Recken jubeln europäisch: Rauschender Einzug in die
Gruppenphase
Lars Lehnhoff
Foto: Jenny Seidel
Spätestens seit Samstagabend um 20.26 Uhr befindet sich die TSV Hannover-Burgdorf
im Europapokal-Fieber. Nach dem Schlusspfiff des fulminanten 41:27-Sieges des TSV-
Handballer über die Kadetten Schaffhausen gab es in der Halle in Hannover kein
Halten mehr. Wie kleine Kinder tanzten und hüpften die Spieler und Trainer
Christopher Nordmeyer unter dem Jubel der 3.076 Fans auf dem Feld. Immer wieder
hallten "Europapokaaal"-Rufe durch die Halle. Durch den unerwartet deutlichen Sieg
ist die Gruppenphase im EHF-Pokal für den Europacup-Neuling perfekt.
"Schaffhausen ist auf jeden Fall ein dicker Brocken", hatte Christopher Nordmeyer Mitte
Oktober nach der Auslosung der dritten Runde im EHF-Pokal erklärt. Der von Markus Baur
trainierte Schweizer Erstligist war in den Vorjahren jeweils in der Gruppenphase der
Champions League aktiv, zum internationalen Debüt gab es für "Die Recken" gleich einen
namhaften Gegner. Dies zeigte sich auch im Hinspiel, ein zweischneidiges 28:28 brachte der
Bundesligist aus der Schweiz mit. Zu Hause folgte dann aber eine Explosion. Nationaltorhüter
Martin Ziemer fand es einfach "unbeschreiblich" und Trainer Christopher Nordmeyer war
"begeistert von meinem Team. Wir haben eine überragende Leistung gezeigt".
Dabei hatte Nordmeyer hatte vor dem Rückspiel noch bekannt: "Das ist für alle ein Traum,
Europa hätten wir uns nie vorstellen können." Als Sechsjähriger begann er bei der TSV, als
Trainer erfüllte er mit seinem Team der niedersächsischen Landeshauptstadt nun den Wunsch
nach Europa. In den vergangenen beiden Jahren hatten dafür die Fußballer von Hannover 96
gesorgt, die Kicker von Mirko Slomka hatte eine Europa-Euphorie entfacht. Doch 96
verpasste die Qualifikation in der vergangenen Saison, für europäischen Flair in Sport-
Hannover sorgen nun die Recken.
Die Spielstätte der Handballer liegt dabei quasi im Schatten des großen Fußball-Stadions, die
internationale Bühne sorgt nun aber für mediales Scheinwerferlicht. Großflächig wurde in
Hannover über die Auftritte gegen die Kadetten berichtet. Das Weiterkommen beschert der
TSV Aufmerksamkeit, sechs weitere internationale Spiele sind garantiert. Mit Spannung
erwartet die TSV nun den kommenden Donnerstag. Dann werden in Wien die Gruppengegner
ausgelost. Mindestens sechs weitere Spiele sind ab Februar garantiert. Geschäftsführer
Benjamin Chatton genoß aber zunächst den Augenblick: "Ein besonderer Abend. Auch
unter"m Weihnachtsbaum können wir uns jetzt über Europa freuen."
Für die Schlüsselszene sorgte am Wochenende dabei Keeper Martin Ziemer bereits nach zehn
Minuten. Beim Stand von 6:6 gab es Siebenmeter für die Schweizer, die im Hinspiel in
Schaffhausen ein 28:28 geholt hatten. Ziemer parierte den Wurf des Rumänen Rares Jurca
und hielt auch den Nachwurf. Die Fans waren zum ersten Mal so richtig begeistert. Danach
war die TSV nicht mehr zu halten. Nach 23 Minuten stand es schon 15:7. Früh war das Spiel
entschieden. "Ein unglaubliches Gefühl, eine geile Teamleistung. Wir sind alle Helden",
jubelte der 20 Jahre alte Reserve-Rechtsaußen Hendrik Pollex, der sieben Tore warf.
