1
Regionale Fortbildung Latein September 2013: Schwerpunktthema im Abitur 2014 – Ovid Metamorphosen (V. Mayer)
Metamorphose und Politik: Die Apotheose Caesars
Hinführung: Sicherlich ist Ihnen im Laufe des Lateinunterrichts schon mehrfach Caesar begegnet.
1.) Versuchen Sie, Ihre Kenntnisse über diesen bedeutenden Römer mit Hilfe einer Mindmap zu strukturieren.
2.) Informieren Sie sich auch über Caesars Ende.
Text 1: Gründe für Caesars Apotheose (Met. XV, 745-761a)
Hic tamen accessit delubris advena nostris: 745
Caesar in urbe sua deus est. Quem Marte togaque
praecipuum non bella magis finita triumphis
resque domi gestae properataque gloria rerum
in sidus vertere novum stellamque comantem,
quam sua progenies; neque enim de Caesaris actis 750
ullum maius opus, quam quod pater exstitit huius:
Scilicet aequoreos plus est domuisse Britannos
perque papyriferi septemflua flumina Nili
victrices egisse rates Numidasque 1)
rebelles
Cinyphiumque 2)
Iubam Mithridateisque tumentem 755
nominibus Pontum 3)
populo adiecisse Quirini 4)
et multos meruisse, aliquos egisse triumphos,
quam tantum genuisse virum, quo praeside rerum
Gleichwohl kam er als Fremdling in unsere Tempel; Caesar aber
ist in seinem Rom ein Gott! Ihn, der in der Schlacht und im
Friedensgewande unvergleichbar war, haben dennoch nicht so
sehr seine siegreich beendeten Kriege, seine Leistungen im
Frieden und der rasch erworbene Tatenruhm in ein neues
Gestirn, in einen Kometen verwandelt, als sein Sohn. Ja, Caesars
erhabenstes Verdienst ist es, dessen Vater zu sein. Oder wäre es
mehr wert, die meerumschlungenen Briten bezwungen, in die
Arme des papyrusumsäumten, siebenarmigen Nils die siegreiche
Flotte geführt, die aufrührerischen Numider samt ihrem König
Juba und das mit dem Ruhm des Mithridates sich brüstende
Pontus dem Römervolk unterworfen, viele verdient und nur
einige Triumphe gefeiert, als einen solchen Mann der Welt
geschenkt zu haben, durch dessen Herrschaft ihr, Götter, die
2
humano generi, superi, favistis abunde!
Ne foret hic igitur mortali semine cretus, 760
ille deus faciendus erat; (...)
Menschheit überschwenglich begnadet habt? Damit dieser nicht
einem sterblichen Geschlecht entstamme, musste also jener ein
Gott werden.
Anmerkungen: 1)
Numida, ae: Numidier (Volk in Nordafrika); 2)
Cinyphius, a, um: Adj. zu Cinyps (Fluss in Libyen), libysch, afrikanisch; 3)
Pontus,
i: Landschaft an der Nordküste Kleinasiens, die unter Mithridates I. ihre Blütezeit hatte; 4)
Quirinus,i: Name des vergöttlichten Romulus
AUFGABEN
1.) Stellen Sie aus dem lateinischen Text die Gründe für Caesars Apotheose zusammen. Vergleichen Sie mit Ihrer Mindmap zu Caesar.
2.) vv.746-758, Quem ... genuisse virum: Analysieren Sie den Aufbau der Sätze. Welche Gemeinsamkeiten ergeben sich? Berücksichtigen Sie auch
den Inhalt.
Text 2: Venus´ Sorge um Caesar (Met. XV 761b-778)
(...) quod ut aurea vidit
Aeneae genetrix, vidit quoque triste parari
pontifici letum et coniurata arma moveri,
palluit et cunctis, ut cuique erat obvia, divis
”adspice”, dicebat, ”quanta mihi mole parentur 765
insidiae, quantaque caput cum fraude petatur,
quod de Dardanio solum mihi restat Iulo 1)
.
Solane semper ero iustis exercita curis,
quam modo Tydidae 2)
Calydonia 3)
vulneret hasta,
nunc male defensae confundant moenia Troiae, 770
Als dies Äneas' goldene Mutter sah, als sie sah, dass man zum
bitteren Tod des Oberpriesters schon Vorkehrungen traf und die
Verschwörer die Dolche zückten, da erblasste sie und sprach zu
jedem Gott, mit dem sie zusammenkam: ”Siehe, welch
ungeheure Anschläge mir drohen und mit welcher Tücke man
dem nach dem Leben trachtet, der mir allein von dem Troer lulus
noch übrig ist! Soll denn ich allein mich ewig mit begründeten
Sorgen quälen, ich, die bald Diomedes mit seiner ätolischen
Lanze verwundet, dann der Schutz des schlecht verteidigten
Troja bekümmert, die ich meinen Sohn auf langer Irrfahrt übers
3
quae videam natum longis erroribus actum
iactarique freto sedesque intrare silentum
bellaque cum Turno gerere, aut, si vera fatemur,
cum Iunone magis? Quid nunc antiqua recordor
damna mei generis? Timor hic meminisse priorum 775
non sinit; in me acui sceleratos cernitis enses?
Quos prohibete, precor, facinusque repellite neve
caede sacerdotis flammas exstinguite Vestae!”
