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Schwerpunkt ACHILLODYNIE
Hirschmüller A. Achillodynie: Pathophysiologie und Diagnostik. Manuelle Therapie 2014; 18: 107–112
Achillodynie: Pathophysiologie und DiagnostikDie Achillesferse – wenn es sein muss, kommt sie mit Kräften zurecht, die dem Zwölffachen des Körpergewichts entsprechen. Doch schon Achilleus bereitete die kräftigste Sehne des Körpers Probleme – heute unterscheidet man bis zu zwölf Störungsursachen. Unsere Autorin stellt die wichtigsten vier und die diagnostische Differenzierung vor.
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Hirschmüller A. Achillodynie: Pathophysiologie und Diagnostik. Manuelle Therapie 2014; 18: 107–112
▀ Der Begriff Achillodynie fasst mehrere Erkrankun-gen mit Schmerzen in der Achillessehnenregion zu-sammen (▶ Tab. 1). Zu diesen zählt unter anderem
die schmerzhafte Degeneration der Sehne in der Sehnenmitte, die Mid-portion-Tendinopathie. Sie wird häufig mit der Achil-lodynie im engeren Sinne gleichgesetzt. Aufgrund der sehr un-terschiedlichen Pathophysiologien der verschiedenen Erkran-kungen und folglich unterschiedlichen Therapieansätzen ist eine möglichst genaue Diagnose erforderlich.
Die AchillessehneAls gemeinsame Endstrecke des M. gastrocnemius und M. soleus ist sie die kräftigste Sehne des Menschen, sie ist am dicksten und am stärksten belastbar. Die Achillessehne setzt am oberen Hin-terrand des Kalkaneus an und besitzt durch die Verwringung der Fasern im Sehnenverlauf eine hohe Speicherkapazität für Bewe-gungsenergie [3, 39] (▶ Abb. 1). Zwischen dem Achillessehnenan-satz und dem Kalkaneus befindet sich ein Schleimbeutel, die Bur-sa subachillea. Vor allem während der Dorsalextension im oberen
▀ SAmmELbEgRIff „ACHILLODYNIE“
Der eigentlich unpräzise Begriff verschiedener schmerzhafter Krankheitsbilder in der Achillessehnenregion ist nach wie vor im medizinischen Fachjargon und auch umgangssprachlich sehr gebräuchlich. Achillodynie setzt sich zusammen aus dem griechischen „Odýne“ (οδΰνη - „Schmerz, Leid“) und dem deutschen „Achill-“ für die Achillesferse. Sie ist benannt nach Achilleus. In der griechischen Mythologie, in Homers Ilias, ist er als Sohn einer göttlichen Mutter und eines menschlichen Vaters sterblich. Seine göttliche Mutter Thetis versucht, ihn unverwundbar zu machen, indem sie ihn als Säugling in einen heiligen Fluss taucht. Da sie Achilleus mit der Hand an der Ferse hält, bleibt diese Stelle vom Wasser unbenetzt, und somit wird die „Achillesferse“ die einzige verwundbare Stelle seines Körpers.
▀ Tab. 1 Achillodynieursachen.
Erkrankung oder Störung Lokalisation
MidportionTendinopathie schmerzhafte Degeneration in der Sehnenmitte, wird häufig mit der Achillodynie im engeren Sinne gleichgesetzt
Insertionstendinopathie Degeneration des Achillessehnenansatzes am Kalkaneus
Partialruptur Teilriss der Sehne meist oberhalb des Kalkaneus
Peritendinitis Entzündung des Sehnengleitgewebes
Bursitis subachillea Entzündung des Schleimbeutels unter der Sehne
HaglundFerse sehr prominenter Tuber calcanei, teilweise mit gereiztem Sehnenansatz und Schleimbeutel
myofasziale Triggerpunkte im M. soleus und/oder im M. gastrocnemius
Seltene Störungen
schmerzhafte Einklemmung eines Os trigonum
akzessorischer kleiner Knochen dorsal des Talus
schmerzhafte Einklemmung der Großzehenbeugersehne
dorsal des Sprunggelenkes
Ermüdungsbruch Kalkaneus oder Talus
rheumatische Erkrankungen oder neurogene Schmerzen
verschieden
M. soleus
M. soleus
M. gastrocnemius
Ansatz desM. gastrocnemiusam Kalkaneus
Ansatz desM. soleusam Kalkaneus
Abb. 1 Faserverlauf der Wadenmuskulatur im distalen Unterschenkel (rechts): Die Fasern verlaufen mit einer minimalen diagonalen Drehung. Der linke Kopf des M. gastrocnemius inseriert lateral am Kalkaneus, der dorsal liegende M. soleus inseriert am medialen Kalkaneus. Die Pfeile markieren den Beginn der Drehung.
