Institute of Medical Immunology
Differentialdiagnose der Fatigue
PD Dr. med. Patricia Grabowski
Institut für Medizinische Immunologie,
Föhrerstr. 15, CVK, Charité, Berlin
Immundefekt-Ambulanz für Erwachsene
Mittelallee 11
MVZ Onkologie HavelhöheKladower Damm 21
14089 Berlin
Immundefekt Ambulanz
für Erwachsene
• seit 1985 Diagnostik-Ambulanz
• 2010 „§116“ KV-Zulassung
• 4 Ärzte (FÄ Häm&Onk, Infekt&Pulmologie, Rheumatologie)
2018
▪ ca. 400 PID Patienten in Betreuung
▪ ca. 1200 Patienten Erstvorstellung▪ ca. 900 Pat. Leitsymptom Infekte
▪ ca 300 Patienten Leitsymptom Fatigue – Sprechstunde CFS
Immundefekt Ambulanz Charité
Inhalt
• DD chronische Fatigue
• CFS
• Klinik
• Diagnostik
• Pathomechanismen
• Therapie
• Tumor-assoz. Fatigue
Chronische Fatigue - ein häufiges Problem …..
..... bislang nicht gut verstanden .....
....... oft schwer zu behandeln ......
....... viele Ärzte fühlen sich nicht kompetent.
Fatigue …...
..... Müdigkeit (Schlafmangel)
.... Erschöpfung (nach Anstrengung)
..... Fatigue: krankhafte „Erschöpfung“
Tumor-FatigueDepression/
Angststörung/
Burn-out
Organ-
Erkrankungen
MedikamenteEndokrine
Ursachen
Chron. Fatigue
Syndrom
Mangel
Vitamine/
Spurenelemente
Autoimmun-
Erkrankungen
Chron. Infektionen
… mit vielen Ursachen …
Immundefekte
Neurodegeneration/
altered
connectivity
Autonomes NS
Dysfunktion
Immunologische
Fatigue
... und Pathomechanismen
Neuroendokrine
Fatigue
TCA cycle
glycolysis
Amino acids
lactate Muskuläre Fatigue
Metabolische
Fatigue
Infektion: Fieber und Fatigue
„sickness behaviour“
Hypothalamus
Fieber
Interleukin-1
Fatigue
Biologisch sinnvoll:➢ Energie für Immunfunktion und Temperaturerhöhung statt für körperliche Aktivität ➢ Rückzug von der Herde, damit Ansteckung vermieden wird
Vagus
Auslöser meist akuter Infekt .... oft in anstrengender Lebensphase
Hauptsymptome
• schwere Fatigue
• ausgeprägte neurologische Symptome
• kognitive Störungen
• Reizempfindlichkeit
• Schlafstörungen
• Störung des autonomen Nervensystems
(orthostatische Intoleranz, Reizdarm, Akkomodation, Temperatur)
• Muskel- und Gelenkschmerzen
• Immunsymptome „grippiges Gefühl“• Infektanfälligkeit
Langanhaltende Zunahme der Beschwerden
nach Belastung (PEM)
Prävalenz ca 0,3%, ca. 30% Besserung, 80 - 90% chronisch
Was ist CFS ?
9
CFS – die letzte große unerforschte Erkrankung
CFS – eine häufige Krankheit
• Hohe Dunkelziffer
• Prävalenz ca 0,3%
• 2/3 Frauen
• Erkrankungsgipfel 15 - 40 Jahre
• chronisch, nur 10 - 30% Besserung
• die meisten Erkrankten nicht mehr arbeitsfähig
• ICD G93.3 (CFS oder Myalgische Enzephalitis)
Auslöser bei 2/3 akuter Infekt, unterschiedliche Erreger (EBV, CV, u.w.)oft in einer vulnerablen Phase (Stress, Trauma)
• schwere Fatigue und viel mehr:
• Schmerzen (Muskeln, Gelenke, Kopf, Hals)
• Neurosymptome• kognitive Störungen „brain fog“• autonome Dysfunktion(orthostatische Intoleranz, POTS, Reizdarm, Akkomodation, Temperatur)
• Immunsymptome •„grippiges Gefühl“ • Infektanfälligkeit
•viele Organfunktionsstörungen
•langanhaltende Zunahme der Beschwerden nach Belastung (PEM)
CFS – SymptomeCFS – Klinik
Postinfektiöses CFS
– eine komplexe Erkrankung
Tachykardie
Tachypnoe
Reizdarm
Fibromyalgie
Kognitive Störungen
Reizempfindlichkeit
Schlafstörungen
Grippale Symptome
Anamnese
Kanadische Kriterien
Infektanamnese
Begleiterkrankungen
Ausschlusserkrankungen
Labor
• Infektionsdiagnostik nach Anamnese
• IgG/MBL bei Infekten
• Autoantikörper (ANA, TPO)
• CrP nicht erhöht
• Ferritin, Vit D, LDH, CK
CFS – Diagnostik
Weitere Diagnostik
• (Posturale) Tachykardie/Kipptisch
• Handkraft
• Fragebögen
Chalder Fatigue Scale, SF36, COMPASS31
▪ Repeat 10x
− 3s with max power
− 5s break
▪ 2nd assessment after 60 min
CFS: körperliche Fatigue
Pathomechanismus von CFS?