Gäste-Trainer Markus Baur erkannte die Niederlage unterdessen unumwunden an. "Der Sieg
war mehr als verdient. Wenn man sechzehn Gegenstoß-Tore bekommt, ist es natürlich
schwierig zu bestehen", analysierte der deutsche Weltmeister von 2007. "Ich glaube wir
haben heute alles auf die Platte gebracht, was im Bereich unseres Möglichen liegt", freute sich
unterdessen Christopher Nordmeyer. Personelle Probleme hatten die Niedersachsen in den
letzten Wochen geplagt, doch die nachverpflichteten Akteure wie Karason und Clößner
sorgten für die Ruhepausen für die arrivierten Akteure. Diese überzeugten im Kollektiv,
neben Pollex mit sieben Treffern trumpfte Hykkerud mit acht auf.
"Unser bestes Saisonspiel, Schaffhausen hatte keine Chance, die Stimmung war einfach geil",
freute sich Lars Lehnhoff, der auf 9/3 Tore kam - bereits im Hinspiel war er gemeinsam mit
Hykkerud erfolgreichster Schütze der Recken. Eine besondere Geschichte, auch für den 27-
Jährigen. Der heutige Kapitän hat den Aufschwung der Niedersachsen seit 2004 mitgemacht,
den Bundesligaaufstieg 2009, die Etablierung in der Beletage des deutschen Handballs. "Es
hat sich viel verändert", blickte Lars Lehnhoff vor dem Rückspiel zurück auf die
Entwicklung, regelmäßig erinnern sich die Recken an ihre Wurzeln, trainieren in der alten
Heimstätte in der Gudrun-Pausewang-Halle im 30.000 Einwohner zählenden Burgdorf vor
den Tore von Hannover. Der Blick voraus liefert unterdessen ein anderes Reiseziel für das
Abenteuer Europa - das Final4 wurde gestern nach Berlin vergeben, keine 300 Kilometer
entfernt.
Freude bei den Recken: Bereits 5.000 Tickets für Gastspiel
in TUI-Arena verkauft
Hannover-Burgdorf will auch in der TUI-Arena jubeln
Foto: Jörg Zehrfeld
Nicht nur der historische Sieg gegen die Kadetten Schaffhausen sorgte bei den
Verantwortlichen der TSV Hannover-Burgdorf am Wochenende für richtig gute Laune,
auch das Handballhighlight in der TUI Arena gegen Frisch Auf! Göppingen am 27.
Dezember löst bereits reichlich Vorfreude aus.
Die Nachfrage nach dem Duell mit dem Traditionsverein aus Süddeutschland ist weiter
angezogen - mittlerweile haben sich bereits mehr als 5.000 Zuschauer eine Karte für das
Event in der Multifunktionsarena gesichert. „Das Interesse nach der Partie in der TUI Arena
ist in der Sportregion Hannover sehr groß. Nicht nur durch unseren großartigen Erfolg im
EHF Cup, sondern auch durch verstärkte Aktivitäten im Bereich Marketing und
Kommunikation in den nächsten Wochen erwarten wir einen weiteren Anstieg der
Nachfrage“, sieht Geschäftsführer Benjamin Chatton noch weiteres Potential für das Duell
zum Jahresausklang.
Christopher Nordmeyer über den Erfolg im EHF-Cup, die
Auslosung und die heutige Aufgabe
Christopher Nordmeyer
Foto: Ingrid Anderson-Jensen
Christopher Nordmeyer hat schon viele Höhepunkte in der Vereinsgeschichte der TSV
Hannover-Burgdorf erlebt. Beim Triumph über die Kadetten Schaffhausen, und dem
damit verbundenen Einzug in die Gruppenphase im EHF Cup, war der 46-Jährige als
Trainer ein Teil des wahrscheinlich größten Erfolges in der Klubhistorie. Viel Zeit zur
Freude blieb Nordmeyer allerdings nicht, denn in der Bundesliga warten diese Woche
mit dem HSV Handball und der MT Melsungen bereits die nächsten Aufgaben auf seine
Schützlinge. Im Interview mit der Vereinsseite die-recken.de spricht Nordmeyer neben
dem EHF Cup auch noch über die Ligaspiele bis zum Jahresende und erklärt, was sich
in der Wintervorbereitung aus trainingswissenschaftlicher Sicht ändern wird.
