Nutzungsmöglichkeit der tiefen Geothermie:
Hydrothermale Geothermie
Konstantin Kirsch
27.07.2012
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
1. Motivation
2. Geschichte
3. Tiefe Geothermiesysteme
4. Voraussetzungen
5. Nutzungsmöglichkeiten
6. Funktionsprinzip
7. Nutzungsgebiete und Anlagenstandorte
8. Anlagenaufbau am Beispiel Landau
9. Vor- und Nachteile der hydrothermalen Geothermie
10. Beitrag des EEG und der Bundesregierung zur Geothermieentwicklung
11. Geothermieheizkraftwerk Unterhaching
12. Fazit
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Gliederung
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Weltweiter Energiebedarf steigt
Fossile Ressourcen zur Energieerzeugung sind begrenzt
Ausstoß von Treibhausgasen beschleunigt den Klimawandel
Geothermie ist regenerative Energiequelle
Kann zur Strom- und Wärmegewinnung genutzt werden
Keine Emissionen, keine Treibhausgase
→ Umweltfreundlich
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1. Motivation
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Geothermisches Wasser, aus heißen Quellen oder natürlichen Becken, bereits von
„frühen“ Menschen genutzt
14. Jh.: erstes geothermische Fernwärmenetz in Chaudes-Aigues, Frankreich
1777: Erste industrielle Anwendung in Italien bei der Extraktion von Chemikalien
(Borsäure) aus natürlichen geothermischen Manifesten
1913: Fürst Piero Ginori Conti baut erstes Geothermiekraftwerk und erzeugt damit Energie (Leistung heute: 500 MWel)
1960: Bau des weltweit größten Projekts „The Geysers“ in den USA (850 MWel)
1960 – 2000: Entwicklung und Ausbau weiterer Anlagen in über 60 Ländern
Aktuell: weltweit 11.224 MW geothermische Kapazitäten installiert (Stand: Mai 2012)
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2. Geschichte
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3. Geothermiesysteme
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Hydrothermale Systeme
- Wasserführende Schicht in 2.000 – 4.000 Meter Tiefe
- Hochenthalpie-Lagerstätten (Lagerstätten mit aktivem Vulkanismus)
- Niederenthalpie-Lagerstätten (Lagerstätten in nichtvulkanischen Gebieten)
Petrothermale Systeme
- Bis 6000 Meter Tiefe
- Im Gestein gespeicherte Energie
- Wenig bis kein Wasservorkommen, daher i.d.R. Hot-Dry-Rock Verfahren
Tiefe Erdwärmesonde- Geschlossener Kreislauf eines Wärmeträgermediums (H2O, NH3, CO2)
- Beliebig tiefe Bohrung möglich
- Wärmegewinnung möglich
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3. Tiefe Geothermiesysteme
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4. Voraussetzungen
Wasser- /Dampfführende Gesteinsschicht
Hohe Förderrate
Hohe Permeabilität und Durchlässigkeit
Sedimentgesteine i.d.R. höhere Permeabilität (z.B.Sandstein, Kalkstein, etc.) als
kristalline Gesteine (Granit)
Hohe geothermische Gradienten (2,5 bis 3,5 °C pro 100 m Tiefenzunahme)
Für Stromerzeugung Thermalwasser von über 100 °C nötig
Durchlässigkeitsbeiwert kf und Permeabilität K
k f Q
i A
k f K g
kf: Durchlässigkeitsbeiwert in ms-1
Q: Volumenstrom in m3s-1
i: hydraulischer Gradient A: Fläche in m2
K: Permeabilität in m2
μ: Viskosität des Wassers ρ: Dichte des Wasser
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Hydrothermale Geothermie kennt zwei unterschiedliche Wärmequellen:
Thermalwasserfelder
- Heißwasser-Aquifere (Grundwasserleiter)
Hydrothermale Heiß- und Trockendampfvorkommen
- Dampfvorkommen unter hohem Druck
- Temperatur: bis 250 °C
- Geologische Bedingungen in Deutschland nicht gegeben
- Dampf kann direkt in Turbine entspannt werden, kein Einsatz von
Seperator und Arbeitsfluid nötig
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5. Nutzungsmöglichkeiten
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Direkte Wärmenutzung
→ Temperatur: 20 – 150 °C
→ Einsatz von Wärmetauschern
→ Bei niedrigeren Temperaturen: Einsatz von Wärmepumpen
→ Nutzung in Thermalbädern, Fernwärmenetz
Flash-Kraftwerk zur Heißwassernutzung
→ Ab 150 °C
→ heißer Wasserdampf wird im Flash-Kraftwerk direkt in Turbine entspannt
Binärkraftwerk bei aggressiven Thermalwässern oder niedrigem Druck
ORC-Kraftwerk Kalina-Kraftwerk
→ Stromerzeugung ab 80 °C → Stromerzeugung unter 100 °C
→ Wärmeübertragung auf organisches → Arbeitsmedium: Ammoniak-