CFS – pathomechanism?Risikofaktoren
Immunsystem
• Autoimmungene
• Immundefekte
Auslösende Faktoren
Aggravierende Faktoren
Sympathikusaktivierung
• Stress
• Depression
• ß2R Varianten
• HWS-Trauma
Infektion Operation
Unfall
Impfungen (GWS, HPV?)
schleichender Beginn
Körperliche Aktivität
Stress
Immunaktivierung
Bindegewebe – Gefäße?
• EDS
• Gelenk Hypermobilität
1
6
➢ EBV – Infektiöse Mononukleose: 7% nach 1 Jahr
➢ Grippe: Risiko 2-fach erhöht
➢ Ross-River-Virus 11% nach 6 Monaten
➢ Denguefieber: 8,5% nach 6 Monaten#
➢ CoV-1 SARS: 27% nach 41 Monaten*
CFS – Auslöser Virusinfektionen
❖ Katz BZ 2013
❖ Magnus P 2015
❖ Hickie I, 2006
❖ Stanaway JD 2016
❖ Lam MH 2009
* Mittelwert
#postinfektiöse chronische Fatigue
1
7
✓ meist durch Infektion ausgelöst
✓ genetische Risikofaktoren
✓ Autoantikörper
✓ Wirksamkeit immunmodulatorischer Therapien
CFS – eine Autoimmunerkrankung?!
❖ Chu L 2019
❖ Wang T 2017
❖ Sotzny F 2018
❖ Fluge O 2015
Dysregulation Autonomes NS
Immundysregulation
Dysregulation Energiestoffwechsel
Sotzny et al Autoimmunity Reviews 2018
Was ist CFS?
- ein komplexer Pathomechanismus -
• Rituximab
Wirksamkeit in 2 Studien, RCT negativ
• Hochdosis IgG
Wirksamkeit in 2 von 4 Studien
aktuelle Studie Charité: Besserung bei 6 von 12 Patienten
• Immunadsorption
Wirksamkeit in erster Pilotstudie
CFS-Therapiestudien zur Immunmodulation
Immunadsorption mit GLOBAFFIN®
2
1
Prinzip:
•Trennung des Plasmas durch Zentrifugation
•Seperation des IgG durch IgG-bindende Säule
„Pacing“ =
Belastungsgrenzen
nicht überschreiten,
Vermeiden von PEM
(post-exertionelle
Malaise)
Aktivitätstagebuch
Stresskontrolle
„Coping“mind-body Therapien
VT, ggfs, AD
Immunkontrolle
• Antibiotika
• Valaciclovir
• Allergien
Symptomatisch
• Schlaf
• Schmerzen
• Reizdarm
• Fatigue, Konzentration u.a.
