgl. Wimmer 2006: 287) In den ersten Jahren der zweiten Republik wurde auch
immer wieder versucht, mit einer Rückbesinnung auf Traditionen aus der
Vergangenheit die Gräueltaten und Ereignisse der Zeit des Nationalsozialismus zu
vergessen. (ebenda: 289) Das Aufsperren traditionsreicher kultureller Institutionen
aus der Zeit der Monarchie, wie die Eröffnung der Staatsoper oder des Burgtheaters
wurden als kulturelle Großereignisse und dementsprechende Leistungen der noch
jungen Republik gefeiert. Was aber hat das mit Kaiser Franz Josef zu tun? Wie
schon in Kapitel 4.1.7. erwähnt, wollten die Verantwortlichen mit dieserRückbesinnung auf die Monarchie als kulturelle Glanzzeit Österreichs die Identität
und das Bewusstsein der Bevölkerung stärken. Wesentlicher Mitgestalter war auch in
dieser Angelegenheit Unterrichtsminister Heinrich Drimmel. (vgl. Rathkolb 2005: 46,
Dachs 2008:25) Als Beispiele für die Förderung beziehungsweise Umsetzung dieser
Kulturpolitik kann man die politische Einmischung in die Sissi-Trilogie hernehmen.
(vgl. dazu Kapitel 3.2.2) Das Bundesministerium wollte unter anderem einen 4. Teil
dieser äußerst erfolgreicen Darstellung der Regentschaft von Kaiser Franz Josefmitfinanzieren. (vgl. Fenn 2008: 107)
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7. Interpretation
Nach intensiven Befassen mit dem Phänomen Kaiser Franz Josef und der
österreichische Gesellschaft kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass das
medial und touristisch verbreitete Bild des berühmtesten Regenten der ausgehenden
Habsburgermonarchie eine Kluft von Realität und Darstellung aufweist. Besonders
die Anfangszeit der Regentschaft des Kaisers unmittelbar nach der gesellschaftlichen
Revolution und den gleichzeitig auftretenden Wunsch der Menschen nach
demokratischen Verhältnissen wird in Tourismus-, Schul- und Kulturpolitik zusehends
ausgeblendet. Lediglich in der wissenschaftlichen Literatur finden sich Hinweise auf
das teilweise gar nicht so volksnahe und väterliche Bild des Habsburger-Regenten.
Warum aber werden diese Tatsachen gerade in der Tourismuswerbung und der
Kulturpolitik gerne ausgeblendet?
Antworten darauf kann vielleicht ein kleiner Blick auf die österreichische Identität und
deren Besonderheiten geben. Einen großen Anteil an der Bildung einer solchen
haben zweifelsohne das sogenannte kollektive und kulturelle Gedächtnis. Wie Aleida
Assmann herausarbeitete, spielen dabei Historiker und Geschichtsbücher eine große
Rolle: Sie bestimmen durch den intersubjektiven Blickwinkel auf die – vielleicht
unbewusste Auswahl der dafür relevanten Texte und Kommunikate - maßgeblich den
Inhalt des sich entwickelnden kollektiven Gedächtnis.
Ein Blick auf die Besonderheiten der österreichischen Identität zeigt, dass gerade die
von Historiker Oliver Rathkolb diagnostizierte (fiktive) Bedrohung des Verlustes der
kulturellen Identität durch Phänomene der Globalisierung für die Auratisierung der
Figur eines Kaiser Franz Josef verantwortlich ist. Dabei wird versucht, etwaige
Verlustängste durch stärkere Identifikation mit Kulturphänomenen, einem stärkerwerdenden Nationalstolz und einer daraus wachsenden Ichbezogenheit
wettzumachen. Der Kommunikationswissenschaftler Kurt Luger weist in diesem
Zusammenhang auf den Versuch einer Gemeinschaft hin, sich über geschichtliche
Kultur und Heimat zu definieren. Ein Resultat dieser Entwicklung kann die
Herausbildung des Habsburgermythos sein, der laut Rathkolb ein weiterer
Bestandteil der alpenländischen Identität ist. Es geht dabei – im Groben gesagt – um
die verklärte Erinnerung an eine Zeit, wo Österreich noch „wer“ war: Ein europäischerVielvölkerstaat unter deutschsprachiger Hoheit, der in seiner Glanzzeit die
Bedeutung einer europäischen Weltmacht hatte und im selben Atemzug mit
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führenden Staaten genannt werden konnte. Das aus dieser Zeit gewonnene
kulturelle Erbe, das zu großen Teilen mit der Regentschaft von Kaiser Franz Josef
identisch ist (Ringstraße, Staatsoper, Michaelenkirche bei der Wiener Hofburg, …),
ist sozusagen der Nährstoff dieser österreichischen Hochkultur.