Meer treiben sehe, die Behausung des stillen Volkes betreten und
Kämpfe mit Turnus oder, um die Wahrheit zu gestehen, mit Juno
ausfechten sehe? Doch wie kann ich mich alter Mühen meines
Geschlechts erinnern? Gegenwärtige Furcht gestattet mir nicht,
an Vergangenes zu denken! Seht ihr nicht, wie man ruchlose
Schwerter schleift? O haltet sie zurück, ich flehe darum!
Verhindert die Tat und lasst nicht im Mordblut des Priesters das
Feuer der Vesta erlöschen!”
Anmerkungen: 1)
Dardanius Iulus: gemeint ist Aeneas‘ Sohn, Stammvater des julischen Geschlechts und damit auch Caesars; 2)
Tydides, ae:
Diomedes, Sohn des Tydeus, verwundete Venus im Trojanischen Krieg; 3)
Calydonius, a, um: kalydonisch, ätolisch (aus der Heimat Diomedes‘)
AUFGABE
Belegen Sie anhand von sprachlichen und inhaltlichen Mitteln, dass Venus‘ Rede stark von Affekten geprägt ist.
Text 3: Schlimme Prodigien (Met. XV 779-798)
Talia nequiquam toto Venus anxia caelo
verba iacit superosque movet, qui rumpere quamquam 780
ferrea non possunt veterum decreta sororum 1)
,
signa tamen luctus dant haud incerta futuri.
Arma ferunt inter nigras crepitantia nubes
terribilisque tubas auditaque cornua caelo
praemonuisse nefas; solis quoque tristis imago 785
So klagt die besorgte Venus umsonst im ganzen Himmel und
erregt das Mitleid der Götter. Wenn diese auch den eisernen
Beschluß der uralten Schicksalsschwestern nicht zu ändern
vermögen, so senden sie doch wenigstens sichere Zeichen des
künftigen Unheils. Waffengeklirr ließ sich aus schwarzem
Gewölke, so sagt man, schreckliches Trompetengeschmetter und
Hörnerschall vom Himmel vernehmen und kündigte den Frevel
4
lurida sollicitis praebebat lumina terris.
Saepe faces visae mediis ardere sub astris,
saepe inter nimbos guttae cecidere cruentae;
caerulus et vultum ferrugine Lucifer atra
sparsus erat, sparsi lunares sanguine currus; 790
tristia mille locis Stygius dedit omina bubo,
mille locis lacrimavit ebur, cantusque feruntur
auditi sanctis et verba minantia lucis.
Victima nulla litat, magnosque instare tumultus
fibra monet, caesumque caput 2)
reperitur in extis, 795
inque foro circumque domos et templa deorum
nocturnos ululasse canes umbrasque silentum
erravisse ferunt motamque tremoribus urbem.
an. Auch des Sonnengottes trauerndes Angesicht gab den
geängstigten Ländern nur ein bleiches Licht. Oft sah man mitten
unter den Gestirnen Fackeln lodern, oft fielen Blutstropfen im
Regen hernieder. Fahl schien der Morgenstern, und grausige
Schwärze kroch über sein Antlitz. Mit Blut bespritzt war Lunas
Wagen. Traurige Vorzeichen gab an tausend Orten die höllische
Eule, an tausend Orten weinten elfenbeinerne Götterbilder, und
Totengesänge und drohende Stimmen vernahm man, so hieß es,
aus heiligen Hainen. Kein Opfer verkündet Gutes; die Ein-
geweide warnen vor gewaltigem Aufruhr, und abgetrennt von
der Leber findet man ihr Haupt. Auf dem Forum, um die Häuser
und um die Tempel der Götter heulten zur Nachtzeit Hunde, ja
man sagt sogar, Schatten Verstorbener irrten umher, und von
Erdbeben wurde Rom erschüttert.
Anmerkungen: 1)
sorores: gemeint sind die Parzen, die Schicksalsgöttinnen; 2)
caput: das Haupt, eine Anschwellung im rechten Leberlappen, zu
zerschneiden, galt als ein schlechtes Vorzeichen
AUFGABEN
1.) vv.779f., Talia ... movet: Vergleichen Sie die folgenden Übersetzungen dieses Satzes unter sprachlichem und inhaltlichem Aspekt. Beachten Sie
auch den Fortgang der Erzählung.
-Fink: So klagt die besorgte Venus umsonst im ganzen Himmel und erregt das Mitleid der Götter.
-v. Albrecht: Solche Reden verbreitet die besorgte Venus umsonst im ganzen Himmel und versucht die Götter zu rühren.
-Rösch: Angstvoll erfüllte Venus mit solchen Reden den ganzen Himmel und rührte vergeblich die Götter.
5
2.) In diesem Abschnitt versucht Ovid das Geschehens zu dramatisieren. Arbeiten Sie beispielhaft an vv.785b-790 (solis quoque ... sanguine currus)
heraus, wie er Textgrammatik, Stilistik und Metrik zu diesem Zweck einsetzt.
Text 4: Venus´ Absicht, Caesar zu retten (Met.XV 799-806)
Non tamen insidias venturaque vincere fata
praemonitus potuere deum, strictique feruntur 800
in templum gladii: neque enim locus ullus in urbe
ad facinus diramque placet nisi curia caedem.