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Sprunggelenk kann sie zwischen Sehne und Tuber calcanei ein-geklemmt werden. Eine starke Prominenz des Tuber calcanei be-zeichnet man auch als Haglund-Exostose. Sie kann den Sehnenan-satz und den Schleimbeutel reizen (▶ Abb. 2). Histologisch besteht die 10 bis 12 Zentimeter lange Sehne aus parallel zur Zugrichtung angeordneten Kollagenfasern (▶ Abb. 3). Im gesunden Zustand ist der Anteil des sehr widerstandsfähigen Kollagens Typ I am größ-ten [12]. Gesunde Sehnen haben einen hohen Wassergehalt von circa 70 Prozent.
Zusammenhang zwischen Durchblutung und DegenerationIm Wachstum versorgt ein reiches Gefäßnetz die Sehnen. Reife Sehnen sind dagegen schlecht durchblutet [2]. Die Gefäßversor-gung erfolgt aus dem die Sehne umhüllenden Gleitgewebe, dem Paratenon, und zusätzlich aus dem Muskel-Sehnen- und dem Knochen-Sehnen-Übergang. Im mittleren Anteil der Achillesseh-ne ist die Gefäßdichte am geringsten. Deshalb gilt die Region 2 bis 7 Zentimeter oberhalb des Sehnenansatzes als Prädilektionsstelle für degenerative Veränderungen und Risse [38].
:: Trotz der eher schlechten gefäßversorgung
sind Sehnen unter belastung zu
enormen Anpassungsleistungen fähig.
Blutfluss, Sauerstoff- und Zuckeraufnahme steigen bei Belastung bis auf das Siebenfache an [6]. Außerdem fördert körperliches Training die Kollagenneubildung. Auch die Kollegenzusammen-setzung passt sich an [14, 21].
EpidemiologieErneut berichten mehrere aktuelle Studien eine Zunahme von Achil-lessehnenbeschwerden [31, 15]. Insbesondere Sportler sind häufig betroffen, vor allem Läufer, Ballsportler, Rückschlagspieler und Tän-zer. Im Laufe eines Läuferlebens leiden circa 24 Prozent der Sport-ler mindestens einmal an Achillessehnenbeschwerden [26]. Lo-pes et al. [22] berichten von einer Neuerkrankungsrate von 9,1 bis 10,9 Prozent pro Jahr, Knobloch et al. [15] von 0,02 Achillessehnen-beschwerden pro 1.000 absolvierten Laufkilometern. Auch im nicht Sport treibenden Anteil unserer Bevölkerung sind Achillessehnen-beschwerden häufig. Meist handelt es sich um Männer mittleren Al-ters, besonders häufig sind Übergewichtige und Diabetiker betroffen.
PathologieDer Pathomechanismus der Achillessehnentendinopathie ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Forscher identifizierten ver-schiedene intrinsische Risikofaktoren wie männliches Geschlecht und extrinsische wie die Einnahme bestimmter Medikamente. Wiederholte Überlastungen der Sehne bei Personen mit Risiko-faktoren begünstigen Tendinopathien (▶ Tab. 2).
BiomechanikAuch bei Gesunden ist die Achillessehne biomechanisch sehr großen Belastungen ausgesetzt. Beim Gehen wirken Kräfte von etwa 2.600 Newton auf die Sehne, beim Laufen bis zu 9.000 Newton, was in etwa dem Drei- bis Zwölffachen des Körpergewichtes entspricht [16, 17]. Außerdem ist das Muskel-Sehnen-Verhältnis der Achillessehne mit etwa 125:1 ungünstig. Das Verhältnis beträgt bei anderen Körperseh-nen etwa 50:1. Hohe Muskelkräfte werden auf eine verhältnismäßig dünne Sehne übertragen und belasten sie sehr stark. Darüber hinaus führt die bereits beschriebene Verwringung der Sehnenfasern unter Belastung zu einer Stresskonzentration im Bereich der Sehnentaille [30]. Stetig wiederkehrende Überbelastungen führen zu Mikroverlet-zungen des Sehnengewebes – bis die Reparaturkapazität erschöpft ist.
