vor OrtAusgabe Nr. 212 | Dezember 2015
Elfenbeinküste Wie WCs Leben retten Seite 4
Indien Der Pionier des Hubli-Spitals Seite 10
Schweiz Tagesschule unterstützt FAIRMED Seite 17
3EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser
Seit einem Mo-nat bin ich stolzer
Grossvater eines Mädchens. Ich freue mich bereits darauf, mit ihm seinen ersten, zweiten, dritten . . . Geburts-tag zu feiern und zuzusehen, wie es die Kerzen auf seinem Geburtstagsku-chen ausbläst. So selbstverständlich diese Aussichten für mich sind, so un-sicher sind sie es für kleine Kinder in Entwicklungsländern : Viele von ihnen sterben vor ihrem fünften Geburtstag, weil sie an Durchfall oder Würmern er-krankt sind. Wirksamste Mittel, um die hohe Kindersterblichkeit zu senken, sind eine verbesserte Hygiene und bessere sanitäre Einrichtungen.
In der Elfenbeinküste ist es uns gelun-gen, in verschiedenen Dörfern in der Region Taabo eine neue Hygiene-Kul-
tur zu etablieren : Wir haben die Dorf-gemeinschaften dazu angeregt, einfa-che Latrinen zu bauen und diese auch zu benutzen. Weil die Dorfbewohner ihr Geschäft nicht mehr unter freiem Him-mel verrichten, wird die Übertragung verschiedener Krankheiten gestoppt. Wichtig ist dabei, dass die Menschen ihr Verhalten aus eigener Überzeugung verändern und auch selber die Verant-wortung dafür übernehmen, dass die neue Hygiene-Kultur gelebt und einge-halten wird.
Dank Ihnen ist es uns möglich, diese wichtigen Prozesse anzustossen und aufrecht zu erhalten – herzlichen Dank!
Dieter ImhofProgrammverantwortlicher Afrika
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Für kranke Menschen gehen wir bis ans Ende der Welt.Durch unsere mobilen Gesundheitsteams werden Menschen auch dort medizinisch versorgt,
wo sonst niemand hinkommt. Danke, dass Sie uns dabei unterstützen. PC 30-136-3. fairmed.ch
In der Elfenbeinküste lernen Dorfbewohner mit der Unterstützung von FAIRMED, wie sie Latrinen bauen und benützen können. Mit dieser Mass-nahme gelingt es ihnen, die Übertragung zahlreicher Krankheiten zu stoppen.
Wie WCs Leben retten
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Beissender Gestank nach Kot und Urin liegt in der Luft, auf der rötlichen Erde zwischen den einfachen Steinhütten liegen leere PET-Flaschen, zerknülltes Papier, Glasscherben und überall Häuf-chen von Kot in verschiedenen Zerset-zungsstadien – mittendrin sitzt ganz allein ein zweijähriger Junge, der aus einem rostigen Becher bräunliches Wasser trinkt. So sah das Dorf Siriki Kouamékro vor einem Jahr aus. Heute, ein Jahr später, ist das Dorf wie verwandelt : Der Boden zwischen den Hütten ist sauber gewischt, kein Un-rat weit und breit, die Luft duftet nach frischem Regen und den Blättern der Kakao- und Kaffeebäume – und nir-gends mehr sind Kothäufchen zu sehen. «Unser Dorf ist nicht mehr wiederzuerkennen, seit wir Latrinen gebaut haben und unser Geschäft nicht mehr unter freiem Himmel verrichten», sagt der 73-jährige Monguessan Yao. «Hätten wir vorher gewusst, wie stark sich Krankheiten über den Kot verbrei-ten, hätten wir unser Verhalten längst geändert – nun hat uns FAIRMED ge-
zeigt, wie wir Latrinen bauen können. Seit wir diese haben, sterben weniger Kinder an Durchfall- und Wurmerkran-kungen, und auch wir Erwachsenen sind viel gesünder.»