Tum vero Cytherea manu percussit utraque
pectus et Aeneaden 1)
molitur condere nube,
qua prius infesto Paris est ereptus Atridae 2)
, 805
et Diomedeos Aeneas fugerat enses 3)
.
Dennoch konnten die Warnungen der Götter dem Anschlag und
dem bevorstehenden Verhängnis nicht wehren: Bloße Schwerter
bringt man zur geweihten Stätte - denn kein Ort in der ganzen Stadt
scheint für die Schandtat und den abscheulichen Mord sich besser
zu eignen als die Kurie! Nun schlägt sich Venus mit beiden Händen
den Busen und will den Sproß des Äneas in jener Wolke verbergen,
in deren Schutz einst Paris seinem Feind Menelaos entrissen wurde
und Äneas dem Schwert des Diomedes entfloh.
Anmerkungen: 1)
Aeneades, ae = Caesar; 2)
Atrides, ae = Menelaos; 3)
Mit einer Wolke rettet Venus auch Paris und später Aeneas im Kampf.
AUFGABEN
1.) Arbeiten Sie die sprachlichen Erscheinungen heraus, mit denen Ovid die Dramatik im Text nochmals steigert.
2.) Sammeln Sie die lateinischen Belege, mit denen Ovid an den Gründungsmythos anknüpft und erläutern Sie diese.
Text 5: Jupiters Prophezeiung (Met.XV 807-842)
Talibus hanc genitor: ”Sola insuperabile fatum,
nata, movere paras? Intres licet ipsa sororum 1)
tecta trium: Cernes illic molimine vasto
Da sprach sie ihr Vater so an: ”Du allein willst das unbezwingliche
Verhängnis erschüttern, Tochter? Geh nur selbst hin zur Wohnung der
drei Schwestern! Dort wirst du einen Bau von gewaltigem Ausmaß
6
ex aere et solido rerum tabularia ferro, 810
quae neque concursum caeli neque fulminis iram
nec metuunt ullas tuta atque aeterna ruinas.
Invenies illic incisa adamante perenni
fata tui generis. Legi ipse animoque notavi
et referam, ne sis etiamnum ignara futuri. 815
Hic sua conplevit, pro quo, Cytherea 2)
, laboras,
tempora, perfectis, quos terrae debuit, annis.
Ut deus accedat caelo templisque colatur,
tu facies natusque suus, qui nominis heres
inpositum feret unus onus caesique parentis 820
nos in bella suos fortissimus ultor habebit.
Illius auspiciis obsessae moenia pacem
victa petent Mutinae 3)
, Pharsalia 4)
sentiet illum,
Emathiique iterum madefient caede Philippi 5)
,
et magnum Siculis nomen 6)
superabitur undis, 825
Romanique ducis coniunx Aegyptia 7)
taedae
non bene fisa cadet, frustraque erit illa minata,
servitura suo Capitolia nostra Canopo 8)
.
Quid tibi barbariam gentesque ab utroque iacentes
Oceano numerem? Quodcumque habitabile tellus 830
sustinet, huius erit, pontus quoque serviet illi.
Pace data terris animum ad civilia vertet
erblicken, aus Erz und festem Eisen. Darinnen liegen die Tafeln des
Schicksals. Dieses Gebäude braucht weder das Beben des Himmels
noch den Grimm des Blitzes noch irgendwelche Vernichtung zu
fürchten: es ist ungefährdet und ewig. Dort wirst du, in unzerstörbaren
Stahl gegraben, das Schicksal deines Geschlechtes finden. Ich las es
selbst, bewahrte es im Herzen und will es dir offenbaren, damit dir die
Zukunft nicht länger unbekannt bleibe. Er, um den du dich sorgst,
Cytherea, hat seine Zeit erfüllt und die der Erde schuldigen Jahre
vollendet. Dass er als Gott in den Himmel eingehe und in Tempeln
verehrt werde, wirst du erreichen, dazu sein Sohn, der als Erbe des
Namens allein die ihm auferlegte Bürde trägt und uns bei den
Kämpfen auf seiner Seite hat, der tapferste Rächer seines erschlagenen
Vaters. Das feste Mutina wird, unter seiner Führung belagert und
bezwungen, um Frieden bitten, Pharsalos wird ihn kennenlernen, und
Philippi in Mazedonien ein zweites Blutbad erleben, Sextus Pompeius,
der einen großen Namen trägt, wird auf der See bei Sizilien
unterliegen, und des römischen Feldherrn Antonius ägyptische Gattin,
die auf solche Verbindung zu ihrem Unheil baute, wird fallen:
Vergeblich war ihr Drohen, dass mein Kapitol einst ihrem Kanopos
untertan sei! Was soll ich dir alle Barbaren, die Völker an beiden
Ufern des Weltmeers nennen? Alles Land auf Erden, wo Menschen
wohnen können, wird ihm gehören, und auch das Meer wird ihm
dienen. Nachdem er der Welt den Frieden gebracht hat, wird er seinen
7
iura suum legesque feret iustissimus auctor
exemploque suo mores reget inque futuri
temporis aetatem venturorumque nepotum 835
prospiciens prolem sancta de coniuge natam 9)
ferre simul nomenque suum curasque iubebit;
nec nisi cum senior Pylios 10)
aequaverit annos,
aetherias sedes cognataque sidera tanget.
