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Page 1: «Liebe, egal in welcher Form, ist das Wichtigste im Leben» · Partnervermittlung an sich schon immer fasziniert. Vor zwanzig Jahren habe ich in München an einer Englisch - schule

4|Samstagsgespräch Wirtschaftregional|8. August 2015|5

MIT ANDREA KLAUSBERGERSPRACH KIRSTIN DESCHLER

Frau Klausberger, Sie bringen als Part-nervermittlerin seit bald 20 Jahren ein-same Herzen zusammen. Wie fing allesan?Andrea Klausberger: Generell hat michPartnervermittlung an sich schonimmer fasziniert. Vor zwanzig Jahrenhabe ich in München an einer Englisch-schule gearbeitet. Dort haben wir einen«Friendsclub» gegründet, zu dem sehrviele unterschiedliche Leute gekommensind, einfach um sich auf Englisch aus-zutauschen und gemeinsam etwas zuunternehmen. Das war 1995, zu einerZeit also, als HIV und Aids ein Riesen-thema war. Mir ist aufgefallen, dass jegrösser die Stadt ist, desto mehr HIV-po-sitive Singles gibt es auch. Für sie war esnoch schwieriger, einen Partner zu fin-den. Ich bin dann von München wiederzurück in die Schweiz gezogen und habefür mich selbst ein bisschen Marktfor-schung betrieben. Da hat sich sehrschnell gezeigt, dass die Lage hier ähn-lich ist, es aber keinePartnervermittlung fürHIV-postive Menschengibt. Da dachte ich mir,dass ich es versuchenkönnte und das hatauch ziemlich schnelleingeschlagen wie eine Bombe: Dakamen Anfragen aus der ganzen Welt.China, Amerika, von überall her habensich Menschen bei mir gemeldet. Dashat mich absolut überrascht, weil ich diePartnervermittlung eigentlich mehr alsHobby betreiben wollte.

Hatten Sie von Anfang an den Gedan-ken, die Vermittlung auszuweiten undauch nicht infizierte Singles zusam-menzubringen?Nein, überhaupt nicht. Ich hatte nichtdamit gerechnet, dass das so einschla-gen würde. Auf die Dauer hielten sichdie Anfragen von HIV-positiven Men-schen jedoch in Grenzen. Was dann aber

auf einmal kam, waren Anfragen vonMenschen mit Handicap. Daran hatteich selbst gar nicht gedacht, aber als ichden Markt analysiert habe, ist mir auf-gefallen, dass es auch keine Partnerver-mittlung für behinderte Menschen gibt.Das hat sich also ganz natürlich entwi-ckelt. Dazu kam dann noch die Bera-tung von homosexuellen Singles, für diees, genauso wie für Behinderte, bisheute, in der Schweiz kein anderes An-gebot gibt, als meines. Da ich keine«Ghettoisierung» wollte, dachte ich mir,dass ich konsequenterweise gleich eineganz offene Vermittlung für alle Men-schen anbieten müsste und so entstanddie Partnervermittlung mit Herz.

Sie sagten, Sie wären schon immer vomSystem Partnervermittlung fasziniertgewesen. Haben Sie auch persönlicheErfahrungen damit gemacht?Ja das habe ich und leider sehr negative.Das war ein weiterer Grund, selbst eineAgentur zu gründen. Als ich von Mün-chen zurück in die Schweiz gezogen bin,habe ich ziemlich abgelegen auf dem

Land gewohnt und nie-manden gekannt. Alsodachte ich mir, dass iches einmal mit einerSinglebörse versuchenkönnte. Alles in allemeine ernüchternde Er-

fahrung. Als ich von der Beraterin nachHause gefahren bin, habe ich mich ehr-lich mies gefühlt und bei mir gedacht,dass ich das besser machen könnte.