Einfache PlumpsklosMonguessan Yao ist der letzte im Dorf, der eine Latrine erhält. «Zuvor musste ich jeweils mein Geschäft bei
den Nachbarn verrich-ten, und das war ziem-lich kompliziert – dass ich jetzt eine eigene Latrine habe, ist pure
Freude für mich, jetzt kann ich mich bis ans Ende meiner Tage sauber füh-len», so Yao. Da er zu alt und schwach ist, sich selber eine Latrine zu bauen, haben ihm einige junge Dorfbewoh-ner mit Schweizer Unterstützung eine Latrine gebaut. «Das Prinzip ist ein-fach», erklärt uns der 18-jährige Simon : «Wir heben ein vier Meter tiefes Loch aus und bauen ein einfaches, mit einem Zapfen verschliessbares WC darauf, darum herum bauen wir aus Zeltplanen einen Sichtschutz – eigent-lich ist es nichts anderes als ein
«Dank den WCs sterben weniger
Kinder.»
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Oben: Einfache Plumpsklos in Zelten – wenn sie benutzt werden, wird die Über-tragung zahlreicher Krankheiten gestoppt.Unten: «Nun kann ich mich bis ans Ende meiner Tage sauber fühlen», freut sich Monguessan Yao.
Plumps klo in einem Zelt.» So sieht man jetzt in Siriki Kouamékro überall kleine Lat rinenzelte stehen. «Sie sind während zehn Jahren benutzbar, dann graben wir neue Löcher aus», sagt der 32-jährige Dorfbewohner Dayo, der das Dorf in der Gesundheitskommis-sion, zu welcher sich die umliegenden Dörfer zusammengeschlossen haben, vertritt.
Gewohnheiten ändern braucht Zeit«Die Latrinen sind aber nur eine Mass-nahme unter vielen anderen, welche wir gemeinsam mit den Dorfbewoh-nern erarbeitet haben», sagt Dayo. «Nebst dem, dass wir allen Dorf- bewohnern, einschliesslich den Kin-dern, klar machen mussten, dass sie die Latrinen auch wirklich benutzen, erler-nen wir unter Anleitung des FAIRMED- Mitarbeiters mit ihnen weitere Hygiene-massnahmen wie das Händewaschen und das Trinken von abgekochtem
Wasser. So können die Menschen vor zahlreichen Durchfall- und Wurm- erkrankungen geschützt werden, die ansonsten immer weiter verbreitet
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werden.» Auch für weitere Krankheits-fälle wird vorgesorgt : «Wir haben jetzt eine kleine Apothekenkiste im Dorf, in der wir Desinfektions-, fiebersenkende und Schmerzmittel haben, um Notfälle vor Ort zu behandeln.»
Dorfbewohner trinken FlusswasserEs hat sich vieles zum Guten gewen-det in Siriki Kouamékro, aber noch immer fehlt es an vielem, beispiels-weise an Trinkwasser. «Morgens und abends trage ich ein Be-cken voll Wasser vom Fluss zum Haus, das reicht für unsere zwölf-köpfige Familie zum Wa-schen, Kochen und Trinken», sagt die 15-jährige Desirée. Anmutig und ohne es mit den Händen festzuhalten, trägt sie das rund dreissig Kilo schwere Wasserbecken auf dem Kopf vor das Haus, stellt es ab und schöpft mit einer Kanne Wasser zum Trinken – es ist gelblich verfärbtes Flusswasser, durchsetzt mit allerlei kleinen Wasser -tieren, Erde und Pflanzenfasern. «Einen Trinkwasserbrunnen haben wir nicht», sagt Desirée.
Auch in der kleinen Hütte, in der Desi-rée mit elf weiteren Familienmitglie-dern wohnt, gibt es kaum Komfort. Keine Stühle und Betten, nur einige Decken, auf der zwei kleine Jungen lie-gen. Der eine weint. «Henri hat Fieber
und Schmerzen, wir wissen nicht, wo-ran er leidet», sagt Desirée. «Vielleicht ist es Buruli», sagt FAIRMED-Mitar-beiter Fabien Zouzou und zeigt auf die riesige Geschwulst am Unterschenkel des Jungen.