Hanc animam interea caeso de corpore raptam 840
fac iubar, ut semper Capitolia nostra forumque
divus ab excelsa prospectet Iulius aede!”
Sinn auf die Rechte seiner Mitbürger richten, wird Gesetze einbringen,
die er von ganzem Herzen befürworten kann, durch eigenes Beispiel
die Gesittung heben und, besorgt um die Zukunft und spätere Enkel,
dem Sohn der unsträflichen Gattin gebieten, seinen Namen und mit
ihm seine Sorgen zu tragen. Doch erst, wenn er hochbetagt das Alter
des Nestor erreicht hat, wird er in die himmlischen Hallen und zu
seinen Verwandten, den Sternen, gelangen. Diese Seele rette indessen
aus dem Leib des Ermordeten und verwandle sie in einen strahlenden
Stern, damit stets auf mein Kapitol und das Forum der Gott Julius von
seinem erhabenen Sitze niederschaue!”
Anmerkungen: 1)
sorores: gemeint sind die Parzen, die Schicksalsgöttinnen; 2)
Cytherea = Venus; 3)
Mutina, ae: Name der Stadt, wo Octavian /
Augustus Antonius besiegte; 4)
Pharsalia, ae: Gebiet um Pharsalus, wo Caesar Pompeius besiegte; 5)
Philippi, orum: Ort, wo Octavian / Augustus die
Caesarmörder besiegte; 6)
magnum nomen = Sextus Pompeius Magnus, der von Octavians General besiegt wurde; 7)
coniunx Aegyptia = Kleopatra;
8) Canopus, i: Name einer ägyptischen Stadt, die für ausschweifendes Leben bekannt ist;
9) proles nata: gemeint ist Tiberius, der Sohn von Augustus
Gemahlin Livia aus ihrer ersten Ehe, den Augustus adoptierte und als seinen Nachfolger einsetzte; 10)
Pylius = Nestor, ältester und weisester Grieche
vor Troja
AUFGABEN
1.) Gliedern Sie die Prophezeiung Jupiters in vier Abschnitte. Begründen Sie die Gliederung anhand textgrammatischer Merkmale.
2.) Charakterisieren Sie Augustus, indem Sie die entsprechenden lateinischen Belege unter deutsche Oberbegriffe zusammenstellen.
3.) Paralleltext (Vergil, Aeneis I 254-296): Arbeiten Sie mit Hilfe der Tabelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Texten
heraus. (s. S.13)
8
Text 6: Die Apotheosierung Caesars (Met.XV 843-851)
Vix ea fatus erat, media cum sede senatus
constitit alma Venus nulli cernenda suique
Caesaris eripuit membris nec in aera solvi 845
passa recentem animam caelestibus intulit astris,
dumque tulit, lumen capere atque ignescere sensit
emisitque sinu; luna volat altius illa
flammiferumque trahens spatioso limite crinem
stella micat natique videns bene facta fatetur 850
esse suis maiora et vinci gaudet ab illo.
Kaum hatte er also gesprochen, als schon mitten im Senatssaal die holde
Venus stand, niemandem sichtbar, und ihres Caesar Seele dem Leib entriss,
nicht zuließ, dass sie in den Lüften verwehte, und sie, noch lebensfrisch,
unter die Sterne am Himmel versetzte. Noch trägt sie die Göttin am Busen,
als sie fühlt, wie sie aufleuchtet und glüht. Da gibt sie sie frei, und höher
als der Mond schwingt sich jene empor und zieht auf ihrer weiten Bahn
einen flammenden Schweif hinter sich her, erstrahlt als Stern, und als sie
die herrlichen Taten des Sohnes schaut, muss sie gestehen, daß diese
gewaltiger als die eigenen sind, und freut sich, von ihm übertroffen zu
werden.
AUFGABEN
1.) vv.843-848 (Vix ea ... emisitque sinu): Erläutern Sie den Aufbau der Satzperiode. Überlegen Sie, wie die einzelnen Handlungen ablaufen.
2.) Analysieren Sie den Vorgang der Vergöttlichung, indem Sie ihn in einzelne Phasen unterteilen. Fassen Sie diese jeweils knapp zusammen.
Text 7: Caesar und Augustus im Vergleich (Met.XV 852-860)
Hic 1)
sua praeferri quamquam vetat acta paternis,
libera fama tamen nullisque obnoxia iussis
invitum praefert unaque in parte repugnat:
Sic magnus cedit titulis Agamemnonis 2)
Atreus 3)
, 855
Aegea 4)
sic Theseus 5)
, sic Pelea 6)
vicit Achilles 7)
;
Zwar verbietet dieser, sein Werk über das des Vaters zu stellen, doch die
Stimme des Volkes, die frei ist und keinem Gebot untertan, gibt ihm,
auch gegen seinen Willen, den Vorzug und widersetzt sich ihm darin
allein. So muss hinter dem großen Agamemnon Atreus an Ruhm
zurückstehen, so Aigeus dem Theseus weichen, so übertrifft den Peleus
9
denique, ut exemplis ipsos aequantibus utar,
sic et Saturnus 8)
minor est Iove: Iuppiter arces
temperat aetherias et mundi regna triformis,
terra sub Augusto est; pater est et rector uterque. 860
Achilles, ja, um Beispiele zu wählen, die einem Caesar und Augustus
entsprechen, so ist Saturnus weniger mächtig als Jupiter: Jupiter herrscht
über den Himmel und die Reiche der dreigeteilten Welt; die Erde
untersteht Augustus. So sind beide Väter und Herrscher.
