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Hengstportrait
Erst veredelt, dann vergessen, und
nun vielleicht neu entdeckt? Das ist
– auf den Punkt gebracht – der Kar-
riereverlauf des heute zwölfjährigen Han-
noveraner Hengstes Hotline (v. Hof -
rat/T.- De Niro-Wendepunkt-Busoni xx-Aal-
fänger; Z.: Friedrich Oppermann, Salzgit-
ter). Hotline war 2005 der strahlende und
unangefochtene Siegerhengst der hanno-
verschen Körung in Verden. Wie eine Takt-
maschine durchmaß er die Verdener Nie-
dersachsenhalle. Keine Frage: Der oder
keiner! Als Sieger kostete er auch den Auk-
tions-Höchstpreis: 800.000 Euro, gemein-
schaftlich angelegt durch Paul Schocke-
möhle und das dänische Gestüt Blue Hors.
Als sich abzeichnete, dass Hotline der Gast-
star der hannoverschen Privathengstschau
2006 sein würde, „rappelte“ es im Karten-
vorverkauf. Nie zuvor waren so viele Kar-
ten verkauft worden wie in dem Jahr. Und
die Zuschauer sahen einen dreijährigen
Hengst, der mit Anja Engelbart souverän
seine Bahn zog: Nervenstark, taktbe-
herrscht mit einem Grundgangartenarran-
gement vom Allerfeinsten. Ein regelrechter
Hype um diesen Hengst brach los, etwa so,
wie er vorher schon von den Siegerhengs-
ten des Jahres 2002, His Highness und Ste-
dinger, bekannt war. Im Herbst 2006 war
Hotline dann schon erwartungsgemäß in
Schlieckau unangefochtener Sieger im
70-Tage-Test, den er mit 149,28 Punkten in
der Dressur und 137,34 Punkten im Ge-
samt index beendete. Die Fremd reiter attes-
tierten seine Rittigkeit einheitlich mit der
Idealnote 10,0. Die Deckliste 2006 war
randvoll, die Telefondrähte in Mühlen
glühten heiß und machten so dem Hengst-
namen alle Ehre: Alle wollten Hotline, und
es haben auch so ziemlich alle, die ihn
wollten, ein Hotline-Fohlen bekommen.
Ob der Hengst zur Stute passte oder nicht,
war nebensächlich, Hauptsache, man war
einer der Ersten.
Doch die Ernüchterung folgte auf dem
Fuße: Etliche Fohlen hatten etwas „runde“,
andere wiederum etwas „lange“ Gesichter.
Viele hatten eine schlichte Optik. Wie
konnte das sein, wo der Großvater doch
Trakehner war? Die Fohlen wurden zwar
dennoch vielfach prämiert und bereicher-
ten mehrere Fohlenauktionen. Aber den-
noch: Aus den „Hosianna“-Rufen des Vor-
jahres wurde ab 2007 „Kreuziget ihn!“ Da-
mit kam schon früh ein Karriereknick. Mit
deutlich geringeren Bedeckungszahlen als
2006 stand Hotline 2007 nochmals in Müh-
len und wechselte 2008 nach Dänemark
zum Mitbesitzer-Gestüt Blue Hors. Damit
war er der deutschen Züchterschaft aus
den Augen und aus dem Sinn. In Däne-
mark wurde das sportliche Management
vorangetrieben: Hotline selbst siegte im
Dänischen Bundeschampionat 2008, ge-
wann 2009 eine Qualifikation mit 9,45 und
wurde Dänischer Reserve-Champion. Sie-
benjährig war Hotline unter seinem däni-
schen Reiter Sune Hansen 2010 bereits in
Liebe auf den zweiten BlickDer Hengst Hotline
Hofrat
De Nira
KostolanyGondola IIGuter PlanetHelvetia IIHotline
De Niro
Waleska
Gribaldi
Habsburg II
DonnerhallAlicanteWendepunktBaroness
Im internationalen Sport für Dänemark erfolgreich: Hotline
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oto
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Hengstportrait
Klasse S erfolgreich und tauchte erstmals
wieder in Deutschland auf. Bei der Olden-
burger Althengstparade in Vechta im No-
vember 2010 staunte das Publikum nicht
schlecht, als der erst siebenjährige Hengst
bereits nahezu alle Grand-Prix-Lektionen
beherrschte und sauber vortrug. Es war je-
denfalls eine glänzende Visitenkarte, mit
der der schon vergessene Held sich wieder
in Erinnerung brachte.
Gekörte Söhne ohne Nachfrage
Indessen waren auf den deutschen Körplät-
zen auch die ersten Söhne aufgetaucht. Es
wurden auch einige gekört, jedoch kaum
einer fand Aufstellung auf einer Hengststa-
tion. Einen Hotline? Och nee, lieber nicht.