Christopher Nordmeyer über die historische Bedeutung des Einzugs in die
Gruppenphase im EHF Cup:
Wir müssen diesen Schritt richtig einordnen. Für den Verein und die Handballregion ist das
eine unglaubliche Geschichte und ein toller Erfolg. Da wir die nächsten Schritte im EHF Cup
aber erst wieder im Februar und März gehen werden, müssen wir uns als Mannschaft schnell
wieder auf unser Alltagsgeschäft in der DKB Handball-Bundesliga fokussieren. Die
Vorfreude auf die weiteren Termine im EHF Cup ist aber bei der Mannschaft und mir
verständlicherweise sehr groß.
Christopher Nordmeyer über die Leistung seiner Mannschaft beim 41:27 Erfolg über
die Kadetten Schaffhausen:
Wir hatten bis zu diesem Tag so eine Leistung noch nicht gezeigt, so dass es für mich schon
ein wenig überraschend war. Ich wusste aber, dass wir über so viel Potential verfügen und
hatte die Hoffnung, dass wir es auch gegen Schaffhausen abrufen können. Für unsere weitere
Entwicklung war dieser Sieg und die Art und Weise wie er zustande gekommen ist, sehr
wichtig.
Christopher Nordmeyer über die Auslosung zur Gruppenphase am kommenden
Donnerstag in Wien:
Ich freue mich, dass wir im ersten Lostopf sind und den ganz großen Kalibern wie
Montpellier oder Szeged aus dem Weg gehen. Ich wünsche mir, dass wir je einen Gegner aus
dem Norden, Süden und Osten zugelost bekommen und den Westen auslassen können.
Ich bin schon sehr gespannt auf die Ziehung und werde sie mir wie beim letzten Mal
zusammen mit den Mitarbeitern in der Geschäftsstelle anschauen. Die Mannschaft hat keine
Vorgabe von mir bekommen, sondern wird sich selber organisieren und die Auslosung
eigenständig verfolgen.
Christopher Nordmeyer über die Spiele gegen den HSV Handball und die MT
Melsungen:
Die Vorbereitung auf den HSV hat bereits am Sonntag für mich begonnen. Die Mannschaft
hat durch das Weiterkommen im Training wie elektrisiert gewirkt. Man hat gemerkt, dass
ihnen eine große Anspannung von den Schultern abgefallen ist. Der Erfolg über Schaffhausen
gibt uns viel Selbstvertrauen und macht vieles einfacher. Die Aufgaben gegen den HSV und
die MT Melsungen sind aber sehr schwer und wir benötigen Top-Leistungen, um gegen beide
Teams eine Chance zu haben.
Christopher Nordmeyer über das Programm im Dezember:
Wir werden von unserem System, was wir seit längerem praktizieren, nicht abweichen. Wir
schauen nur von Spiel zu Spiel und unser aktueller Fokus liegt auf dem HSV Handball. Der
HSV ist sehr breit aufgestellt und hat einen Kader, der über sehr viel Qualität verfügt. Ich bin
mir sicher, dass sie der Punktverlust gegen Lemgo nicht aus der Bahn werfen wird, sondern
dass sie bei uns sehr stark auftreten werden.
Christopher Nordmeyer über die komplizierte Personalsituation in der Hinrunde:
Das größte Problem an der Verletztensituation ist die geringere Trainingsqualität. Wenn wir
keine Ausfälle gehabt hätten, hätten wir unser Potential schon viel eher abrufen können, da
wir die Abläufe, Laufwege und das Zusammenspiel schneller einstudieren könnten. Die
Verpflichtung von Rúnar Kárason und die Rückkehr von Mario Clößner haben uns aber sehr
geholfen. Beide haben keine Eingewöhnungszeit benötigt, sondern sofort ihren Platz in der
Mannschaft gefunden.
Christopher Nordmeyer über die Änderungen im Trainingsablauf in der
Wintervorbereitung:
In der Wintervorbereitung müssen wir in einer kurzen Zeit die Grundlagen im Kraftbereich
legen, damit wir in den vielen Englischen Wochen in der Rückrunde von unseren Reserven
zehren können. Wir werden aber auch während der Rückrunde weiter im athletischen Bereich
arbeiten und Trainingsreize setzen, damit wir unser Niveau noch steigern können. Die
Planung der Trainingseinheiten wird aufwendiger und anders werden, bei Betrachtung unserer
Belohnung, macht man das aber sehr gerne.
"Recken": Erster Sieg gegen HSV-
Handballer?