Anmerkungen: 1)
hic: gemeint ist Augustus; 2)
Agamemno(n), onis: König von Mykene, Sohn des Atreus, Führer der Griechen im Trojanischen
Krieg 3)
Atreus, i: König von Mykene, Vater des Agamemnon und Menelaus; 4)
Aegeus, ei: König von Athen, Vater Theseus‘; 5)
Theseus, ei: König
von Athen, größter Held der Athener, er tötete auf Kreta den Minotaurus und entführte Ariadne ; 6)
Peleus, ei: König in Thessalien, Vater des
Achilles; 7)
Achilles, is: Sohn des Peleus und der Thetis, größter Held der Griechen im Trojanischen Krieg; 8)
Saturnus, i: altitalischer Gott der
Saaten, dem griech. Kronos gleichgesetzt, Herrscher des Goldenen Zeitalters,Vater Jupiters, Neptuns und Plutos
AUFGABE
-vv.855-858 (Sic magnus ... est Iove): Untersuchen Sie den Aufbau der Satzperiode. Erläuteren Sie den Vergleich inhaltlich und berücksichtigen Sie
die Anmerkungen.
Text 8: Gebet für Augustus (Met.XV 861-870)
Di, precor, Aeneae comites, quibus ensis et ignis
cesserunt, dique Indigetes, genitorque Quirine 1)
urbis et invicti genitor Gradive 2)
Quirini
Vestaque 3)
Caesareos inter sacrata penates,
et cum Caesarea tu, Phoebe 4)
domestice, Vesta, 865
quique tenes altus Tarpeias Iuppiter arces 5)
,
quosque alios vati fas appellare piumque est:
Ihr Götter, ich flehe zu euch, die ihr Äneas begleitet habt, vor denen
Feuer und Schwert wich, und ihr heimischen Götter samt dir, Quirinus,
Vater der Stadt, und dir, Mars, Vater des unbesiegten Quirinus! Vesta,
die du in Caesars Palast hochgeehrt bist, und du, Phöbus, Caesars
Hausgott wie Vesta! Und der du auf den Höhen des Kapitols thronst,
erhabener Jupiter, und ihr übrigen Gottheiten, die ein Dichter mit Fug
und Recht nennen darf: Spät erst, und wenn mein Lebenslicht lange
10
tarda sit illa dies et nostro serior aevo,
qua caput Augustum, quem temperat, orbe relicto
accedat caelo faveatque precantibus absens! 870
(Text nach Bibliotheca Augustana)
erloschen ist, komme jener Tag, da das Haupt des Augustus den
Erdkreis, über den es wacht, verlässt, in den Himmel eingeht und seine
Gnade von dort den Betenden schenkt!
(Übersetzung nach G. Fink)
Anmerkungen: 1)
Quirinus, i: Name des vergöttlichten Romulus; 2)
Gradivus, i = Mars; 3)
Vesta, ae: diese Göttin gehörte zu Augustus‘ Hausgöttern;
4) Phoebus = Apoll;
5) Tarpeiae arces =Kapitol
AUFGABE
Im vorliegenden Abschnitt liegt ein Gebet vor. Stellen Sie hierfür die wesentlichen Merkmale aus dem Text zusammen.
ADDITUM
Paralleltext zu Met. XV 807 – 842: Vergil, Aen. I 254-296
Nachdem ihr Schützling Aeneas mit den Trojanern in einen schweren Seesturm geraten ist, wendet sich Venus sorgenvoll an Jupiter und fragt, ob
die alten Schicksalssprüche nicht mehr gelten. Darauf antwortet Jupiter.
Olli subridens hominum sator atque deorum
voltu, quo caelum tempestatesque serenat, 255
oscula libavit natae, dehinc talia fatur:
”Parce metu, Cytherea 1)
: manent immota tuorum
fata tibi; cernes urbem et promissa Lavini
moenia, sublimemque feres ad sidera caeli
magnanimum Aenean; neque me sententia vertit. 260
Ihr lächelt zu der Schöpfer der Menschen und Götter mit der Miene,
die Himmel und Wetter aufheitert, küßt zärtlich die Tochter, dann
spricht er so zu ihr: ”Hab keine Angst, Cytherea, es bleiben dir
unverändert die Fata der Deinen; du wirst die Stadt Lavinium und
ihre Mauern, wie versprochen, erblicken und wirst hoch erheben zu
den Gestirnen des Himmels den edlen Aeneas: Und kein Gedanke
hat mich umgestimmt. Dein Sohn wird - ich will jetzt ausführlicher
11
Hic tibi (fabor enim, quando haec te cura remordet,
longius et volvens fatorum arcana movebo)
bellum ingens geret Italia, populosque feroces
contundet, moresque viris et moenia ponet,
tertia dum Latio regnantem viderit aestas, 265
ternaque transierint Rutulis 2)
hiberna subactis.