Hotline war „out“. Dennoch wurden im In-
und Ausland elf Söhne gekört, aber nur
drei haben in Deutschland überhaupt einen
Zuchtnamen erhalten, und lediglich zwei
von ihnen sind hierzulande in den Deck-
einsatz gelangt. Das war einmal Hofmar-
schall V (M. v. D’accord-Griseldo xx-De-
bütant; Z.: Friedrich Lampe, Barver), der
Bundeschampionats-Finalist gewesen ist
und bei Günter Voss (Gestüt Letter Berg)
im westfälischen Coesfeld-Lette gedeckt
hat, und zum anderen der erste Reservesie-
ger der Süddeutschen Körung 2010, näm-
lich der schwarzbraune Bayer Hot Spirit
(M. v. Sandro Hit-Argentinus-Castro; Z.:
Birgit Alber, Marktoberdorf). Hot Spirit war
vier Jahre stationiert auf dem Gestüt Birk-
hof bei Familie Casper in Donzdorf (Ba-
den-Württemberg). Der Vollständigkeit hal-
ber sei angemerkt, dass Hot Spot (M. v.
Florestan I- Donnerhall-Classiker; Z.: Georg
Sieverding, Emstek) Prämienhengst der Ol-
denburger Körung 2009 war. Er kam aller-
dings nicht in den Deckeinsatz. Gekörte
Söhne sind weiterhin die Oldenburger Hot
Story (M. v. Sandro Hit-De Niro-Rubinstein
I; Z.: Stall Troff, Jemgum) und Hot Shot TP
(M. v. Donnerhall-Pik Bube I-Duellschütz;
Z.: Inge Bastian, Bargeheide), die Hanno-
veraner Hermes de Hus (M. v. Rohdia-
Bundeschampionats-Finalist: der gekörte Hofmarschall V
In der schweren Dressur angekommen: Hilfiger OLD unter Holga Finken
War auf dem Birkhof stationiert: Hot Spirit
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: Laf
rent
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Hengstportrait
mant-Tin Rocco-Wienerwald; Z.: Heinrich
Gießelmann, Barver) und Highflyer (M. v.
Rohdiamant-Calypso II-Nevado xx), der
Niederländer Davino V.O.D. (M. v. Miche-
langelo/T.-Farn-Erdball xx-Zodiac) und der
Däne Ripline (M. v. Cavan-Rambo-Rossi xx;
Holst. Stamm 2269). Davino hat in den Nie-
derlanden einige Stuten gedeckt, ansonsten
sind die Hotline-Söhne inzwischen aus-
nahmslos Reitpferde; keiner ist aktuell im
Deckeinsatz.
Internationaler Grand-Prix-Sieger
Hotlines Dressurkarriere ging unterdessen
weiter: 2011 hat er im Rahmen der däni-
schen Körung in Herning mit deutlichem
Vorsprung den Prix St. Georges gewonnen.
Inzwischen ist er mit dem in Dänemark le-
benden Deutschen Maik Kohlschmidt inter-
nationaler Grand-Prix-Sieger, war 2014 u. a.
erfolgreich beim Derbyturnier in Ham-
burg-Klein Flottbek, Nieuw en Sint Joos-
land (NED), Vestfold (NOR) und Roo-
sendaal (NED). Nicht nur deshalb müssen
wohl auch die ärgsten Zweifler neu über
Hotline nachdenken, denn seine Verer-
bung sucht ihresgleichen: Seine ersten
Nachkommen wurden 2010 dreijährig und
waren auf Anhieb in Reitpferdeprüfungen
hoch erfolgreich. Halifax OLD (M. v. Sunny
Boy-Rubinstein I-Furioso II; Z.: Paul Wen-
deln, Garrel) gehörte
mit Hermann Gerdes
zu den Top Five des
Bundeschampionats,
Highland Christmas
war mit 42.000 Euro
zweitteuerstes Pferd
der Vechtaer Winter
Mixed Sales, auf der
Oldenburger Elite-Auk-
tion im Herbst brachte
Hopkins 48.000 Euro,
und in Ankum anläss-
lich der P.S.I.-Auktion
wurde Horizon für
550.000 Euro in die
USA versteigert. In Dä-
nemark stellte Hotline
die bis Intermédiaire I
erfolgreiche Landes-
Siegerstute Sirikit (M. v.
Don Schufro- Camelot/
T.-Schwadroneur/T.),
in Deutschland wurden
über 30 Staatsprämien-
stuten ausgezeichnet.