Die Handballer von der TSV Hannover-Burgdorf wollen den ersten Erfolg gegen den HSV Hamburg.
Wenn die TSV Hannover-Burgdorf heute (20.15 Uhr) in der Handball-Bundesliga den
Champions-League-Sieger HSV Hamburg am Maschsee empfängt, bewegen sich beide Team
fast auf Augenhöhe. Das liegt vor allem an der Entwicklung der Hausherren: Die "Recken"
haben sich in den vergangenen Jahren vom Kellerkind zum Europapokal-Teilnehmer
gemausert, stießen gerade in die Gruppenphase des EHF-Cups vor und können einen
Achtungserfolg aus der letzten Saison vorweisen. Im Frühjahr glückte mit dem 26:26-Remis
an der Elbe der erste Punktgewinn gegen die Hanseaten. Jetzt könnten die "Recken" ihren
ersten Sieg gegen die Hamburger einfahren.
Vor 39 Jahren: Hannover schlägt Hamburg
Das war einer Mannschaft aus Hannover zuletzt vor 39 Jahren gelungen, am 10. November
1974: In der Stadionsporthalle von Hannover verloren sich damals nur 860 Zuschauer, die
gingen aber gut gelaunt nach Hause. Der Lokalmatador, der Polizei SV Hannover, hatte den
Nordrivalen Hamburger SV mit 15:14 geschlagen. Edmund Franke, Jürgen Kloth, Gerd Haase
und Torwart Reinhard Wittler hießen die Leistungsträger. Doch ein Happy End gab es damals
nicht. Am Ende der Serie stiegen die Niedersachsen aus dem Oberhaus ab - und seitdem
konnten die Handball-Fans in Hannover keinen Bundesliga-Sieg mehr gegen ein Team aus
Hamburg feiern.
Nordmeyer sieht "Recken" als Außenseiter
Hat Verletzungssorgen: Christopher Nordmeyer, Trainer der TSV Hannover-Burgdorf.
Doch trotz der aktuellen großen Europa-Euphorie sehen sich die Gastgeber nur in der
Außenseiter-Rolle. "Wir erwarten eine Star-Truppe, darunter in Domagoj Duvnjak den wohl
derzeit besten Handballer der Welt. Wenn Hamburg sein Spiel macht, werden wir keine
Chance haben", glaubt TSV-Trainer Christopher Nordmeyer. Torwart Nikolai Weber bestätigt
diese Einschätzung: "Es ist so unheimlich schwer, sich auf diesen Gegner vorzubereiten, da
Schwalb erwartet Siegeswillen
Fordert Leidenschaft von seinen Spielern: Hamburgs Trainer Martin Schwalb.
Beim HSV sieht es personell wesentlich besser aus. Nach Stand der Dinge hat Trainer Martin
Schwalb alle Mann an Bord. Aber selbst die eine oder andere Blessur würde beim üppigen
19er Kader kaum ins Gewicht fallen. Dennoch läuft bei den Hanseaten nicht alles rund: Das
überraschende 35:35-Unentschieden vom Sonnabend gegen den TBV Lemgo verlangte eine
Nachbereitung. "Wir müssen aus diesem Spiel die richtigen Lehren ziehen und den Blick
wieder nach vorn richten", betont Schlussmann Johannes Bitter. "Wir müssen in Hannover
endlich wieder Geschlossenheit im Abwehrverbund zeigen", fordert Schwalb. "Ich erwarte
von jedem meiner Spieler 100 Prozent Leidenschaft und absoluten Siegeswillen, damit wir
unsere großen Ziele weiterhin verfolgen können."
Im Vorverkauf 3.600 Karten abgesetzt
An der Leine bewerten die TSV-Verantwortlichen den Hamburger Ausrutscher nicht als
Vorteil für die eigenen Ambitionen und rechnen mit einem sehr engagierten Gast. Nordmeyer
sagt: "Wir wissen alle, wie stark der HSV ist. Deshalb ist uns klar, welche Leistung wir auch
in taktischer Hinsicht bringen müssen, um gewinnen zu können." Wer weiß: Vielleicht gelingt
ja tatsächlich ein historischer Erfolg? Die Unterstützung durch die Fans wird in jedem Fall
größer sein als vor 39 Jahren: Bereits im Vorverkauf sind 3.600 Eintrittskarten abgesetzt
worden.