Sie haben die Vermittlung zunächst inIhrer Freizeit betrieben, neben IhrerFestanstellung als Aussendienstmitar-beiterin einer Bergsportfirma. Wie ginges weiter?Ich war in meiner damaligen Anstellungnicht ausgelastet und dachte mir, dassich die Vermittlung nebenher betreibenkönnte. Irgendwann liess sich beidesnicht mehr vereinen. Ich hatte meinPensum bei Schöffel zunächst auf 50Prozent reduziert, mich dann aber ganz

selbstständig gemacht. Die ersten zehnJahre waren wirklich ziemlich hart. Ichhabe sozusagen von der Hand in denMund gelebt. Wer reich werden möchte,sollte besser keine Partnervermittlungbetreiben. Aber nicht nur in finanziellerHinsicht waren gerade die Anfangsjahreenorm kräftezehrend: Da ich mich aufdie Vermittlung von Personen konzen-triert habe, die in gewisser Weise Min-derheitengruppen angehören und da-dadurch vielfach stigmatisiert wurden,wurde ich oft angefeindet. So wurde ichzum Beispiel aus einem Behinderten-Wohnheim geworfen, mit dem Hinweis,dass diese Menschen so etwas nichtbrauchen würden. Es gab auch Mails, indenen gefragt wurde, ob ich Gott spie-len möchte, weil ich HIV-positive Men-schen zusammenbringe.

Was hat Sie motiviert dennoch durch-zuhalten und weiterzumachen?Ganz eindeutig die positiven Aspektemeines Berufs. Wenn zwei Menschensich verlieben und zusammenbleibenoder sogar heiraten, dann ist das beson-ders schön. Ich wollte in meinem Lebenetwas Sinnvolles machen. Für mich istLiebe, egal in welcher Form, das Wich-tigste im Leben. Durchgehalten habeich vor allem, weil ich immer noch dieeinzige bin, die speziell auch Menschenmit Behinderung zusammenbringt. Ichdachte mir, wenn ich das aufgebe, dannhaben diese Menschen so gut wie über-haupt keine Chance mehr auf die Liebe.

Haben Sie besondere «Herzenspaare»?Ja, mehrere sogar. Von Anfang an war eseines meiner Ziele, für Menschen mitHandicap die Möglichkeit zu schaffen,zusammen mit einem Partner ausser-halb eines Heims leben zu können. Dasist auch schon bei mehreren Paaren ge-glückt und freut mich immer ganz be-sonders. Eine schöne Geschichte warauch, als ich einen 35-jährigen Mann,der durch eine Krankheit entstellt war,und noch nie eine Beziehung hatte, miteiner Frau zusammenbringen konnte,die blind ist. Bei den beiden hat dieLiebe sofort eingeschlagen und mittler-weile sind sie verheiratet. Auch daserste Paar ist ein ganz besonderes fürmich: beide sind HIV-positiv, immernoch zusammen und haben ein HIV-negatives Baby bekommen.

Solche schönen Lebensgeschichten be-kommt man wahrscheinlich nur beieiner persönlichen Partnervermittlungmit. Was sind weitere Vorteile gegenüberOnline-Kontaktbörsen? Viele Leute sind frustriert von der Inter-netsuche. Die Anbieter sind oft nicht se-riös und man weiss nicht, wer hinterdem Computer sitzt und ob die Angabenstimmen. Ich möchte die Menschenkennen, die ich weitervermittle. Und derMarkt gibt mir Recht: Während Online-Portale stagnieren oder sogar zurückge-hen, kann ich mich nicht über mangeln-de Aufträge beschweren, im Gegenteil.

Sie sind die grösste Partnervermittlungder Schweiz. Was machen Sie besser alsIhre Mitbewerber? Ich glaube wir haben uns einen gutenRuf erworben, weil wir uns intensiv mitden individuellen Wünschen unsererKunden auseinandersetzen. Wir arbei-ten transparent, unsere Verträge sindkorrekt, was leider viel zu oft nicht derFall ist, und wir sind mit unseren Bürospräsent und immer erreichbar.