Tibia
Talus
Osnaviculare
Kalkaneus
PlantaraponeuroseplantarerFersensporn
Apophysitiscalcanei
posteriorerFersensporn
Haglund-Exostose
Bursa tendiniscalcanei
Os trigonum
Achillodynie
Abb. 2 Sagittalschnitt durch die Fersenregion: Lokalisation der HaglundExostose mit Irritation des subachillären Schleimbeutels und gegebenenfalls des Sehnenansatzes sowie andere Störungen in der Fersenregion (aus Prometheus) [34].
Querverkürzungdurch Längsdehnung
Feder (Knorpelzelle)
Zugrichtungder Längsdehnung
Knorpel-zellen
Kollagen-fasern
Knochen
mineralisierteFaserknorpelzone
nichtmineralisierteFaserknorpel-
zone
Zone des parallel-faserigen Sehnengewebes
Muskel
a
b
c
Abb. 3 a Entspannte Sehne mit wellig angeordneten Kollagenfasern. b Angespannte Sehne mit gedehnten Kollagenfasern (aus Prometheus) [34].
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Hirschmüller A. Achillodynie: Pathophysiologie und Diagnostik. Manuelle Therapie 2014; 18: 107–112
HistologieBei einer Degeneration zeigen sich typische histologische Verän-derungen: Der hierarchische, parallele Kollagenaufbau geht ver-loren, die schleimige Grundsubstanz nimmt zu, die Sehnenzellen sind verdichtet und umgewandelt [23, 25, 29]. Außerdem finden sich Gefäßneubildungen. Ihre Nähe zu sympathischen Nervenfa-sern und freien Nervenendigungen soll die entstehenden Schmer-zen verursachen [4]. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass in Sehnen von Patienten mit seit über drei Wochen andauernden Be-schwerden Entzündungszellen und -botenstoffe meist nicht mehr zu finden sind. Deshalb geht man nicht mehr von einer entzünd-lichen Ursache aus und ersetzte die irreführende Bezeichnung „Tendinitis“ durch „Tendinopathie“ [13].
SchädigungskaskadeVerschiedene, die Sehne schädigende Mechanismen wurden dis-kutiert. Ausgangspunkt der Schädigungskaskade scheint eine Un-terversorgung mit Sauerstoff zu sein. Es entstehen schädliche freie Radikale und ein Missverhältnis der Matrixmetalloproteina-sen, was eine Fehlregulation der Kollagenproduktion und des Seh-nenzellabbaus bewirkt. Auch eine Herabregulation bestimmter Gene wurde nachgewiesen [23, 37]. Eine schädliche belastungs-induzierte Überwärmung des Gewebes diskutierte man eben-falls lange. In den letzten Jahren rückten die Gefäße zunehmend in den Fokus. Ein geschädigtes Endothel, wie es bei Diabetes und Adipositas häufig zu finden ist, scheint eine wesentliche Rolle zu spielen. Das damit verbundene hypoxiebedingte Einsprossen von Neogefäßen gemeinsam mit freien Nervenendigungen erklärt die Schmerzhaftigkeit der Tendinopathie. Nach Zerstörung der Neo-gefäße nahmen die Schmerzen ab oder verschwanden. Die übri-gen histologischen degenerativen Veränderungen waren dagegen weiterhin sichtbar [28].
Risikofaktoren für TendinopathienViele Risikofaktoren begünstigen eine Degeneration der Sehne und das Auftreten von Tendinopathien. Sie werden unterteilt in im Patienten selbst begründete (intrinsische) Risikofaktoren, und umweltbedingte (extrinsische) Risikofaktoren. Generell gelten Vorverletzungen, hohe Trainingsumfänge, abruptes Steigern des Trainingsumfangs oder ein plötzlicher Wechsel des Schuhwerks oder des Untergrundes als Risikofaktoren für Überlastungsbe-schwerden [7, 26, 27]. Als spezifische Risikofaktoren für die Achil-lessehne sind nachgewiesen: männliches Geschlecht [19], höhe-
res Lebensalter [35], positive Familienanamnese [18], genetische Polymorphismen des COL5A1 und des Tenascin-C-Gens [1, 24], Übergewicht und Hypercholesterinämie [9–11], Diabetes mellitus und die Einnahme verschiedener Medikamente, unter anderem Chinolonantibiotika, Anabolika und Kortikoide. Als mitentschei-dend für die Beschwerdeentstehung gelten außerdem muskulä-re Dysbalancen und eine veränderte Biomechanik des Gang- und Laufmusters [32]. Insbesondere die sogenannte Hyperpronation wird als wichtiger Einflussfaktor diskutiert. Mehrere kinemati-sche Studien wiesen bei Achillessehnenpatienten eine größere Eversion im Subtalargelenk nach [8, 33]. Das Ausmaß von zwei Grad erscheint allerdings sehr gering und sollte diskutiert wer-den. Auch Störungen der neuromuskulären Kontrolle konnten bei Patienten mit Achillessehnentendinopathien nachgewiesen wer-den. 2011 fanden Baur et al. bei Läufern mit Achillessehnenbe-schwerden eine reduzierte Aktivität des M. peroneus longus in der Phase der Gewichtsübernahme [5]. Anscheinend stabilisieren Laufsportler mit Achillessehnenbeschwerden das Sprunggelenk beim Auftreffen der Ferse auf dem Boden schlechter. Stoßkräfte werden schlechter absorbiert.