Schnellerer Krankentransport dank Boot «Ich werde euch ins Gesundheitszen-trum bringen, um das abzuklären – wenn man Buruli genug früh behan-
delt, ist die Krankheit gut heilbar.» Und leise flüstert er uns zu : «Sonst muss man dem Jungen das Bein viel-
leicht bald amputieren.» Der Weg ins nächste Gesundheitszentrum ist weit und holprig und kann von den Dorfbewohnern nur in einem tagelan-gen Fussmarsch bewältigt werden – da niemand motorisiert ist, ist das kei-nem Kranken zuzutrauen. «Zum Glück hat FAIRMED den Dorfbewohnern vor kurzem ein Boot bauen lassen, mit dem sie den Fluss überqueren und das Gesundheitszentrum viel schneller er-reichen können», sagt Fabien Zouzou. «Mit diesem Boot werden wir Henri zum Arzt bringen.»
Kleine Schritte zu besserer GesundheitNun aber ist in Siriki Kouamékro Fei-ern angesagt. Das ganze Dorf hat sich
«Wir bringen Henri mit dem FAIRMED-
Boot zum Arzt.»
Die Baka-Frau Rosine bereitet das Abenessen zu, ihre 3-jährige Tochter Mbangono schaut ihr dabei zu.
Das Projekt – Gesundheit für TaaboFAIRMED ist seit sieben Jahren im Dis-trikt Taabo aktiv und hat zusammen mit dem Swiss Tropical- and Public Health-Institute und dem Centre Suisse de Re-cherches Scientifiques ein System zur Beobachtung der demografischen und gesundheitlichen Entwicklung (HDSS) eingeführt. Das FAIRMED-Projekt mit ATCP*-Elementen ermöglicht den Be-wohnern des Distrikts, in ihrer Nähe eine medizinische Anlaufstelle mit einem Minimalstandard an Qualität zu erreichen und unterstützt die Bevöl-kerung darin, die hygienischen Bedin-gungen in ihren Dörfern eigenhändig zu verbessern. Die regelmässigen Erhe-bungen des HDSS zeigen, dass durch das Projekt die Krankheiten bei Kindern verringert und die Kindersterblichkeit gesenkt werden. Von den Massnahmen profitieren alle 70 000 Einwohnerinnen und Einwohner des Bezirks Taabo, ins-besondere Kleinkinder und Säuglinge. Für das laufende Projekt 2014–17 sind 630 000 Franken budgetiert.
*ATCP-Programme (Assainissement total piloté par la communauté) beruhen auf der Mobili- sation der Bevölkerung, ihre sanitären Lebens-umstände eigenständig und freiwillig zu verbes-sern. Sie gehen weit über eine einfache Finanzie-rung, die oft nicht zum Erfolg führt, hinaus. Die Bevölkerung wird durch gezielte Fragen ange-regt, den Ist-Zustand infrage zu stellen und von selber zum Schluss zu kommen, dass beispiels-weise das Defäkieren im Busch ungeeignet ist, um ein gesundes Leben zu führen.
unter einem eigens hergerichteten Zeltdach aus Ästen und Blättern ver-sammelt, um den Umstand, dass das ganze Dorf sein Geschäft nun nicht mehr unter freiem Himmel verrichtet, zeremoniell zu feiern. «Die Neuigkeiten sind gut», eröffnet das Fest der Dorfchef, der mit goldverziertem Kopfschmuck, einer überdimensionierten Kuh um den Hals und einem königlichen Gewand ausge-stattet ist. «Wir danken der Organisa-tion FAIRMED, dass sie uns gezeigt hat, wie wir unsere Hygiene verbessern können – unser Dorf ist gesünder!» Der
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Dorfchef spricht in einer Sprache der Elfenbeinküste, den sein Sprecher auf Französisch übersetzt. Aber wie es die ivorische Tradition erfordert, antwor-tet FAIRMED-Chef René Stäheli nicht direkt, sondern sagt etwas leise zu sei-nem Sprecher, der dann Stähelis Worte laut verkündet. So geht das Gespräch zwischen vier Rednern hin und her. «Ihr seid es, die euch entwickelt habt», ver-kündet der FAIRMED-Sprecher Stähelis Worte. «Wir sind nur eine unter vielen Entwicklungsorganisationen, die euch dieses Werkzeug zur Verfügung ge-stellt haben. Aber das, was die Welt-gesundheitsorganisation WHO fordert, bessere Gesundheit und eine deutlich tiefere Kindersterblichkeit, das habt allein ihr erreicht und damit einen loka-len Beitrag zu nationalen und interna-tionalen Gesundheitszielen geleistet.»