Wie viele Singles haben Sie unter Ver-trag?Ich habe zwischen 700 und 800 Klienten.Für mich ist es aber nicht wichtig, einemöglichst grosse Datenbank zu haben,sondern dass jeden Monat Menschenglücklich vermittelt werden und wiederneue Singles dazukommen. Mittlerweilevermitteln wir pro Jahr sicher 30 bis 50Paare. Das waren am Anfang natürlichnoch nicht so viele. Garantien für eineerfolgreiche Vermittlung gebe ich nichtab, das wäre unseriös und illusorisch.

Gibt es den typischen Kunden?Nein, wir haben Männer und Frauenvon 22 bis 86 Jahren in der Kartei. Allemit ganz unterschiedlichen Charakte-

ren, Berufen, Vorstellungen und Bedürf-nissen. Grundsätzlich melden sich imAlter zwischen 25 und 40 mehr Männer,während in der Altersklasse 50plus mehrFrauen einen Partner suchen.

Was ist der begehrteste Singletypus?Da gibt es zwei Gruppen: Einmal junge,gutaussehende Frauen, die über eine ge-wisse Bildung verfügen und eine Familiegründen wollen. Und zweitens gut situ-ierte, gebildete und attraktive ältereHerren zwischen 60 und 70. Die gehenweg wie warme Weggli!

Im Grunde bestätigt das eigentlich alt-hergebrachte Rollenklischees. Hat sichdie Partnervermittlung in den vergan-genen 20 Jahren gross verändert?Grossartig nicht, das kann ich nicht be-stätigen. Was sich verändert hat ist, dassMenschen, die eine Familie gründen wol-len, immer älter werden. Auch sind ältereFrauen jetzt viel selbstbewusster undwünschen sich jüngere Männer. Das zuerfüllen ist aber nach wie vor schwierig.

Sie geben bewusst keine Erfolgsgarantieund es gibt sicher Fälle, in denen keingeeigneter Partner gefunden wird. Wiegeht es Ihnen, wenn Sie das Ihrem Kun-den mitteilen müssen?Besonders oft geschieht dies bei schwer-behinderten Menschen. Ich habe vielejunge behinderte Männer, aber fastkeine Frauen. Das ist schwierig und es isteinfach Fakt, dass wir viele Leute traurigmachen, weil ich nicht alle Menschenvermitteln kann. Manchmal kriegt mandann auch den kompletten angestautenFrust der Person ab. Das ist hart undmuss man aushalten können. Am An-fang hatte ich grosse Mühe damit. Es hatmir selbst weh getan, da viele auch ge-weint haben. Jetzt, nach 20 Jahren, kannich besser damit umgehen. Aber ichwerde mich nie daran gewöhnen.

Die Zeiten für die Liebe sind nicht dierosigsten: Es herrscht eine hohe Schei-dungsrate, Tendenz steigend. Lassen Siesich davon entmutigen?Nein. Ich bin überzeugt davon, dass diehohe Scheidungsrate eher ein von derGesellschaft gemachtes Problem ist. Eswird immer einfacher, getrennte Wegezu gehen, man kommt auch alleinedurch Leben, auch als alleinerziehendeFrau. Das war früher nicht der Fall. DerVorteil für mich als Geschäftsfrau ist,dass dadurch natürlich auch viele Men-schen wiederkommen.

Haben Sie auch schon Klienten abge-lehnt?Ja, aber das kommt wirklich sehr seltenvor. Auch wenn jemand noch so schwerbehindert ist, sage ich nie nein. Allerdingsweise ich natürlich schon darauf hin, dasses schwierig werden könnte. Abgelehnthabe ich aber einen Mann, der kam undmeinte, es sei ihm alles egal, hauptsachedie Frau ist gross, blond und hat einengrossen Busen. Und auch Frauen, dieganz klar formulierten, dass ihnen nurdas Vermögen wichtig ist, habe ich dieTür gewiesen. Und dann hatte ich nocheinen kuriosen Fall, in dem ein Inder mitseiner Schwester kam, die durchgehendgeweint hat. Ich sollte sie quasi zwangs-vermitteln, das habe ich auch abgelehnt.