At puer Ascanius, cui nunc cognomen Iulo
additur,—Ilus erat, dum res stetit Ilia 3)
regno,—
triginta magnos volvendis mensibus orbis
imperio explebit, regnumque ab sede Lavini 270
transferet, et Longam multa vi muniet Albam.
Hic iam ter centum totos regnabitur annos
gente sub Hectorea 4)
, donec regina sacerdos
Marte gravis geminam partu dabit Ilia prolem.
Inde lupae fulvo nutricis tegmine laetus 275
Romulus excipiet gentem, et Mavortia condet
moenia Romanosque suo de nomine dicet.
His ego nec metas rerum nec tempora pono;
imperium sine fine dedi. Quin aspera Iuno,
quae mare nunc terrasque metu caelumque fatigat, 280
consilia in melius referet, mecumque fovebit
Romanos, rerum dominos gentemque togatam:
sic placitum. Veniet lustris labentibus aetas,
sprechen, da diese Sorge sichtlich an dir nagt, die Fata entrollen und
ihre Geheimnisse enthüllen - in Italien einen gewaltigen Krieg
führen, wilde Volksstämme vernichten, den Menschen Satzungen
und Mauern geben, bis der dritte Sommer ihn in Latium hat
regieren sehen und drei Winter über die Unterwerfung der Rutuler
ins Land gegangen sind. Doch der Knabe Ascanius, der jetzt auch
Iulus heißt (Ilus hieß er, solange Iliums Reich noch mächtig war),
wird im Wechsel der Monate dreißig lange Jahre mit seiner
Herrschaft ausfüllen, wird den Herrschaftssitz von Lavinium
wegverlegen und Alba Longa mit großer Tatkraft als Festung
erbauen. Hier wird dann volle dreihundert Jahre Hectors Stamm
regieren, bis die Königstochter und Priesterin Ilia, von Mars
schwanger, Zwillinge gebären wird. Darauf wird, strahlend im
bräunlichen Fell seiner Amme, der Wölfin, Romulus den Stamm
fortführen, die Stadt des Mars gründen und ihre Bewohner nach
seinem Namen Römer nennen. Ihnen setze ich Grenzen weder in
Raum noch Zeit: Eine Herrschaft ohne Ende habe ich ihnen
zugedacht. Sogar die grimmige Iuno, die zur Zeit Himmel, Erde
und Meer in lähmende Angst versetzt, wird ihre Pläne zum
Besseren wenden und zusammen mit mir begünstigen die Römer,
die Herren der Welt, das Volk in der Toga. So ist es beschlossen.
Im Lauf der Jahre wird die Zeit kommen, da das Haus des
Assaracus Pthia und das berühmte Mykene unterjochen und über
12
cum domus Assaraci 5)
Phthiam 6)
clarasque Mycenas 7)
servitio premet, ac victis dominabitur Argis 8)
. 285
Nascetur pulchra Troianus origine Caesar,
imperium Oceano, famam qui terminet astris,—
Iulius, a magno demissum nomen Iulo.
Hunc tu olim caelo, spoliis Orientis onustum,
accipies secura; vocabitur hic quoque votis. 290
Aspera tum positis mitescent saecula bellis;
cana Fides, et Vesta, Remo cum fratre Quirinus,
iura dabunt; dirae ferro et compagibus artis
claudentur Belli portae; Furor impius intus,
saeva sedens super arma, et centum vinctus aenis 295
post tergum nodis, fremet horridus ore cruento. ”
das besiegte Argos herrschen wird. Zur Welt kommen wird aus
edlem Stamm Caesar, ein Troianer, der das Reich bis zum
Weltmeer, seinen Ruhm bis zu den Sternen ausdehnt, ein Iulier,
dessen Name vom großen Iulus hergeleitet ist. Den wirst du
dereinst im Himmel, beladen mit der Siegesbeute des Orients, von
Sorgen befreit, empfangen; auch ihn wird man in Gebeten anrufen.
Grimmige Zeiten werden dann nach dem Ende der Kriege friedlich
werden: Die ehrwürdige Fides und Vesta, Quirinus mit seinem
Bruder Remus werden Recht schaffen; die grausigen Pforten des
Krieges sollen dann mit Klammern aus Eisen dicht verschlossen
werden, der frevlerische Furor, drinnen auf grausamen Waffen
sitzend und auf dem Rücken mit hundert ehernen Knoten gefesselt,
wird grauenerregend brüllen mit blutigem Maul.”
(Übersetzung: E. und G. Binder)
Anmerkungen: 1)
Cytherea = Venus; 2)
Rutuli, orum: Stamm in Latium; 3)
res Ilia = Troja; 4)
gens Hectorea: gemeint sind die Römer, die
trojanischen Ursprung haben; 5)
domus Assaraci: die Nachfahren Aeneas‘, die Römer; 6)
Phthia, ae, 7)
Mycenae, arum, 8)
Argi, orum: Städte in
Griechenland
13
AUFGABE
Arbeiten Sie mit Hilfe der Tabelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Text 5 (Ovid, Met. XV 807-842) und dem Paralleltext (Vergil,
Aeneis I 254-296) heraus.
Aspekt Ovid, Met.XV 807-842 Vergil, Aen.I 254-296
Anlass der
Rede
-Venus ist in großer Sorge um ihren Schützling.
