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Von Dr. Marina Braun-Unkhoff und Dr. Patrick Le Clercq
Alternative Treibstoffe in der Luftfahrt
Abschmelzende Gletscher, Erderwärmung und Treibhauseffekt sind in aller Munde. Klimaschutz ist
das Gebot der Stunde. Die Reduzierung der Emissionen von Kohlendioxid (CO2) wird als Königs-
weg betrachtet. Aber wie sieht dieser Weg aus? Gelingt das mit den derzeitigen Treibstoffen? Gibt es
Alternativen zum Kerosin? Welche Eigenschaften sollten alternative Treibstoffe haben? Und wie könnte
die Zukunft aussehen? – Fragen, denen sich auch DLR-Wissenschaftler des Instituts für Verbrennungs-
technik in Stuttgart stellen.
Mit der Kraft vonPflanzen und Algen
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begrenzen und sie mit einzubeziehenin den Emissionshandel. Die Suchenach zukünftigen, alternativen Treib-stoffen hat Fahrt aufgenommen.
Die Anforderungen
Die Herausforderung besteht darin,einen Treibstoff zu finden, der preis-günstig mit gleich bleibender Quali-tät weltweit verfügbar ist, außerdemüber ein erhebliches CO2-Minderungs-potential verfügt und nahezu diesel-ben physikalischen Eigenschaftenaufweist wie der derzeitige Flugtreib-stoff Kerosin. Alternative Treibstoffemüssen zahlreiche Anforderungenerfüllen, um die Zulassung für denLuftverkehr nach einem aufwändigenZertifizierungsprozess zu erhalten,unter besonderer Berücksichtigungder Flugsicherheit. Ein neuer Flug-treibstoff sollte ebenso wie Kerosineine hohe Energiedichte aufweisen,
Bereits heute werden erheblich we-niger Schadstoffe in die Atmosphäreemittiert als in den 80er Jahren. Flug-zeugantriebe sind in den vergangenenJahren zunehmend sparsamer gewor-den. Moderne Jets verbrauchen proPassagier und 100 Kilometer weni-ger als drei Liter Kerosin, was einemAusstoß von 200 bis 400 Gramm CO2
pro Passagier und hundert Kilometerentspricht.
Trotz der bisherigen Erfolge: Eineweitere Reduzierung des Treibstoff-verbrauchs ist unverzichtbar. Der Ke-rosinverbrauch hat sich seit 1970 ver-fünffacht. Der Flugverkehr wächstvon Jahr zu Jahr.
Die EU-Kommission hat – ausgehendvon Internationalen Vereinbarungenwie dem Kyoto-Protokoll von 1997 –vorgeschlagen, die durch die Luft-fahrt bedingten CO2-Emissionen zu
selbst bei Umgebungstemperaturenvon minus 50 Grad Celsius flüssigsein und einen niedrigen Frostpunkthaben. Wichtig ist auch die Kompati-bilität mit Triebwerken und Triebwerks-komponenten – sowohl derzeitigenals auch zukünftigen, hinsichtlichEmissionsverhalten, Lärm und Effi-zienz.
Derzeitige alternative Treibstoffe,auch synthetischer Treibstoff oderBiokerosin genannt, werden vor allemaus Kohle, Biomasse sowie Erdgashergestellt.
Synthetischer Treibstoff – auch Fi-scher-Tropsch-Kerosin genannt –basiert auf der Vergasung von Kohleund Biomasse unterschiedlichsterAusgangsmaterialien (Pappel, Weide,Stroh, Getreide, Mais, Soja, Zucker-rohr, Algen).
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Erstflug eines zivilen Verkehrsflugzeugs mit synthetischem Treibstoff
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Die Vorzüge
Alternative Treibstoffe eröffnen neueMöglichkeiten, die Abhängigkeit vonfossilen Energieträgern (Rohöl) sowienegative Auswirkungen auf die Um-welt zu verringern. Letzteres solldurch geringere Emissionen vonKohlendioxid, das als hauptverant-wortlich für den Klimawandel an-gesehen wird, sowie von Stickoxiden,Wasser, Aerosolen und Rußpartikelnerreicht werden.
Folgende Fragen sind – neben der Er-füllung des Zertifizierungsprozesses –für die Bewertung von alternativenTreibstoffen wichtig:Wie ist ihre Verfügbar-keit und wie groß istdas CO2-Einsparpoten-tial? Handelt es sichum fossile Energieträ-ger wie Kohle undErdgas oder um Bio-masse, einen nach-wachsenden Rohstoff?Gibt es eine Nutzungs-konkurrenz, beispiels-weise mit der Lebens-mittelerzeugung?
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Diese Treibstoffe werden auch alsCtL (Coal to Liquid) beziehungsweiseBtL (Biomass to Liquid) bezeichnet.Biokerosin ist eine Mischung von her-kömmlichem Kerosin mit bis zu 15Prozent Biodiesel, welcher derzeit vorallem aus Nahrungspflanzen wie Raps(Deutschland) oder Sojabohnen (USA)hergestellt wird. Im Prinzip eignetsich aber jedes pflanzliche Material.Auch synthetische Treibstoffe aufErdgas-Basis werden eingesetzt (GtL-Treibstoffe, Gas to Liquid).