Risikofaktoren für InsertionstendinopathienBei der insertionalen Tendinopathie ist die Prominenz des Tu-ber calcanei (Haglund-Exostose) der wichtigste Risikofaktor. Er führt zu einer Irritation des Sehnenansatzes und des subachillä-ren Schleimbeutels. Im Gegensatz zum Fersensporn scheint die Haglund-Exostose der Sehnendegeneration vorauszugehen. Der Fersensporn entsteht dagegen reaktiv als Traktionssporn bei wie-derkehrender Überlastung der Sehne. Auch schlecht sitzendes Schuhwerk mit drückender Fersenkappe kann eine Insertionsten-dopathie oder Bursitis subachillea verursachen.
Klinische beschwerden und bildgebende DiagnostikDie verschiedenen Schmerzursachen in der Achillessehnenregion lassen sich meist in der klinischen Untersuchung und mit einer er-gänzenden Ultraschalluntersuchung gut differenzieren.
Mid-portion-TendinopathiePatienten mit dieser klassischen Tendopathie, zwei bis sechs Zen-timeter oberhalb des Sehnenansatzes, berichten typischerweise über Schmerzen morgens nach dem Aufstehen oder zu Beginn ei-ner sportlichen Belastung. Nach einer Anlauf- oder Aufwärmpha-
▀ Tab. 2 Risikofaktoren für Überlastungsbeschwerden.
Unspezifische Risikofaktoren [7, 26, 27] Spezifische Risikofaktoren
▬ Vorverletzungen ▬ hohe Trainingsumfänge ▬ abrupt gesteigerter Trainingsumfang ▬ plötzlicher Wechsel des Schuhwerks oder des
Untergrundes
▬ männliches Geschlecht [19] ▬ höheres Lebensalter [35] ▬ positive Familienanamnese [18] ▬ genetische Polymorphismen (COL5A1 und Tenascin-C-Gen) [1, 24] ▬ Übergewicht und Hypercholesterinämie [9]–[11] ▬ Diabetes mellitus ▬ Medikamente (Chinolonantibiotika, Anabolika, Kortikoide und andere) ▬ Störungen der neuromuskulären Kontrolle [5]: Hyperpronation, vermehrte Eversion
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se bessern sich die Beschwerden zunächst, um dann bei länge-rer Belastung oder anschließend erneut aufzutreten. Im fortge-schrittenen Stadium können auch Dauerschmerzen bestehen. Das Hauptmanifestationsalter liegt zwischen 35 und 45 Jahren, Män-ner sind weitaus häufiger betroffen als Frauen.
Palpation: Klinisch zeigt sich eine druckschmerzhafte, spindelförmige Verdickung der Sehne zwei bis sechs Zentimeter oberhalb ihres Ansatzes am Kalkaneus. Bei der passiven Dorsalextension und Plantarflexion im Sprunggelenk spürt der Untersucher beim Betasten der Sehne, wie sich die Spindel oder der Knoten unter seinen tastenden Fingern hin- und herbewegt. Das Dehnen der Sehne ist für die Patienten angenehm.
Bildgebende Diagnostik: In der Ultraschalluntersuchung kann die Dickenzunahme der Sehne ausgemessen werden. Texturveränderungen der Sehne zeigen das Ausmaß des degenerativen Umbaus [36] (▶ Abb. 4, ▶ Abb. 5). Mit modernen Powerdopplergeräten kann außerdem die pathologisch gesteigerte Kapillardurchblutung in der Sehne nachgewiesen und quantifiziert werden (siehe Video).
