Michael Vogtmann
Mallorca-Gedichte
Mit Fotografien von Brigitta Nottebohm
Zikaden nehmen hitzefrei
Alli
tera
Allitera Verlag
Michael Vogtmann
Zikaden nehmen hitzefreiMallorca-Gedichte
Mit Fotografien von
Brigitta Nottebohm
Allitera Verlag
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de
Juli 2012Allitera Verlag
Ein Verlag der Buch&media GmbH, München© 2012 Buch&media GmbH, München
© 2012 Alle Fotografien: Brigitta NottebohmLayoutdesign: Bettina Klare, Hattingen
Satz und Herstellung: Buch&media GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: Buch&media GmbH, München
unter Verwendung des Bildes »La Reina de la Noche« von Brigitta NottebohmPrinted in Germany · isbn 978-3-86906-371-3
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Horizont
Was ist das für ein Horizont?Gibt’s dahinter Barcelona?Wer malt die Linie so gekonntEin Insel- oder Mondbewohner?
Sterne werfen goldne SchattenWo das Meer den Himmel küßtWo Libellen sich begattenWo man schier unendlich ist
Es tanzt ein Clown mit seiner FlöteAuf dem schmalen Strich aus NichtsDie Fähre ritzt die MorgenröteUnd eine Möwe harrt des Lichts
Gedanken hängen auf der LeineSowie ein Schiff aus SansibarAuch lange blasse QuallenbeineUnd ein verlornes Engelshaar
Augenblicke dümpeln dortDelphine sprudeln hier emporSeepferdchen lieben diesen OrtUnd Wale singen da im Chor
Wie tief der Himmel heute brenntEin Regenbogen wird geborenMein Auge sucht das FirmamentIch habe alle Zeit verloren
Kann keine Grenze mehr erkennenVerloren Naht und Saum und RaumIch will den Himmel nicht mehr trennenEin Wimpernschlag ein kurzer Traum.
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Lila Yacarandawind
Ein lila YacarandawindSaust klagend um mein HausEin rotes KatzenkaterkindJagt japsend eine MausEin Pfahl fällt umEin Falke pfeiftEin Atem der die Sterne streiftEin Nachbar stirbtDer andre nichtEin KinderlachenMorgenlicht
Ein gelber greller WüstensandLegt sich aufs FincadachSchatten ist kaum bei der HandDu suchst ein SchutzgemachEin Stier weint leisEin Schwein grunzt schwarzSommer blitzt im MarmorquarzEin Mann hat GlückDer andre nichtEin EselblökenMittagslicht
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Ein tiefer stiller ZwischentraumDurchdringt das Dorf die FelderEin Gecko tanzt am MauersaumEin Schaf flieht in die WälderWer will geifernWer will grollenWer will überhaupt noch wollenEin Mädchen gluckstEin andres nichtEin BubengrinsenSiestalicht
Ein wirrer irrer RhythmusklangDröhnt hämmernd übers TalEin hoher sägender GesangZerschneidet Luft und StahlWir müssen balzenWollen glänzenSchleifen Mauern sprengen GrenzenEin Trommler schlägtDer andre nichtKein InnehaltenAbendlicht
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Ein seidig zartes LiebesglückErfüllt nun TräumerherzenDas Böse auch kennt kein ZurückBereitet rohe SchmerzenSterne flimmernKatzen schreinHoffnung hüllt die Wahrheit einEin Nachtgeist seufztDer andre wachtDunkle RuheEndlich Nacht
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Siesta
Ich lieg in meiner MatteUnd hängWie ein KängUnd ruh mich ausVom Mittagsschmaus
Ich lasse alle GliederErmattenDie sattenDie Sonne stichtIns Angesicht
Meine Gedanken hampelnSie dümpelnEntrümpelnVom ScheitelBis zum Beutel
Die Hirnströme verendenHerz stopptBeklopptDas Leben weichtEin Gecko keucht
Ein Palmenhalm verdorrtEr brichtvom GewichtDes heißen TagsUnd ich mags
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Ein Flieger fliegt sehr hochBringt GästeFür FesteFür Buchten am MeerUnd nichtsBleibt mehr leer
Ich schaukle im WindSchließ AugenNichts taugenNichts mehr beschreibenNicht reibenNur treibenNur lallenNur fallen
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Olivenbaum
Suchst Du Geschichte Räume Zeit?Such einen alten BaumSuchst Du Gesichter Schattenaugen?Such einen alten BaumSuchst Du Gesichte Träume Leid?Frag den Olivenbaum
Das Licht durch seine Krone singt ein LiedEin Lied von Meer und GlanzDer Wind spricht in den Blättern ein GedichtVon Schatten, Sonne und von wildem Tanz
Er blickt dich an mit seinen dunklen AugenEr streichelt leicht dein HerzEr zittert, wispert, flüstert leise FabelnUnd er erzählt von Kriegen, Liebe, Schmerz
Er spricht in allen Sprachen dieses MeeresUnd er singt jede MelodieEr kennt die kleinen Trommeln und die großenEr weiß von Vollmond, Rhythmus und Magie
So viel Gezwitscher hat er schon vernommenUnd manchen KatzenschreiUnd manche Sau hat sich an ihm gewetzetSein Schatten schützte manche Narretei
Aus seinem dichten Holz wachsen VisagenUnd seine Rinde bebtEs zeigt sein Stamm geduldig in die SterneEin Käfervolk von seinem Atem lebt
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Das Licht des Südens hat er eingesammeltUnd IrismeeresluftDazu noch hundert Jahre alten RegenMit jenem gläsern frischen Morgenduft
Rissig schrundig biblische LegendeSing noch eine WeileDu weißt vom Gestern ahnst das MorgenUnd heute?Ja, heute wieder kennst du keine Eile.
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November
Regen rauscht in die ZisterneWolken tief im TalIch höre dieses Rauschen gerneHab keine andere Wahl
Novemberschwere überm GartenErde säuft sich sattWir mussten lang auf Regen wartenWohl dem der Brennholz hat
Inseltrolle in den PinienNebliges GelichterAm Horizont verwischte LinienIm Feuer Spukgesichter
Palmenarme haschen TauGeisterdämmerungGischt mischt sich mit schwarzem BlauGreise werden jung
Nasse Wolle drückt die SchafeSchwere Erde SumpfDas nahe Dorf in tiefem SchlafeGedanken feucht und stumpf
Nicht Sinn Vernunft oder GewinnWarmer HöhlenraumBin froh dass ich im Hause binWill schlafen – guten Traum.
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Spaziergang
Orangen in den ManteltaschenDas Herz voll GrübeleienIch gehe losEs ist noch kalt… Was ist nur los?So grau der Pinienwald
Der Inselhimmel gar nicht blauDie Menschen dumpf und fahlIch geh voranEs wird nicht warm… Was ist bloß los?Die Mandeln schmecken arm
Die Hunde bellen bös und wildDie Schafe blöken gelbIch gehe weitEs bläst ein Sturm…Was ist denn los?Im Apfel grient ein Wurm
Moskitogift dringt in die HautDie Möwen kreischen irrIch gehe engIch stehe starr… Was ist hier los?Im Eukalyptus weint ein Narr