Arbeitsmedium Wasser-Gemisch → heute: z.B.: n-Pentan, früher: R11, R12 → Nachteil: NH3 ist basisch, giftig
→ Wirkungsgrad: 8 – 13 % → weltweit wenige Anlagen
→ höherer Wirkungsgrad als ORC
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5. Nutzungsmöglichkeiten
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Stromerzeugung und Wärmenutzung durch Binärkraftwerk
Förderbohrung und Injektionsbohrung
in wasserführender Schicht
Thermalwasser steig bis ca. 200 m unter
GOK
Tauchpumpe fördert Thermalwasser
Wärmetauscher entnehmen Wärme
des Thermalwassers
Wärme wird zur Stromproduktion und
für Fernwärmenetz genutzt
Thermalwasser wird über Injektions-
bohrung in die Tiefe gepumpt
Thermalwasser erwärmt sich wieder bis
es die Förderbohrung erreicht
Abgeschrägte Bohrungen um geo-
thermischen Kurzschluss zu vermeiden
Thermalwasserkreislauf
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6. Funktionsprinzip
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Flash-Kraftwerk zur Heißwassernutzung
Förder- und Injektionsbohrung
Verdampfung des Thermalwasser während Förderung (Druckabfall von 0,1 bar/m)
Seperator trennt Nassdampf in flüssige und gasförmige Phase
Zentrifugalkraft presst Flüssigkeit nach außen, wird in Injektionsbohrung gepresst
Entspannung des Trockendampfs in Turbine
Nach Turbine Kondensation über Kühlung (Trockenkühler oder Kühlturm) und
Verpressung in Injektionsbohrung oder entlassen des Dampfs in Atmosphäre
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6. Funktionsprinzip
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Geschlossener Thermalwasserkreislauf
Hoch aggressives Wasser
Hoher Salzgehalt Gelöste Gase ( CH4, N2, H2S,)
Rohrbeschichtung: Chromlegierungen, Epoxidharze
Flash-Anlage: Turbine mit aggressiven Stoffen in Kontakt → begrenzte Lebensdauer
Durch Wasserkreislauf wird der Aquifer hydraulisch nicht erschöpft
maximale Entnahmemenge ohne Kreislauf: 3 L/s (bei balneologischer Nutzung)
Permanenter Druck von 15 – 20 bar
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6. Funktionsprinzip
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Hohe hydrothermale Energie-
ressourcen im Norddeutschen
Becken, Oberrheingraben und
Molassebecken
Potentielle hydrothermale Vor-
kommen im Thüringer Becken
und der Süddeutschen Senke
Rot eingezeichnete Gebiete eignen
sich für die geothermische Strom-
erzeugung
Gelb eingezeichnete Gebiete
eignen sich für direkte Wärme-
nutzung mit Wärmetauscher
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7. Nutzungsgebiete und Anlagenstandorte
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Große Anlagenzahl im Molasse-
becken, besonders in und um
München
Große Zahl ungenutzter Standorte
(teilweise ist Bohrung eingestürzt
oder es wurde Öl gefunden)
19 Standorte in Betrieb (Stand: 2012)
- 18 nutzen hydrothermale
Geothermie
- 1 nutzt Sonde
- 185,3 MW Wärmeleistung
- 7,31 MW Elektrische Leistung
Mehr als 150 Thermalbäder (wegen
der Übersicht nicht aufgeführt)
Tiefste Momentan betrieben Boh-
ung: Horstberg mit 3920m
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7. Nutzungsgebiete und Anlagestandorte
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Förder- und Injektionsbohrung
Pumpenhaus
Wärmetauscher
Vorerhitzer und Verdampfer
Turbine
Trockenkühler (alternativ: Kühlturm)
Anschluss an Fernwärmenetz
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8. Anlagenaufbau am Beispiel Landau
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Förderbohrung Blau
Reinjektionsbohrung Rot
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8. Anlagenaufbau am Beispiel Landau
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Wärmetauscher
Vorerhitzer und Verdampfer
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8. Anlagenaufbau am Beispiel Landau
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Turbine in der Mitte
Generator im weißen Blechkasten rechts
Vorderes Grünes Rohr: Dampfweiterleitung zum Trockenkühler
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8. Anlagenaufbau am Beispiel Landau
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch 27.07.12 | 19
9. Vor- und Nachteile
PRO CONTRA