Supplemente
• Vitamin D, B12, Folsäure,
Eisen, Ribose
• Magnesium
• Vitamin B1, B6, Coenzym
Q10, Liponsäure
KontrolleEnergie-
management Symptome Supplemente
CFS-Therapie
Akt
ivit
ät
Zeit
Guter Tag – „Booming“ Schlechte Tage – „Busting“ oft nach guten Tagen als zeitverzögerte postexertionelle Malaise
Akt
ivit
ät
Zeit
Vermeiden von booming und busting durch Orientierung an der zuvor bestimmten durchschnittlichen Aktivitätsspanne
Akt
ivit
ät
Zeit
4 Wochen 12 Wochen 20 Wochen
CFS-Zusammenfassung
CFS – Therapie: Energiemanagment
*Bested A: An evidence-based approach to diagnosis and treatment of CFS, 2016
Pacing
Oka T et al. Development of a recumbent isometric yoga program for patients
with severe chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis: A pilot study to
assess feasibility and efficacy. 2017
CFS-Therapie: Liegend Yoga
CFS „Infektgetriggerte immunologische Erkrankung“
• schwere Fatigue
• Schmerzen (Muskeln, Kopf, Hals)
• Neurosymptome
• Immunsymptome „grippiges Gefühl“
• Langanhaltende Zunahme der Beschwerden
nach Belastung (PEM)
• Therapiesäulen:
oEnergiemanagement
oKontrolle von Stress und Infekten
oSymptombehandlung
Therapiestudien mit Immunmodulation, Mestinon
Zusammenfassung
• Information über Erkrankung
• Anerkennung
• Hilfe bei Bewältigungsstrategien
• Symtpombehandlung
• Soziale Sicherung
Hauptbeschwerden aus Sicht der Patienten
– extreme Fatigue
– Schmerzen
– kognitive Beeinträchtigung
– Schlafstörungen
– Angst, depressive Reaktion
CFS-Zusammenfassung
CFS – Therapie
Aus Sicht der Patienten
CFS-Zusammenfassung
CFS – Konzept zur Rehabilitation
- Information über die Erkrankung
- Erlernen von Aktivitätsmangement (Pacing)
- Erlernen von Entspannungstechniken
- Symptomatische Behandlung (z.B. Schmerztherapie,
Physiotherapie, Therapie von Schlafstörungen, Kreislaufsupport,
Mobilitätshilfen, antiallergische Therapie)
- Hilfe beim Management sekundärer sozialer und emotionaler
Probleme
- Ernährungsberatung bei Reizdarm, Nahrungsmittelintoleranzen
Tumorfatigue ist heutzutage in der Onkologie das
wichtigste unbehandelte und unterschätzte Symptom
Fatigue bei Krebserkrankungen
o Eine der häufigsten Nebenwirkungen der Tumortherapie
o ca. 70-80% aller Tumorpatienten, die Chemo- oder
Strahlentherapie bekommen
(Mesa 2006, Rao 2004, Richardson1995)
Akute Tumorfatigue
Chronische Tumorfatigue
➢12 Monate ca. 30%
o unabhängiger Risiko-Faktor für relapse-free und overall survival
[Groenvold et al. 2007, Abraham et al. 2015]
“ Tumorfatigue ist heutzutage in der Onkologie das wichtigste
unbehandelte Symptom”
Tumorfatigue
• Mind. 6 der folgenden 11 Symptome:
1. Deutliche Müdigkeit, Energieverlust oder inadäquat gesteigertes Ruhebedürfnis mit Beeinträchtigung des Lebens
2. Gefühl der allgemeinen Schwäche oder Gliederschwere
3. Konzentrationsstörungen
4. Störungen des Kurzzeitgedächtnisses
5. Gestörtes Schlafmuster (Schlaflosigkeit oder übermäßiges Schlafbedürfnis)
6. Erleben des Schlafs als wenig erholsam
7. Mangel an Motivation oder Interesse, den normalen Altersaktivitäten nachzugehen
8. Gefühl, sich zu jeder Aktivität zwingen zu müssen
9. Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags
10. Nach körperlicher Anstrengung mehrere Stunden andauerndes Unwohlsein
11. Ausgeprägte emotionale Reaktion auf die empfundene Erschöpfung (z. B. Niedergeschlagenheit, Frustration, Reizbarkeit)
Tumorfatigue
Proposed ICD-10 criteria by: Cella D, et al. J Clin Oncol 2001
Chronische Tumorfatigue – Pathomechanismus?
Hypothese:
Tumorerkrankung und/oder Therapie
führt zu Dysregulation von:
Hypothalamus-Hypophysen-
Nebennierenrinden-Achse
Immunsystem
Flaches
Cortisol
Tagesprofil
?
Bower JE, Nat Rev Clin Oncol. 2014
Risikofaktoren
• Schlafstörungen
• Depression
• Stress
• Körperliche Inaktivität
• Immungenetik
Bower, 2005. Psycho-
neuroendocrinology
Tumor-assoziierte Fatigue
Differentialdiagnosen
Tumor-Fatigue Sprechstunde an der Charité-
Beratungsangebot
Patienten
oAufklärung
oIndividuelle
Therapieoptionen
Ärzte
oKooperationen
oInfomaterial
oFortbildungen
medikamentös mind-body Sport Selbst-
Management(FIBS)
Psycho-Onkologie
Evaluation der Eignung von Fragebögen und Activity Trackern (n=20) zur Verlaufsbeurteilung
Akkupunktur
Medikamentöse Interventionen bei Fatigue:
Medikament Wirkung Dosierung Zulassung Verfügbarkeit NICHT BEI
Ginseng
Barton DL JNCI 2013;
Kim HG PLoS One
2013
Gegen Fatigue
Immunmodulierend
2 g (2 x 2 Kps)
tgl
Zugelassen,
nicht erstattungs-
pflichtig
Brustkrebs-Patienten
(mögliche Östrogenähnliche
Wirkung)
Diabetes
(senkt Insulinspiegel)
Guarana
de Oliviera Campos Mp.