Auf diesen von mir skizzierten Konstrukten der österreichischen Identität baut der
Mythos Kaiser Franz Josef auf, der in meiner Untersuchung speziell in der zweiten
Republik verortet wurde. Verantwortlich dafür zeigt sich zweifelsohne die Kultur- und
Schulpolitik der ersten Jahre des „wiedergegründeten“ Österreich. Diese Jahre sind
zweifelsohne mit dem Namen Heinrich Drimmel verbunden. Es ging dabei – in einer
konsensorientierten Absicht – um die Verehrung der kulturellen Vergangenheit.
Worte wie „austriakische Restauration“ oder „konservativer Kulturpatriotismus“beschreiben die Grundeinstellung dieser Zeit vielleicht am besten.
Diese – für diese Zeit – typische Form der Auseinandersetzung mit den Phänomen
Kultur und Geschichte hat die Tourismuswerbung in ihrem Marketingkonzept
aufgenommen und seit den 50er Jahren nicht mehr verändert. Auch in der
Vermarktung der Figur Kaiser Franz Josef finden sich die Parameter Heimatidylle
und Hochkultur immer wieder. (vgl. dazu Kapitel 5.2.2)
Dazu passend entwickelte die Kulturpolitik ein ähnliches Bild: Ein tragendes Beispiel
dafür ist die filmische Darstellung der Figur des Kaiser Franz Josef, die zu weiten
Teilen auf die Sissi-Trilogie von Ernst Maruschka zurückgeht. Der am ersten Blick so
unschuldig wirkende Heimatfilm, der noch in der heutigen Zeit für Quotenhochs in
den diversen Fernsehsendern sorgt, wurde vom damaligen Unterrichtsministerium
nicht nur mit einem Preis für realitätsnahe Darstellung ausgezeichnet. Der zweite Teil
der Sissi-Trilogie wurde auch als Belohnungsinstrument des Ministeriums eingesetzt.
Schüler mit guten Noten durften Vorstellungen gratis besuchen. Hinzu kommt, dass
gerade der zweite Teil (Schicksalsjahre einer Kaiserin) als österreichischer Beitrag
für die Filmfestspiele in Cannes ins internationale Bild der Öffentlichkeit gestellt
wurde. Dieser Film stimulierte nicht nur den heimischen Tourismus, sondern
entwickelte auch eine gewisse Erwartungshaltung bei potentiellen Österreich-
Urlaubern.
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8. Bibliografie
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Beispiele der Habsburger Darstellung im österreichischen Spielfilm. In:
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Dachs, Herbert (2008): Politische Bildung in Österreich – Ein Überblick. In:
Klepp, Cornelia, Rippitsch, Daniela (2008). 25 Jahre Universitätslehrgang
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Verlag.
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Ischl. Edel Gaa Nachfolger, Nürnberg.
Hanisch, Ernst (1994) Der lange Schatten des Staates. Österreichische
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Johnston, William M. (2009): Der österreichische Mensch - Kulturgeschichte
der Eigenart Österreichs. Böhlau-Verlag Wien, Köln, Graz
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Leidinger, Hannes (2003): Der Mythos Habsburg – eine Einleitung. In:
Leidinger, Hannes, Moritz, Verena, Schippler, Bernd (2003):Schwarzbuch der
Habsburger. Die unrühmliche Geschichte eines Herrscherhauses.Wien:
Deuticke
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Ordnungskämpfe im Österreich der Zweiten Republik. Online unter:
http://www.uni-salzburg.at/pls/portal/docs/1/1175332.PDF, dl. 3.1.2011
Mayer, Kurt (2005): Wechselwirkungen zwischen nationalem Selbstbild und
internationalem Fremdbild aus der Perspektive kommerzieller Kommunikation
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Rathkolb, Oliver (2005): Die paradoxe Republik – Österreich von 1945 bis
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Stachel, Peter (2006): Franz Josef Superstar. Online unter:
http://www.oeaw.ac.at/ikt/mitarbeit/sta/pdf/sta_37_f.pdf , dl. 13.12.2010
Wegan, Katharina (2005): Monument – Macht – Mythos: Frankreich und
Österreich im Vergleich nach 1945. Studien Verlag, Innsbruck, Wien, Bozen.
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