Nicht selbstverständlich für eine Bran-che, in der es viele schwarze Schafe gibt.Leider. Das ist einer der Gründe, warumich in Zukunft auch auf die Ausbildungvon Single-Beratern setzen möchte.Damit könnte man der oftmals unseriö-sen Branche zu neuem Ansehen zu ver-helfen und einsamen Menschen aufkompetente, herzliche und seriöse Artzur Liebe. Erst kürzlich hat mich eineFrau kontaktiert, die gerne eine Partner-vermittlung für adipöse Menschen grün-den und gerne beraten werden würde.Das finde ich extrem spannend.

Sie leben selbst in einer Beziehung.Haben Sie Ihren Partner eigentlichdurch die Agentur kennengelernt?Nein, bei mir lief das ganz klassisch überFreunde auf einer Geburtstagsfeier.

Haben Sie ein Geheimrezept für dieLiebe?Ehrlichkeit ist sicher sehr wichtig undauch, dass man keine Bedingungen andie Liebe knüpft. Die Top drei, die vonmeinen Kunden nachgefragt werden,sind Ehrlichkeit, Humor und Toleranz.

«Die Top drei, die von meinen Kundennachgefragt werden,

sind Ehrlichkeit, Humorund Toleranz.»

Die meisten Menschen auf Partnersuche kommen erst

zu Andrea Klausbeger, wenn es bereits «fünf vor zwölf» ist. Ihre Aufgabe ist es, der Liebe

ein wenig nachzuhelfen und dasmacht sie mit grossem Erfolg.

Bilder: Daniel Ospelt

«Durchgehaltenhabe ich vor allem,weil ich immernoch die einzigebin, die speziellauch Menschen mit Behinderungzusammebringt.»Andrea Klausberger,Geschäftsführerin der Andrea KlausbergerBeratungs GmbH

STECKBRIEFName: Andrea KlausbergerFunktion: Geschäftsführerin derAndrea Klausberger BeratungsGmbHJahrgang: 1966Karriere: Zuerst als Erwachsenen-bildnerin in Englisch am WallStreet Institute in München undSt.Gallen tätig. Anschliessend ab-solvierte Andrea Klausberger eineAusbildung in Verkauf und Marke-ting und arbeitete als Aussen-dienstmitarbeiterin einer Berg-sportfirma. Nebenbei baute sieihre Partnervermittlungsagenturauf, bis sie vollständig den Schrittin die Selbstständigkeit wagte.Privates: In einer Beziehung undwohnhaft in Flawil.Das Unternehmen: Andrea Klaus-berger begann im Oktober 1995zunächst hobbymässig als Part-nervermittlerin für HIV-positiveMenschen, dann kam die Vermitt-lung von Menschen mit Handicapsowie EqualPartner, die einzigePartnervermittlung für gleichge-schlechtliche Singles in derSchweiz dazu. Mit dem Kauf derPartnervermittlung Pro Due, eineVermittlung speziell auf ältere Sin-gles zugeschnitten, wurde dasPortfolio vervollständigt. Heute istdie Andrea Klausberger GmbH diegrösste Partnervermittlungsagen-tur der Schweiz und zählt rund800 Kunden. Diese werden vondrei Mitarbeiterinnen am Haupt-sitz in Flawil und den StandortenLuzern sowie im Tessin betreut.

«Liebe, egal in welcher Form, ist dasWichtigste im Leben»Amors Assistentin Seit bald 20 Jahren ist Andrea Klausberger im Namen der Liebe unterwegs. Die grösste Partnervermittlung der Schweiz zählt rund 800 Kunden. Als einzige Agentur kümmert sie sich speziell auch um das Liebesglück homosexueller sowie behinderter Singles in der Schweiz.

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