Ausgelassenes Fest nach Ivorer ArtAlle stehen auf und klatschen, und aus dem Hintergrund nähern sich die
Frauen des Dorfs in grün gemusterten Ge-wändern. Zu rhythmi-schen Trommelklängen
beginnen sie zu tanzen, und nicht lange, haben sie uns bereits zu einem grossen gemeinsamen Tanz an der Hand ge-nommen. Wir lachen und tanzen, und irgendwann ist niemandem mehr klar, wer nun zum Dorf gehört und wer aus der Schweiz angereist ist, wir feiern zu-
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Schweizer Prominenz im FAIRMED-ProjektFAIRMED-Botschafterin Dominique Rinderknecht (Miss Schweiz 2013/14)
und Fernseh- und Radiomoderator Sven Epiney haben das Hygiene-Pro-jekt in Taabo besucht und mitgeholfen, die letzte benötigte Latrine im Dorf Siriki Kouamékro zu bauen. Über die Reise wurde im Sonntagsblick, le Matin und der Online-Ausgabe der Schweizer Illustrierten berichtet. Mehr Infos unter www.fairmed.ch
«Zeigt eure Freude!», werden die Dorfbewohnerinnen und -bewohner aufgefordert. Das müssen sie sich nicht zweimal sagen lassen.
um unsere Autos, umarmt uns und drückt uns die Hände, notiert Adres-sen und lacht uns zu. «Auf bald, kommt wieder!» hören wir noch und machen uns über die lange, holprige Piste zu-rück nach Taabo – vorbei an Kaffee- und Kakaobäumen, durch dichtes Schilf, im rötlich-staubigen Licht der Abenddäm-merung. «Ja, wir kommen gerne wie-der», geht es uns durch den Kopf.
«Ihr seid es, die euch entwickelt habt!»
sammen wie eine grosse Familie. Wir bekommen so viel Freude und Dank-barkeit geschenkt, dass wir kaum wis-sen wohin damit. Verschwitzt und ver-klebt von Schweiss, Sonnencrème und Mückenspray, nehmen wir Abschied. Den lebendigen Hahn mit den zusam-mengebundenen Füssen, den uns der Dorfchef zum Abschied überreicht, ver-stauen wir im Kofferraum unseres To-yota. Das ganze Dorf versammelt sich
«Auch im Komplikationsfall muss die Behandlung unbedingt weitergeführt werden», sagt der Leprologe Valentin Macaden.
Der Pionier des Hubli-Spitals
«Wir starteten damit von Haus zu Haus zu gehen, um Menschen mit Anzeichen auf Lepra ausfindig zu machen, sie über die Krankheitssymptome und Konse-quenzen einer zu späten Behandlung aufzuklären und forderten sie dazu auf, sich für eine Behandlung in der Klinik anzumelden», erzählt der indische Arzt Valentin Macaden. «Jedoch tauchte nur etwa die Hälfte auf. Und von diesen wie-derum, wie wir leider bald feststellen mussten, nahm nur ein kleiner Teil die ver-schriebenen Medikamente regelmäs- sig ein.» Darum verstärkten Macaden
und sein Team die Sensibilisierungsar-beit : «Wir verteilten bebilderte Karten auf denen die verschiedenen Stadien der Krankheit verbildlicht waren. Betrof-fene konnten damit die Veränderungen an ihren Körpern besser einordnen.» Zahl der Lepra-Fälle deutlich gesunkenBald schon zeigten diese Massnahmen ihre Wirkung. «Die Menschen lern-ten die frühen Anzeichen von Lepra zu deuten und die Hemmschwelle, sich in Behandlung zu begeben, begann zu
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sinken», erklärt der ehemalige Spital- direktor. Handfeste Projekterfolge zeich- neten sich schliesslich ab den frühen 80er Jahren ab, als sich die sogenannte Multi-Drug-Therapy MDT – ein aus drei-erlei Antibiotika bestehender Medika-menten-Cocktail, der sich bis heute als wirksamstes Mittel zur Leprabe-handlung bewährt – allmählich durch-setzte. «Durch die erfolgreiche Sensi-bilisierung und die MDT-Behandlung», erklärt Dr. Macaden, «konnten wir die Zahl aktiver Leprafälle im Projektge-biet enorm reduzieren. Im Verlaufe von 15 Jahren schafften wir es, die Anzahl Lepra-Fälle von 7000 auf 500 zu reduzie-ren.» Und nicht nur die Zahlen sprachen für den Erfolg des Projekts : «Man konnte sehen und spü-ren, wie sehr unsere Patienten an Mut und Zuversicht gewannen.»