Aus dem ersten Jahr-
gang waren 2014 allein
in Deutschland bereits
sage und schreibe 14
Nachkommen sieben-
jährig S-erfolgreich. Die bekanntesten Ex-
ponenten sind die Oldenburger Hilfiger
OLD (M. v. Argentinus-Don Primero-Wold
Cup I; Z.: Heike Kind, Bremen) mit Holga
Finken und Hot Chocolate 50 (M. v. Rubin-
stein I-Insider-Furioso II; Z.: Hartmut Jans-
sen, Aurich) mit Carolin Hergenröder. In
Dänemark kommt ein erheblicher Anteil
gleichwertiger Pferde hinzu. Damit steht
fest: Hotlines Nachkommen sind Reitpferde
der allerbesten Sorte. Sie sind klar im Kopf,
gelehrig und arbeitswillig, hoch veranlagt
und mit besten Grundgangarten ausstaf-
fiert. Von der Sorte dürfte es gerne mehr
geben. Aber gerade die Dressurpferde-
züchter treiben ja jedes Jahr lieber eine
„neue Sau durchs Dorf“, statt bewährte
Hengste zu nutzen. Bei Hotline sind die
„Baustellen“ bekannt: Es wird nicht immer
Erfolgreichster Nachkomme 2014: Hot Chocolate
Silber beim Bundeschampionat der Sechsjährigen 2014: Hollister
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/Güh
ring
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Hengstportrait
ein Arabergesicht, und in der Fundaments-
korrektheit sind die vom Vater Hofrat mit-
gegebenen Defizite ebenfalls nicht ganz
wegzudiskutieren, aber ansonsten ist hier
ein Dressurpferdemacher von höchsten
Gnaden herangereift. Heute ist das Gestüt
Blue Hors übrigens alleiniger Besitzer von
Hotline.
Besondere Herkunft
Diese bisherige Erfolgsbilanz wird natürlich
begünstigt durch eine außergewöhnliche
Abstammung: Der Vater Hofrat war Reser-
vesieger der Trakehner Körung in Neu-
münster 2000 und ging später erfolgreich
bis Intermédiaire I. Er stellte bisher acht
gekörte Söhne. Nach langen Jahren auf der
Station Meyerhof (Ahstedt/Niedersachsen)
mit zeitweiligen Ausflügen auf die Station
van Uytert (Heerewarden/NED) steht er
seit 2015 auf der Oldenburger Station Böck-
mann in Lastrup-Hamstrup.
Der Muttervater De Niro, unter anderem
Sieger im Deutschen Dressur-Derby und
vielfach im Grand Prix erfolgreich, schlug
eine ebenso erfolgreiche Karriere in Sport
und Vererbung ein wie sein berühmter
Vater Donnerhall.
2008 wurde er
H a n n o v e r a n e r
Hengst des Jahres
und ist gegenwär-
tig der erfolg-
reichste lebende
Dressurvererber
der Welt.
Die Großmutter
Waleska brachte
aus der Anpaarung
mit Akzent II her-
ausragende Dres-
surpferde wie den
Bundeschampion
Alabaster (Ldb.
Celle) und Aukti-
onsspi tzenpferd
Atachi W. Nach sei-
ner internationalen
Karriere mit Jürgen
Wirths holte Atachi
W unter Tochter
Nadine Wirths Sil-
ber bei der EM der
Jungen Reiter.
Der Leistungsträger Wendepunkt als drittes
Glied der Ahnenfolge hat von 1975 bis
1979 als Privathengst auf dem Amselhof
Walle gedeckt und ging dann nach Groß-
britannien, wo er ein sehr beliebter Verer-
ber in der dortigen Hannoveraner Popula-
tion wurde.
Abgerundet wird das Pedigree durch den
Vollblüter Busoni xx, der auf der ehemali-
gen Celler Deckstelle Cremlingen in der
Region Südhannover-Braunschweig ge-
wirkt hat. Seine Nachkommen waren in al-
len Disziplinen bis Klasse S erfolgreich. Sie
waren schnittige, elegante und außeror-
dentlich beliebte Reitpferde, in den meisten
Fällen als Halbblüter klar erkennbar und
von unbedingter Leistungsbereitschaft ge-
prägt.
Über Aalfänger und Goldfalk führt die Mut-
terlinie zur hannoverschen Stutenfamilie
426/Finkenliebe (v. Finkenstein-Alamund-
Colloki-Nestoricus) die aus dem Hambur-
ger Gebiet stammte. Alles in allem hat Hot-
line alles richtig gemacht, und es lohnt ein
zweiter Blick auf diesen außergewöhnli-
chen Hengst. Claus SchriddeMittlerweile siegreich in S: Hotline-Nachkomme Horares
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: Frie
ler