J Altern Complement
Med 2011
„aufputschend“,
konzentrationsfördernd
50 mg bis zu 3
x tgl.
Nicht zugelassen
Vitamin D 1000 IE tgl. Nicht verschreibungs-
pflichtig
Niereninsuffizienz
(Überdosierung:
Nierensteine)
Methylphenidat
Minton O, J Pain
Symptom Manage 2011
Konzentrationsfördernd, gegen
Fatigue
10-30 mg tgl.
auch retardiert
möglich
Verschreibungs-
pflichtig, BTM
Erst nach
neuropsycho-
logischer
Untersuchung
Mehrere Kontraindikationen
Modafinil
Jean-Pierre P Cancer
2010
Psychostimulanz 200-400 mg
tgl. verteilt
Verschreibungs-pflichtig In Apotheken
erhältlich
Mehrere Kontraindikationen
36
mind-body
Mind-Body Interventionen
Aufbau aktiver gesundheitsfördernder Strategien des Patienten
Ziel: Selbstfürsorge stärken
Achtsamkeitsbasierte Verfahren: Yoga, Qigong
37
Akkupunktur
Bio Psycho
Gesund
heit
Sozial
Engel "The need for a new
medical model" Science
196:129–136, 1977
Bio-Psycho-Soziales Krankheitsmodell
der Tumorfatigue
Psychosoziale UnterstützungGoedendorp MM, et al. Cochrane Database Syst. Rev. 2009
>> Nicht Fokus auf die Erkrankung,
sondern auf den betroffenen Menschen
Evidenz-basierte Therapie
40
Selbst-
Management(FIBS)
Psycho-Onkologie
CBF
Grundlage des Programms ist das evaluierte Schulungsmanual
„Fatigue individuell bewältigen (FIBS) von Dr. phil. Ulrike de Vries,
Dr. phil. Karl Reif, Prof. Dr. Franz Petermann und Prof. Dr. Stefan
Görres, erschienen im Huber Verlag 2011
.
Julienne E. Bower, Michael R. Irwin
Mind–body therapies and control of inflammatory
biology: A descriptive review. Brain, Behavior, and
Immunity, 2016
Mindfulness meditation for younger
breast cancer survivors: A
randomized controlled trialJulienne E. Bower, Cancer 2015
Tumorfatigue: Einfluss von mind-body Therapien auf Inflammation
Einfluss auf:
-Glucocorticoid Antwort (GR)
-Interferon Antwort (IRF)
-Zytokine (nfkb)
Lavoy E et al. Exercise Immunol Rev, 2016
Tumorfatigue: Einfluss von Sport
Exercise, inflammation, and fatigue in cancer survivors
Einfluss auf:
-Glucocorticoid Antwort (GR)
-Zytokine
43
44
Körperlich
e
Aktivität
Horneber, M; Fischer, I; Dimeo, F; Rüffer, J U; Weis, J
Cancer-Related Fatigue: Epidemiology, Pathogenesis,
Diagnosis, and Treatment Dtsch Arztebl Int 2012;
•Individuellen Neigungen folgen
•Tägliche Einheiten zur Ausdauer
(Gehen, Schwimmen, Joggen)
•2x/ Woche leichtes Krafttraining
• je 30-45 min
Ziel: Durchbrechen Teufelskreis
Bewegungsmangel, Verlust Muskelmasse
Kondition, rascher Erschöpfung
45
Tumorassoziierte Fatigue
Zusammenfassung
https://cfc.charite.de
Team
4
7
Charité Fatigue Centrum Med. Immunologie, CharitéSandra Bauer
Madlen Löbel
Helma Freitag
Franziska Sotzny
Jelka Hartwig
Sebastian Kämpf
Claudia Zelck
Sophie Steiner
Sophia Monert
Marvin Szklarski
Claudia Kedor
Patricia Grabowski
Leif Hanitsch
Kirsten Wittke
Yüksel Vural
Michaela Antelmann
Silvia Thiel
Harald Heidecke
MVZ Onkologie Havelhöhe
4
8
MVZ Onkologie Havelhöhe & GKH Havelhöhe
4
9
… Danke für die Aufmerksamkeit ! Fragen & Diskussion ?!