Starke Nebenwirkungen der Lepra-MedikamenteTrotz des Erfolges blieben Probleme nicht aus : Manche Patienten erlitten im Verlaufe der Therapie Lepra-Reak-tionen, die sich in der Entwicklung neuer lepratypischer Hautflecken mit einhergehendem Gefühlsverlust aus-drücken. «Diese sind aber nicht direkt auf die Medikamente zurückzuführen, sondern hängen mit dem Heilungspro-zess zusammen. Die Behandlung muss
auch im Komplikationsfall unbedingt fortgeführt werden.» Andernfalls ent-stehen aus tauben Hautflecken leicht Geschwüre, die sich soweit verschlim-mern können, dass nur noch mittels einer stationären Behandlung Abhilfe geschaffen werden kann.
Heilung und RehabilitationDas Hubli-Spital hat sich über die Jahre zu einer Allgemeinklinik entwickelt, bleibt aber ein Referenzspital für Lepra-Erkrankte. Im Schnitt werden jährlich 1900 Lepra-Behandlungen erfolgreich durchgeführt. Dabei steht in Hubli ein
umfassender Ansatz im Mittelpunkt, so Valentin Macaden weiter : «Nebst dem Angebot an medi-
zinischen Dienstleistungen integrier-ten wir ein Rehabilitationsprogramm – den Hubli-Shop – in das Spital.» Dieses umfasst eine geschützte Werkstatt und ein Ausbildungszentrum, in dem Betrof-fenen ermöglicht wird, eine an ihre Situa tion angepasste Arbeit zu verrich-ten oder eine Ausbildung zu absolvie-ren. «Damit wird eine wichtige Basis dafür geschaffen, dass Betroffene wieder in die Gesellschaft integriert werden und in ein möglichst selbstän-diges Leben zurück finden können.»
Lesen Sie mehr dazu auf den Seiten 12/13. Produkte aus dem Hubli-Shop können Sie auf den Seiten 14/15 bestellen.
«Unsere Patienten gewannen an Mut und
Zuversicht.»Leprakranke Menschen werden noch immer diskriminiert, manchmal ver-weigern Spitäler sogar ihre Behandlung.
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Die Unermüdlichen – Ernst und Heidi Dutt
FAIRMED vor Ort : Wie seid ihr zum Hubli-Shop gekommen ?Heidi Dutt : Ich wusste schon als Kind, dass ich einmal in Indien arbeiten wollte. Im Bahnhof Thun stiess ich per Zufall auf das Plakat der Aussätzigenhilfe, die mich wenig später anstellte. Ab 1965 baute ich ein Projekt in Mangalore auf, 1974 kam ich dann nach Hubli.
Ernst Dutt : Ich lernte Heidi kennen, weil meine Schwester über die Basler Mission ebenfalls in Indien wirkte. Heidi und ich heirateten 1975, und ich begann mit ihr ein Jahr später, den Hubli-Shop aufzubauen. Als gelernter Schreiner leitete ich die durch Lepra behinder-ten Menschen dabei an, Produkte aus Holz herzustellen, Heidi entwickelte mit ihnen Produkte erst aus Jute, dann zunehmend auch aus Papier und Stoff.