-Venus will, dass das FATUM zugunsten von Caesar
geändert wird.
Verhalten
Jupiters
-Jupiter beruhigt seine Tochter Venus durch seine
Prophezeiung.
Themen der
Rede
-Unveränderlichkeit des FATUM
-Hinweis auf Caesars Vergöttlichung
-Octavians Tatenkatalog
wörtliche
und
inhaltliche
Anklänge
-v.807 f., insuperabile fatum, / ... movere
-v.811, cernes
-v.814, fata tui generis
-v.814 f., legi ipse animoque notavi / et referam, ne sis
etiamnum ignara futuri
-v.8218, ut deus accedat caelo templisque colatur (Caesar)
-v.839, aetherias sedes cognataque sidera tanget (Augustus)
-v.819, natusque suus; v.820, caesique parentis (Augustus’
14
Abstammung)
-v.832, pace data terris
-vv.832 f., animum ad civilia vertet / iura
Darstellung
des
Augustus
-Abstammung: mehrfacher Bezug auf seinen Adoptivvater
Caesar
-Kriegsherr (Reihe von Kriegen von Caesars Tod bis
Actium, vv.822-831)
-knappe Erwähnung der pax Augusta in einem Abl.abs.
-Gesetzgebung (vv.832 f.)
-weitere Maßnahmen: Sittengesetze, Nachfolgeregelung
-weitere Maßnahmen:
=> Beobachtungen:
-Verhalten von Venus und Jupiter: .....................................................................................................................................................................................
.............................................................................................................................................................................................................................................
-Darstellung des Augustus: ................................................................................................................................................................................................
............................................................................................................................................................................................................................................
-Ovids Umgang mit der Vergil-Vorlage: ..........................................................................................................................................................................
............................................................................................................................................................................................................................................
...........................................................................................................................................................................................................................................
15
Interpretation: Die Apotheosierung
AUFGABE
-Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Apotheosierung von Caesar und Augustus. Vervollständigen Sie die Tabelle, soweit möglich, mit
lateinischen Belegen aus dem Text. Untersuchen Sie besonders Met. XV 745-750, 760f., 816-821, 843-851 und 868-870.
Aspekte Apotheose Caesars‘ Apotheose Augustus‘ (Prophezeiung)
Zeitpunkt
Ereignisse vor
der Apotheose
Verlauf der
Apotheosierung
Medium der
Apotheose
Ergebnis der
Apotheose
Begründung der
Apotheose:
Lohn oder Strafe
16
Interpretation: Ovid und Augustus
AUFGABEN
1.) Informieren Sie sich in einem Nachschlagewerk (z.B. Res Romanae) oder im Internet über Ovids Lebenslauf. Berücksichtigen Sie dabei
besonders die letzte Lebensphase und seine Beziehung zu Augustus.
Internetadresse: http://de.wikipedia.org/wiki/Metamorphosen_%28Ovid%29
2.) Was unseren Text anbetrifft, so vertritt die Wissenschaftlerin K. Volk folgende These: ”In der Fachliteratur gehen die Meinungen darüber weit
auseinander, wie solche Textpassagen zu lesen sind. Ist Ovids Lob für Augustus aufrichtig? (… ) Oder übt Ovid in Wirklichkeit Kritik an Augustus
(…)?”(Volk, K., Ovid. Dichter des Exils. Darmstadt 2012)
Nehmen Sie abschließend zu dieser These Stellung, nachdem Sie die angegebenen Materialien ausgewertet haben. Berücksichtigen Sie auch die
bisherigen Interpretationsergebnisse.
M 1, Die Vaterschaft Caesars
Scilicet aequoreos plus est domuisse Britannos
(...)
quam tantum genuisse virum ...
(Met. XV 752-758)
Mehr wohl war's, dass jener bezwang die Britannen
im Meere, (...) Als dass ihn er gezeugt...
(Suchier, Gottwein)
Oder wäre es mehr wert, die meerumschlungenen Briten bezwungen,
(...) als einen solchen Mann der Welt geschenkt zu haben ...?
(Fink)
Oder gilt es wohl mehr, über See die Briten gebändigt
... zu haben, als des Mannes Vater zu sein ...?
(Rösch)
17
AUFGABEN
1.) Notieren Sie Wörter, die zu derselben Wortfamilie wie GIGNERE gehören.
2.) Bewerten Sie die verschiedenen Übersetzungsvarianten. Überlegen Sie, welche Variante man als Spott verstehen könnte.
M 2, Vergleich Vater und Sohn
Info-Text
a.) Die Atriden hatten einen schlechten Ruf. Atreus setzte seinem Bruder dessen getöteten Söhne zum Mahl vor. Agamemnon selbst wollte seine
Tochter Iphigenie auf einem Altar opfern (Met.XIII, 181-192). Er riskierte das Wohl der Griechen und den Erfolg vor Troja aufgrund persönlicher
Eitelkeiten und wurde nach seiner Rückkehr von seiner Frau und ihrem Liebhaber erschlagen.
b.) Theseus hat den Tod seines Vaters verschuldet. Bei seiner erfolgreichen Rückkehr aus Kreta vergaß er, weiße Segel zu hissen, die sein Erfolg
ankündigen sollten. Daraufhin stürzte sich sein Vater ins Meer, weil er dachte, dass sein Sohn umgekommen sei. Später wurde Theseus von den
Athenern verbannt.
c.) Achill kann man als jugendlichen Helden oder als brutalen Kämpfer betrachten. Er wird bei Vergil mit Turnus gleichgesetzt (Aen.VI 89) und gilt
als Symbol des Krieges (ecl. IV 35f.). Vor Troja lässt er sein Heer wegen einer Kränkung zurück.
d.) Jupiter ist auch der Gott, der seinen Vater Saturn vom Thron gestürzt und das Goldene Zeitalter beendet hat. Ovid berichtet selbst von dieser
Begebenheit in Met. I 113ff.