Dauerhaft zur Verfügung stehende Energiequelle Gute CO2-Bilanz Strom- und Wärmegewinnung Unabhängig von Witterung, Tages- und Jahreszeit Gesamtbilanz von eingesetzter zu gewonnener Energie ist positiv Keine bis nur geringe Umweltbelastung Preisstabil Relativ Geräuscharm → Regelung durch TA Lärm (für Wohngebiete: Nachts 40 dB) → direkt an Anlage: 70 dB (Lärm eines Rasenmähers) → in 600 Metern Entfernung: 40,2 dB (Brummen eines Kühlschranks)
Aufwendige Vorarbeiten (seismo- akustische Vermessung, Bohrung, etc.) In Deutschland nur in großen Tiefen und örtlich beschränkt (z.B Oberrheingraben) Externe Energiezufuhr für Wärmepumpen notwendig Erdbebengefahr geringer Stärken nach Bohrungen möglich (z.B.: Landau im September 2009) Nur wirtschaftlich, wenn Netz großer Wärmenachfrager gegeben ist (z.B.: Industrie, Großstädte) Fündigkeitsrisiko (geringe Temperatur, unzureichende Wasserförderrate) relativ hoch Geringer Wirkungsgrad von 8 – 13 % für die Stromerzeugung (bei ORC-Prozess) Hoher Platzbedarf (mehrere hundert m²)
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Investitionsvolumina von mehreren Millionen Euro
Großteil entfällt auf Bohrungen
Kosten für Backup-Systeme entfallen
Zusätzliche Wartungs- und Reperaturkosten,
falls aggressive Thermalwässer gefördert werden
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9. Vor- und Nachteile - Kosten
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Bundesregierung
Förderung jeder Projektbohrung mit bis zu 5 Millionen Euro
Förderung sonstiger geothermischer Anlagen mit bis zu 2,5 Millionen Euro
Bundeseigene KfW-Bank finanziert bis zu 10 Millionen Euro
KfW-Bank finanziert 80% der förderfähigen Kosten wenn Bohrung schief geht
→ Bundesregierung hat also großes Interesse an Erdwärmenutzung
Erneuerbare Energien Gesetz
Max. 25 Cent/kWh Vergütung für Strom aus Geothermie
Zum Vergleich: max. 21,11 Cent/kWh für Strom aus solarer Strahlungsenergie
max. 12,70 Cent/kWh für Strom aus Wasserkraft
4,87 Cent/kWh für Strom aus Windkraft
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10. Beitrag des EEG und der Bundesregierung zur Geothermieentwicklung
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Geothermie Unterhaching GmbH & Co KG
Geothermisches Heizkraftwerk
Investitionsvolumen: 90 Mio. €
Förderung: ca. 37 Mio. €
Amortisation: ca. 15 Jahre
Bauzeit: 7 Jahre
2009 in Betrieb gegangen
Thermalwasser: 122 °C
Förderrate: 150 l/s Leistung: 38 MWth
3,36 Mwel
Stromproduktion: ca. 7 GWh
Wärmeproduktion: ca. 73 GWh
Stromerzeugung: Kalina-Prozess
Angeschlossen an Fernwärmenetz
CO2-Einsparung: 24.333 t (2011)
Vergleich: Strom aus Atomkraft: 0,032 t CO2/MWh
Strom aus Kohlekraftwerk: 1,153 t CO2/MWh
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11. Geothermieheizkraftwerk Unterhaching
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
Umweltschonend und sauber
Geothermisches Potential in Deutschland noch nicht ausgeschöpft
Kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten
Einsatz eher für lokale Versorgung von kleineren Städten
Kein großtechnischen Anlagen wie zum Beispiel in den USA möglich
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12. Fazit
Hydrothermale Geothermie – Konstantin Kirsch
[1] Internetseite des geothermischen Informationssystems:
http://www.geotis.de/
[2] Internetseite des Energieinformationsdienst BINE:
http://www.bine.info/hauptnavigation/publikationen/publikation/geothermie/Hydrothermale-geothermie/
[4] Internetseite über Geothermie:
http://www.regenerative-zukunft.de/erneuerbare-energien-menu/geothermie
[5] Internetseite GtV Bundesverband Geohtermie:
http://www.geothermie.de/wissenswelt/geothermie/in-deutschland.html
[6] Internetseite des Geothermiestandorts Pullach:
http://www.iep-pullach.de/cms/index.php?idcat=10
[7] Internetseite des EEG:
http://www.clearingstelle-eeg.de/files/EEG-20120401.pdf
[8] Firat Uygur: Tiefe Erdwärmenutzung am Beispiel eines Geothermiekraftwerks in der Türkei
E-Book-Link
[9] Internetseite: Bayrisches Landesamt für Umwelt
http://www.lfu.bayern.de/geologie/geothermie/index.htm
[10] Geothermal Energy Association: International Market Overview Report May 2012
http://geo-energy.org/pdf/reports/2012-GEA_International_Overview.pdf
[11] Internetseite des Geohtermieheizwerks Unterhaching:
https://www.geothermie-unterhaching.de/cms/geothermie/web.nsf/id/pa_home.html
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Quellenverzeichnis