Wie hat sich der Hubli-Shop und sein Produkteangebot in den bald 40 Jahren entwickelt ?Ernst Dutt : Angefangen haben wir mit Jute-Behängen, die es aber so nicht mehr gibt. Bei den Schnitzereien kam die Qualität ins Schwanken, mit Papier- und Stoffprodukten läuft der Shop aber immer noch gut.
Heidi Dutt : In unseren Hubli-Jahren be -schäftigten wir bis zu 120 Menschen mit Behinderungen, heute sind es noch 27.
Was war das Schwierigste, was ihr als Leiter des Hubli-Shops erlebt habt ?Ernst Dutt : Jugendliche Hilfsmedizi-ner aus einem benachbarten Lepra-Ambulatorium überfielen eines Nachts das Hubli-Spital, das gleich neben dem
Dutts sind 40 Jahre verheiratet, waren 30 Jahre Leiter des Hubli-Shops in Indien und organisieren den Hubliverkauf seit 10 Jahren.
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Hubli-Shop liegt. Ein kleiner Mob von zwölf aufgebrachten Jungen stürmte ins Büro. Sie hatten aber nicht damit gerechnet, dass nach Arbeitsschluss noch etliche Angestellte in den Büros waren, und verdrückten sich.
Und was war euer schönstes Erlebnis ?Heidi Dutt : Der erste Monsunregen des Jahres! Es war Juni, und wir sehn-ten seit Wochen den Regen herbei. Wir verfolgten den Wetterbericht am Radio : An der 240 km entfernten Küste regnet es schon. Doch bei uns gibt es nur dunkel-geballte Wolken, die – vom heissen Wind getrieben – weiter ost-wärts ziehen. Endlich eines Abends : ein starker Windstoss, ein fernes Rau-schen! Wir laufen auf den Balkon, set-zen uns unterm schmalen Vordach auf den Boden. Es wird immer lauter und . . . dann prasselt es los über Zaun und Garten aufs Haus zu, über uns her! Wir werden nass, egal, wir bleiben sitzen.
Vor zehn Jahren seid ihr in die Schweiz zurückgekehrt. Wie war das für euch und warum habt ihr eure Arbeit für den Hubli-Shop in der Schweiz weitergeführt ?Heidi Dutt : Erst mussten wir uns schon wieder an die engere Sichtweise eines kleinen Landes gewöhnen, aber eigent-lich haben wir uns schnell eingelebt. Und natürlich ist es manchmal nicht
Das Ehepaar Dutt hat während 30 Jahren den Hubli-Shop, in dem behin-derte Lepra-Betroffene arbeiten und sich einen eigenen Lebensunter-halt verdienen können, geführt. Die heute 77-jährige Heidi Dutt kam als Beschäftigungstherapeutin zur damaligen Aussätzigenhilfe Emmaus, ihr Ehemann, der gelernte Schreiner Ernst Dutt, schloss sich ihr an. Vor 10 Jahren kam das Paar zurück in die Schweiz. Von seinem Wohnsitz in Thun aus organisieren Heidi und Ernst Dutt ehrenamtlich für FAIRMED sämt liche Bestellungen aus dem Hubli-Shop.
einfach, dass unser langjährig vertrau-ter Freundeskreis so weit auf der Welt verstreut ist.
Ernst Dutt : Für uns war klar, dass wir uns weiterhin für den Hubli-Shop und für FAIRMED engagieren werden. Wir passen die Auswahl der Produkte lau-fend an und lagern sie in unserem 16 Quadratmeter kleinen Keller. Wir wol-len die Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen, ihren Lebensunter-halt selber zu verdienen – und wir fah-ren weiter!
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Ihr Einkauf hilftDie geschützte Werkstatt in Hubli in Indien ist eines von mehreren Rehabilitations-projekten, welche FAIRMED in Asien und Afrika für Menschen mit Behinderungen betreibt. Die Heimarbeiter und Angestellten in der geschützten Werkstatt in Hubli in Indien sind wegen Lepra, anderen Krankheiten oder Unfällen behindert. Dank ihrer Arbeit in der Hubli-Werkstatt können die Angestellten in der Textildruckerei, der Näherei und der Werkstatt einen massgeblichen Beitrag zum Lebensunter - halt ihrer Familien leisten. Mit einer Bestellung aus dem Hubli-Shop helfen Sie mit, dass diese Menschen trotz ihrer Behinderungen ein selbständiges Leben führen können.