Differenzialdiagnostik: Insbesondere die Ansatztendinopathie, eine subachilläre Schleimbeutelentzündung und die Peritendinitis werden abgegrenzt. Seltene Differenzialdiagnosen sind: symptomatisches Os trigonum, Tendinopathie oder (Partial-)Ruptur der Tibialis-posterior-Sehne, Tendinitis oder Synovitis der Flexor-hallucis-Sehne, Tarsaltunnelsyndrom, ein Neurinom oder eine Neuritis des N. suralis, Arthritis im oberen Sprunggelenk, osteochondrale Talusläsionen und Stressfrakturen.
PeritendinitisBei der Entzündung des Gleitgewebes zeigt sich oft eine diffuse-re Schwellung. Die Patienten haben eine kürzere Anamnese und kennen meist den Auslöser der Beschwerden, zum Beispiel eine
ungewöhnlich lange Belastung oder ein Schuhwechsel. Wird das Dehnen der Sehne bei der Tendinopathie als angenehm empfun-den, verstärkt es bei der Peritendinitis oft den Schmerz. Das Aus-breitungsgebiet eines Druckschmerzes ist bei der Peritendinitis länger. Es findet sich eine generalisierte Auftreibung der Sehne, manchmal mit Krepitationen (Knirschgeräusche durch Fibrinab-lagerungen) bei Druck und beim Bewegen.
Bursitis subachilleaDer subachilläre Bereich kann bei passiver Plantarflexion des Fu-ßes gut ertastet werden. Bei einer Bursitis subachillea können hier Druckschmerzen provoziert werden.
Abb. 4 Ultraschallbild einer degenerativ veränderten Achillessehne im Querschnitt: Die Sehne ist kugelig aufgetrieben und zeigt hypoechogene (dunkle) Flecken. Abb. 5 PowerdopplerUltraschallbild einer degenerativ veränder
ten Achillessehne im Längsschnitt: Die Sehne ist spindelförmig aufgetrieben und hypoechogen. Innerhalb des Powerdopplerkastens zeigen sich zahlreiche Neogefäße (gelb).
Abb. 6 Ultraschallbild einer Ansatztendinopathie der Achillessehne im Längsschnitt: verdickter Sehnenansatz mit Verkalkungen in der Sehne.
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AnsatztendinoseBei diesem eigenständigen Krankheitsbild ist der Kalkaneus druckschmerzhaft, meist medial. Inspektorisch findet sich häu-fig eine Prominenz des Sehnenansatzes oder des Tuber calcanei. Die Patienten klagen außerdem häufig über Druckschmerzen in geschlossenem Schuhwerk und Sportschuhen. Auf konventionel-len Röntgenaufnahmen findet man bei insertionsnahen Tendino-pathien, aber auch bei der Bursitis subachillea häufig knöcherne Veränderungen des Kalkaneus (Haglund-Exostose, dorsaler Fer-sensporn) oder intratendinöse Verkalkungen. Diese können auch sonografisch gut visualisiert werden (▶ Abb. 6). Bei insertionalen Beschwerden sollte immer eine rheumatologische Grunderkran-kung wie ein Morbus Bechterew ausgeschlossen werden, da sich mehrere rheumatische Krankheitsbilder als Sehnenansatzreizung erstmalig manifestieren können. ▄
Literatur unter: www.thieme-connect.de/ejournals/toc/manuelletherapie
DOI 10.1055/s-0034-1383426manuelletherapie 2014; 18: 107–112© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York · ISSN 1433-2671
bIbLIOgRAfIE
PD Dr. med. Anja Hirschmüllerist Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Schwerpunkt Sportorthopädie und klinische Biomechanik. Sie beschäftigt sich wissenschaftlich seit vielen Jahren mit der Ätiologie und der Ultraschalldiagnostik der Achillessehnentendinopathie sowie der Regulation der menschlichen Gang und Laufbewegung.Universitätsklinikum FreiburgHugstetterstraße 5579106 Freiburganja.hirschmueller@uniklinikfreiburg.de
AUTORIN
▀ VIDEOCLIP
Kurze PowerdopplerUltraschallaufnahme einer degenerativ veränderten Achillessehne (Längsschnitt): Im Powerdopplerkasten können Sie diverse pulsierende Neogefäße (gelb) erkennen. Die Sehne ist spindelförmig aufgetrieben und hypoechogen. > www.thieme-connect.de/ejournals/toc/manuelletherapie
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