AUFGABE
Ovid vergleicht die Beziehung zwischen Caesar und Augustus mit mythologischen Gestalten (Auszug aus Text 7, Met.XV 855-860). Manche
Wissenschaftler sehen diese Vergleiche als wenig schmeichelhaft für Augustus an. Belegen Sie diese Auffassung mit Hilfe des Info-Textes.
18
M 3, Jupiters Zorn
Am Ende der Metamorphosen äußert Ovid die Zuversicht, dass nicht einmal Jupiters Zorn sein Werk zerstören wird.
Iamque opus exegi, quod nec Iovis ira nec ignes
nec poterit ferrum nex edax abolere vetustas.
Met. XV 871f.)
Nun habe ich ein Werk vollendet, das nicht Iuppiters Zorn, nicht Feuer,
nicht Eisen, nicht das nagende Alter wird vernichten können.
(v. Albrecht)
AUFGABE
1.) Erläutern Sie anhand des lateinischen Textes 7 (Met.XV 855-860) das Verhältnis zwischen Jupiter und Augustus.
2.) Erörtern Sie, inwiefern man den Text M 3 als ein Aufbegehren Ovids gegen Augustus betrachten kann. Beachten Sie auch die letzte
Lebensphase Ovids.
M 4, Der Lauf der Welt
In den Metamorphosen Ovids vetritt der Philosoph Pythagoras folgende
Ansicht:
(...) caelum et, quodcumque sub illo est,
inmutat formas tellusque et quicquid in illa est.
(Met.XV 454f.)
Vergil, der im Folgenden die offizielle Propaganda Augustus‘
unterstützt, lässt Jupiter den Römern verkünden:
His ego nec metas rerum nec tempora pono;
imperium sine fine dedi.
(Aen.I 278f.)
AUFGABEN
1.) Übersetzen Sie die lateinischen Sätze mit Hilfe des Wörterbuchs.
2.) Erläutern Sie, welche Auffassung beide Autoren vom Verlauf der Geschichte haben.
3.) Übernehmen Sie die Rolle eines Wissenschaftlers, der die Metamorphosenstelle als Kritik an der Herrschaft Augustus‘ versteht. Formulieren Sie
diese Kritik in eigenen Worten.
19
A n h a n g
Der Kaiserbiograph Sueton berichtet über den Tod Caesars.
Sein Tod erfolgte in seinem sechsundfünfzigsten Lebensjahr, und seine
Aufnahme unter die Zahl der Götter geschah nicht nur durch den Mund
der Beschließenden, sondern auch durch die Überzeugung des Volkes.
Erglänzte doch während der Festspiele, welche gleich nach seiner
Vergötterung sein Erbe Augustus ihm zu Ehren aufführen ließ, sieben
Tage lang ein Komet am Himmel, der um die elfte Stunde aufging; und
allgemein glaubte man, das sei die Seele des in den Himmel auf-
genommenen Caesar, weshalb denn auch noch jetzt seinem Bildnis
immer ein Stern über dem Scheitel hinzugefügt wird. Die Kurie, wo er
ermordet worden war, wurde nach einem Beschluß vermauert, der Tag
der März-lden sollte den Namen “Parricidium” führen und nie an diesem
Tag Senatsversammlung gehalten werden.
Von seinen Mördern aber überlebte ihn beinahe keiner über drei Jahre,
und keiner starb eines natürlichen Todes. Nachdem sie alle insgesamt
verurteilt waren, kam ein Teil durch Schiffbruch, ein anderer in der
Schlacht um. Einige nahmen sich mit demselben Dolch, mit dem sie die
Untat an Caesar vollbracht hatten, das Leben.
(Sueton, Kapitel 88-89, übers. von A. Stahr und W. Krenkel)
Ovid beschreibt in seinem Festtagskalender für den 15.März nochmals
die Vergöttlichung Caesars.
Praeteriturus eram gladios in principe fixos,
cum sic a castis Vesta locuta focis:
“ne dubita meminisse: meus fuit ille sacerdos;
sacrilegae telis me petiere manus. 700
ipsa virum rapui simulacraque nuda reliqui:
quae cecidit ferro, Caesaris umbra fuit.”
ille quidem caelo positus Iovis atria vidit,
et tenet in magno templa dicata foro;
at quicumque nefas ausi, prohibente deorum 705
numine, polluerant pontificale caput,
morte iacent merita: testes estote, Philippi,
et quorum sparsis ossibus albet humus.
hoc opus, haec pietas, haec prima elementa fuerunt
Caesaris, ulcisci iusta per arma patrem.
(Ovid, Fasti III 697-710)