Zoo-Tiere in Tasche 28 x 22,5 cm35.– Franken
8er Karten Set farbig mit Couverts 20 x 13 cm15.– Franken
5er Karten Set mit CouvertsA6-Doppelkarten, handgemachtes Papier12.– Franken
Geschenktüten Setmit 2 Weintaschen 10 x 10 x 30 cm und 3 Geschenktaschen Grösse 15 x 15 x 20 cm20.– Franken
Holzdöschen in Diamantform, Gummi-baumholz, 7.5 x 5.5 cm und 4 cm hoch, mit handge-schnitzter Rosette35.– Franken
Jutetasche rot-braun, mit Spiral deko,40 x 36 cm25.– Franken
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aufmerksam gemacht. Ich fand es passend, weil FAIRMED ja auch Kin-der und Jugendliche in ihrer Schulbil-dung unterstützt. Ausserdem finde ich es super, dass sich FAIRMED explizit für Menschen mit Beeinträchtigungen stark macht.
Warum ?Ich möchte dort aktiv sein wo ich kon-kret etwas bewegen kann : So zum Beispiel ganz direkt durch meine Arbeit mit Menschen mit verschiedenen Be - ein trächtigungen. Ich möchte zusam-
Tagesschule unterstützt FAIRMED
FAIRMED vor Ort : Wie bist Du auf FAIRMED aufmerksam geworden ?Lukas Vogt : In der Tagesschule, in der ich vor einem Jahr ein Praktikum machte, verzichteten wir zweimal pro Jahr bewusst auf spezielle Beilagen wie Fleisch oder Käse und servierten ein-fach Suppe. Das, was wir im Vergleich zu einem regulären Menu einsparten, spendeten wir an eine Entwicklungs-organisation. Meine ehemalige Schul-kameradin Carmen, welche die Lehre bei FAIRMED absolvierte, hat mich dann auf die Arbeit der Organisation
«FAIRMED unterstützt Kinder und Jugendliche in ih-rer Schulbildung – das gab den Ausschlag, dass die Tagesschule FAIRMED spendete», sagt Lucas Vogt.
Es ist ein sonniger Herbstnachmittag, FAIRMED vor Ort trifft sich mit Lucas Vogt zum Gespräch im idyllischen Garten seines Elternhauses in Jegenstorf. Der 19-jährige Zivildienstleistende erklärt, weshalb er FAIRMED für eine aussergewöhnliche Spendenaktion wählte und warum die Inklu- sion von Menschen mit Behinderung zu seinem wichtigsten Thema wurde.
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viele Menschen ihre Einstellung ändern – viel mehr auf Menschen die anders sind eingehen, mit ihnen reden und versu-chen eine Beziehung aufzubauen. Du sprichst von Inklusion – du scheinst bewandert zu sein mit der Fachsprache. Kannst Du unseren Leserinnen und Lesern den Unter-schied zwischen Inklusion und Inte-gration erklären ?Integration ist, wenn du mit jemandem arbeitest und dich als Chef fühlst und demjenigen, der nicht Teil deines Sys-
sunden Menschenverstand walten las-sen und in erster Linie die Menschen als Menschen wahrnehmen.
Fühlst Du dich persönlich betroffen vom Leid der Menschen in Afrika und Asien ?Ehrlich gesagt fühle ich mich mehr be-troffen von dem, was konkret in mei-nem Alltag und meinem Umfeld vor sich geht. Was beispielsweise im Busch von Kamerun passiert, ist für mich nicht so greifbar. Darum möchte ich nach Abschluss meiner Ausbil-dung zum Sozialpädagogen, welche ich nächstes Jahr beginnen werde, die Welt bereisen und nach Möglichkeit auch im Ausland arbeiten. Ich möchte verschiedene Ausbildungsformen und andere pädagogische Ansätze als in der Schweiz kennenlernen, andere Agogik, andere Arten, wie mit Men-schen umgegangen wird. Durch die Erfahrung wird mein Spektrum breiter und erst dann kann ich wohl wirklich begreifen, was die wahre Problematik vor Ort ist.