Zunächst wird mittels unterschied-lichster Vergasungsverfahren dasAusgangsmaterial in ein Gemischvon Kohlenmonoxid (CO) und Was-serstoff (H2) umgesetzt. Diese CO-H2-Gemische werden dann durchdie Fischer-Tropsch-Synthese in flüs-sige Kohlenwasserstoffe umgewan-delt. So können Treibstoffe gezieltdesignt werden, die ähnliche Eigen-schaften aufweisen wie herkömmli-ches Kerosin.
Die Produktion
Das Potential von Biomasse als nach-haltige Energiequelle lässt sich nur
schwer abschätzen. Der Anbau sogenannter Energiepflanzen hat zahl-reiche Vorzüge: weniger Anbauflächeund Dünger, geringe Anforderungenan die Bodenqualität, kaum Konkur-renz zum Anbau von Lebensmittel-pflanzen und vermindertes Treibhaus-potential. Derzeit gibt es Versuche,aus Meeresalgen BtL-Treibstoff zugewinnen. Fettsäuremethylester kön-nen herkömmlichem Kerosin beige-mischt werden, wenn auch nur zueinem geringen Anteil (Biokerosin).
Erste Testflüge
Noch ist Kerosin auf Erdölbasis derTreibstoff der Wahl für Turbofan- undTurboproptriebwerke. Doch dieskann sich ändern. Airbus hat miteinem A380 Anfang 2008 den erstenFlug eines zivilen Verkehrsflugzeugsmit einem GtL-Treibstoff in einem dervier Triebwerke (Rolls Royce) durch-geführt. Virgin Atlantic flog einenJumbo, bei dem eines von vier Gene-ral Electric-Triebwerken mit BtL-Treib-stoff betankt wurde. Air New Zea-land will gemeinsam mit Rolls Roycedie Beimengung von Agrotreibstoffenan einer Boeing 747-400 testen.
Modell einer Bioraffinerie
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Meeresalgen als Aus-gangsmaterial für zukünf-tige Biotreibstoffe
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Bewertung
CtL-Treibstoffe werden nach einererprobten, allerdings energieaufwän-digen Technik produziert, besitzenaber ein nur geringes CO2-Einspar-potential. Ihr großer Vorteil ist dielangfristige weltweite Verfügbarkeit.Sie sind bereits als Flugtreibstoff zu-gelassen (als 50-prozentige Beimi-schung zu herkömmlichem Kerosin).
GtL-Treibstoff hat im Vergleich zuKerosin eine höhere Energieeffizienzund ist praktisch schwefel- und aro-matenfrei. Er könnte bereits in naherZukunft an bestimmten Orten derkommerziellen Luftfahrt zur Verfügungstehen. Der CO2-Ausstoß liegt aller-dings auf dem Niveau von Kerosin.
BtL-Treibstoff kann aus einer Vielzahlunterschiedlichster Biomasse erzeugtwerden. Die Nutzungskonkurrenzund die Energieeffizienz spielen einewichtige Rolle. Das Ideal ist eine Bio-raffinerie, die die gesamte Pflanzenutzt: zur Produktion von Lebens-mitteln (Samen), zur Herstellung vonTreibstoff (Zellulose), und zur stoff-lichen Verwertung. Auch die orga-
nische Trockensubstanz aus bioge-nen Rest- und Abfallstoffen könntegenutzt werden. Algen als Ausgangs-material stellen keine Nahrungskon-kurrenz dar. Sie bieten ein erheblichesCO2-Einsparpotential und einen umbis zu 70 Prozent höheren Ertrag proAnbaufläche im Vergleich zu andererBiomasse. Algen-Anbau benötigtweniger Wasser als Pflanzen undkönnte auch in Gebieten erfolgen,die sonst kaum nutzbar sind, wieWüsten und wüstenähnliche Gebiete.
Wasserstoff könnte CO2-frei mittelsSolarenergie aus Wasser produziertwerden, beispielsweise in Anlagen wiedem Sonnenofen des DLR. Schwierigerzu beurteilen ist hier indessen derEinfluss auf das Klima.
Der Ausblick
Kurzfristig können vor allem Biokero-sin in geringer Beimengung zu her-kömmlichem Kerosin sowie CtL- undGtL-Treibstoffe als alternative Treib-stoffe dienen. Allerdings ist ihr CO2-Reduktionspotential nur gering. Mit-telfristig gesehen, erscheint dieHerstellung von synthetischem Treib-
stoff aus Mikroorganismen (Algen)sehr vielversprechend, sowohl hin-sichtlich CO2-Bilanz und Ertrag alsauch hinsichtlich seiner Nutzungs-konkurrenz. In fernerer Zukunftkönnten CO2-freie Energieträger wieflüssiges Methan (LCH4) oder Was-serstoff (LH2) im Fokus stehen. DasDLR ist im Rahmen des EU-ProjektsALFA-BIRD an der Erarbeitung einerRoadmap für alternative Flugtreib-stoffe maßgeblich beteiligt.
Der Einsatz von alternativen Treib-stoffen erscheint machbar. Industrieund Wissenschaft haben die Heraus-forderung angenommen und bereitserste spektakuläre Erfolge erzielt.Weitere Innovationen werden folgen.Der Einsatz von BtL-Treibstoff in derLuftfahrt könnte so wesentlich frü-her machbar sein als bisher geplant.Das klimafreundliche Flugzeug istkeine Utopie mehr.
Autoren:
Dr. Marina Braun-Unkhoff und Dr. Patrick
Le Clercq bearbeiten im DLR-Institut für
Verbrennungstechnik in Stuttgart das
Thema Alternative Brennstoffe.
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