Unterstützen auch Sie FAIRMED und sind Sie bereit, sich für FAIR-MED vor Ort porträtieren zu las-sen ? Kontaktieren Sie uns unter [email protected]. Danke!
tems ist – zum Beispiel einem Men-schen mit Beeinträchtigung – erklärst, wie es funktioniert. Inklusion hingegen ist für mich, wenn du ebenbürtig mit diesen Menschen zusammen arbei-test und ihnen ein volles Stimmrecht gibst und nicht über sie bestimmst, nur weil sie eine Beeinträchtigung haben. Innerhalb der Institutionen, die mit Menschen mit Beeinträchtigung arbei-ten, ist dies ein relativ neues Thema : Viele begreifen den Unterschied noch nicht. Als «normal-funktionierender» Mensch kann man sich kaum vorstel-len, wie vielen Hürden Menschen mit Beeinträchtigungen begegnen. Dies ist eine riesige Herausforderung. Wäh-rend des Zivi-Kurses haben wir ver-schiedene Übungen gemacht mit Roll-stühlen und Blindengehstöcken. Das hat mich sehr beeindruckt. Wenn Du in einem Rollstuhl sitzt und schon nur eine Türe öffnen musst oder einen klei-nen Absatz vor der Türe überwinden musst, kann das manchmal zu einem Ding der Unmöglichkeit werden. Ich wünsche mir in erster Linie, dass sol-che Barrieren gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen abgebaut wer-den. Das ist mein grösstes soziales An-liegen.
Wie möchtest Du die Inklusion um-gesetzt sehen ?Hm . . . ich weiss nicht genau. Alle müs-sen hierzu einen Beitrag leisten. Ge-
men mit diesen Menschen gesellschaft-liche Barrieren abbauen. Es ist leider so, dass die Gesellschaft aus Beeinträch-tigungen Behinderungen macht. Die Inklusion von Menschen mit Behinde-rung ist ein zentrales Thema für mich.
Zurzeit arbeite ich im Rahmen meines Zivildienstes mit Autisten. Ich musste ganz neu lernen zu kommunizieren. Mehr so auf non-verbale Weise, das ist eine sehr schöne Herausforderung. Grundsätzlich sehe ich immer den Men-schen an erster Stelle. Genau da sollten
«Die Gesellschaft macht aus Beeinträchtigungen Behinderungen – dem möchte ich entgegenwirken.»
Weihnachtsgrüsse aus aller Welt
Hilfe zur Selbsthilfe – unter die-sem Motto konnten wir auch die-ses Jahr zahlreiche Menschen in Asien und Afrika dabei unterstüt-zen, ihre hygienischen Lebens-bedingungen zu verbessern, ihr Wissen zu wichtigen gesundheit-lichen Themen zu vertiefen, ih-ren weiten Weg ins nächstgele-gene Spital mittels Booten und Motorrädern zu verkürzen, ihre Geburten zu erleichtern und ihre Krankheiten und Behinderungen wirksam zu behandeln.
Vor Ort konnten wir uns mit ei-genen Augen davon überzeugen,
dass unsere Projekte wirken, die Menschen gesünder und selbstbestimmter leben und weniger Kinder und Erwachsene unnötig sterben. Das alles ist nur möglich dank Ihnen – wir danken Ihnen herzlich dafür!Besinnliche Weihnachten wünscht Ihnen Ihr FAIRMED-Team.
Aarbergergasse 29CH-3011 BernTelefon +41 (0)31 311 77 97Fax +41 (0)31 318 08 [email protected]
Impressum: Vierteljährliches Magazin von FAIRMED; Redaktion: Saskia van Wijnkoop, René Stäheli; Fotos: Simon Huber, Karin Scheidegger, FAIRMED, Sabine Seefeld; Gestaltung: graphicarts, Bern-Liebefeld; Druck: Spühler Druck AG, Rüti ZH. Abonnement in Spenden ab 5.– Franken enthalten.